Forschungsprojekt des Quartals
Inhalt und Ziele
Befristete Beschäftigungen sind in den Industrienationen heutzutage weit verbreitet und die Anzahl der befristeten Verträge steigt weiterhin, was zahlreiche Bedenken ausgelöst hat. Vor diesem Hintergrund geben wir neue Einblicke in die vielseitigen sozio-ökonomischen Folgen von befristeter Beschäftigung. Das Projekt ist hinsichtlich der verwendeten Theorien innovativ, da es ein dynamisches und Ebenen übergreifendes Modell entwickelt, welches Ideen aus Soziologie, Ökonomie, Psychologie und Sozialpolitik vereint. Insbesondere werden wir ein neuartiges, umfassendes Verständnis darüber gewinnen, wie sich befristete Beschäftigung auf das Risiko von Einkommensarmut und materieller Deprivation sowie das subjektive Wohlbefinden auswirkt.
Methode
Es werden kausale Auswirkungen von befristeter Beschäftigung auf unterschiedliche Outcomes mit Hilfe von Paneldaten und unter Anwendung der modernsten Methoden der Kausalanalyse geschätzt. Die Ergänzung des vorherrschenden „Aufwärts“-Vergleichs von befristet Beschäftigten mit permanent Beschäftigten durch den „Abwärts“-Vergleich von befristet Beschäftigten mit Arbeitslosen, hat das Potenzial, innovative Ergebnisse über die integrative Wirkung befristeter Beschäftigung zu liefern.
Darüber hinaus werden durch Subgruppenanalysen, z.B. nach Geschlecht, Alter oder Bildungsstand der Befragten, Erkenntnisse über die Heterogenität der Auswirkungen befristeter Beschäftigung auf der Individualebene gewonnen. Zusätzlich werden wir die sozio-ökonomischen Folgen von befristeter Beschäftigung in einer dynamischen Lebenslaufperspektive herausarbeiten. Die Selektion in befristete Beschäftigung, die Vielfältigkeit dieser und die Dynamiken der abhängigen Variablen werden mittels Daten untersucht, welche den befristet Beschäftigten sowie die Haushalte, in dem diese leben, über die Zeit folgen.
Da sich bisher überwiegend auf die Arbeiter selbst fokussiert wurde, werden wir die Ergebnisse um die überaus wichtige Haushaltsperspektive ergänzen, welche die Individualeffekte beeinflusst.

Wir analysieren die Effekte nicht nur für west- und osteuropäische Länder, sondern auch in liberalen Wohlfahrtsstaaten wie Kanada, den USA, Südkorea, Japan und Australien, wofür wir Mehrebenenmodelle verwenden, um den moderierenden Einflussdes institutionellen und strukturellen Kontexts zu gewinnen.
(Erste) Ergebnisse
Erste Auswertungen des Sozio-ökonomischen Panels zeigen für Deutschland, dass Personen auf befristeten Stellen weniger verdienen als ähnlich qualifizierte Personen auf unbefristeten Stellen. Darüber hinaus halten die negativen Einkommenskonsequenzen von befristeter Beschäftigung über den frühen Karriereverlauf an. Dies gilt auch wenn Personen von einem befristeten auf einen unbefristeten Job wechseln konnten. Genauer zeigt sich, dass Personen, denen es im sehr undurchlässigen deutschen Arbeitsmarkt gelingt, nach dem Arbeitsmarkteintritt auf einem befristeten Job, den Sprung auf eine unbefristete Stelle zu schaffen, nach 10 Jahren ein deutlich geringeres kumuliertes Erwerbseinkommen erzielt haben, als Personen, die ihre Karrieren von Anfang an in einem unbefristeten Job starten konnten.
Bezüglich der länderspezifischen Effekte zeigen erste Analysen auf Basis des European Social Surveys, dass die Effekte von befristeter Beschäftigung sowohl im Vergleich zu Arbeitslosigkeit als auch zu permanenter Beschäftigung auf das subjektive Wohlbefinden signifikant zwischen den Ländern variieren. Die Effekte lassen sich teilweise durch das oft postulierte Modell der latenten Deprivation von Marie Jahoda erklären. Wir zeigen außerdem, dass soziale Kohäsion – ein Faktor auf Länderebene, der politisch immer relevanter wird – teilweise die Effektheterogenität zwischen den Ländern für die Aufwärtsvergleich erklären kann.
Gesellschaftliche Relevanz und Nutzungsmöglichkeiten der Ergebnisse
Um Produktivität zu gewährleisten, ist es für die Arbeitsmarktpolitik substanziell relevant, wie sich die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes durch befristete Beschäftigung auf das Individuum auswirkt. Beispielsweise können wir durch die Betrachtung des subjektiven Wohlbefindens in einer längerfristigen Perspektive untersuchen, ob sich die Jobunsicherheit auch in dem Wohlbefinden der Personen widerspiegelt. Da durch Depressionen hohe Belastungen des Gesundheitssystems sowie ein hoher Ausfall an Arbeitskräften entstehen können, ist es wichtig, die Prädiktoren dieser zu bestimmen.
Zusätzlich ist Altersarmut ein Thema, das die heutigen Diskussionen über soziale Ungleichheit leitet. Befristete Beschäftigung kann die Anhäufung von finanziellen Rücklagen negativ beeinflussen und somit nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Erwerbs von Wohneigentum negativ beeinflussen, sondern auch dazu führen, dass Haushalte in Zeiten von Arbeitslosigkeit geringere finanzielle Polster haben.
Aktuelle Publikationen
- Fauser, Sophia (2019). “The Effect of Temporary Employment on Cumulative Wages: A Sequence Analysis with the German Socio-Economic Panel “Paper presentation at the ISA RC28 Spring Meeting in Frankfurt.
- Gebel, Michael (2019). “The Effects of Education-to-Work Transitions on Youth’s Subjective Well-Being“Paper presentation at the Research Seminar of the Institute of Social Science (ISS) at the University of Tokyo.
- Latner, Jonathan (2019). “Escaping Poverty: Good Jobs or Good Contracts?” Paper presentationat the ISA RC28 Spring Meeting in Frankfurt.
- Scheuring, Sonja (2019). “The Effect of Fixed-Term Employment on Well-Being: Disentangling the Micro-Mechanisms and the Moderating Role of Social Cohesion“ Paper presentation at the 4th International ESS Conference of GESIS at the University of Mannheim.