Frühe Kappendecken und ihre Verbreitung

Inhalt und Ziele

Kappendecken haftet aus heutiger Perspektive der Ruf des Gewöhnlichen, ja Banalen an. In der Form der Preußischen Kappen haben sie in Deutschland mit der Industrialisierung ab der 2. Hälfte des 19. Jh. einen Siegeszug als Deckenkonstruktion angetreten. Die inflationäre Verwendung bis ins 1. Drittel des 20. Jh. hinein hat der Konstruktion allgemeine Bekanntheit verschafft. Kaum ein Stall oder Wirtschaftsbau dieser Zeit, von der Ostsee bis zu den Alpen, verzichtet auf diese Decken.

Die Kombination von Backstein und Eisen lässt Kappendecken zum Inbegriff gründerzeitlicher Baukonstruktion werden. Mit diesen massenhaft erzeugten Baustoffen beginnt das industrielle Bauen in Deutschland. Die Eisenbahn spielt hierbei eine doppelte Rolle. Zum einen ermöglichte sie den umfangreichen Transport dieser Baustoffe über große Distanzen hinweg, zum anderen dienten die ausgemusterten Schienen in Zweitverwendung selbst als Eisenträger in so mancher Kappendecke.

Dieses Massenphänomen verdeckt jedoch den Blick darauf, dass es sich bei den Kappendecken nicht um eine Erfindung des 19. Jh. handelt.

Wölbetechnik

Schon weit vor dem 19. Jh. wurden Kappendecken ausgeführt. Die älteren Kappendecken weisen in der Regel Holzbalken als Längsträger auf, damit verfügen sie über Steingewölbe und Holzbauteile. Ein Vorteil der Mischkonstruktion liegt in der deutlich geringeren Konstruktionshöhe gegenüber klassischen Gewölben, die massiven Kappen weisen wiederum gegenüber reinen Holzdecken einen sehr viel besseren Feuer- und Feuchtewiderstand auf. Die Nachteile der grundsätzlichen Entflammbarkeit und Feuchteanfälligkeit der Holzbalken bleiben aber bestehen. Gleiches gilt für die höheren Baukosten einer Massivdecke gegenüber einer reinen Holzdecke oder einer Decke mit Lehmschlagfüllung. Durch die Mischkonstruktion sind diese materialspezifischen Nachteile jedoch deutlich reduziert.

Die relativ einfache Bauausführung bei geringer Bauhöhe, verhältnismäßig gutem Brandschutz und guter Feuchteresistenz hat diese Deckenkonstruktion also von Anbeginn an ausgezeichnet.

Bauprozess, Baumaterialien

In einem ersten Arbeitsschritt werden die Deckenbalken eingebaut, dies kann sowohl im Zusammenhang mit der Außenwanderstellung als auch nachträglich erfolgen. Die Deckenbalken haben in der Regel seitliche Einkerbungen als Auf- und Widerlager und bilden so ein ideales Lager für den schräg gestellten ersten Ziegelstein der gemauerten Kappe. In der Regel liegen die Deckenbalken mit einem Abstand von 40 - 90 cm nebeneinander. Ein breiteres Achsmaß ist nicht sinnvoll, da ansonsten die Kappe die Oberkante des Deckenbalkens überragen würde.
Die Herstellung der Kappen selbst erfolgt über Lehrgerüste. Nachdem die Holzbalken als Gewölbeauflager eingebaut sind, werden im nächsten Arbeitsgang die Deckenfelder gefüllt. Die Ziegelsteine werden auf einer Schalung in Längsreihen von oben aufgelegt und anschließend ebenfalls von der Oberseite vermörtelt. Sobald der Mörtel erhärtet ist, kann das Lehrgerüst ins nächste Balkenfeld versetzt werden, so dass die Arbeiten zügig von statten gehen. Die Herstellung der Kappen aus Ziegelsteinen ist wohl die gängigste Konstruktionsart gewesen. Für das Rathaus in Blankenburg und das Wohnstallhaus aus Herrnberchtheim lassen sich jedoch anstelle von Ziegeln kleinteilige Bruchsteine nachweisen.
Eine gänzlich andere Lösung findet sich im Rinderstall von Schloss Frankenberg bei Uffenheim (1794): Die Kappen sind aus Gipsestrich gegossen.

Historische Entwicklung, bisheriger Kenntnisstand

Bei den deutschen Kappendecken handelt es sich nach bisherigem Kenntnisstand um einen frühneuzeitlichen Techniktransfer aus Frankreich. Als ältestes französisches Beispiel darf die dreiteilige Decke in der Krypta in Saint-Germain in Auxerre aus der Mitte des 9. Jh. gelten. Violett-le-Duc überliefert in seinem Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle ein profanes Beispiel des 15. Jh. aus Chartres.  Herzog Erich II. zu Braunschweig-Lüneburg errichtete das Schloss Landestrost nachweislich unter dem Einfluss französischer Bauleute. In Deutschland lässt sich diese Deckenform mit parallelen Längskappen nur als reine Holzkonstruktion ins Mittelalter zurückverfolgen.

Die ältesten deutschen Beispiele aus dem 16. Jh. finden sich im Norden. 1573-1584 lässt Herzog Erich II. zu Braunschweig-Lüneburg in Neustadt am Rübenberge Schloss Landestrost mit Kappendecken errichten. Etwas später folgt das Rathaus in Blankenburg im Harz. Weitere norddeutsche Beispiele finden sich im Amtshof in Ottersberg 1585/86 (d) und in der Zinskornscheune des Schlosses Syke, um 1592.

Als frühe süddeutsche Beispiele wäre zu nennen, das Rathaus in Geisenfeld (1626), Schloss Thurnau (1675), Pfarrhaus Weihenlinden, Lkr. Rosenheim (um 1680), Schloss Schwarzenberg (Brauerei um 1700), Schloss Unterschwaningen (Nebenräume, 1715-19). Die Kappendecken sind damit spätestens 1715 im Fürstentum Ansbach eingeführt und finden im Folgenden in der Region eine weite Verbreitung bis hin zu einfachen landwirtschaftlichen Stallungen.

Weitere Beispiele sind bisher für den Aachener Raum und die angrenzenden Benelux-Staaten bekannt.

Fragestellung

Unabhängig von der Frage nach formalen Vorläufern der steinernen Kappendecken, sollte man die Entstehung der gemauerten Kappen nicht vorschnell allein ästhetischen Überlegungen oder dem Formwillen zuschreiben.

Spätestens die Anwendung von massiven gemauerten Kappen in Wirtschaftsräumen ab dem 17. Jh. belegt ihre funktionale bzw. baukonstruktive Wertschätzung, unabhängig von der Form. Insbesondere die jüngeren fränkischen Beispiele verdeutlichen, dass die Kappendecken vorrangig aus baukonstruktiven Überlegungen heraus angewendet worden sind. Sie finden sich hier überwiegend in stark feuchtebelasteten oder feuergefährdeten Wirtschaftsräumen. Die Erfassung weiterer Beispiele ist erforderlich, um diese Konstruktion in ihrer ganzen Vielfalt und den verschiedenen Entwicklungslinien zu verstehen. Noch fehlen wichtige Informationen zur zeitlichen und räumlichen Verbreitung der Kappendecken.

Aktuelle Publikation

Wenderoth, Thomas: Gerettet: Der ehemalige Gasthof Stern in Sugenheim, Mühlstraße 2: Baugeschichte, Denkmalpflege, Instandsetzungsmaßnahmen. In: Denkmalpflege-Informationen, Ausgabe B 142, München 2009, S. 15-16.

Wenderoth, Thomas: Frühe Kappendecken und ihre Verbreitung in Franken. In: May, Herbert/ Waldemer, Georg/ Weidlich, Ariane (Hrsg.): Neues aus der Hausforschung in Bayern (Quellen und Materialien zur Hausforschung in Bayern, Bd. 16), Bad Windsheim 2015, S. 177-206.

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