Workshop: Funktion und Normativität bei Darwin und Aristoteles: Natur als Entstehungsrahmen von Moral

Programm

Zum Download (Druckfassung) bitte hier klicken.(58.7 KB, 1 Seite)

Donnerstag, 20. Februar 2014 (U2/02.04) RAUMÄNDERUNG!

14:00-15:00 Annett Wienmeister/Marko J. Fuchs: Einführung

15:00-16:00 Uwe Voigt: Von der Pflanze bis zur Polis. Das vielfältige Leben und die Einheit der Seele bei Aristoteles

Kaffeepause

16:30-17:30 Martin F. Meyer: Aristoteles über die Natur des Menschen

Pause

18:00 Jörn Müller: Die aristotelische Physis zwischen Deskriptivität und Normativität (öffentlicher Abendvortag in der U5/00.24)

20:00 Abendessen

Freitag, 21. Februar 2014 (U2/02.04)

09:00-10:00 Georg Toepfer:  Drei Modelle für die Entstehung von Moral in einem evolutionstheoretischen Rahmen: Steigerung des Biosozialverhaltens, Befreiung von Naturzwängen und Achsendrehung des Lebens

10:00-11:00 Christian Kummer: Darwin und Aristoteles: Ist selektionäre Anpassung der einzige Erklärungsgrund für die lebendige Natur?

Kaffeepause

11:30-12:30 Peter Heuer: Sind Aristotelismus und Evolution vereinbar?

Mittagessen

14:00-15:00 Christian Spahn: Ungezügelter Platonismus und gebändigter Aristoteles. Welchen Naturbegriff braucht McDowell?

15:00-16:00 Gabriele De Anna: From Aristotle to Darwin and back: on different uses of teleology

16:00-16:30 Abschlussdiskussion  

Zum Inhalt:

In immer mehr Bereichen der modernen Humanwissenschaften wird die Evolutionstheorie als maßgebliches Erklärungsmodell angewendet. Beispiele hierfür sind Teile der Soziobiologie, der evolutionären Psychologie und der evolutionären Ästhetik. Die Attraktivität dieses Modells für andere Wissenschaften besteht in der Verbindung der historischen Entwicklungsdimension mit einer naturwissenschaftlich-nüchternen Betrachtungsweise, in der Phänomene funktional als auf Anpassung ausgerichtete Zusammenhänge begriffen werden. So lassen sich auch Formen menschlicher Gemeinschaft als Anpassungsleistungen verstehen und aus ihrem evolutionären Entstehungsprozess erklären. Dies soll auch für die Moral gelten, die somit zu einer evolutionär-funktionalen Anpassungsform unter anderen wird. Indessen ist diesem Erklärungsansatz von so prominenten Autoren wie Jürgen Habermas und Peter Janich heftig widersprochen worden: Bei dem Anspruch, moralische Normativität evolutionstheoretisch erklären zu wollen, handle es sich um einen Kategorienfehler. An dieser Stelle scheinen sich zwei Möglichkeiten aufzutun: Entweder wird die Moral in ihrer Eigenständigkeit nicht ernst genommen, sondern auf evolutionäre Anpassungsleistungen zurückgeführt. Oder moralische Normativität wird als irreduzibel anerkannt, was dann aber dazu führt, dass Ethik und Evolutionstheorie als zwei Perspektiven, unter denen menschliches Verhalten betrachtet werden kann, unvermittelt nebeneinander stehen.

Dieser Befund ist jedoch insofern defizitär, als in der gegenwärtigen philosophischen Ethik in zunehmendem Maße die Notwendigkeit gesehen wird, menschliches Verhalten an die Natur zurückzubinden. Daher wird im modernen ethischen Diskurs nicht nur die Vernünftigkeit des Menschen, sondern auch seine biologische Verfassung zum Gegenstand der Untersuchung. Dieser Perspektivwechsel ist maßgeblich mit einer Wiederaufnahme aristotelischer Grundfiguren verbunden, so dass sogar von einer ‚Re-Aristotelisierung der praktischen Philosophie‘ (Höffe) gesprochen wird. Was diese antike Ethik so attraktiv erscheinen lässt,  ist die Verwendung eines Naturbegriffs (physis), der zugleich die Grundlage der Aristotelischen Naturphilosophie darstellt. Es scheint somit, dass dieser Naturbegriff die Möglichkeit eröffnet, den Menschen sowohl als natürliches als auch als moralisches Wesen zu begreifen, ohne die moralische Dimension auf Naturvorgänge zu reduzieren. Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Erfolges der aristotelischen Ethik, stellt sich somit die Frage, ob nicht auch der aristotelische Naturbegriff mit dem der modernen Evolutionstheorie fruchtbringend in Bezug gesetzt werden kann. Ziel dieser Perspektivenverschränkung ist es, zu prüfen, inwieweit Aristoteles‘ Konzeption der Physis als möglicher Lösungsansatz für das oben beschriebene Problem der Disparität von Moral und Evolutionstheorie dienen kann.