Rezension zu "Persönlichkeitscoaching: Acht Schritte zur Führungsidentität"

von Dr. Jörg Pscherer (erschienen im coaching-newsletter.de)

Ja, dieses Buch über das Persönlichkeitscoaching füllt eine Lücke. Eine Lücke über Selbstdarstellungsmuster von Führungskräften, die das Buch der Bamberger Persönlichkeitspsychologen füllt mit aktuellen Forschungsergebnissen und einer praktischen Coaching-Anleitung. Und sich abhebt von plakativen und bisweilen einfältigen Typisierungen einer idealisierten Führungspersönlichkeit, die es, wie hinlänglich bekannt, nicht gibt. Nein, neu ist die persönlichkeitsorientierte Betrachtung nicht, Einzelcoaching ist ja per se personenorientiert; neu ist aber ein integrierendes und dynamisch systematisiertes Coaching-Modell.

Das Werk von Professor Laux und seiner Assistentin Riedelbauch (Gewinnerin des Deutschen Coaching-Preises 2012 in der Kategorie Wissenschaften des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V.) basiert auf jahrzehntelangen Untersuchungen zur differenziellen Psychologie und Selbstdarstellung. Das Handlungsmodell verzichtet auf Griffe in tiefenpsychologische Charakterkisten. Vielmehr bleibt es, dem Setting des Business-Coaching angemessen, bei der Frage, wie Menschen in Führungspositionen ihre eigene Identität für sich und ihr berufliches Umfeld stimmig gestalten können. Der Leser erhält auf fast 400 Seiten eine manchmal schon zu detaillierte, immer aber praxisorientierte Anleitung in acht Schritten. Der geduldige Leser wird ausgehend von einer Rahmenkonzeption des Persönlichkeitscoachings, die auf Selbstverantwortung und Intersubjektivität fußt, Schritt für Schritt durch eine Identitätskonstruktion geführt. Im Zentrum der Betrachtung, die sich an Coaches und ihre Klienten richtet, steht die – fast dem Faszinosum der Kinowelt huldigende – Selbstdarstellung. Es waren auch amerikanische Forscher, die bereits in den 50er Jahren Theorien über die Konstruktion von Persönlichkeitsfacetten entwickelten. Begriffe wie „Self Monitoring“ oder „Impression Management“ beschreiben soziale Interaktionen, in denen Menschen ihren Eindruck, den sie auf andere machen, mehr oder minder erfolgreich steuern. Da werden selbst bekannte Selbstbilder ausgewählt, mit defensiven oder offensiven Taktiken wiedergegeben, deren Außenwirkung ihrerseits die Bewertung künftigen Verhaltens beeinflussen. Ein dynamischer Prozess zwischen Innen- und Außensichten, der als Persönlichkeitsmodell gut zu modernen systemischen Sichtweisen passt. Im Coaching werden Klienten angeleitet, sich dieser Dynamik ihrer Führungsidentität bewusst zu werden und persönliche Ressourcen zu nutzen, um ihr Selbstbild den Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Umgebung entsprechend, aufzubauen. Ziel ist eine authentische Vielfältigkeit, eine anforderungsgerechte Flexibilität ohne Beliebigkeit. Also eine Einzigartigkeit – ein wohltuender individuumsorientierter Coaching-Fokus in den Wirren gesellschaftlicher Komplexität und wirtschaftlich-technologischer Entgrenzung.Der interessierte Leser mag sich fragen, wie ein solcherart ganzheitlicher Prozess in acht Schritte strukturiert werden kann. Die Autoren geben in acht Kapiteln eine nachvollziehbare, bisweilen theoretisch redundante und manchmal fast rechtfertigende Antwort. Ganz im konstruktivistischen Sinne erarbeitet sich der Leser dabei sein eigenes bzw. modellhaftes Persönlichkeitsbild – ein nebenbei zu überfliegendes Buch ist es trotz seines klaren Aufbaus sicher nicht. Sehr hilfreich zum Verständnis ist ein sich durchziehendes Praxisbeispiel, das an einigen Stellen etwas „konstruiert“ wirkt, aber ebenso wie andere Transferverweise und Tooldarstellungen das wissenschaftliche Buch für Praktiker lesbar machen. Der erste Schritt des Persönlichkeitscoachings dient dazu, die Ausgangssituation zu klären. Fragen zur Vorgeschichte einschließlich bisheriger Lösungsversuche bilden eine gute Basis für den zweiten Schritt, in dem reale Selbstbilder aktiviert werden. Die Arbeit mit dem bekannten „Inneren Team“ sowie Fragebögen zu Stärken und Schwächen klären die subjektive Sichtweise der eigenen Person auf. Folgerichtig und gemäß dem interaktiven Modells werden in Schritt drei mögliche und normative Selbstbilder auf den Plan gebracht. Hierbei handelt es sich um Zukunftskonstruktionen gewünschter Profile, um persönliche Werte und Entwicklungsrichtungen aus dem Inneren Team. Beispielsweise kann die Kino-Metapher genutzt werden, um Zielbilder und regelhafte Leitbilder zu konkretisieren. Diese münden in das Erfassen der Fremdbilder als objektive Außensicht in Schritt vier, eine wichtige Phase, in der Diskrepanzen zwischen Selbst- und Außensicht geprüft und blinde Flecken aufgedeckt werden. Es folgt der vierte Schritt, der sich auf Selbstdarstellungsmuster konzentriert, d.h. die Präsentation von Teilidentitäten und Interaktionsformen mittels Rollenspiel und Videofeedback. Der soziale Makroaspekt von Rollenerwartungen und Rahmenbedingungen füllen den sechsten Schritt des Persönlichkeitscoachings, wo auch Merkmale der Führungsposition und der Organisation berücksichtigt werden. Ein sukzessiv im siebten Schritt angesiedelter Aspekt liegt dann im Erweitern persönlicher Ressourcen durch Methoden des psychodramatischen Doppelns und Rollenwechsels sowie mithilfe kreativer Tools (z.B. Sechs-Hüte-Methode). Hier darf sich auch die Präferenz des Bamberger Lehrstuhls um Professor Laux für moderne Medien in der differenziellen Psychologie richtig einbringen. Schließlich wird der Selbstdarstellungsprozess im achten und letzten Schritt integriert und eine individuelle Führungsidentität im teilstandardisierten Interview etabliert. Ein „Brief an sich selbst“ weist den Weg in die veränderte persönliche Führungszukunft, die dann idealerweise in eine transformationale Innvotationskultur mündet.Neu sind die einzelnen Methoden des Persönlichkeitscoachings nicht. Ob Wunderfragen, multiperspektivisches Führungs-Feedback oder übende und szenische Tools aus Verhaltenstherapie und Psychodrama – die acht Schritte sammeln und vereinen Bewährtes. Aber nie in einer eklektischen Handwerkskoffer-Art, die so manche Coaching-Literatur auszeichnet. Vom Coach wird Vorwissen, Beratungskompetenz und eine entsprechende Haltung erwartet. 

Fazit: In einer dem Coaching-Selbstverständnis als wissenschaftsbasierte Profession adäquaten Art schaffen es die Persönlichkeitsforscher Riedelbauch und Laux, uns die Gestaltungschancen einer stimmigen Führungsidentität als Balance zwischen Innen und Außen nahezubringen. Das Schöne daran: es ist lernbar.