Führt der Glaube an einen einzigen Gott zu Gewalt?

Klaus Müller beantwortete diese Frage aus religionsphilosophisch-theologischer Sicht. (Bilder: Theologisches Forum/Heimo Sperling)

- Heimo Sperling

Gott und Gewalt?

Start des Theologischen Forums „Die Macht des Einen(s) – Monotheismus, Monismus und Gewalt“

Spätestens seit dem 11. September 2001 geht die Angst vor dem „Kampf der Kulturen“ auch in Deutschland um. Aber handelt es sich vielleicht in Wirklichkeit um einen „Kampf der Monotheismen“? Dieser Frage stellt sich das Theologische Forum der Fakultät Katholische Theologie im Wintersemester 2008/09. Der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Dr. Klaus Müller aus Münster beleuchtete das aktuelle Thema aus religionsphilosophisch-theologischer Sicht.

Glaube und Vernunft müssen zusammen gehören

„Eine Welt mit Religion oder Religionen des Abrahamitischen Typs zu füllen, ist als ob man auf die Straßen geladene Waffen streute. Dann sollte man nicht überrascht sein, wenn sie auch benutzt werden“, so zitierte Müller mit Richard Dawkins einen prominenten Monotheismuskritiker. Dem stellte Müller die lange Geschichte von Vernunft und Toleranz in der christlichen Kirche entgegen. „Wo aber Vernunft und Glaube auseinander gerissen werden, entspringt Gewalt und die Religion verkommt zum Ritual“, erklärte Müller den aus seiner Sicht entscheidenden Punkt, dass Gewalttätigkeit nicht an sich eine Eigenschaft monotheistischer Religionen sei, sondern aus dem Auseinanderbrechen von Glaube und Vernunft entstehe.

Alles eins?

In seinem 1998 erschienen Buch „Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur“ nennt der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann den Absolutheitsanspruch der „mosaischen“ monotheistischen Religionen als mögliche Quelle von Intoleranz und Gewalt. Die Spur dieses intoleranten Monotheismus beginne in Ägypten mit der Religion des Pharaos Echnaton. Es existierte aber auch in Ägypten schon eine gegenläufige Strömung: das All-Einheitsdenken. In seinem Vortrag zeichnete Müller die Spur dieses All-Einheitsdenkens in der christlichen Religion nach. Dieser „monistische Tiefenstrom“ sei im Pantheismusstreit Ende des 18. Jahrhunderts kulminiert. Die Vorstellung, dass Gott und die Welt eins sind, löste sich am weitesten von der personalen Gottesvorstellung, ist aber, so kam es vielen Zeitgenossen vor, fast gleichbedeutend mit Atheismus. „Überall dort, wo es um Vermittlung geht, tritt Monismus ein“, wies Müller auf das hohe Integrationspotenzial des All-Einheitsglaubens hin.

Reflexion und Humor gegen Extremismus

Nach der Logik der Monotheismuskritik müsse der Polytheismus also die wahre Friedensbewegung sein. So verdeutlichte Müller beiläufig, dass der Umkehrschluss die Monotheismuskritik ad absurdum führt. Gegen gefährliche Vereinfachungen helfen Vernunft und Reflexion, die auch anthropomorphen Gottesbildern entgegenwirken. Dies kann sich auch mit Humor verbinden, wofür es in der Kirche durchaus eine Tradition gibt. Hierzu erzählte Müller ein Beispiel: In Johannes 8,7, wo es um die Bestrafung einer Ehebrecherin geht, sagt Jesus: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Tatsächlich wirft jemand von hinten einen Stein. Jesus dreht sich um: „Aber Mutter!“

Weitere Vorträge der Reihe:

Donnerstag, 20. November 2008, 20 Uhr: „Auf Dich, Gott, habe ich meine Hoffnung gesetzt.“
Plädoyer für einen aufgeklärten Monotheismus
Vortrag von Prof. Dr. Saskia Wendel, Erfurt

Donnerstag, 4. Dezember 2008, 20 Uhr: Der Koran als exegetischer Text
Vortrag von Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Berlin

Dienstag, 20. Januar 2009, 16 Uhr: Zorn und Eifer Gottes. Der Gewaltvorwurf gegen den Monotheismus. Eine Ehrenrettung aus jüdischer Sicht
Vortrag von Prof. Dr. Daniel Krochmalnik, Heidelberg

Veranstaltungsort aller Vorträge: An der Universität 2, Raum 025 (Hörsaal 1)