Welchen Bildungsweg dieses Kind einschlagen wird, hängt stark von seiner Herkunftsfamilie ab (Foto: samlevan/stockxchng.com).

Volker Stocké (Foto: privat)

- Felicia Geuder-Hanslik

Ursachen und Folgen von Bildungsungleichheit

Antrittsvorlesung von Prof. Dr. Volker Stocké

Dass Stocké „neuen Wind“ in die Fakultät Sozialwissenschaft bringe, erhofft sich Dekan Prof. Dr. Thomas Gehring von seinem Kollegen, wie er in seiner Begrüßung sagte. Aber mit seiner umfangreichen Erfahrung im Bereich der Sozial- und Bildungsforschung dürfte dies für den Professor vom Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt längsschnittliche Bildungsforschung wohl kein schwer zu erfüllender Wunsch sein, sagte Gehring zuversichtlich.

Stocké, 1966 in Frankenthal geboren, promovierte mit einer herausragenden Dissertation an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Universität Mannheim. Er arbeitete an zahlreichen kooperativen Projekten mit und machte sich durch Publikationen in angesehenen Buchprojekten und wissenschaftlichen Zeitschriften wie der Rationality and Society, der Zeitschrift für Erziehungswissenschaften oder der European Sociological Review einen Namen. Neben der Leitung einer Reihe von „Summer Schools“ unterhält er außerdem Kooperationsbeziehungen zu Universitäten aus aller Welt. Schon im September 2006 kam er in Kontakt mit der Universität Bamberg, als er als Mitglied in das Konsortium zur Errichtung eines Nationalen Bildungspanels in Deutschland aufgenommen wurde. Nachdem er zunächst die Abteilung „Soziale Ungleichheit und Bildungsentscheidungen im Lebensverlauf“ des Nationalen Bildungspanels geleitet hatte, übernahm er ab 2008 die Vertretung der Professur für Soziologie mit dem Schwerpunkt längsschnittliche Bildungsforschung an der Universität Bamberg. Nach seiner Habilitation an der Universität Mannheim erfolgte schließlich seine Ernennung zum Professor.

Abschluss gut, alles gut

Stocké hat es sich insbesondere die empirische Erforschung der Determinanten des Bildungserfolgs im Lebenslauf sowie die Erklärung der Entstehungsbedingungen von Bildungsungleichheit zur Aufgabe gemacht. Theorien und Ergebnisse dieser Arbeit stellte er in seiner Antrittsvorlesung im gut besetzten Hörsaal der Feldkirchenstraße seinem Publikum vor.

„Bildung“ ist hier vor allem im Sinne von Wissen und Kompetenz, als auch in der Erwerbung von gesellschaftlich anerkannten Zertifikaten zu verstehen. Insofern ist diese Definition eher in der Humankapitaltheorie anzusiedeln als dass sie dem Humboldt’schen Bildungsbegriff entspräche. Mit der Qualität des Abschlusses steigt nicht nur das Einkommen, sondern auch die Resistenz gegen Krankheiten, wie nachgewiesen werden konnte. Auch die politische und bürgerschaftliche Partizipation sowie vor allem die Lebenschancen würden bei höheren Bildungsabschlüssen zunehmen: Hochschulabsolventen genössen damit weit mehr soziales Ansehen, gerieten seltener in Kriminalität und Arbeitslosigkeit und empfänden – subjektiv betrachtet – auch mehr Lebensglück.

Determination durch Geburt?

Dass die Herkunftsfamilie eines Kindes auf dessen Bildungsweg und die später daraus resultierenden Vor- oder Nachteile einen großen Einfluss hat, ist nicht nur eine weit verbreitete Annahme, sondern eine erforschte Tatsache. Schon die Entscheidung der Eltern, dass ihr Kind einen Kindergarten besucht, treffen vor allem Personen mit höherem Abschluss – ebenso die Entscheidung, dass ihr Kind nach der Grundschule auf ein Gymnasium geht. Die primären Effekte, die nach der Rational-Choice-Theorie vor allem die Unterschiede in der Leistung betreffen, sind beim Übergang in die Sekundarstufe weniger bedeutsam als die sogenannten sekundären Effekte, die die Entscheidung der Eltern in den Blick nehmen. Diese wiederum wird beeinflusst von der Frage nach den Kosten für die Bildung, der Bildungsrendite, also dem erwarteten Nutzen höherer Bildung, sowie der Wahrscheinlichkeit, dass das Kind den Anforderungen der weiterführenden Schule gerecht werden kann. Je nach sozialer Herkunft sprechen diese Aspekte entweder für oder gegen den Übertritt auf eine höhere Bildungsanstalt. Im Falle eines Schülers aus der Arbeiterklasse würde die Entscheidung der Theorie gemäß wohl eher gegen den Besuch des Gymnasiums ausfallen.

Überraschend mutet das Modell an, nach dem – neben den Schulleistungen des Kindes – auch die Bildungsansprüche der Freunde der Eltern die Entscheidung beeinflussen. So beachten Eltern hinsichtlich des Übertritts ins Gymnasium dann immer weniger die Schulleistungen ihrer Kinder, wenn ein zunehmend größerer Anteil der Bezugspersonen einen Besuch dieser Schulform als unerlässlich ansieht.

Nachdem Prof. Dr. Stocké Theorien und Ergebnisse aus seinem Forschungsgebiet vorgestellt hatte, lud er zum gegenseitigen Austausch bei Häppchen und Getränken.