Von Hand bemalt wird das Porzallan in der Manufaktur Lindner. (Foto: Lindner Prozellanfabrik KG)

Zur Bedarfsanalyse führen Thorsten Schmittlutz (v.l.) und Stefan Ortlieb Interviews - wie hier mit Lennart Peters.

Porzellan – Ein Fall für Psychologen?

Von der Grundlagenforschung zur Anwendung

Fingerhüte mit zartgelben Rosen, Kronleuchter in opulentem Cobaltblau und Gold oder Häschen-Eierbecher: In der Porzellanmanufaktur Lindner gibt es nichts, was es nicht gibt. Wer die hohe Werksverkaufshalle in Küps bei Kronach besucht, bekommt einen Eindruck von der Vielzahl, die das Unternehmen seit seiner Gründung vor 82 Jahren produziert hat. „35.000 Einzelstücke kann man aus unserem Sortiment bestellen, Sonderanfertigungen nicht mitgerechnet“, erklärt Werner Gossel, der die Manufaktur führt. Das Angebot ist groß, eine eigene Internetseite gibt es noch nicht und Geschäftsführer Gossel treibt die Frage um: Kann er in Zukunft sein Sortiment online präsentieren, sodass seine Kunden ein bestimmtes Modell auf Anhieb finden? 

Die Bamberger Psychologen Stefan Ortlieb, Thorsten Schmittlutz und Marius Raab wissen, wie man Waren wie die der Porzellanmanufaktur präsentiert. Sie forschen am Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre von Prof. Dr. Claus-Christian Carbon zu Nutzerakzeptanz, Ästhetik und auch zum Multimodalen Marketing, also dazu, welche Rolle Sinneseindrücke bei Kaufentscheidungen spielen. Denn wenn ein Kunde einen Teller in der Hand hält, ist für den Kauf nicht nur ausschlaggebend, ob ihm das Dekor gefällt. Auch wie er sich anfühlt oder wie der Verkaufsraum aussieht, bestimmt die Entscheidung. Ähnliches gilt für den Onlinehandel. 

Als die drei Bamberger Psychologen im Frühjahr Betriebe in der Umgebung anschrieben und einluden, bei ihrem jüngsten Projekt teilzunehmen, sagte Gossel zu. Im Rahmen von Multimodales Marketing für kleine und mittlere Unternehmen erfahren er und elf weitere Betriebe zwischen Haßfurt, Bamberg und Hof nun, wie sie die Sinne ihrer Kunden ansprechen und somit ihre Produkte besser präsentieren können. 

Eine Brücke zwischen Universität und Gesellschaft

Möchte ein Unternehmen nicht warten, bis es von Forscherinnen und Forschern angesprochen wird, sondern selbst auf die Universität zugehen, kann es sich zum Beispiel an Peter Rosner wenden. Der Mitarbeiter im Dezernat Forschungsförderung & Transfer der Universität Bamberg vermittelt Kooperationen zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Unternehmen und berät die Beteiligten. Transfer bezeichne in einer eng gefassten Definition den planvollen Übertrag von Wissen und Technologien in die Wirtschaft zum Zwecke der Innovation. „In Bamberg haben wir ein breiteres Verständnis, das dem Profil der Universität mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten entspricht“, erklärt Rosner. Transfer sei jeglicher Austausch von Wissen zwischen der Universität und außeruniversitären Partnern wie Unternehmen oder Kommunen. „Wissen ist ein Rohstoff, dessen Verwertungspotenzial durch die Anwendung ausgeschöpft wird.“ 

Michael Schleinkofer, Leiter des Dezernats, nickt und ergänzt: „Die Unternehmen können den aktuellen Stand der Forschung für sich und ihre Projekte nutzen. Und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten zum einen eine direkte Rückmeldung zu ihren Forschungsaktivitäten und zum anderen konkrete Anregungen für angewandte und gesellschaftlich relevante Forschungsprojekte.“ Deswegen sei das Ziel des Dezernats, Professorinnen und Professoren aber auch den Mittelbau für das Thema Transfer zu sensibilisieren und das Potential der Universität vor allem in der Region stärker bekannt zu machen. Das geschieht zum Beispiel durch Veranstaltungen wie KMUni oder die Tandemreihe Wissenschaft & Praxis.

Bedarfserhebung ist abgeschlossen

In der ersten achtwöchigen Phase des Projekts Multimodales Marketing für kleine und mittlere Unternehmen, das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird, besuchten Ortlieb und seine Kollegen die teilnehmenden Betriebe. So erfuhren sie, welche spezifischen Anforderungen aus dem Marketingbereich für jedes einzelne Unternehmen besonders bedeutsam sind. Ortlieb berichtet: „Der Inhaber eines Schuhgeschäfts denkt zum Beispiel über verschiedene Bodenbeläge nach, für einen Geigenbauer hingegen ist der Raumklang von Interesse.“ Werner Gossel möchte während des Projekts Grundlagen für eine Internetpräsenz erarbeiten, die das große Angebot der Firma Lindner für Kunden übersichtlich und ansprechend präsentiert.

Diese Phase der Bedarfserhebung ist nun abgeschlossen. Ab März 2016 vermitteln die Psychologen in einem Onlinekurs Grundkenntnisse der Wahrnehmungsforschung. Danach erarbeiten sie gemeinsam mit den Unternehmen in einer Präsenzphase konkrete Möglichkeiten, um deren Produkte noch besser zu präsentieren. Durch die Interviews während der Bedarfserhebung weiß Ortlieb: „Die Porzellanmanufaktur steht zum Beispiel vor der Herausforderung, die Sinneseindrücke, die man sonst beim Betrachten und Anfassen des Porzellans wahrnimmt, rein digital zu präsentieren. Wie man das macht, werden wir in den kommenden Monaten gemeinsam erarbeiten.“

Hinweis

Diesen Text verfasste Samira Rosenbaum für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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