Heinrich Gockel (Foto: Barbara Herbst)

Heinrich Gockel im Jahr 2008 mit dem letzten internationalen Ferienkurs, den er betreute. (Foto: Universität Bamberg)

Ein exzellenter Wissenschaftler und eine vielseitige Künstlerpersönlichkeit

Heinrich Gockel ist am 27. Dezember 2015 verstorben

Prof. Dr. Heinrich Gockel, allen als Heinz bekannt, war nicht nur ein exzellenter Wissenschaftler, sondern zugleich eine vielseitige Künstlerpersönlichkeit. Er besaß ausgeprägte schauspielerische, musikalische und poetische Talente, die seinen wissenschaftlichen Arbeiten ebenso wie seinem geselligen Umgang mit Studierenden, Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen und seiner Wirkung in die Bamberger Öffentlichkeit zugute kamen. So war er beispielsweise Gründungsmitglied der Kleinkunstbühne Palais Schrottenberg e.V., heute Neues Palais e.V., wo er über viele Jahre als Vorstandsmitglied wirkte.

Seine Exkursionen mit Studierenden nach Weimar waren geradezu legendär. Goethe war neben seinem Favoriten Lichtenberg, der ihm die Feder zu eigenen Aphorismen führte, der gar nicht so geheime Mittelpunkt seines Denkens. Auf Goethe kam er immer wieder zurück und zitierte ihn versiert aus dem Stegreif. Die Bamberger Goethe-Gesellschaft profitierte davon nicht nur zur Weihnachtszeit, wenn er die beliebten Tee- und Rezitationsstunden veranstaltete.

Als langjähriger Organisator des internationalen Ferienkurses prägte er das Bild von Deutschland, das ausländische Germanistikstudierende und Deutschlehrende im Ausland während ihres Aufenthalts in der Domstadt gewannen.

In seinen wissenschaftlichen Arbeiten erörterte er mit Vorliebe Fragen nach der Poetik und dem Mythosverständnis der Autoren, nach der Rolle der Musik und dem Verhältnis von Philosophie und Literatur am Beispiel von Werken Lessings, Herders, Brentanos, Thomas Manns und mancher Gegenwartsautoren wie Wolfdietrich Schnurre, Günter Grass, Christine Brückner bis hin zu Erich Fried.

Er beteiligte sich an vielen Initiativen des Faches, wirkte an der Lesereihe Literatur in der Universität mit, machte Vorschläge für die Besetzung der alljährlichen Poetik-Professur, gab mehrere Hefte der Fußnoten zur Literatur heraus, beispielsweise über Giwi Margwelaschwili und über Doris Runge. Enthusiastisch beförderte er die umstrittene Ehrenpromotion Hans Wollschlägers, als sie zu scheitern drohte.

Temperamentvoll, aber geduldig und erfolgreich arbeitete Heinrich Gockel in zahlreichen Gremien der Universität mit. Neben der Lehr- und ausgedehnten Prüfungs- und Gutachtertätigkeit leitete er eine eigene, aus Drittmitteln finanzierte Forschungsstelle über Friedrich Heinrich Jacobi. War im Fachbereichsrat eine ungeliebte Aufgabe oder Funktion zu übernehmen – alle duckten sich oder schauten sehr konzentriert aus dem Fenster – dann sprang er nicht selten in die Bresche. Er war ein vorbildlicher Kollege, konziliant, aber auch mutig. Freundlich, aber nie anpasserisch. In der Societas literaria war Heinrich Gockel eine durch und durch republikanisch gesinnte Persönlichkeit, ein Forscher und Lehrer von hohen Graden.

Vita

Der 1941 im thüringischen Worbis geborene Heinrich Gockel studierte Germanistik, Philosophie und Theologie in Freiburg im Breisgau, Paderborn und Münster. Ebenfalls in Münster promovierte er 1971 mit einer Arbeit über Georg Christoph Lichtenbergs Aphorismen und habilitierte sich acht Jahre später 1979 mit einer Arbeit zum Mythosbegriff in Aufklärung und Frühromantik. Im Oktober des selben Jahres nahm er den Ruf auf die Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg an, die soeben von der Gesamthochschule Bamberg wieder zur Universität ernannt worden war.

In den kommenden Jahren forschte er zur Literatur der Aufklärung, zu Klassik und Romantik, zum Mythosbegriff der Neuzeit und den Autoren Friedrich Heinrich Jacobi, Heinrich und Thomas Mann sowie Max Frisch und verfasste Aufsätze zur Gegenwartsliteratur und zur deutschen Geistesgeschichte. Zwei Mal übernahm er während seiner Zeit an der Otto-Friedrich-Universität das Amt des Dekans: In den Jahren 1983 bis 1984 sowie 1994 bis 1996 leitete er die damalige Fakultät Sprach- und Literaturwissenschaften. Bis 2008 verantwortete er das Programm des internationalen Ferienkurses für ausländische Germanistikstudierende und Deutschlehrer im Ausland mit Sprachkursen, Seminaren, Exkursionen und Theaterworkshops.

Der Domstadt blieb er stets treu und hat sich nie an einer anderen Universität beworben. Insgesamt 27 Jahre lang lehrte und forschte er in Bamberg, bis er im Jahr 2006 seine Abschiedsvorlesung in der bis weit über den letzten Platz gefüllten AULA hielt.

Hinweis:

Den Text verfassten Prof. Dr. Wulf Segebrecht (Würdigung) und Samira Rosenbaum (Vita) für die Universität Bamberg.