Ilja C. Hendel/Wissenschaft im Dialog

Die MS Wissenschaft legt vom 8.-10. September in Bamberg an.

Kathrin Wimmer/Universität Bamberg

An Bord: Ein Exponat von Daniela Nicklas, das den Besucherinnen und Besuchern zeigt...

Ilja C. Hendel/Wissenschaft im Dialog

...welche Datenspur sie hinterlassen.

Den Daten auf der Spur

Informatikprofessorin setzt sich für Datenschutz trotz Datenmessung ein

Das Smartphone ist unser täglicher Begleiter: Die einen geben es nicht aus der Hand, die anderen haben es – wenn nicht am Ohr – dann zumindest in der Tasche. War das WLAN auf unserem Weg durch die Stadt angeschaltet, können auch Dritte wissen, wo wir uns den Tag über bewegt haben. Die Informatikprofessorin Dr. Daniela Nicklas erforscht und schützt zugleich Daten.

Alice geht Tag für Tag zum Fastfood-Laden um die Ecke. Jetzt bekommt sie Probleme mit ihrer Krankenkasse – die will ihren Beitrag erhöhen, weil sich Alice zu ungesund ernährt. Woher die Krankenkasse das weiß? Von Alices Smartphone. Weil ihr WLAN auch außerhalb von zuhause eingeschaltet war, konnte man ihren täglichen Weg durch die Stadt ermitteln. Und dieser Weg zeigt einen regelmäßigen Halt beim Fastfood-Laden. Dass Alices Freund Bob dort arbeitet und sie einfach gerne für eine kurze Plauderei vorbeischaut, das interessiert keinen. Der Beitrag steigt.

Was wie eine düstere Vision klingt, ist bereits möglich. Ist das WLAN eingeschaltet, lässt sich über einen Router die individuelle MAC-Adresse abrufen, die jedes Gerät besitzt. Sie ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Über die MAC-Adresse können gezielt Informationen über die Gerätebesitzerin oder den -besitzer gesammelt werden. Wo ist der Arbeitsort? Wie viel Zeit verbringt er dort? Und geht sie lieber ins Fitnessstudio oder zum Fastfood-Laden? „Diese personenbezogenen Daten können leicht missbraucht werden, wenn sie in falsche Hände geraten. Sie sind gesetzlich nicht geschützt – diese Daten dürfen legal abgefangen und gespeichert werden“, erklärt die Bamberger Informatikprofessorin Dr. Daniela Nicklas. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Informatik, insbesondere Mobile Software Systeme, setzt sich daher für mehr Datenschutz ein – und zeigt an konkreten Beispielen, wie man Daten sammeln kann, ohne die Privatsphäre zu verletzen. Mit ihrer wegweisenden Arbeit hat sie es auch auf die MS Wissenschaft geschafft, die demnächst in Bamberg anlegt.

Besucherströme und -bewegungen mit Sensoren erfasst

Jüngst hat die Informatikerin das internationale Straßen- und Varietéfestival „Bamberg zaubert“ für ihre Forschungen genutzt. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher kamen im vergangenen Juli zum Festival, um Künstler, Magier und Akrobaten zu bestaunen. Wie viele Gäste tatsächlich in die Welterbestadt kamen und wie sich die Besucherströme über das Gelände bewegt haben, hat ein studentisches Projekt unter Leitung von Nicklas und ihrer Kollegin Prof. Dr. Ute Schmid untersucht.

Zwölf Studierende waren im Einsatz, um mit Hilfe von sogenannten Flowtrack®-Sensoren Besucherströme zu messen und Besucherbefragungen durchzuführen. Insgesamt sechs solcher Sensoren wurden an den Standorten Maxplatz, Grüner Markt, Gabelmann, Obstmarkt, Obere Brücke und vor dem Universitätsgebäude U5 installiert und registrierten die WLAN- und Bluetooth-Signale der eingeschalteten Geräte. Es wurden über die Zeit 800.000 Datenpunkte (mit Mehrfachsichtungen) aufgezeichnet und insgesamt rund 30.000 unterschiedliche Geräte registriert.

Datenschutz trotz Datensammlung

Aus den Befragungen ergab sich, dass über 90 Prozent der rund 130 Befragten ein Mobilgerät dabei hatten – und bei fast 40 Prozent war WLAN aktiviert. Es wäre ein Leichtes, die individuellen Gehwege Einzelner über die MAC-Adresse zu „tracken“, zu verfolgen. Nicht bei Nicklas: Die aufgefangenen MAC-Adressen wurden durch eine Einweg-Funktion verschlüsselt, so dass keine Rückschlüsse auf die Gerätebesitzerinnen und -besitzer mehr möglich sind. Einmal codiert, kann der Ursprung nicht mehr wiederhergestellt werden. Ein einfaches Beispiel dafür wäre die Quersumme: Die Quersumme aus 17 ist acht. Die Ausgangsbasis ist aber nicht mehr zu rekonstruieren: Es könnte sich beispielsweise um die Zahl 62 oder 71 oder 44 oder 53 gehandelt haben.

Aktuell werten die Studierenden die anonymisierten Daten aus dem Projekt „Bamberg zaubert“ aus. Ziel ist es, nützliche Informationen für Veranstaltende und Gastronomen zu gewinnen: „Die Messergebnisse können Rettungskräften helfen, die günstigste Strecke für ihre Fahrt zu einem Unfallort zu erkennen. Die Veranstalter können mit den soliden Personenzählungen Sicherheitskonzepte erstellen oder die Versorgungssituation der Gäste verbessern“, zeigt Nicklas die Sinnhaftigkeit solcher Datenerhebungen auf. Zudem möchte die Professorin die Stadt Bamberg zum „Living Lab“ machen und die Sensoren dauerhaft installieren. Die gewonnenen anonymisierten Daten helfen, den Lebensraum für alle lebenswert zu halten. „Was es für den Verkehr längst gibt, könnte man auf Radfahrer und Fußgänger ausweiten – damit beispielsweise benötigte Radwege nachgewiesen und gebaut werden“, sagt Nicklas.

Gute Daten, schlechte Daten: Thema der MS Wissenschaft

Prof. Dr. Daniela Nicklas hat es mit dem Modell der verschlüsselten Datenerhebung sogar auf das Schiff MS Wissenschaft geschafft, das vom 8. bis 10. September an der Schleuse in Bamberg, Galgenfuhr 25, anlegt: Unter dem Motto „Gute Daten, schlechte Daten in der Zukunftsstadt“ können Besucherinnen und Besucher täglich von 10 bis 19 Uhr das Bamberger Exponat, das von der Technologie Allianz Oberfranken (TAO) unterstützt wird, ausprobieren und selbst mitwirken. Mit Hilfe von Kameras, die auf dem gesamten Schiff platziert sind, und einer Smartphone-App werden anonym Besucherdaten, wie beispielsweise die Verweildauer auf dem Schiff oder an den einzelnen Exponaten, gesammelt und im Simulator angezeigt. Die Besucherinnen und Besucher erfahren so unmittelbar, wie sie durch den Gebrauch von Handys und anderen mobilen Geräten Datenspuren hinterlassen – und was diese Datenspuren wiederum über sie selbst aussagen. Am 9. September findet um 19 Uhr die Podiumsdiskussion „Dialog an Deck“ statt, bei der Prof. Nicklas zum Thema „Datenschutz trotz Datenmessung“ mit weiteren Expertinnen und Experten diskutiert und auch über das Living Lab berichtet. Interessierte sind herzlich willkommen.

Ansprechpartnerin für Rückfragen:

Prof. Dr. Daniela Nicklas
Lehrstuhl für Informatik, insbes. Mobile Software Systeme
Telefon: 0951-863 3670
E-Mail: daniela.nicklas(at)uni-bamberg.de

Abschlusspräsentation

Die Abschlusspräsentation zum „Bamberg zaubert“-Projekt findet am 13. Oktober um 16 Uhr an der Fakultät WIAI, An der Weberei 5, statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hinweis

Diesen Text verfasste Kathrin Wimmer für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

Bei Fragen oder Bilderwünschen kontaktieren Sie die Pressestelle bitte unter der Mailadresse medien(at)uni-bamberg.de oder Tel: 0951-863 1023.