Blick in die wechselvolle Gebäudegeschichte: Vom Privatanwesen zum Internationalen Gästehaus

An der Rückseite des malerischen Klein Venedig im Zentrum der Bamberger Altstadt liegt das Anwesen Fischerei 5, auch Haus zum Wasserwirt genannt. Die Universitätsstiftung hat das Fachwerkhaus mit dem ungewöhnlichen halben Dachgiebel für die Universität saniert und stellt es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Domstadt besuchen, als Unterkunft zur Verfügung.

von Samira Rosenbaum

„Für eine Universität, deren Campus Teil des Weltkulturerbes ist, stellt ein Gästehaus in einem sanierten Einzeldenkmal des 16. Jahrhunderts eine unschätzbare Bereicherung dar“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Kai Fischbach. „Ich freue mich sehr, dass mein Vorgänger Godehard Ruppert die Initiative dafür ergriffen und das Projekt gemeinsam mit der Kanzlerin Dagmar Steuer-Flieser begleitet und vorangetrieben hat.“ Prof. Dr. Godehard Ruppert, Präsident a.D., schildert seine Überlegungen: „Um hochrangige internationale Forschende für Kooperationen zu gewinnen, muss man ihnen ein entsprechendes Umfeld bieten. Das Haus zum Wasserwirt verspricht mit seiner Lage und dem durch die Sanierungsmaßnahmen erreichten Charme einen nahezu exklusiven Standortvorteil für die Otto-Friedrich-Universität Bamberg.“ Die vier Appartements sollen nun beste Arbeitsbedingungen für die Gäste gewährleisten.

Sanierung des Hauses trägt zur Kulturgutsicherung in der Bamberger Altstadt bei.

Damit gehört ein weiteres denkmalgeschütztes Gebäude der Innenstadt zur Universität. Die Arbeiten an der ehemaligen Dominikanerkirche und jetzigen AULA, dem alten Schlachthaus, der ehemaligen Kupfer-Faktorei (heute: Universitätsgebäude Am Kranen 14) oder dem Hochzeitshaus zeigen, wie die universitäre Nutzung durch die Kombination von Instandhaltung, Lehre und Forschung langfristig finanziell und ideell einen großen Beitrag zur Kulturgutsicherung in der Bamberger Altstadt leistet. Das Haus zum Wasserwirt reiht sich hier ein.

Die Bamberger Universitätsstiftung hatte das Gebäude mit einer Hauptnutzfläche von 195 Quadratmetern im Jahr 2011 erworben. Kauf und Sanierung haben insgesamt gut eine Million Euro gekostet, wesentlich finanziert durch Zuschüsse Dritter, darunter insbesondere die Hans-Löwel-Stiftung und die Oberfrankenstiftung. „Ehrensenator Ulf Schmitt hat sich als Vorsitzender der Hans-Löwel-Stiftung intensiv dafür eingesetzt und maßgeblich dazu beigetragen, dass dieses Gebäude heute von der Universität als Gästehaus genutzt werden kann“, sagt Godehard Ruppert. „Ohne das große Engagement des Ehrensenators wären wir heute nicht in der Lage, Gäste aus aller Welt in einem Gebäude der Universitätsstiftung zu beherbergen“, bekräftigt Dagmar Steuer-Flieser.

Dank Professorin Gabriele Faust konnte die Universitätsstiftung das Haus zum Wasserwirt erwerben.

Darüber hinaus trug die letzte, kurzzeitige Besitzerin des Gebäudes und mittlerweile verstorbene Lehrstuhlinhaberin für das Fach Grundschulpädagogik und -didaktik, Prof. Dr. Gabriele Faust, wesentlich zum Gelingen des Projektes bei. „Ich hatte ihr berichtet, dass die Universitätsstiftung das alte Haus zum Wasserwirt kaufen und zum Internationalen Gästehaus umbauen wollte. Ohne ihre großzügige Unterstützung wäre das nicht möglich gewesen“, erinnert sich Godehard Ruppert. Gabriele Faust, die den Ausbau der empirischen Bildungsforschung an der Universität Bamberg entscheidend mitprägte, setzte sich besonders für die Internationalisierung der Hochschule ein.

In den Jahren 1567/68 liegt vermutlich die Geburtsstunde des Hauses.

Auch ohne konkretes Baudatum wird die angenommene Entstehungszeit des Hauses zum Wasserwirt durch die Datierung des Holzes, aus dem das Dachwerk aufgerichtet wurde, belegt: Für die verwendeten Hölzer konnte das Fälljahr 1567/68 ermittelt werden. „Aus den Abbundzeichen und weiteren Untersuchungen lässt sich ableiten, dass das Dachwerk für den heutigen Grundriss geplant war“, sagt Thomas Eißing, Leiter des Bamberger Labors für Dendrochronologie und Gefügekunde. Seine Kollegin Ruth Tenschert ergänzt: „Auf dem Zweidlerplan von 1602 ist das Gebäude wohl bereits schematisch zu erkennen.“ Die Überblicksdarstellung von Petrus Zweidler zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist die früheste erhaltene Bamberger Stadtansicht.

Das Haus zum Wasserwirt wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgestaltet: Reste von späteren barocken Umbauten und den Veränderungen des 19. Jahrhunderts sind am Bau ablesbar. Die auf einer Photographie um 1895 überlieferte Tordurchfahrt wurde geschlossen, durch zwei Fenster ersetzt, und der Eingang an die Stelle des Fensters gelegt. Die Aufnahme zeigt die Bewohner des Hauses vor der Toreinfahrt, darüber ist der Verweis auf den Berufstand des damaligen Hausherrn zu lesen: „A. Wolf, Lohnkutscher“.

Erst aufwändige Sanierungsarbeiten brachten das Gebäude in den heutigen Zustand.

Im Zweiten Weltkrieg kam es im Dachinneren zu Veränderungen: Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen und des knappen Wohnraums wurde der Dachraum und selbst der Spitzboden zum Wohnen genutzt. Zu diesem Zweck wurde ein – mittlerweile wieder zugemauertes – Fenster in die westliche Giebelwand gebrochen und zusätzlich Trennwände eingezogen. Somit konnten hier mehrere Familien Unterschlupf finden. Bevor die Universitätsstiftung das Haus erwarb, befand es sich in Privatbesitz der Bamberger Professorin Dr. Gabriele Faust.

Architekt Heinz Rosenberg erklärt: „Das Gebäude war in einem äußerst desolaten Zustand. Nutzungsbedingte und unsachgemäße Umbauten der Vorbesitzer, sowie mangelnder Bauunterhalt hatten das Fachwerkgebäude gravierend in der Substanz geschädigt. Nur durch aufwändige Maßnahmen und dem sensiblen Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz konnte das Denkmal erhalten und für die zukünftige Nutzung saniert werden. Das Haus wurde unter anderem mit modernen Sanitäranlagen und einem Heizungssystem ausgestattet. Historische Deckengestaltungen im Obergeschoss sind erhalten worden. Die Sandsteinwand an der Südseite dagegen, die nutzungsbedingt im Jahr 1786 errichtet worden war, ließ der Architekt in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. In einem kleinen Anbau befinden sich nun Fahrradstellplätze. Mit der Nutzung als internationales Gästehaus beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte des Gebäudes.