Bamberger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind weltweit vernetzt.

Sie suchen nach Möglichkeiten, das Gesundheitssystem und die medizinische Versorgung zu verbessern... (Foto: Fotolia/gilles lougassi)

... und forschen über südosteuropäische Migragtion... (Fotos: privat)

... und südostasiatische Schriftsteller und Regisseure (hier die japanische Autorin Yoko Tawada)

- Monica Fröhlich

Von Netzwerkarbeit und interkulturellen Gegenproben

Internationale Forschungsprojekte in Bamberg

Viele aktuelle wissenschaftliche Fragestellungen sind international. Sie zielen auf  zentrale gesellschaftliche Themen wie z.B. Gesundheit und medizinische Versorgung, Immigration und Integration. Damit wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ländergrenzen hinweg vergleichbar und verwertbar sind, bedarf es methodischer Standards und erprobter Instrumente, die oftmals erst gemeinsam entwickelt werden müssen, sowie aufwendig abgestimmter Arbeitsprozesse in gut strukturierten Kompetenznetzwerken. An drei Abenden der Internationalen Woche an der Universität Bamberg gaben Bamberger Forscherinnen und Forscher Ende Juni Einblicke in ihre Fragestellungen und Projekte – und dabei zugleich in die sehr unterschiedlichen Strukturen international angelegter Projekte.

Internationale Forschungsnetzwerke

„Das Vokabular ist manchmal etwas eigen im Rahmen der europäischen COST-Initiative”,  beschrieb der Bamberger Psychologe Stefan Lautenbacher am ersten Abend augenzwinkernd das transnationale Netzwerk European Cooperation in Science and Technology, das seine Professur im Rahmen eines Forschungsprojekts über Schmerzerfassung bei Personen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten zum „action chair“ ernannt hat. Lautenbacher koordiniert von Bamberg aus die „action TD1005“ in der Abteilung ISCH (= Individuals, Societies, Cultures and Health) unter dem Titel Pain Assessment in Patients with Impaired Cognition, especially Dementia. Gemeinsam mit Stefan Lautenbacher forschen in dem von der Europäischen Union geförderten Konsortium nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zehn Ländern an alternativen Möglichkeiten, Schmerz bei Demenz-Patienten frühzeitig zu erkennen. Lesen Sie zu diesem Projekt auch unsere Uni-News.

Wie wichtig internationale Forschungsvernetzung der Europäischen Union ist, zeigt auch ein Blick auf die Fördersumme, die aktuell im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms bereit gestellt wird: 60 Milliarden Euro stehen im Zeitraum von 2007 bis 2012 für europaweite Forschung zur Verfügung, 37 Milliarden davon für Kooperationsprojekte. In Bamberg profitiert u.a. Uwe Konerding davon. Als Sozial- und Gesundheitspsychologe ist der Privatdozent am Projekt Managed Outcomes beteiligt, das eine zukunftsorientierte Frage stellt: „Wie können Prozesse im Gesundheitssystem optimiert werden, um die medizinische Versorgung weiter zu verbessern?“ Im Fokus, so berichtete Konerding, stehen Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgungssysteme in Deutschland, Finnland, Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden und Spanien. Konerdings Perspektive gilt dabei den Nutzern der Gesundheitsdienstleistungen, also den Patienten und Angehörigen. An der Universität Bamberg entwickelt er Fragebögen zu den vier Krankheitsbildern Diabetes, Schlaganfall, Hüftgelenksarthrose und Demenz, die in den sechs beteiligten Ländern zum Einsatz kommen.

Auch Integration ist ein Thema, das nur im internationalen Netzwerk wissenschaftlich sinnvoll erforscht werden kann. Dipl.-Soziologin Diana Schacht bot Einblicke in die SCIP-StudieCauses and Consequences of Early Socio-Cultural Integration Processes Among New Immigrants in Europe, die den sozio-kulturellen Integrationsprozess bei neu Eingewanderten untersucht. Unter der Federführung der Universität Göttingen forschen Bamberger Soziologen zusammen mit Wissenschaftlern von Universitäten und Instituten in Großbritannien, Irland und den Niederlanden. Ziel ist es, eine Beschreibung des Integrationsablaufes zu erstellen, um dann in einem zweiten Schritt Korrelationen und Abhängigkeiten zu erkennen und zu erfassen. Mit komplexen Fragebögen und in Interviews fragen die Sozialwissenschaftler Eckdaten wie den Erwerb von Sprachkenntnissen, die Aufnahme von interethnischen Freundschaften oder auch die Orientierung auf die Herkunfts- oder die Aufnahmegesellschaft ab. Bisher wurden in Deutschland und den Niederlanden bereits mehr als 2.500 Neuzuwanderer interviewt.

Lehr- und Forschungsnetzwerk Südosteuropa

Vom Geographischen Lehr- und Forschungsnetzwerks Südosteuropa, das vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) im Rahmen des Stabilitätspakts Südosteuropa gefördert wird, profitieren vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler sowie Studierende. Die Idee des Netzwerks ist es, den akademischen  Neuaufbau in Südosteuropa zu fördern. Dazu werden seit einigen Jahren internationale Studienprojekte und Forschungspraktika in Zusammenarbeit mit Geographischen Instituten in Albanien, Bosnien, im Kosovo, in Montenegro und Serbien durchgeführt. Die Kontakte zwischen den Universitäten und Instituten sind so gut ausgebaut, dass Studierende oder Promovierende die Möglichkeit haben, sich im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten oder Promotionen mit südosteuropäischen Ländern auseinanderzusetzen. Zentrale Themen sind Tourismus, Kulturerbe als Transformation, Migration sowie regionale Disparitäten. Dr. Daniel Göler, Professor für geographische Migrations- und Transformationsforschung, betonte die vielschichtigen Facetten des Wandels, den die einzelnen Länder nach dem Fall der sozialistischen Machthaber sowohl in politischer und ökonomischer wie auch in gesellschaftlicher Hinsicht durchliefen. Diese bieten immer wieder sehr unterschiedliche Anknüpfungsmöglichkeiten für Forschungsprojekte. Lesen Sie zu einem dieser Projekte auch unsere Uni-News.

Drei Länder, drei Blickwinkel: die „interkulturelle Gegenprobe“

Wie Forschungsnetzwerke entstehen, wenn sich in verschiedenen Ländern Personen gleicher Disziplinen mit denselben Fragen beschäftigen, zeigte die Literaturprofessorin Dr. Iris Hermann. Sie stellte ein vom DAAD gefördertes trilaterales Projekt über die Funktion von Literatur und Theater bei der Entwicklung einer urbanen Kultur nach 1945 vor. Koreanische, japanische und deutsche Germanistinnen und Germanisten arbeiten zusammen  und werfen wechselseitig einen Blick auf die internationale Rezeption national bedeutsamer Autoren. Die deutschsprachigen Dramatiker Bertolt Brecht, Peter Handke, Heiner Müller und Botho Strauss beeinflussten beispielsweise eine spannungsreiche und anregende urbane Kultur und eine anspruchsvollen Theaterszene nicht nur in Berlin, sondern auch in den Metropolen Tokyo und Seoul auf je eigene Weise. „Gewissermaßen in Form einer interkulturellen Gegenprobe“ wird die Frage nach der Wirkung ostasiatischer Literatur und Bühnenkunst in einer westlichen Metropole gestellt, so Hermann, indem man die Wirkung der japanischen Autorin Yoko Tawada und des koreanischen Regisseurs Min-Gi Kim untersuche. Am 15. Juli findet zu diesem Thema ein internationales Forschungskolloquium statt.

Der interkulturelle Blick

Dass sich auch jenseits von internationalen Forschungsnetzwerken wissenschaftliche Fragestellungen ergeben, die ein hohes Maß an Sensibilität und einen Blick über nationale Gegenstände hinaus benötigen, zeigte der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Jörn Glasenapp am Beispiel seiner Analyse von Leni Riefenstahls Fotobänden über das Volk der Nuba aus den 70er Jahren. Seine Analyse führte nicht nur in die Mitte des Sudans, sondern vor allem in die Sinnwelt des Dritten Reiches. Zugleich zeigte sie beispielhaft, wie wichtig ein interkulturell klarer, umsichtiger und analytischer Blick v.a. für die komparatistisch arbeitenden Geistes- und Kulturwissenschaften ist.