Die Sommer-Uni-Teilnehmerinnen Song Yi und Cheong machen einen Ausflug durch Bamberg (Fotos: Eva-Maria Spreitzer).

Andrea Bartl, Leiterin der Sommer-Uni, und Andreas Weihe, Leiter des Auslandsamts haben mit ihren Gästen viel vor.

Die Teilnehmer der Sommer-Universität vor dem Auslandsamt.

Vom Volkslied bis zum Poetry Slam: Die Teilnehmer lernen viel.

- Eva-Maria Spreitzer

Lyrische Begegnungen mit vielen Premieren

Die 31. Internationale Sommer-Universität bot den Teilnehmern nicht nur Einblicke in die deutsche Literatur

Bereits zum 31. Mal kamen vom 3. bis zum 28. August Studenten und Deutschlehrer aus verschiedenen Ländern nach Bamberg, um sich im Rahmen der Sommer-Universität der deutschen Literaturwissenschaft zu widmen. Die ausländischen „Gaststudierenden“ nutzen auch dieses Jahr die Gelegenheit, sich mit der Geschichte der deutschen Lyrik zu befassen, ihre Sprachkenntnisse aufzubessern und die deutsche Kultur hautnah zu erleben.

Kaum haben sich die vom Prüfungsstress gezeichneten Studierenden in die wohlverdienten Semesterferien verabschiedet, da finden am 3. August bereits Neuankömmlinge den Weg in die Seminarräume. Dabei handelt es sich aber nicht etwa um Erstsemester, die sich in der Zeit geirrt haben, sondern um eine bunte, internationale Gruppe von Studierenden und Deutschlehrern, die sich im Rahmen der Sommer-Universität ihrer Begeisterung für Lyrik und deutsche Sprache hingeben wollen.

Erste Begegnungen

Unter den deutschbegeisterten Neulingen ist dieses Jahr auch Song Yi. Zusammen mit ihrer Freundin Cheong versuchen die beiden noch etwas verunsichert, Angaben wie „MS12“ oder „U5“ den roten Punkten auf dem dicht bedruckten Lageplan zuzuordnen. Nervös kichern sie sich gegenseitig an und winken schließlich erleichtert Olga und Vittoria aus der Ukraine zu, die sie bereits bei ihrer Ankunft am Bahnhof getroffen haben und nun am anderen Ende des Vorlesungssaales wieder erkennen.

Vor Beginn der eigentlichen Kurse kann Olga endlich Aufklärungsarbeit leisten und den beiden Mädchen erklären, dass es sich bei den Abkürzungen um Gebäudebezeichnungen handelt. Zielssicher weist sie ihnen den Weg in ihre Seminare. Schließlich nimmt sie, wie viele Teilnehmer der ehemals als „Internationaler Ferienkurs“ bezeichneten Sommer-Universität, bereits ein weiteres Mal an den Literatur- und Sprachkursen teil. Obwohl sich der Name des Programms geändert hat, sind die Szenen in den ersten Tagen die gleichen geblieben. Die Teilnehmer verstehen sich auf Anhieb: Sie alle teilen das Interesse für deutsche Literatur, Sprache und Landeskunde.

Vom Volkslied bis zum  Poetry Slam

Obwohl sie nun wissen, wohin sie gehen müssen, schauen die Koreanerinnen noch etwas verdutzt. So praktisch haben Song Yi und Cheong ihre Deutschkenntnisse wohl noch nicht eingesetzt. In den Kursen an ihrer Heimatuniversität in Busan waren sie es gewohnt, Rainer Maria Rilkes „Elegien“ oder Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ in ihrer Muttersprache zu besprechen. In ihrem Seminar an der Sommer-Universität Bamberg haben sie nun die Möglichkeit, mit dem spanischen Lehrer Vincente und dem tschechischen Kunststudenten Jakub über barocke Sonette oder deutsche Schlagertexte zu diskutieren.

Neue Erfahrungen

Für die 83 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat die Leiterin der diesjährigen Sommer-Universität, Prof. Dr. Andrea Bartl vom Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, zusammen mit Dozenten und Professoren aus Bamberg ein abwechslungsreiches Angebot zusammengestellt. Das Ergebnis ist ein buntes Programm rund um die deutsche Lyrik, das vom Volkslied bis zum Poetry-Slam einiges bietet, was das Herz des literaturbegeisterten Gaststudierenden erfreut.

Doch nicht nur für Song Yi ist die Sommer-Universität eine neue Erfahrung, auch für Andrea Bartl ist diese Aufgabe eine Premiere: Nach 30 Jahren, in denen er selbst oft die Leitung inne hatte, hat Prof. Dr. em. Heinz Gockel „sein“ Sommerprojekt, in das er stets viel Herzblut legte, abgegeben. Er schaut dieses Jahr nur noch als Dozent seiner Nachfolgerin ein wenig über die Schultern. Fasziniert sei er immer noch von den vielen jungen Leuten, die sich für Deutsch so leidenschaftlich begeistern, so Gockel. Bartl konnte ihm nur zustimmen, auch für sie sei die Sommer-Universität eine außergewöhnliche Erfahrung.

Von „Medienmenschen“ und Fremdenführen

Neben Lyrik in seinen verschiedenen Formen, bieten beispielsweise kulturelle und landeskundliche Vorträge die Möglichkeit, tiefer in die 60-jährige Geschichte der Bundesrepublik einzutauchen oder die deutsche Medienlandschaft kennenzulernen. So gewährt Dr. Ludwig Unger, Pressesprecher des Bayerischen Kultusministeriums, mit seinem Kurs über Medienpolitik Einblicke in den Arbeitsalltag eines landesweiten Fernsehsenders. Das Zusatzprogramm lädt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber auch ein, selbst kreativ zu werden.

Ihre Kenntnisse der deutschen Sprache, die in Konversations- und Schreibkursen zum Thema Grammatik und Wortschatz auf Vordermann gebracht werden, können die Gaststudierenden in Workshops aktiv erproben: Die einen testen ihr schauspielerisches Talent, während die anderen sich durch gemeinsamen Gesang der deutschen Musiktradition zu nähern versuchen. So sorgen zum Beispiel Ausdrücke wie „Brätscha braat“ bei der serbischen Musikbegeisterten Mina nach einem Volksliedkurs bei dem Musikethnologen David Saam nicht mehr für Verwirrung. Song Yi und Cheong haben sich entschieden, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache und ihre lyrische Ader in einem Fotoprojekt auszuleben. So begegneten sie bei der „Produktion“ einer spanische Familie, denen sie gleich als Fremdenführer weiterhelfen konnten: „Die Familie mochte zum Rosengarten gehen. Deshalb haben wir die geführt“, schreiben die beiden später stolz unter das entstandene Bild.

Brechts Frauen, Goethes Bücher und Bambergs Bier

Außerhalb der Seminarräume sorgt das Auslandsamt mit Exkursionen und gesellschaftlichen oder sportlichen Angeboten für weitere abwechslungsreiche Eindrücke. Auch hier tritt erstmals ein neues Team an. Bei einem Besuch des Literaturmuseums in Marbach am Neckar, dem Mekka deutschsprachiger Literaturliebhaber, können Goethes Werke hinter dicken Schutzgläsern bewundert werden. Und in Augsburg, der Geburtsstadt von Bertolt Brecht, erfahren die Teilnehmer vor Ort, wie Brecht und seine Frauen gelebt haben.

Abends treffen sich die Gaststudenten gerne im selbstgestalteten Café der Sommer-Universität oder genießen fränkisches Bier unter blauen Himmel. Auch die Filmabende, die Einladung zu einem Abendessen auf der Giechburg durch den Landkreis Bamberg und den Biergartenabend auf dem Wilde Rose Keller auf Einladung der Stadt Bamberg lassen sich nur wenige Teilnehmer entgehen. Kulinarischer Höhepunkt ist aber der internationale Kochabend, zu dem Song Yi und ihre Freunde „Faustreis“ und „Tintenfischsalat“ mitbringen. Am besten schmecken der Koreanerin jedoch der Frankfurter Kranz und die polnischen Quarkknödel: „Die sind so süß“.

Kulturelle Brücken

Neben kulinarischen Erfahrungen kommt der kulturelle Austausch ebenfalls nicht zu kurz. So freut sich Alessandro aus den USA besonders darüber, dass bei solch internationalen Zusammentreffen die Unterhaltungen einmal nicht auf Englisch geführt werden: „Schließlich bin ich hier, um Deutsch zu lernen“. Auch das ist für ihn wohl eine Premiere. Durch den deutschen Sommerkurs hat er viele neue internationale Freunde hinzu gewonnen.

Am Ende wird er dennoch von Jakub auf Tschechisch verabschiedet: Eine dicke Umarmung mit Schulterschlag. Song Yi und ihre Freundinnen können über diese für sie ungewöhnlichen Szenen nur kichern. Neue Brücken haben sie ebenfalls durch ihre literarischen und kulturellen Begegnungen bei der 31. Sommer-Universität geschlagen – wenn manches auch ungewöhnlich für den ein oder anderen geblieben sein mag. Nächstes Jahr will Cheong jedenfalls wieder kommen. Song Yi bleibt ohnehin Bamberg treu: Sie möchte nicht nur einen Sommermonat lang, sondern ein weiteres Semester in „der süßen Stadt Bamberg“ studieren.