Jürgen Schabel/Universität Bamberg

Frithjof Grell, Vizepräsident Lehre und Studierende, wirft einen Blick zurück auf das Sommersemester 2020 unter erschwerten Bedingungen.

- Hannah Fischer

„Die Herausforderungen für Lehrende und Studierende sind mir bewusst“

Vizepräsident Lehre und Studierende Frithjof Grell spricht über Herausforderungen, Entscheidungen und Lösungen während der Corona-Pandemie.

Die Vorlesungszeit ist vorbei und damit neigt sich auch ein Semester voller Herausforderungen und Turbulenzen dem Ende zu. Die Corona-Pandemie hatte und hat auch die Universität Bamberg fest im Griff. Grund genug, um mit Prof. Dr. Frithjof Grell, Vizepräsident Lehre und Studierende, einen Blick zurück zu werfen auf ein außergewöhnliches Semester. Er beantwortet zum Beispiel die Fragen, warum der Eindruck entstanden sein könnte, dass andere Universitäten schneller in ihren Entscheidungen gewesen seien als Bamberg und wieso es kaum Online-Prüfungen gibt.


Was war für Sie als Vizepräsident Lehre und Studierende die größte Herausforderung im Sommersemester 2020?
Frithjof Grell: Herausforderungen gab sehr viele. Primär galt es, die „Universitas“ in ihrem eigentlichen Wortsinn, also die Gemeinschaft der Lehrenden und Studierenden untereinander, aber auch miteinander, zu gewährleisten. Lehre ist nicht nur reine Informationsvermittlung und die Online-Formate können trotz der vielfältigen Möglichkeiten diesen persönlichen Austausch, durch den eine Lerngemeinschaft erst entsteht, teilweise nicht transportieren.

Haben Sie konkrete Beispiele?
Eine herausfordernde Aufgabe war die spontane Umstellung der Lehre auf Online-Formate. Das Rechenzentrum hat hier tolle Arbeit geleistet und neben technischer auch didaktische Unterstützung angeboten, wie übrigens auch viele Kolleginnen und Kollegen, die bereits Erfahrung mit Online-Lehre sammeln konnten und ihr Wissen weitergegeben haben. Der Universitätsleitung war es ein Anliegen, das Studium weiterhin zu ermöglichen und das Sommersemester nicht zu einem „Nullsemester“ werden zu lassen. Dafür haben wir uns vehement auch gegenüber dem Ministerium eingesetzt, sodass ein „Bamberger Weg“ entstanden ist: Dem universitären Bildungsauftrag nachkommen, solange wir können und im Rahmen dessen, was möglich ist. Damit ging unter anderem einher, schnellstmöglich die Teilbibliotheken wieder zu öffnen sowie dort, wo unbedingt nötig, Präsenzveranstaltungen und Prüfungen zu ermöglichen. Außerdem war es wichtig, schnell und trotzdem korrekt zu kommunizieren – sowohl nach innen als auch nach außen. Hierfür wurden die FAQ-Seiten aufgebaut. In der Lehre wurde der Virtuelle Campus zur zentralen Kommunikations- und Informationsplattform. Und über die Covid-19 Kontaktstelle können sich Universitätsangehörige und Externe mit ihren Anliegen an uns wenden.

Seitens einiger Lehrender und Studierender wurden Sie öfter mit dem Vorwurf konfrontiert, die Kommunikation liefe teilweise schleppend. Wie sehen Sie das?
Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Kommunikation schleppend lief. Ich könnte mir vorstellen, dass der Eindruck dadurch entstanden ist, dass es teilweise kaum möglich war, mit den Ereignissen Schritt zu halten. Vom Ministerium kamen zeitweise mehrmals täglich neue Vorgaben, die ad hoc umgesetzt und natürlich auch kommuniziert werden mussten. Das haben wir über Rundschreiben an die Universitätsmitglieder, die FAQ-Seiten, das Infoportal der Homepage und über Social Media getan, sobald wir etwas sicher sagen konnten.

Bei einigen Studierenden entstand der Eindruck, dass manche Entscheidungen in Bamberg später gefällt wurden als an anderen bayerischen Universitäten. Können Sie sich das erklären?
Im Gegensatz zu anderen Universitäten haben wir uns dazu entschieden, keine voreiligen Ankündigungen zu machen, die wir im schlimmsten Fall hätten widerrufen müssen, was an anderen Universitäten der Fall war. Das betraf insbesondere Regelungen, bei denen wir stark auf Entscheidungen des Ministeriums oder des Bundes angewiesen waren und sind, wie zum Beispiel Regelungen zur Höchststudiendauer oder zum BAföG. Nach wie vor ist es uns wichtig, klar zu bekennen, wenn wir etwas noch nicht wissen und Informationen dann zu kommunizieren, wenn konkrete Entscheidungen feststehen. Sobald wir gesicherte Informationen hatten, haben wir alles darangesetzt, die nötigen Maßnahmen so schnell wie möglich zu ergreifen. Wir waren beispielsweise eine der ersten Universitäten, die eine Corona-Satzung verabschiedet hat – in rekordverdächtiger Zeit von nicht einmal einer Woche.

Wie ist die Situation an anderen Universitäten?
Seit Beginn der Coronakrise stehe ich in engem Austausch mit den Vizepräsidenten und Vizepräsidentinnen für Lehre und Studium der anderen bayerischen Universitäten. Das wichtigste war für uns, eine gemeinsame Linie in der Coronakrise zu finden. Im Grunde standen wir alle vor den gleichen Herausforderungen und haben ähnliche Lösungen gefunden. Unterschiede im Detail lassen sich auf die verschiedenen örtlichen Gegebenheiten und die unterschiedliche Größe der Universitäten zurückführen.

Welche Unterschiede sind das zum Beispiel?
Ob und wann die Universitätsbibliotheken wieder geöffnet werden konnten, war beispielsweise von vielen Faktoren abhängig. Bei der Umsetzung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung spielte es eine wichtige Rolle, wie groß die Bibliothek und die einzelnen Lesesäle sind oder auch, wie die Ein- und Ausgänge beschaffen sind. Bei großen Zentralbibliotheken können beispielsweise Staus leichter vermieden werden als an unseren kleineren Teilbibliotheken, für die wir jeweils eigene Hygienekonzepte entwickeln mussten.

Können Sie sich in die Situation von Studierenden und Lehrenden hineinversetzen und nachvollziehen, wie es ihnen geht?
Die Herausforderungen für Lehrende sind mir bewusst, zumal ich zu dieser Gruppe selbst gehöre. Das Sommersemester verlangt uns ein hohes Maß an Flexibilität ab und die allermeisten haben sich den Gegebenheiten mit großem Engagement angepasst. Die Herausforderungen für Studierende – seien es finanzielle oder auch die Studienorganisation betreffende – sind mir ebenfalls bewusst. Und wir haben alles, was in unserer Macht stand, versucht, um Erleichterungen zu schaffen, etwa durch die finanzielle Unterstützung besonders in Not geratener Studierender.

Welche Gruppe der Studierenden hatte es Ihrer Meinung nach besonders schwer? Und wie wollen Sie diese unterstützen?
Die Studierenden, die zum Sommersemester ihr Studium an der Universität Bamberg aufgenommen haben. Nach allem, was wir über dieses Online-Semester wissen, machen sich die Grenzen digitaler Fernlehre bei der Gruppe der Studienanfänger besonders nachteilig bemerkbar, da es aufgrund fehlender universitärer Kontakte zu Dozierenden und Kommilitonen kaum gelingt, engere Bindungen zu Universität und Studium aufzubauen. Für das Wintersemester haben wir uns vorgenommen, diese Personengruppe mit speziellen Angeboten besser abzuholen. Beispielsweise sind schon Ersti-Taschen gepackt, die per Post versendet werden.

Was wird dafür getan, die Lehre langsam wieder in die Präsenz zurückzuholen?
Seit den bayernweiten Lockerungen sind Präsenzveranstaltungen grundsätzlich wieder möglich. Dafür haben wir ein Genehmigungsverfahren und ein Hygienekonzept entwickelt. Beides ist sehr aufwändig, funktioniert bisher aber gut. Die Beantragungen gehen inzwischen in die Hunderte. Per Eilbeschluss müssen diese vom Universitätspräsidenten, Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, abgesegnet werden. Auch die Prüfungen mussten alle beantragt und teilweise zentral koordiniert werden, um ein Chaos zu vermeiden und vor allem, um einen optimalen Gesundheitsschutz für Studierende und Beschäftigte zu gewährleisten.

Apropos Prüfungen: Wieso gibt es kaum Online-Prüfungen, obwohl diese vielfach gefordert wurden?
An der Universität Bamberg werden jedes Semester 20.000 bis 25.000 Klausuren geschrieben. Dazu zählen Prüfungen aus Einführungsvorlesungen bis hin zu Staatsexamina. Online-Klausuren sind nur in Ausnahmefällen möglich, weil in der Regel die Chancengleichheit nicht gegeben wäre. Der Prüfer oder die Prüferin kann nicht gewährleisten, dass kein Prüfling schummelt, indem er oder sie beispielsweise einen Zettel mit Notizen vor sich liegen hat. Eine Überwachung mit Hilfe von Kameras und Eye-Tracking würde dieses Problem zwar beheben, aber dann würden wir Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte verletzen. Nicht umsonst führen selbst Fernuniversitäten in der Regel keine Onlineprüfungen durch.

Welche Lehren ziehen Sie aus dem Sommersemester?
Einerseits ist mir bewusst geworden wie viel Online-Lehre leisten kann, sofern man als Lehrender didaktisch und technisch ausreichend geschult ist. Vor allem in Fachdisziplinen und Veranstaltungsformaten, in denen es primär auf den wechselseitigen Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ankommt, kann sie die Präsenzlehre wohl nicht ersetzen. Außerdem ist deutlich geworden, wie gut die Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen der Universität unter schwierigen Bedingungen funktioniert. Das war für mich eine der positivsten Erfahrungen in diesem Semester. Diese Erkenntnis lässt mich zuversichtlich auf das kommende Wintersemester blicken. Auch wenn meine Amtszeit als Vizepräsident im Herbst endet, werde ich natürlich weiterhin dazu beitragen, Lehrende, Studierende und die neue Universitätsleitung in der Coronakrise nach Kräften zu unterstützen.

Wie es im Wintersemester 2020/21 weitergeht und welche Herausforderungen auch dann zu meistern sein werden, erzählt Frithjof Grell in einem weiteren Interview.