Wer nicht wagt: Mit Risikobereitschaft zum Sieg

Bamberger Volkswirte haben Wettbewerbssituationen untersucht

Berufliche Vorstellungsgespräche, politische Wahlkämpfe und sportliche Qualifikationswettkämpfe haben etwas gemeinsam: Die Teilnehmenden befinden sich in einem Wettbewerb. In solchen Situationen gewinnt oft die Person, die am wenigsten das Risiko scheut. Wie individuelle Risikopräferenzen die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, mit der sich der talentiertere von zwei Teilnehmern in einem Auswahlwettbewerb durchsetzt, haben zwei Forscher der Universität Bamberg untersucht. Ihre Ergebnisse haben Dr. Marco Sahm, Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie, und Dr. Christoph March, Lehrbeauftragter, in der volkswirtschaftlichen Fachzeitschrift „Journal of Economic Behavior & Organization“ veröffentlicht.

Für die Studie verwendeten die Forscher spieltheoretische Modelle, die ihnen zwei wesentliche Vorhersagen lieferten: Je risikoscheuer ein Teilnehmer ist, desto schlechter sind seine Chancen zu gewinnen – es sei denn, er besitzt gegenüber seinem Konkurrenten bereits einen bedeutenden Vorteil, zum Beispiel ein weitaus größeres Talent. Zweitens: Steigt die Siegprämie, vergrößern sich die Gewinnchancen von risikofreudigen Teilnehmern im Vergleich zu ebenso talentierten, risikoscheuen Personen. „Beide Effekte bestätigen sich auch in einem von uns durchgeführten Laborexperiment“, so Marco Sahm.

Je höher das Preisgeld, desto bedeutsamer die Risikobereitschaft

Bei dem Experiment im März und November 2015 traten jeweils zwei Studienteilnehmerinnen oder -teilnehmer in einem Spiel am PC gegeneinander an. Sie sollten in einem Labor unter kontrollierten Bedingungen klare Entscheidungen treffen. Zunächst wurde die Risikobereitschaft der Teilnehmenden gemessen. Dazu hatten sie die Wahl zwischen 180 Punkten, die sie sicher bekamen, und 400 Punkten, die sie mit Glück gewinnen oder mit Pech komplett verlieren konnten. Anschließend konnten die Teilnehmenden einen beliebigen Teil ihrer Anfangsausstattung von 600 Punkten pro Runde in den Wettkampf um ein Preisgeld einsetzen und den Rest behalten. Das Preisgeld variierte in den insgesamt 30 Spielrunden zwischen 200 und 1.000 Punkten. Am Ende des Experiments erhielt jeder Teilnehmer die Punkte einiger zufällig ausgewählter Entscheidungssituationen in Form von Bargeld, im Durchschnitt knapp 30 Euro. 192 Personen nahmen teil, die insgesamt 5.760 Entscheidungen trafen.

„Je höher das Preisgeld ist, desto wichtiger wird die Eigenschaft, Risiko tolerieren zu können, und desto unwichtiger wird das Talent“, beobachtet Marco Sahm. Wenn die Unterschiede im Talent groß und in der Risikobereitschaft klein seien, sei immer die talentiertere Person im Vorteil. „Wenn aber bei ähnlich talentierten Menschen der Unterschied in der Risikobereitschaft groß ist, dann führt ein hohes Preisgeld häufig dazu, dass der Risikobereitere mehr investiert und bessere Chancen hat zu gewinnen.“ Will man in Wettbewerben die Besten finden, kann daher eine Beschränkung des Gewinns sinnvoll sein. Die Ergebnisse beinhalten auch einen neuen Erklärungsansatz für den sogenannten „Gender-Gap“: Frauen sind zahlreichen Studien zufolge tendenziell risikoscheuer als Männer. Die Folge könnte etwa sein, dass ein Mann im Bewerbungsverfahren einer ebenso qualifizierten Frau vorgezogen wird.

Publikation:
Christoph March und Marco Sahm. 2018. Contests as selection mechanisms: The impact of risk aversion, Journal of Economic Behavior & Organization, doi: 10.1016/j.jebo.2018.03.020.

Bild: Volkswirt Marco Sahm erforscht Wettbewerbssituationen.(1.5 MB)
Quelle: Jürgen Schabel/Universität Bamberg


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