Gabriele Lingelbach ist seit 2010 ... (Foto: Professur für Globalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts)

... Professorin für Globalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (Tischglobus von 1765, Foto: Mnhs/wikimedia/cc-by-sa)

Auszeiten von dieser Arbeit nimmt sie in der Wüste (Foto: Buchling/wikimedia/cc-by-sa)

- Rabea Nikolay

„Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen“

Lehre und Leben der Historikerin Gabriele Lingelbach

Dem „Ruf nach Bamberg“ folgte Prof. Dr. Gabriele Lingelbach 2010. Das Stellenangebot reizte sie deshalb, weil die Bamberger Professur für Globalgeschichte erst die zweite dieser Art in Deutschland ist. „Ich gehe davon aus, dass dieses Forschungsfeld noch stark wachsen wird“, erklärt Lingelbach. Sie möchte am Profil der Bamberger Geschichtswissenschaften mitwirken, das neue Forschungsfeld Globalgeschichte institutionell verankern, gegebenenfalls mit neuen Fragestellungen versehen und eigene Schwerpunkte einbringen. „Außerdem ist das akademische Umfeld attraktiv, da meine Bamberger Kollegen sehr intensiv forschen. Ich dachte, dass ich hier gut hineinpasse“, sagt die Professorin lachend.

Der Weg in die Wissenschaft

Nach dem Abitur schloss Gabriele Lingelbach eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau ab. „Ich bin also eine Praktikerin“, schmunzelt sie. Ursprünglich hatte sie die Absicht, im Verlagswesen zu arbeiten, weswegen sie als Hauptfach Germanistik, als Nebenfach Volkswirtschaftslehre studierte. Dann jedoch weckte die Liebe zur Wissenschaft ein stärkeres Interesse an den Geschichtswissenschaften in ihr: „Ich habe einen theoretischen Zugriff auf die Materie und arbeite stark mit soziologischen und politologischen Konstrukten, die sich auf die Geschichtswissenschaften besser anwenden lassen“, erläutert sie. Zudem war ihr die VWL teilweise zu abstrakt. So kam es zu einem Kompromiss zwischen theorie-geleitetem und empirischem Arbeiten, Gabriele Lingelbach wurde Historikerin.

Querdenken und zum querdenken anregen

Ein einzelnes Vorbild hatte die Professorin nie; sie lässt sich von der großen Menge an Forschern und Denkern anregen: „Vor allem die Vertreter der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte haben mich beeinflusst, die eine soziologisch inspirierte und theoriegeleitete, gegenwartsrelevante Form der Geschichtswissenschaft betreiben.

Der Reiz, Professorin zu sein, liegt für Lingelbach vor allem in der wissenschaftlichen Freiheit: „Die Möglichkeit zu haben, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die ich selber wähle, kenne ich aus keinem anderen Berufsfeld“, so Lingelbach. Es mache ihr Freude, ständig in Kontakt mit Menschen zu kommen, die auch mal querdenken und einen selber dazu anregen. „Deshalb lehre ich auch sehr, sehr gerne“, betont sie. Das Faszinierende an der universitären Arbeit sei, dass sie ständig und jeden Tag etwas Neues bringe. „Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen“, erklärt sie zufrieden. Dieser Gedankenaustausch und die Wissenschaft machen Spaß und lassen sich in der Universität gut vereinen.

Auf ihrem Weg an die Universität Bamberg machte sie schon in vielen Städten Station: Sie studierte in Berlin und Paris und ging für ihre Habilitation nach Trier. Danach lebte sie als Forscherin in Harvard. 2008 übernahm sie die Vertretung der Professur für westeuropäische Geschichte in Freiburg. An Bamberg gefällt ihr vor allem das Stadtbild, weil es schön geschlossen und nicht zerstört ist. Sie selbst wuchs in Kassel auf, „da ist es für mich wunderbar, dass man in Bamberg die mittelalterlichen Strukturen erhalten konnte“. Die kurzen Wege seien von Vorteil, genauso wie die Umgebung, die die Professorin gerne für eine Fahrradtour nutzt. Im Vergleich zu Berlin kommt die Domstadt der Historikerin allerdings sehr klein vor. Ihr Lieblingsplatz ist der Heumarkt: Vor allem im Sommer genießt sie es, dort in der Sonne zu sitzen, mit Blick auf die Botero-Statue.

Auszeiten in der Wüste

Lingelbachs Arbeit nimmt viel Zeit in Anspruch – sei es als Professorin für Globalgeschichte oder als Vorsitzende des Prüfungsausschusses für die Bachelor- und Masterstudiengänge Geschichte, als Sprecherin der Bamberg Graduate School of Historical Studies oder als Mitherausgeberin der Reihe Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven. Deshalb ist es für sie wichtig, sich auch Auszeiten zu nehmen - am liebsten in der Wüste, da sie dort die Weite, Leere und Stille genießen kann. „Es ist für mich ein Ort, an dem man zur Ruhe kommen kann“, erklärt die Professorin.

Um sich dort in einer „nicht-kolonialisierten Sprache“ verständigen zu können, möchte sie gerne Arabisch lernen. Auch Türkisch würde sie interessieren, „weil wir mittlerweile eine Migrationsgesellschaft haben, in der das Türkische stark vertreten ist.“ Neben der Migrationsgeschichte liegt Lingelbachs Forschungsschwerpunkt insbesondere auf der Globalgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Dabei geht es um die Verflechtung zwischen weit auseinander liegenden Regionen, gerade auch über nationale Grenzen hinweg. Erst wenn man diese Zusammenhänge beachte, könne man verstehen, dass der eigene Staat, die eigene Nation nur durch internationalen Austausch entstehe, erklärt sie. Es reicht deshalb ihrer Meinung nach nicht mehr aus, nur die deutsche Geschichte zu lehren – man müsse global denken und forschen.

Antrittsvorlesung

Die Antrittsvorlesung von Gabriele Lingelbach über das Thema Globalgeschichtliche Perspektiven auf die deutsche Vergangenheit findet am Dienstag, den 6. Dezember 2011 um 18.15 Uhr im Gebäude Am Kranen 12, Raum 218, statt. An alle Interessierte ergeht herzliche Einladung!