Wie integriert sind wir? (Ausschnitt aus dem Veranstaltungsplakat, kobold layout initiative)

Podiumsteilnehmerin Gabriele Kepic (am Mikrophon) berichtete über Integrations-Projekte der Stadt Bamberg.

Das Thema der Veranstaltung füllte nicht nur den Hörsaal in der U2, es garantierte auch ein internationales Publikum.

Das Publikum konnte seine Fragen einbringen, indem es den Publikumsanwälten weiße Zettel zukommen ließ. (Bilder: Fröhlich)

- Johannes Müller

Ein gutes Zusammenleben ist möglich

Podiumsdiskussion über Integration

Deutschland schafft sich ab, behauptet der frühere Bundesbanker Thilo Sarrazin in seinem gleichnamigen Buch und entfachte damit einen Streit über den Kurs in der bundesdeutschen Integrationspolitik. Politiker aller Parteien äußerten sich, wobei die bürgerlich-konservativen Kräfte besonders für Furore sorgten: „Multikulti ist gescheitert“, sagt beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel und stellt sich damit demonstrativ hinter CSU-Parteichef Horst Seehofer, der mit seiner Aussage, das Deutschland kein Zuwanderungsland sei, über die Grenzen Deutschlands hinaus für Aufregung sorgte.

Diese kontroversen Thesen zu hinterfragen hatte sich eine Podiumsdiskussion der Universität Bamberg am Mittwoch, 10. November, zum Ziel gesetzt. Zu Wort kamen Mitra Sharifi-Neystanak, Mitglied im Migranten- und Integrationsbeirat Bamberg und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Bayern sowie die Studentin Mihaela Duic. Beide reflektierten die Integrationsdebatte aus Sicht der Betroffenen, nämlich der Bürger mit Migrationshintergrund.

Geladen waren außerdem zwei Experten der Universität Bamberg, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Inhaber des Lehrstuhls für Evangelische Theologie und Franziska Pohl vom Europäischen Forum für Migrationsstudien. Gabriele Kepic, Leiterin der Koordinationsstelle für Beiräte und Beauftragte der Stadt Bamberg, vervollständigte die Runde und beleuchtete das Thema aus der Bamberger Perspektive. Gemeinsam diskutierten sie darüber, was Integration eigentlich ist, wer etwas tun muss, damit sie gelingt und ob und inwiefern von Integrationsverweigerung gesprochen werden kann.

Unkenntnis und Vorurteile abbauen

Franziska Pohl stellte fest, dass „Integration nur vor Ort stattfindet und Strukturen sowie Standards braucht“. Ausländische Mitbürger hätten oft den Wunsch mit deutschen Bürgern ins Gespräch zu kommen, was sich aber mancherorts als schwierig herausstelle. „Ängste gegenüber Migranten sind ein weit verbreitetes Phänomen und beruhen“, so Pohl, „zumeist auf Unkenntnis und Vorurteilen“. Diese abzubauen sei eine wichtige Aufgabe, bei der die unterschiedlichen Städte auch voneinander lernen könnten.

Gabriele Kepic zeigte sich zufrieden mit der Integration in Bamberg und stellte einige Initiativen vor, um Angehörige von Minderheiten besser in die Mehrheitsgesellschaft einzubeziehen und um gegenseitiges Verständnis wachsen zu lassen. Diese reichten von Vorlese-Programmen für Kinder bis zum interkulturellen Kompetenz-Training für Mitarbeitende der Ausländerbehörde. „Die Struktur dafür ist gut, erste Schritte sind getan und eine Sensibilisierung für das Thema ist vorhanden“, so Kepic.

Für Heinrich Bedford-Strohm kann Integration gelingen, wenn Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Tradition einander begegnen und vertrauen lernen. Vor diesem Hintergrund könnten dann auch kritische Punkte angesprochen werden. Der Theologe und Pfarrer machte sich für eine „Leitkultur der Menschenrechte“ stark, an der sich alle Bevölkerungsteile orientieren müssten. Für seine eigene, christliche Tradition bedeute dies, sich am Gebot der Nächstenliebe zu orientieren, die eine weltweite Solidarität begründe. Das Christentum könne nicht, wie es in der derzeitigen politischen Debatte geschehe, dafür in Anspruch genommen werden, um Menschen anderer Kulturen und Religionen auszugrenzen und abzuwerten.

Migranten besser fördern

Mitra Sharifi-Neystanak wies auf die soziale Dimension der Integrationsproblematik hin: „Ungerecht verteilte Bildungs- und Arbeitschancen tragen weit mehr zum Konflikt zwischen Migranten und Mehrheitsgesellschaft bei als vermeintliche kulturelle Differenzen.“ Deshalb müsse vor allem im Bildungssektor an einer besseren Unterstützung und Förderung von Migranten gearbeitet werden. Mihaela Duic, deren Eltern als bosnische Serben nach Deutschland kamen, zeigte sich erstaunt darüber, dass sich die Integrationsdebatte stark auf Muslime konzentriert und Integrationsprobleme von Migranten anderer Religionen oftmals nicht thematisiert werden.

Die Studentin Maike Bruns und der Politologe Prof. Dr. Reinhard Zintl führten engagiert durch den Abend, der von den beiden Bamberger Hochschulgemeinden, dem internationalen Studentenwohnheim collegium oecumenicum sowie dem Evangelischen Bildungswerk, der Katholischen Erwachsenenbildung und dem Akademischen Auslandsamt der Universität Bamberg organisiert wurde.

Zum Schluss wurde unter anderem deutlich, welchen Beitrag eine Universität zu einem friedlichen Miteinander der Kulturen leisten kann: Am Beispiel des Europäischen Forums für Migrationsstudien zeigte sich, wie wissenschaftliche Forschung Politik handlungsfähig macht, indem sie Fakten schafft, auf deren Grundlage realitäts- und sachbezogene Lösungen möglich werden. Veranstaltungen wie die in Bamberg regelmäßig stattfindende Multireligiöse Feier machen die Universität auch außerhalb von Studium und Lehre zu einem Ort der Begegnung und gegenseitigen Anerkennung.