Die Bamberger Wissenschaftler Detlef Goller (li.), Ingrid Bennewitz und Albert Gier lassen sich passend zum Thema des Abends ein Reckenbier schmecken. (Fotos: Samira Rosenbaum)

Die Autoren Ulrich Holbein, Heike Geissler, Jan Drees und Alban Nikolai Herbst (v.l.n.r.) haben sich mit dem Nibelungenlied auseinandergesetzt.

Bei der Podiumsdiskussion sprachen Wissenschaftler und Autoren über die Kraft des Nibelungenstoffes.

Siegfried als Doping-Sünder und Westernheld

Lese- und Diskussionsabend „Nibelungen in die Nacht“

Wissenschaftler der Universität Bamberg luden zusammen mit der Villa Concordia zu Nibelungen in die Nacht ein. Die Veranstaltung umfasste Lesungen und eine Podiumsdiskussion. Sie entstand aus einem aktuellen Band der Literaturzeitschrift die Horen zum Nibelungenlied und verriet dem Publikum, warum die Nibelungen noch heute begeistern.

Was ruft das uralte Nibelungenlied heute noch für ein Echo bei Künstlern hervor? Und warum? Diese Fragen standen im Zentrum der Veranstaltung Nibelungen in die Nacht, zu der sich am vergangenen Mittwoch, 21. Mai 2014, gut 120 Menschen in den Saal der Villa Concordia drängten. Einen Einblick boten die Lesungen verschiedener Autoren, die zeigten, wie facettenreich die gegenwärtige Nibelungenrezeption ist.

So lässt die Schriftstellerin Ulrike Draesner in ihrem Gedicht heinobar den Soldaten Siegfried aus Afghanistan heimkehren. Siegfried als Kriegsheimkehrer? Der ehemalige 800-Meterläufer und heutige WDR-Moderator und Schriftsteller Jan Drees zieht in seinem Beitrag Parallelen zwischen der Tarnkappe, die es Siegfried ermöglicht, die starke Brünhilde zu besiegen und Doping im Sport. Siegfried als Doping-Sünder?

Liebe, Hysterie, Terror

In Gedicht, Erzählung und Film ist das Nibelungenlied also nach wie vor lebendig. Der Frage, warum ein mehr als 800 Jahre alter Stoff heute noch so produktiv ist, ging das Podium nach. „Er enthält anthropologische Grundkonstanten. Es sind Geschichten über uns, wir finden uns darin wieder“, erklärte Dr. Detlef Goller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsche Philologie des Mittelalters, der gemeinsam mit Nora Gomringer, Leiterin der Villa Concordia, zu Nibelungen in die Nacht eingeladen hatte.

Autorin Heike Geissler stimmte zu, es seien Themen wie Liebe, Hysterie und Terror, die im Nibelungenlied virulent seien – und es heute ebenfalls sind. Dr. Albert Gier, Professor für romanische Literaturwissenschaft, erklärte, wie dieser Stoff von Terror, Mord und Vergewaltigung seinen Weg in die Operette finden konnte: Die Operetten als Parodie des Nibelungenliedes müsse man in dem Kontext sehen, in dem sie entstanden sind. „Die Zeit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert hatte eine Vorliebe für intelligente Albernheit, in der vor allem die schwachen Männer des Nibelungenliedes karikiert wurden.“

Nibelungen und Sklaverei bei Tarantino

Eine aktuelle Verwendung des Nibelungenliedes untersuchte Dr. Ingrid Bennewitz, Professorin für die Deutsche Philologie des Mittelalters. In dem amerikanischen Western-Film django unchained (2012) erzählt Regisseur Quentin Tarantino die Siegfried-Sage in der Version von Richard Wagner. „Hier wird gezeigt, wie die Wirkungsmacht dieses Mythos’ als Interpretationsmuster aktiv wird – und zwar zu einer anderen Zeit in einem völlig fremden kulturellen Kontext, nämlich dem der Sklaverei. Ein wunderbares Beispiel für die Produktivität des Stoffes!“

Beiträge in Literaturzeitschrift gebündelt

Die Produktivität deutscher Autoren der Gegenwartsliteratur, die sich dem Nibelungenstoff gewidmet haben, zeigt der aktuelle Band der renommierten Literaturzeitschrift Die Horen „Nie gelungen Lied, Der Nibelungen Not“, der von Detlef Goller und Nora Gomringer zusammengestellt wurde und auf dem der Abend basierte. Er ist als Band 252 der Horen im Wallsteinverlag erschienen und kostet 14 Euro.

Einladung zum Literarischen Mittelaltergespräch

Studierende, die ihre Beigeisterung für das Mittelalter zum Beruf machen wollen, und alle weiteren Interessierten sind am 24. Juni 2014 zum literarischen Mittelaltergespräch des Zentrums für Mittelalterstudien (ZEMAS) eingeladen. Zu Gast sein wird der Schriftsteller und Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Tilmann Sprekelsen. Sein Besuch bietet den Studierenden Informationen für ihre späteren Aufgaben als Mittler der mittelalterlichen Kultur in Museen, Zeitungen oder ähnlichen Einrichtungen, die anderweitig kaum zu erhalten sind.

Hinweis

Diesen Text verfasste Samira Rosenbaum für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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