Marc Redepenning ist der neue Kulturgeograph an der Universität und beschäftigt sich gern mit ... (Foto: privat)

...Ballungsräumen und Zentren ... (Foto: Martin Geisler/Wikipedia/CCBYSA3.0DE)

...sowie mit ländlichen Gebieten und der Peripherie (Foto:bilboq/Wikipedia).

- Maike Bruns

Die Verbindung von Raum und Atmosphäre

Interview mit dem neuen Kulturgeographen Marc Redepenning

Wie sind Sie zur Kulturgeographie gekommen?

Ich hatte viele Ideen hinsichtlich meines Studiums. Zunächst dachte ich an irgendetwas mit Wirtschaft, interessierte mich aber ebenso stark für Geschichte, Gesellschaft und Politik. Ich konnte mich nicht für eine einzige Disziplin entscheiden und stellte dann fest, dass Geographie sehr vielfältig ist und mir ermöglichen würde, meine Interessen gebündelt unter dem räumlichen Blickwinkel zu studieren und zu erarbeiten. So bin ich zur Humangeographie gekommen. Im Studium begeisterte ich mich für Theorien. Durch Themen wie Land-Stadt-Verflechtungen haben meine Schwerpunkte einen stärker empirischen Fokus gewonnen.

Kulturgeographie – Was machen Sie hier eigentlich?

Unser Lehrstuhl hier ist inhaltlich sehr breit angelegt: Vieles an räumlichen Differenzierungen, die einen Bezug zu Kultur, zu Gesellschaft und zum Menschen an sich haben, diskutieren wir. Hinzu kommt die Spezialisierung des Lehrstuhls auf die Bereiche Sozialgeographie und Bevölkerungsgeographie:

Die Bevölkerungsgeographie behandelt die Menschen als Teil einer Population: als Teil einer räumlich abgrenzbaren Gruppe, die sich nach bestimmten Merkmalen, beispielsweise „Alter“ oder auch „Wanderungsbewegungen“ differenziert. Dem einzelnen Menschen kommt weniger Aufmerksamkeit zu. Insbesondere interessiert, wie sich die Bevölkerungszusammensetzung an bestimmten Orten verändert und was die Gründe dafür sind.

Die Sozialgeographie hat eine andere, eher mikroanalytische Perspektive. Sie sieht den Menschen als aktiven Teil der Gesellschaft an. Entscheidende Fragen der Sozialgeographie sind zum Beispiel: Wie organisiert sich eine Gesellschaft räumlich? Welche Leute wohnen wo – und warum? Wichtig ist der Mensch an sich: Wie nimmt er seine Umwelt wahr, was sind gefühlt schöne Gebiete in einer Stadt oder in einem Land? Warum ist das Ländliche ein Sehnsuchtsort für viele Menschen? Die Sozialgeographie arbeitet sozusagen enger am Individuum.

Welcher Forschungsthemen möchten Sie sich in den nächsten Jahren gern annehmen?

Ich habe mich schon zur Zeit meiner Dissertation mit Raumsemantiken beschäftigt, also mit Beschreibungen von Räumen in der Gesellschaft und mir immer wieder die Frage gestellt: Welche Bedeutung hat ein Ort oder raumbezogene Beschreibungen allgemein im Alltag der Menschen? Was verbinden wir beispielsweise mit Dresden oder mit Leipzig? Welche Atmosphären gehören für uns zu diesen Städten? Mit diesem Feld möchte ich mich auch zukünftig gern beschäftigen. Dazu gehört auch die Frage, wie Räume auf unterschiedlichen Ebenen organisiert und hergestellt werden. Wenn man beispielsweise den architektonischen Bereich nimmt, kann man untersuchen, wie Architekturen wandern: In China werden zum Beispiel Dörfer gebaut, die aussehen als wären sie direkt den Österreichischen Alpen entnommen.

Außerdem interessiert mich das Verhältnis von Zentrum und Peripherie, von Ballungsräumen und ländlichen Gebieten. Die Frage, wie Lebensstandard oder soziale Ungleichheit einer räumlichen Differenzierung unterliegen, finde ich sehr spannend. In vielen sich entwickelnden Ländern, wie Brasilien, beobachten wir wachsende Unterschiede im Einkommen und im Lebensstandard. Hier entstehen auf globaler Ebene einerseits mehr Ähnlichkeiten, während auf regionaler Ebene die Unterschiede wachsen: Wenn Sie in Rio einkaufen gehen, bezahlen Sie genau so viel, wie in Frankfurt oder London, fahren Sie aber in die Peripherie, verändert sich das Gefüge rasch: Sie zahlen zwar nur einen Bruchteil des Preises etwa für Grundnahrungsmittel, haben es aber gleichzeitig mit Problemen zu tun, die die Frage nach räumlicher Gerechtigkeit geradezu provozieren.

Was möchten Sie in der Lehre umsetzen? Organisatorisch und inhaltlich?

Wir haben gerade den Master eingeführt, der Bachelor wird ständig reformiert – damit geht eine Verschulung des Systems einher, die Kooperationen mit anderen Fächern, und damit den interdisziplinären Blick, nicht gerade erleichtert. Diesbezüglich möchte ich aber trotzdem unsere Möglichkeiten ausloten. Beispielsweise gibt es viele Anknüpfungspunkte mit Fächern innerhalb der GuK, etwa bei der Frage, wie Kommunikation über Raum funktioniert.

Auch die Kooperation mit anderen Universitäten möchte ich verstärken, etwa gemeinsame Veranstaltungen anbieten. Ein konkretes Projekt ist die Doktorandenausbildung zwischen Erlangen, Bayreuth und Bamberg, die wir strukturierter zu gestalten versuchen. Mittelfristig könnte ich mir auch vorstellen, neue Kooperationen mit Partneruniversitäten im Ausland aufzubauen, von denen dann auch die Studierenden im Rahmen von Exkursionen profitieren.

Auf der anderen Seite ist es mir wichtig, Lehre so zu gestalten, dass sie spannend ist und Spaß macht. Konzepte der Geographie sollten immer wieder an aktuellen Themen ausprobiert werden. Zum Beispiel die Fußball-WM in Brasilien: Was bringt das für Veränderungen für Land und Leute mit sich? Dazu gehört auch ein stärker auf Projekte orientiertes Arbeiten. Auch das ist nicht einfach in die Bachelorstrukturen zu integrieren, im Master erweitern sich dann die Spielräume.

Besonders am Herzen liegt mir auch die Stärkung von Softskills im weitesten Sinne: Dazu zähle ich auch schon korrekten Ausdruck und Rechtschreibung. Die Häufigkeit von Rechtschreib- oder Grammatikfehlern in Hausarbeiten erschreckt mich immer wieder. Wie verfasse ich auch unter Zeitdruck fehlerfreie Texte – da möchte ich ein stärkeres Bewusstsein bei den Studierenden schaffen und Ihnen beibringen, auf solche Dinge wertzulegen.

Inhaltlich bin ich durch den Studienplan recht festgelegt, was Themen anbelangt. Aber auch da gibt es noch Möglichkeiten. Ich bemühe mich, nicht zu verschult zu sein und möchte auch immer wieder exotische Seminarthemen anbieten. Mir schwebt beispielsweise die Frage nach der „Verbindung von Ort und Musik“ vor: Wie wichtig sind Orte in Musiktexten und welche Ortsatmosphären werden durch Populärmedien transportiert? Auch hier gibt es sicherlich Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Fächern der Universität.

Was machen Sie, wenn Sie nicht in der Uni sind?

Meine Frau und ich fahren gern Fahrrad. Ich lese gern und schaue ab und an Krimis. Ansonsten reisen wir gern und viel, aber gar nicht unbedingt immer in exotische Länder. Unser Hobby ist Promenadologie: Wir gehen gern spazieren und fahren Rad – so erwandern und „erfahren“ wir uns Orte und damit auch ihre Geschichten. Wir haben beispielsweise eine Dokumentation über das Leben in Leipziger Schrebergärten gemacht und sind mit der Kamera sonntagnachmittags durch die einzelnen Gebiete gezogen.

Wie gefällt Ihnen Bamberg?

Es gefällt mir sehr gut hier. Aber ich hatte schon einen kleinen Kulturschock. Das ist keinesfalls negativ gemeint, sondern eher eine nüchterne Beschreibung dessen, was ich erlebe: Ich habe entdeckt, dass die Leute hier am frühen Morgen ihre Biomülltonnen auswaschen – sehr interessant. So etwas gibt es in Leipzig nicht.