Zwischen Europa und den USA: Gastprofessorin Evelyn Meyer (Foto: privat)

Zwischen Europa und den USA

Prof. Dr. Evelyn Meyer ist Gastprofessorin am ZEMAS

Was fasziniert Sie an der Deutschen Philologie des Mittelalters?

Geschichte hat mich schon immer interessiert. Allgemein beschäftigt mich die Frage: Wie leben andere Leute? Und zwar sowohl historisch als auch auf andere Kulturen bezogen. Man kann in Bezug auf das Mittelalter sehr vielseitig und interdisziplinär arbeiten. Geschichte, Kultur, Literatur, Sprachen, Gender Studies – da kommt alles zusammen. Zur damaligen Zeit hat man auch immer eine Distanz. Man kann nur versuchen, das frühere Leben zu verstehen und sich annähern.

Und wie sind Sie auf Bamberg bzw. das ZEMAS gekommen?

Bamberg habe ich gewählt, weil ich etwas suchte, wo mein Forschungsprojekt inhaltlich gut hineinpasst und sowohl der Lehrstuhl als auch ich davon profitieren können. Außerdem hat mir ein Kollege begeistert empfohlen, ans ZEMAS zu gehen. Ich bin froh, dass ich dieser Empfehlung gefolgt bin. Gut gefallen hat mir die Möglichkeit, am mediävistischen Oberseminar teilzunehmen. Der Zugang zu den Doktoranden, die Texte, Ansätze und Methoden sind mitunter ganz anders als in den USA. Das ist ein Teil der vielen Gründe, warum ich gerne am ZEMAS bin.

Haben Sie ein Forschungsprojekt, über das Sie gerne berichten möchten?

Ich arbeite gerade an den illuminierten Handschriften des Parzival von Wolfram von Eschenbach. Was mich interessiert, sind die verschiedenen Varianten, die es jenseits der heutigen edierten Textausgabe gibt. Man bekommt ein viel tieferes Verständnis davon, wie die Geschichte erzählt wurde und was sie bedeuten kann bzw. könnte. Als neue Dimension kommt zum Text nun auch das Bild hinzu und damit die Frage, wie sich Bild und Text unterscheiden, gegenseitig beeinflussen und in Frage stellen. Oft wird nämlich durch die Bilder der Akzent des Textes verschoben. Bei meiner Forschung stellen sich immer auch die Fragen: Wie viel wussten die Maler eigentlich von dem Text? Wie war die Zusammenarbeit, was waren die jeweiligen Aufgaben? Und wie weit hat man das Aufgabenfeld des jeweils anderen verstanden? Diese Fragen kann man natürlich den Malern und Schreibern heute nicht mehr stellen, aber man kann sich den Antworten annähern.

Haben Sie ein Lebensmotto?

Offen zu sein für anderes, eine gewisse Flexibilität zu haben für das, was ist.  
Was waren Ihre Lebenspläne nach dem Abitur?
Eigentlich wollte ich Lehrerin werden. Ich bin in Karlsruhe geboren und habe dann in Heidelberg angefangen, Deutsch und Englisch auf Lehramt zu studieren. Nach der Zwischenprüfung war ich für ein Auslandsjahr in den USA. Das hat alles verändert. Eigentlich wollte ich nur ein Jahr bleiben, inzwischen sind es schon mehr als 20.

Was hat Sie bewogen, dort zu bleiben?

Heidelberg war damals unheimlich überlaufen und sehr unpersönlich. Das war in den USA ganz anders, auf eine Professorin oder Professor kamen viel weniger Studierende. Das bedeutet, dass man viel enger mit den Professorinnen und Professoren zusammenarbeiten kann und auch viel engeren persönlichen Kontakt bei der akademischen Zusammenarbeit hat. Außerdem habe ich mir die Studiengebühren in den USA  dadurch finanziert, dass ich Deutsch als Fremdsprache unterrichtet habe. Da konnte ich gleich praktisch anwenden, was ich im Lehramtsstudium gelernt hatte und musste mit dem Unterrichten nicht auf das Referendariat warten.

Daneben gab es fachliche Gründe, zu bleiben. Damals interessierte ich mich sehr für die Literatur der Südstaaten. In Heidelberg gab es alle zwei oder drei Semester mal ein Seminar dazu, an der Louisiana State University gab es im English Department einen ganzen Bereich für Südstaatenliteratur. Auch die amerikanische Mediävistik lockte mich. Damals waren in Deutschland die Gender Studies noch kaum verbreitet. Es hat mich einfach sehr interessiert, das Mittelalter auch aus dieser Perspektive zu betrachten.

Jedenfalls: In den USA zu bleiben, war überhaupt nicht geplant. Eigentlich zieht es mich auch immer noch nach Europa zurück. Von daher bin ich innerlich gespalten, weil die ganze Zeit während des Studiums und der Promotion wollte und will ich immer noch beides: USA und Europa. Aber ich kann mich eben nicht zerteilen. Und ich muss nach dem Jahr in Bamberg auch in die USA zurück, weil ich vertraglich verpflichtet bin.

Was wollen Sie Studierenden mit auf den Weg geben?

Ein Großteil meiner Arbeit in den USA besteht darin, deutsche Sprachkenntnisse zu vermitteln. Ich unterrichte Anfänger und Fortgeschrittene und viele von ihnen belegen Deutsch als Fremdsprache nicht für einen germanistischen Studiengang, sondern weil sie in der Wirtschaft oder Politik arbeiten wollen. Dafür versuche ich ihnen eine Basis zu geben, auf der sie auch wirklich aufbauen können.

Darüber hinaus will ich den Studierenden interkulturelle Kompetenz vermitteln. Man kann Texte ohne Kenntnis des kulturellen Kontexts nicht wirklich gut übersetzen. Ich möchte ihnen erklären, wie bestimmte Institutionen, die es in Deutschlad heute gibt, entstanden sind und ihnen zeigen, was die Rolle Deutschlands bei europäischen Konflikten war. Dadurch, dass die USA so ein großes Land sind, sind die Studierenden nicht gezwungen, sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen. Sie denken, dass Englisch reicht, um überall in der Welt zurechtzukommen, aber sie vergessen die kulturelle Dimension. Die Tatsache, dass man anderswo ganz anders leben kann und dass das auch die gleiche Berechtigung hat, will ich ihnen bewusst machen.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Kochen! Ich lade gerne Freunde ein und koche dann international. In Amerika wünschen sich meine Freunde auch manchmal, dass ich deutsches Essen koche, aber das ist gar nicht immer so einfach. Einmal wollte ich Thüringer Klöße nach einem Familienrezept kochen, aber die Kartoffelsorten in den USA haben einen anderen Stärkegehalt als die in Deutschland. Deswegen zerfielen die Klöße und es entstand Kartoffelsuppe. Und ich backe gerne deutsche Kuchen, die amerikanischen sind viel zu süß. Deswegen backe ich mir meinen Geburtstagskuchen auch grundsätzlich selbst.

Daneben gehe ich in meiner Freizeit gerne Laufen. Halbmarathon war das längste, was ich bisher gelaufen bin. Das tut mir als körperlicher Ausgleich sehr gut. Ich treffe mich auch gerne mit Freunden. Was mich fasziniert ist, dass manche Beziehungen zu Freunden so eng sind, dass auch wenn man sich nach längerer Zeit wiedertrifft, es ist, als habe man sich gerade gestern gesehen. Es klappt nicht mit jedem, aber es ist wunderbar, dass das mit einigen Freunden möglich ist.

Warum gefällt Ihnen Bamberg?

Die Stadt Bamberg selbst ist einfach schön, gerade weil man das Mittelalter hier noch überall sieht. Das gefällt mir sehr. Besondere Lieblingsorte habe ich eigentlich nicht. Berggebiet und Hain gefallen mir zwar besonders gut, aber ich liebe es, durch Bamberg zu streifen, zu joggen und Spazieren zu gehen. Jedes mal entdecke ich wieder etwas anderes. Einmal habe ich auch versucht, zur Altenburg den Berg hoch zu joggen. Das nächste Mal laufe ich doch lieber gemütlich.

Das Gespräch führte Samira Rosenbaum für die Pressestelle der Universität Bamberg.