Der deutsch-isländische Autor Kristof Magnusson... (Foto: Thomas Dashuber)

... las aus seinem zweiten Roman "Das war ich nicht". (Foto: Felicia Geuder)

- Felicia Geuder

„Die Finanzkrise war wohl meine teuerste Werbekampagne“

Kristof Magnusson las aus seinem zweiten Roman

Eine Kombination von Literatur und Kapital? Was für die zahlreichen Zuhörer der Lesung im Rahmen der Reihe Literatur in der Universität am 21. Juni in der U2 zuerst kaum denkbar geklungen haben mag, erwies sich als gelungenes Projekt: Der Hamburger Schriftsteller Kristof Magnusson verbindet diese zwei scheinbar konträren Komponenten in seinem zweiten Roman Das war ich nicht: Seine drei ursprünglich unabhängig voneinander existierenden Protagonisten – ein Banker, ein Autor, eine Literaturübersetzerin – können am Ende „kaum mehr den kleinen Finger heben, ohne dass die anderen etwas davon verspüren“, so der Autor.

Oft sei sein Buch als „Roman zur Finanzkrise“ bezeichnet worden, dabei habe er das Konzept dafür schon vor den Börsencrashs der letzten Jahre fertiggestellt. Dennoch habe auch die Krise dem Buch zum Erfolg verholfen, denn plötzlich war die Finanzwelt in aller Munde: „Die Finanzkrise“, so Magnusson, „war wohl meine teuerste Werbekampagne.“ Genau genommen sei die Geschichte ja auch ein Roman zur Lebenskrise, denn die drei Hauptfiguren befänden sich an Wendepunkten ihres Lebens. In einer knappen Stunde folgten die Zuhörer den drei Stimmen der Romanfiguren.

Ménage à trois

Da ist zunächst der junge Investmentbanker Jasper Lüdemann, der sich für seine Arbeit aufopfert und nur seine Karriere im Blick hat, dabei aber selten erfolgreich ist. Die eingehende Recherche von Magnusson innerhalb der Finanzbranche zeigt sich insbesondere in der Bankersprache, die der „Junior-Trader“ für „Futures und Optionen“ verwendet. Die Dynamik seiner Worte reißt die Zuhörer in einen Sog aus Aktienkursen, Traderalltag und Social Networks, aus dem es, vor allem für den Protagonisten, anscheinend keinen Ausweg gibt. Jaspers Devise heißt „Zwischen dreißig und vierzig muss man brennen“, keine Zeit für Privatleben und Familie. Diesen Satz, verriet Magnusson, habe er beiläufig von einem Lektor auf der Leipziger Buchmesse aufgeschnappt. Er sei von Anfang an der Kern des Romans gewesen.

Ein ganz anderes Leben führt Meike Urbanski, die aus ihrem beschaulichen Hamburger Leben flieht, ihren Partner Arthur und die befreundeten, neubürgerlichen Ehepaare zurücklässt. Sie erträgt die aufgesetzte Idylle nicht mehr und kauft sich kurzerhand ein sanierungsbedürftiges Haus in Nordfriesland. Der Haken ist, dass sie mit dem Haus einen Kredit übernimmt. Um diesen zurückzahlen zu können, braucht sie jedoch das neue Werk des amerikanischen Star-Autors Henry LaMarck und ihr Übersetzungshonorar. Für den beruflichen Hintergrund dieser Figur benötigte der isländisch-deutsche Autor keine größere Recherche – schließlich hat er selbst einige Bücher aus dem Isländischen übersetzt, darunter einen Roman von Einar Kárason, der in diesem Jahr Stipendiat der Villa Concordia ist.

Intimer Blick in Charaktere

Für Meikes Hoffnung auf die Einnahmen durch die Übersetzung gibt es gute Gründe: Der Autor Henry LaMarck hat – wenn auch nur, um Elton John zu gefallen – in einer Talkshow verkündet, DEN großen Roman zum 11. September verfassen zu wollen. Den geweckten Erwartungen glaubt Henry nicht gerecht werden zu können. Außerdem ist er sich sicher, dass seine Nominierung für den Pulitzer-Preis ihn doch nur aufs literarische Abstellgleis befördern würde. Als ihn schließlich an seinem 60. Geburtstag eine Überraschungsparty seines Verlags erwartet, ergibt er sich seiner Schreibkrise und flüchtet in ein Hotelzimmer in Chicago, wo ihn Meike aufspürt.

Magnussons Erzählstil erlaubt einen intimen Blick in seine Charaktere. Auf ironisch-lakonische Weise reflektieren die Figuren ihr eigenes, verfahrenes Leben und finden letztendlich trotz ihrer Unterschiedlichkeit zueinander. Sie geraten in ein Netz von amourösen und finanziellen Abhängigkeiten und profitieren alle von der gegenseitigen Sichtweise auf ihre Lebenswege.

Weitere Informationen zum Autor finden Sie auf der Seite der Veranstaltungsreihe Literatur in der Universität.