Barbara Herbst

Professorin Sabine Vogt (links im antiken Gewand) und Theaterpädagogin Ramona Parino am Scheinwerfer erklärten ca. 100 Kindern, wie Beleuchtung funktioniert.

Julia wurde von einem Mann gespielt

Die Kinder-Uni im E.T.A.-Hoffmann-Theater

Dass die alten Griechen das Theater erfunden haben, erfuhren etwa 100 Kinder im Studio des Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theaters.

"Kommilitoninnen und Kommilitonen": So respektvoll wurden die ca. 100 Kinder im Alter von etwa sieben bis zwölf Jahren bestimmt noch nicht begrüßt. Aber sie waren an diesem Samstag Vormittag ja Studenten der Kinder-Uni, und an der Universität werden Studierende so genannt.

Wenn es auch kein "richtiger" Hörsaal war, sondern das Studio des E.T.A.-Hoffmann-Theaters. Was hervorragend zum Thema passte: "Theater in Europa: Was haben die alten Griechen mit dem deutschen Theater zu tun?" Sehr viel, erfuhren die sehr interessiert und aufmerksam zuhörenden Kinder in dieser lehrreichen guten Stunde. Dafür sorgten zwei Spezialistinnen. Einmal die Professorin für klassische Philologie Sabine Vogt von der Bamberger Uni. Klassische Philologie ist die Wissenschaft, die sich mit den Sprachen Latein und Altgriechisch beschäftigt. Und dann die Theaterpädagogin Ramona Parino, die sich mit allem, was auf, vor und hinter der Bühne passiert, sehr gut auskennt und das auch anschaulich und kindgerecht weitergeben kann.

Schauspieler mit Maske

Altgriechische Verse sprach die Professorin und hielt sich eine Maske vors Gesicht, als sie im antiken Gewand das Studio betrat, in dem das Bühnenbild für die 2500 Jahre alte Tragödie "Antigone" steht. Dieses Theaterstück, in dem es um Macht, Religion, Familienstreit geht, wie die beiden Expertinnen erklärten, wird immer wieder aufgeführt, zurzeit auch am Bamberger Theater. Die alten Griechen waren sozusagen die Erfinder des Theaters, erklärte Professorin Vogt. Wenn es natürlich ganz anders war als die Bühnenkunst, die wir heute gewohnt sind. Nur Männer spielten mit; an drei Tagen, einem Art Festival, waren 16 Stücke zu sehen. Eine ganz schöne Leistung für professionelle Schauspieler, Laiendarsteller im Chor und die Zuschauer. Gegeben wurden Tragödien und Komödien und, ja, das Publikum äußerte auch sein Missfallen, sagte Prof. Vogt, als ein Mädchen fragte, ob manche auch "Buh" gerufen hätten.

Frauen saßen nur im Publikum

Dann sprang Ramona Parino gut 2100 Jahre weiter, ins England der Jahre um 1600. Sie hatte sich in ein Kleid der Zeit gehüllt und zeigte auf dem Bildschirm ein Modell des Globe Theatre, das ist das Londoner Theater, in dem William Shakespeare und seine Truppe ihre Stücke aufführten. Bis zu 3000 Zuschauer passten in das hölzerne Gebäude, erfuhren die Kinder, und auch hier spielten nur Männer - bzw. Knaben. Auch die berühmte Rolle der Julia übernahm ein junger Mann! Im Globe Theatre ging es recht heftig zu mit Streit, mit Trinken und mit fliegenden Tomaten. Denn es lag in einem Viertel mit schlechtem Ruf, und der billigste Platz unten kostete nur einen Penny - der teuerste, nah bei den Schauspielern, zwölfmal so viel.

"Irgendwann gehen doch die Ideen für neue Stücke aus?", fragte ein Bub, aber Parino wusste, dass Stücke während der Proben entstanden und geschrieben wurden. Gespielt wurde auch zu Shakespeare's Zeit bei Tageslicht, denn künstliche Beleuchtung gab es noch nicht. Erst später kamen Kerzen und Gaslicht auf, erklärte die Theaterpädagogin. Daher kommt auch der Aberglaube, dass man im Theater nicht pfeifen darf, weil das Unglück bringe: Wenn das Licht erloschen war, entwich das Gas mit einem pfeifenden Geräusch und konnte leicht explodieren. Alarmstufe Rot!

"Am Ende sind sie alle tot"

Heute kann so was nicht mehr passieren, denn moderne Scheinwerfer sind sicher. Man kann ja technisch so viel machen, erklärte die Spezialistin. Ganz verschiedene Farben einsetzen, Theater-Nebel, Tontechnik und Video ... Viele Fragen stellten die Kinder auch zum aktuellen Stück, das gerade im Studio gezeigt wird. 16 Schauspieler arbeiten zurzeit am E.T.A.-Hoffmann-Theater, die jüngste ist 24 Jahre alt, vier Schneider und Schneiderinnen gibt es, und das Bühnenbild für "Antigone" ist mit Farbe besudelt, die Blut darstellen soll. "Es ist ein ziemlich brutales Stück", erklärte Theaterpädagogin Ramona Parino. "Am Ende sind sie alle tot." Kommentar eines etwa zehnjährigen Buben: "Geil."

Hinweis

Dieser Artikel von Rudolf Görtler erschien am 29. Mai 2017 im Fränkischen Tag und am 13. Juni 2017 auf inFranken.de und wurde mit freundlicher Genehmigung des Fränkischen Tages veröffentlicht.