Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Bamberg (Fotos: Andrea M. Müller)

Bundesumweltminister a.D. Klaus Töpfer führt ins Thema der Podiumsdiskussion ein.

Vittorio Hösle, Klaus Töpfer, Christian Illies und Reinhard Zintl (v.l.n.r.) diskutieren über die Glaubwürdigkeit politischer Wechsel.

Nach der Podiumsdiskussion konnte im Kreuzgang der AULA diskutiert werden.

- Jörg Döbereiner

Von moralischer Dauer und politischem Wechsel

Podiumsdiskussion über Glaubwürdigkeit in der Politik

Selten war das Thema einer Hegelwoche so aktuell wie das diesjährige. Dies beweist bereits der Blick auf gegenwärtige politische Diskussionen, unter denen sich bemerkenswert viele moralisch sensible Themen finden: von der Plagiatsaffäre Karl-Theodor zu Guttenbergs über die Katastrophe von Fukushima und den darauffolgenden Atomausstieg der Bundesregierung bis hin zum Libyen-Einsatz der NATO und der deutschen Enthaltung. Neben den Rednern der Vortage, Prof. Dr. Vittorio Hösle und Prof. Dr. Reinhard Zintl, diskutierten Moderator und Philosoph Prof. Dr. Christian Illies und Bundesminister a.D. Prof. Dr. Klaus Töpfer über das Verhältnis von Moral und Politik. Da der ebenfalls geladene ehemalige Bundesverteidigungsminister Dr. Peter Struck krankheitsbedingt verhindert war, dominierten mit Klaus Töpfer – wenigstens auf der Ebene der politischen Beispiele – die umweltpolitischen Fragen den Abend.

Veränderung kein Zeichen von Schwäche

Der ehemalige Bundesumweltminister und Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen würzte denn auch die Diskussion mit seinem reichen Erfahrungsschatz, sprach über das Ozonloch, deutsches Recycling, moralische Konflikte bei der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und seine jüngste Tätigkeit als Vorsitzender der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung der Bundesregierung. In seiner einführenden Rede unterschied Töpfer zwischen dem Willen eines Politikers, der fest auf die Ziele seines politischen Handelns gerichtet ist, und dem Verstand desselben Politikers, der gegenüber den sich verändernden Rahmenbedingungen flexibel bleiben müsse, um nicht in Starrsinn zu verfallen. „Viele Politiker sind der Überzeugung, dass ein wechselnder Verstand ein Zeichen von Schwäche sei. Genau das ist es, glaube ich, nicht“, sagte Töpfer mit Blick auf den aktuellen Schwenk der Bundeskanzlerin in der Atomfrage. Insbesondere in einer Zeit tiefgreifenden Wandels und immer komplexeren wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns gelte: „Tue alles dafür, dass Du offen bleibst, dass Du nicht ideologisierst.“
Der Philosoph Vittorio Hösle von der University of Notre Dame (USA) betonte in der anschließenden Podiumsdiskussion, dass es trotzdem einige moralische Prinzipien geben müsse, die nicht wandelbar sind, sondern feststehen. Die Generationengerechtigkeit etwa sei als Wert unumstößlich, doch gelte es immer wieder von Neuem, auf der Basis empirisch messbarer Veränderungen herauszufinden, wie sie zu verschiedenen Zeiten verwirklicht werden könne. „Der moralische Politiker hat ein Auge auf die zeitlosen, allgemeinen moralischen Prinzipien gerichtet und das andere Auge auf die stets sich wandelnden neuen Informationen, die beispielsweise durch wissenschaftliche Erkenntnisse eingebracht werden“, so Hösle zu den Aufgaben eines guten Politikers.

Politik als Spiegel der Gesellschaft

Einig waren sich die Disputanden darin, dass man Politikern, die ihre Meinung ändern, zunächst einmal einen Vertrauensvorschuss geben sollte, dass dieser Veränderung auch eine wirkliche neue Einsicht zugrunde liege. Zugleich waren auch alle Redner davon überzeugt, dass das wählende Volk ein sehr genaues Gespür dafür hat, wessen Sinneswandel glaubwürdig ist und wer sein Fähnlein lediglich aus politischem Opportunismus nach dem Wind hängt. Letztlich müssten sich bei aller Kritik an den Politikern jedoch auch die Bürger selbst immer wieder kritisch hinterfragen, da sie mit ihren Wahlentscheidungen die Macht der Politiker erst legitimieren. „Politiker spiegeln in einer Demokratie mehr oder weniger den moralischen Zustand der Gesellschaft im Allgemeinen wider“, meinte der Halbitaliener Hösle mit einem Seitenblick auf die politische Situation Italiens unter Berlusconi. Er knüpfte damit an Zintls Vortrag vom Vortag an, der formuliert hatte, dass in einer Demokratie jedes Volk die Regierung bekäme, die es verdiene. „Wir sollten uns immer fragen: Was können wir als Bürger und Wähler tun, um bestimmte moralische Standards aufrecht zu halten? Wenn klar ist, dass wir diese moralischen Standards respektieren, werden auch unsere Politiker besser werden“, so das Schlusswort Vittorio Hösles, das vom Bamberger Publikum mit viel Applaus bedacht wurde. Tatsächlich bekam das bunt gemischte Publikum aus Bamberger Bürgern und Studierenden eine Fülle interessanter und kenntnisreicher Gedanken zu hören – nur etwas weniger einig hätten sich die Herren auf dem Podium bisweilen sein können.