Zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes erscheint ein Sammelband, der eine Bilanz des Verfassungsrechts aus politikwissenschaftlicher und juristischer Sicht zieht (Bilder: Pressestelle).

Mitherausgeber ist der Bamberger Politikwissenschaftler Reinhard Zintl.

- Georg Schmidtgen und Jens Wylkop

Happy Birthday, Grundgesetz!

Reinhard Zintl und Stefan Huster geben Sammelband zum Verfassungsjubiläum heraus

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird 60 Jahre alt: Anlässlich des Jubiläums am 23. Mai hat der Bamberger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Reinhard Zintl zusammen mit dem Juristen Prof. Dr. Stefan Huster von der Ruhr-Universität Bochum unter dem Titel „Verfassungsrecht nach 60 Jahren. Das Grundgesetz von A bis Z“ einen Sammelband herausgegeben.

Von A wie Abgeordneter über M wie Menschenwürde bis W wie Wissenschaftsfreiheit – allgemein verständlich und konkret geht der Sammelband „Verfassungsrecht nach 60 Jahren: Das Grundgesetz von A bis Z“ auf Stichwörter der Verfassung ein und erläutert damit die Schlüsselbegriffe unserer Demokratie. Die Herausgeber, der Bamberger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Reinhard Zintl und der Bochumer Jurist Prof. Dr. Stefan Huster, konnten für die inhaltliche Arbeit an dieser Bestandsaufnahme des Grundgesetzes renommierte Juristen, Politikwissenschaftler und Politiker gewinnen. 

Eine der besten Verfassungen der Welt

Die Autorinnen und Autoren fragen sowohl nach der Verfassungsrechtslage als auch nach der Verfassungswirklichkeit. Sie gelangen dabei durchweg zu der Einschätzung, dass sich die verfassungsrechtlichen Regelungen im Kern mehr als bewährt haben: Positiv beurteilen sie beispielsweise die „Völkerrechtsfreundlichkeit“ des Grundgesetzes oder seine „Garantie der Menschenwürde als Fundament der Verfassungsordnung“.  Aber nicht nur der ursprüngliche Inhalt des Grundgesetzes sondern auch seine Anwendung, sein Schutz und seine Weiterentwicklung durch die besonnene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches als „prägende Kraft“ für die gesamte Rechtsordnung agiert habe, werden herausgehoben. „Das Grundgesetz gehört zur Gruppe der besten Verfassungen der Welt, denn es verbindet eine vernünftige Einbettung und Einschränkung der Staatsgewalt mit einem hohen Grad an Handlungsfähigkeit derselben“, wie Zintl betont. 

Anlass zur Sorge

Bei allem Lob, das den Vorkehrungen des Grundgesetzes widerfährt, versäumen die Autoren jedoch nicht, auf Defizite hinzuweisen. „In der politischen und juristischen Realität sind aber auch immer wieder Entwicklungen zu beobachten, die zu Sorge Anlass geben und einen Reformbedarf anzeigen“, so Huster. Beispielsweise betont der Beitrag von Jörg Broschek zum Bundesstaat, dass eine „Entflechtung“ der politischen Ebenen und eine Weiterentwicklung zu einem echten kooperativen Föderalismus dringend geboten sei. Christine Landfried kritisiert die undurchsichtige Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts und spricht sich für ein transparenteres Verfahren aus. Schließlich weisen mehrere Autoren darauf hin, dass die bisherigen Regelungsstrukturen aufgrund der Globalisierung und Europäisierung der Politik der Überprüfung bedürfen, wenn die Verfassungsorgane handlungsfähig bleiben sollen.
Von Grundrechten, Strukturen und Leitbegriffen

Zur Intention des Buches bemerkt Zintl: „Ziel des Projektes war einerseits eine Analyse und Beleuchtung der verfassungsjuristischen Aspekte des Grundgesetzes. Zugleich sollten andererseits Auswirkungen, die von diesen verursacht und beeinflusst wurden, und die politischen Geschichte dargestellt werden.“ Daher behandeln die Beiträge nicht nur Grundrechte wie Menschenwürde, Meinungs-, Religions- und Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie und Datenschutz, sondern auch verschiedene Lebensbereiche, beispielsweise Kultur und Schule. Strukturprinzipien sowie die Ziele des Staates, etwa Rechts-, Sozial- und Bundesstaat, Gewaltenteilung und Umweltschutz, werden ebenfalls thematisiert. Darüber hinaus geht es in dem Sammelband um die Entstehungsgeschichte der Verfassung, die Einbindung der Bundesrepublik in inter- und supranationale Organisationen sowie um zentrale Organe und Handlungsinstrumente des Verfassungslebens und verfassungsrechtliche und -theoretische Leitbegriffe.

Grundgesetzkommentar für jedermann

Der rote Faden des Bandes sind die 50 Schlüsselbegriffe der Verfassung, „die man verstehen muss, um die Bedeutung des Grundgesetzes begreifen zu können“, so Huster. Denn das Grundgesetz sei sowohl ein juristischer als auch ein politischer Text: Es enthält die wichtigsten Staatsziele und Strukturprinzipien, teilt Kompetenzen und Ämter zu, aber es benennt auch politische Hoffnungen und Absichten. Die Beiträge verbinden solide Informationen mit guter Lesbarkeit – geschrieben von Expertinnen und Experten, die sich durch ihre Fähigkeit auszeichnen, aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft herauszutreten.

Somit richtet sich der Band nicht nur an Studierende und Experten der Rechts- und Politikwissenschaft, sondern an alle Bürger, die sich für verfassungsrechtliche Fragen interessieren. Zu den Autoren zählen unter anderem der Bundestagsabgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz, die NRW-Landesbeauftragte für Datenschutz Bettina Sokol und der Kulturdezernent der Stadt Essen Prof. Dr. Oliver Scheytt sowie zahlreiche Juristen und Politikwissenschaftler deutscher Universitäten.

Der Sammelband:

Stefan Huster, Reinhard Zintl (Hg.): Verfassungsrecht nach 60 Jahren. Das Grundgesetz von A bis Z. Nomos Verlag, Baden-Baden 2009, 222 S. 19,90 Euro, ISBN 978-3-8329-4391-2.