Seit mehr als 30 Jahren befasst sich Prkachin mit der mimischen Kommunikation von Schmerz. (Fotos: Andrea Lösel)

Als "intellektuell anregend" lobt Prkachin (links) die Zusammenarbeit mit seinen Bamberger Kollegen Kunz (Mitte) und Lauterbacher.

- Andrea Lösel

Vom Beginn einer langfristigen Zusammenarbeit

Kanadischer Schmerzpsychologe zu Gast in Bamberg

„Ich habe festgestellt, dass Menschen, die Schmerz empfinden, die Mimik eines Lächelns zeigen.“ Zuerst hatte der kanadische Psychologe Dr. Kenneth M. Prkachin, Professor für Gesundheitspsychologie an der kanadischen University of British Columbia, keine Erklärung für diese seltsame Beobachtung parat. Sie habe zahlreiche Fragen hervorgerufen: „Was verbirgt sich hinter der ‚smiling reaction‘? Wie kann jemand, dem gerade etwas weh tut, lächeln?“ Prkachin spekulierte, entwickelte Theorien, führte Experimente durch. Die Ergebnisse seiner Studie fanden 2008 Eingang in die Publikation The structure, reliability and validity of pain expression: evidence from patients with shoulder pain.

Ähnliche Forschungsansätze

Kurz darauf fand sich in Prkachins E-Mailpostfach eine Nachricht von Dr. Miriam Kunz. Ähnliche Beobachtungen habe man auch in der Professur für Physiologische Psychologie unter Prof. Dr. Stefan Lautenbacher gemacht und sich die gleiche Frage gestellt: Warum lächeln Personen, die Schmerz empfinden? „In Bamberg befasst man sich mit ähnlichen Aspekten der Schmerzpsychologie wie an meiner Universität“, betonte Prkachin in einem Interview die Gemeinsamkeiten. Daher sei eine Zusammenarbeit die logische Konsequenz gewesen.  Zwei Monate, von Anfang Mai bis Ende Juni, verbrachte er deshalb an der Universität Bamberg. Ziel des Forschungsaufenthaltes war eine gemeinsame Publikation – The smiles of pain – mit den Bamberger Psychologen Miriam Kunz und Stefan Lautenbacher. Prkachins Forschungsaufenthalt in Bamberg ging ein zweimonatiger Besuch an der belgischen Universität Gent voraus. „Es gibt weltweit vielleicht fünf Gruppen von Leuten, die auf solch hohem Niveau zur Forschung auf dem Gebiet der Schmerzpsychologie beitragen“, wagte Prkachin eine Schätzung. Zu diesen „top universities“ seien neben seiner Heimatuniversität sowohl Bamberg als auch Gent zu rechnen.
Besonders lobte der Gastforscher die ungewöhnlich enge Zusammenarbeit mit Kunz und Lautenbacher: „Dass wir uns jeden Tag getroffen haben, hat eine äußerst produktive und intellektuell anregende Atmosphäre  geschaffen.“ Überhaupt habe er eine sehr tiefgründige Kultur in Europa erlebt. Einer der Höhepunkte seines Forschungsaufenthaltes war das Forschungskolloquium Pain-Face-Day am 17. Juni 2011. Der Vortrag von Prkachin wurde durch Beiträge nationaler und internationaler Experten auf dem Gebiet der mimischen Schmerzkommunikation ergänzt.

Bisher nur Hypothesen über ‚smiling reaction‘

Über die Wirkmechnismen des Lächelns unter Schmerzen könne man im Moment nur Hypothesen aufstellen. „Lächeln ist ein sozialer Akt“, erklärte Prkachin. Unter dieser Annahme führten er und seine beiden Kollegen in den vergangen zwei Monaten zahlreiche Experimente durch. „Wenn Lächeln soziale Ursachen hat, gilt es, diese zu variieren: Wie verändert sich die Schmerzreaktion, wenn jemand allein im Raum ist, mit einem Fremden oder mit dem eigenen Partner?“ erklärte Kunz das Vorgehen. Konkrete Ergebnisse liegen bis jetzt noch nicht vor. „Lächeln dient dazu, eine soziale Bindung herzustellen: Wir lächeln fast nie, wenn wir alleine sind.“ Die ‚smiling reaction‘ auf Schmerzreize könnte also möglicherweise vor allem dann auftreten, wenn man in Gesellschaft ist. Welche Faktoren darüber hinaus eine Rolle spielen, wollen die Wissenschaftler noch herausfinden.

Weitere Kooperationen in Planung

Der Wunsch zu weiterer Kooperation bestünde auf beiden Seiten, erklärte Lautenbacher. Die Psychologen streben zuerst einmal den Aufbau einer gemeinsamen Datenbank an. „Bamberg und die University of British Columbia haben den weltweit größten Datenvorrat an Videos über die mimische Kommunikation von Schmerz“,  erläuterte Prkachin.  Ein gemeinsames Archiv sei für die weitere Forschung notwendig und ein „großes internationales Projekt“. Auch ein Studierenden-Austauschprogramm zwischen der kanadischen und der fränkischen Universität ist bereits angedacht. „Diese Idee kam unerwartet. Sollte sie umgesetzt werden, wäre dies sicherlich eine große Chance für meine und die Bamberger Psychologiestudierenden,“  hoffte Prkachin.
Die höchsten Erwartungen setzen die Forscher jedoch in die Planung einer Mercator-Professur: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert in ihrem Mercator-Programm Forschungsaufenthalte ausländischer Wissenschaftler an deutschen Universitäten und damit internationale Gemeinschaftsprojekte. „Mercator-Professuren sind eine Möglichkeit, exzellente Wissenschaftler zur Forschung und Lehre an die eigene Universität zu holen, “ erläuterte Lautenbacher. Hierfür ist ein Antrag der Universität bei der DFG geplant.
Prkachins Forschungsaufenthalt an der Universität Bamberg hat schon jetzt Spuren hinterlassen. Bis alle Zukunftspläne umgesetzt werden können, sind noch einige Hürden zu überwinden. Doch eine weitreichende und langfristige Zusammenarbeit liegt bereits in greifbarer Nähe.

Für weitere Informationen steht Ihnen Prof. Dr. Stefan Lautenbacher zur Verfügung.