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Leuchttürme der Wissenschaft sollen die neuen Elite-Universitäten in Deutschland sein. Aber ist diese Form der Wissenschaftsförderung die richtige?

Pressestelle/Universität Bamberg

Richard Münch leistet mit seinem Buch einen kritischen Beitrag zur aktuellen Elite-Diskussion.

„Die akademische Elite“ ist im Frankfurter Suhrkamp-Verlag erschienen.

- Michael Görtler

Elite-Unis – eine exzellente Wahl?

Richard Münch analysiert in seinem neuen Buch die akademische Elite

Weitere deutsche Universitäten wurden im Oktober 2007 als Elite-Universitäten gekennzeichnet und mit hohen Fördersummen bedacht. Die Diskussion um Nutzen und Schaden dieser Maßnahmen reißt nicht ab und ist im Zusammenhang einer umfassenden Elite-Diskussion zu sehen. Richard Münch leistet in seinem neuen Buch einen kritischen Beitrag dazu.  

Angemessene Auswahl und Förderung?

Prof. Dr. Richard Münch, Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie II der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, setzt sich in seinem Buch „Die akademische Elite“ umfassend mit der „Exzellenzkonstruktion“ in der Bundesrepublik auseinander. Als soziale Konstruktion ist die Definition des Elite-Status von den beteiligten Akteuren, den Rahmenbedingungen und Kriterien der Auswahl abhängig. Die Bewertung der Leistungen und die Vergabe von Fördermitteln in Wissenschaft und Forschung erscheint aber alles andere als ausgeglichen.

Die Exzellenzinitiative versucht eine Aufwertung des Standorts Deutschland durch eine Erhöhung der finanziellen Leistungen, durch eine Konzentration auf wenige ausgewählte Standorte und durch ein Plus an Forschungsevaluation zu erreichen. Laut Münch führt dieser Weg in eine Sackgasse. Eine weitere Konzentration auf bestimmte Standorte vergrößere nur die vorhandenen Monopolstrukturen und schränke die Innovationsfähigkeit der Wissenschaft und Forschung weiter ein. Auch mit den momentanen Bewertungs- und Auswahlverfahren geht er hart ins Gericht, spricht sogar „von einer neuen Form der totalen Überwachung durch Kennziffernsteuerung“, die das Handeln des wissenschaftlichen Personals beeinträchtige.

Offener Wettbewerb in Deutschland fehlt

Unter den momentanen Wettbewerbsbedingungen sieht Münch einen erheblichen Veränderungsbedarf. Die Gründe für die Missstände seien vielschichtig. Kurz gesagt: Investiert werde oftmals an den falschen Orten und damit leistungshemmend.
Der Bamberger Soziologe nennt viele Beispiele: Die Exzellenzzuschreibung durch Ranking-Verfahren richte sich in erster Linie nach absoluten Erfolgen eines Standorts, etwa nach der Zahl der Publikationen. Die relativen Resultate in Abhängigkeit des Einsatzes von personellen und sachlichen Ressourcen blieben weitgehend unberücksichtigt. Ein Teil der Misere resultiere aus der Machtverteilung und dem Ressourcenfluss innerhalb des akademischen Feldes. Das „symbolische Kapital“, etwa Ausschusssitze oder Gutachtertätigkeiten in Forschungsorganisationen bestimmten den Erfolg eines Standorts in Ausschreibungen oder Drittmitteleinwerbung. Für Münch eine klare Wettbewerbsverzerrung.

Strukturelle Veränderung erforderlich

Zur Steigerung der Forschungsleistungen in der Bundesrepublik ist nach Münch die Herstellung eines offenen Wettbewerbs „unter den Bedingungen der Chancengleichheit und Fairness“ erforderlich, für den Münch zehn Orientierungspunkte in Anlehnung an die Konditionen in den USA vorlegt. Ein struktureller Wandel des akademischen Feldes sei notwendig, der sich auf die Konstellation der beteiligten Akteure, der institutionellen Verfahren der Zuteilung von Ressourcen, der Konstruktion von Exzellenz sowie der Leitideen von Wissenschaft und Forschung erstreckt. Auch in der Evaluation der Forschung und Lehre sei eine Neuorientierung nötig, denn die bisherigen Verfahren fördern, so Münch, „standardisierte Normalwissenschaft auf Kosten von Vielfalt, Kreativität, Innovation und offener Wissensrevolution“.

Mit seiner Analyse der akademischen Elite hat Richard Münch einen umfassenden, wenn auch freilich nicht von allen vorbehaltlos geteilten Beitrag zur Diskussion geleistet. Unnötige Redundanz und exorbitante Darstellung wird ihm in Rezensionen wiederholt vorgeworfen, was den Aussagekern seiner Untersuchung nicht schmälert. Der Wandel in der Wissenschaftsgesellschaft ist jedenfalls in vollem Gange. 

Richard Münch: Die akademische Elite. Zur sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Exzellenz. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2007. 15,00 €.