Stefan Voll (li.) beim gemeinsamen Training mit Christoph Stephan (Fotos: Sportzentrum)

Auch Spinning steht auf dem Trainingsplan.

Gemeinsame Aktivitäten mit den Studierenden: Christoph Stephan nimmt auch gerne an Kanufahrten teil.

Eine Olympiamedaille im Visier

Sportwissenschaftler Stefan Voll betreut Biathlet Christoph Stephan

„Sie müssen sich das so ähnlich vorstellen wie beim Hüpfspiel Himmel und Hölle“, erklärt Prof. Dr. Stefan Voll, Leiter des Sportzentrums der Universität Bamberg und der Forschungsstelle für Angewandte Sportwissenschaften. „Auf dem Boden liegen mehrere bunte Felder. Jedes Feld hat eine andere Bedeutung und die Aufgabe ist es, über einen bestimmten Zeitraum hinweg die passenden Bewegungsaufgaben für jedes Feld ohne Fehler durchzuführen.“

Der bestimmte Zeitraum, von dem Voll spricht, umfasst ca. 45 Sekunden – und damit genau die Zeitspanne, die ein Spitzenbiathlet durchschnittlich am Schießstand braucht, um alle seine fünf Schüsse möglichst ins Ziel zu setzen. „Christoph schaffte es nicht immer, seine Konzentration über die kompletten 50 Sekunden aufrecht zu halten, was zur Folge hatte, dass seine letzten beiden Schüsse öfter daneben gingen“, erläutert Voll die Arbeit mit seinem Schützling. „Mithilfe dieser und ähnlicher Übungen konnten wir Christophs Konzentrationsfähigkeit schulen und ihm am Schießstand zu besseren Ergebnissen verhelfen.“

Seit zwei Jahren unterstützt Stefan Voll in seiner Funktion als Leiter der Forschungsstelle für Angewandte Sportwissenschaften an der Universität Bamberg den 28-jährigen Oberhofer. Das individuell auf Christoph Stephans Bedürfnisse abgestimmte Programm umfasst gemeinsame Gespräche über private und sportliche Ziele, Schwierigkeiten oder Erfordernisse ebenso wie Wettkampfanalysen, Trainingsplanbesprechungen oder gezielte Vorbereitung auf sportliche Großereignisse. Gepaart mit praktischen Übungseinheiten, die die mentale Arbeit auf physischer Ebene aufgreifen und vertieften, soll dies zu mehr Stabilität im Wettkampf führen.

Auch im Wettkampf „bei der Stange“ bleiben

Ebenfalls erprobt werden „Sofortmaßnahmen“, die Christoph Stephan bei schwierigen und kritischen Situationen im Wettkampf – wie dem Übergang vom Laufen zum Schießen oder einem bevorstehenden kräftezehrenden Berganstieg – auch unter großem Druck noch abrufen kann. Dazu zählen Mentalprogramme wie das sogenannte Situationsfeedback, in dem Christoph Stephan in einen Dialog mit sich selbst tritt und sich damit seine Verfassung im jeweiligen Augenblick bewusst machen kann. Oder autosuggestive Sätze oder Bilder wie die Vorstellung, dass nicht er es ist, der sich den Berg hochkämpfen muss, sondern umgekehrt der Berg ihn zieht. 

In das Training des Spitzensportlers lässt Voll unmittelbar Erkenntnisse aus seiner Arbeit in der Forschungsstelle einfließen. Denn neben sportwissenschaftlichen Forschungen steht hier vor allem praxisorientiertes Wissensmanagement im Vordergrund. „Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, aktuelle Forschungsergebnisse aus der Sportwissenschaft in die Praxis zu transferieren und sowohl für den Leistungs-, Schul- und Breitensport als auch für Unternehmen nutzbar zu machen“, erläutert er. „Dieses Wissen wenden wir im Training mit Christoph Stephan an, umgekehrt erfahren wir durch die Arbeit mit ihm aber auch, ob und wie effektiv der Transfer funktioniert.“

Stefan Voll ist zufrieden mit der Trainingsleistung und den Fortschritten seines Schützlings. Trotz der starken Konkurrenz, vor allem durch Ausnahmeathlet Martin Fourcade, die laufstarken Norweger Tarjei Boe und Emil Hegle Svendsen sowie Altmeister und Routinier Ole Einar Bjoerndalen räumt er ihm bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Sotschi gute Medaillenchancen ein. „Christoph hat einen unglaublichen Kampfgeist und keine Angst vor Schmerzen. Zusammen mit seinen konstant hervorragenden Laufleistungen haben ihm diese Charaktereigenschaften geholfen, an die Weltspitze zurückzukehren, und sie werden auch sein Rückgrat in Sotschi sein“, ist sich Voll sicher.

Christoph Stephans Olympiachancen

Vor allem der direkte Mann-gegen-Mann-Antritt wie im Sprint oder in der Verfolgung eignet sich bestens, um diese Qualitäten auszuspielen. Dass er jedoch auch in weiteren Disziplinen wie dem Massenstart bestehen kann, hat Christoph Stephan besonders eindrucksvoll bei seinem ersten Weltcupsieg 2009  in Antholz bewiesen. Hier schlug er nach einem kraftzehrenden Sprint, in dem er fast blau gelaufen wäre, den zuvor führenden Österreicher Dominik Landertinger in einem Wimpernschlag-Finale.

„Seine jeweilige Platzierung steht und fällt mit der Schießleistung. Doch wenn das Wetter mitspielt, der Schnee hart ist und man gut gleiten kann, kommen ihm zusätzlich seine Körpergröße von 1,87 cm und sein athletischer Körperbau zugute“, schätzt Voll. „Schließlich gehört Christoph zu den ganz wenigen Biathleten, die selbst am Anstieg mit der sehr effektiven, aber kraftraubenden 1/1-Technik laufen können.“

Seinen ersten Einsatz hat Christoph Stephan am 8. Februar im Sprint über 10 km. Bundestrainer Mark Kirchner vergab die Startplätze strikt nach Trainings- und Saisonleistung und gab dem Oberhofer Polizeimeister daher den Vorzug vor dem altgedienten Andreas Birnbacher, der in den letzten Wochen sein Leistungspotential nicht immer ausschöpfen konnte.

Stefan Voll wird die Wettbewerbe im Fernsehen verfolgen, dabei ständig per Telefon und Mail mit Christoph Stephan in Kontakt stehen –  nicht nur als sportpsychologischer Betreuer, sondern auch als Mensch und Freund: „Ich habe Christoph als feinen und bescheidenen Kerl kennengelernt, der sich für nichts zu schade ist. Er kommt häufig an unsere Forschungsstelle, spricht mit den Studenten und ist für gemeinsame Aktivitäten zu haben. Ich wünsche und gönne ihm eine Medaille von Herzen.“

Hinweis

Diesen Text verfasste Tanja Eisenach für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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