17 Jahre war Reinhard Zintl für die Universität Bamberg tätig, jetzt wurde er in den Ruhestand verabschiedet (Fotos: Monica Fröhlich).

Auch Dekan Thomas Gehring fiel der Abschied nicht leicht.

Festrednerin Katharina Holzinger sprach über die Politische Theorie in Deutschland.

Gut 200 Gäste konnte Reinhard Zintl bei seiner Abschiedvorlesung begrüßen.

- Eva Schenk

Der Fürst als Vorbild

In seiner Abschiedsvorlesung sprach Reinhard Zintl über Machiavelli und die Zukunft der Politischen Theorie

Für Prof. Dr. Thomas Gehring, Dekan der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, war es offensichtlich nicht leicht, seinen langjährigen Kollegen Reinhard Zintl in den Ruhestand zu entlassen. „Natürlich freuen wir uns hier alle, deinen Abschied mit dir zu feiern. Aber nach einer solch langen Zusammenarbeit empfinde ich auch ein wenig Wehmut“, bekannte Gehring. In seiner Ansprache gab er außerdem einen kurzen Überblick über Reinhard Zintls Werdegang. Nach dem Studium der Politikwissenschaft, der Soziologie, der Neueren Geschichte und der Philosophie promovierte Zintl in Freiburg und wurde später in Regensburg habilitiert. Dort studierte er außerdem Volkswirtschaftslehre und schloss diesen Studiengang mit Diplom ab. Seit 1993 ist er Inhaber des Lehrstuhls I für Politikwissenschaft der Universität Bamberg. Seitdem habe Zintl gemeinsam mit Prof. Dr. Hans Rattinger und Prof. Dr. Ursula Hoffmann-Lange die Politikwissenschaft um weitere Teilgebiete erweitert und „Bamberg zu einem bekannten Standort auf der politikwissenschaftlichen Landkarte Deutschlands entwickelt“, so Gehring.

Dass sich Zintl nicht nur um die Bamberger Politikwissenschaft, sondern vor allem um sein Fachgebiet, die Politische Theorie, verdient gemacht hat, betonte Gastrednerin Prof. Dr. Katharina Holzinger von der Universität Konstanz. Holzinger, die bei ihrer Habilitation von Zintl betreut wurde, präsentierte in ihrem Festvortrag die Geschichte der Politischen Theorie als Fach-, Methoden- und Institutionengeschichte und bezeichnete ihren Mentor als „stärkste Antriebskraft des Rational Choice Ansatzes in Deutschland“.

Die Vier-Felder-Tafel: ein universell einsetzbares Instrument

Auch die Studierenden der Politikwissenschaft ließen es sich nicht nehmen, „ihren“ Professor würdevoll in den Ruhestand zu verabschieden. In ihrem Vortrag skizzierten die Studentinnen Mirijam Böhme und Theresa Franz Reinhard Zintl als einen Professor, der begeistere, die richtigen Worte finde und dessen Veranstaltungen auch zu frühen Uhrzeiten und bei widrigen Wetterumständen stets gut besucht gewesen seien. Komplexe Sachverhalte habe er vor allem dank des Einsatzes sogenannter Vierfeldertafeln reduzieren und vermitteln können. Dass diese Tafeln als universelles Erklärungsmodell taugen, verdeutlichte Böhme anhand einer unterhaltsamen Anekdote: Einmal habe Zintl eine solche Tafel auf den Tageslichtprojektor gemalt – aus Versehen direkt aufs Glas, denn die Folie war leider alle. „Gerüchte besagen, dass der Aufschrieb von Professor Zintl noch drei Wochen dort verblieb und auch von Dozenten anderer Fachgebiete gerne verwendet wurde“, meinte Böhme schmunzelnd.

Machiavelli als Vorbild für die politische Theorie

Im Anschluss an seine zahlreichen Vorredner hielt Reinhard Zintl seine Abschiedsvorlesung mit dem Titel „Machiavelli und die Moral. Zum Verhältnis von politischer Theorie und empirischer Politikwissenschaft.“ Niccolò Machiavelli in einem Atemzug mit dem Begriff Moral zu nennen schien auf den ersten Blick wagemutig zu sein – schließlich ist Machiavelli vor allem für sein Werk Il Principe („Der Fürst“) bekannt, das von vielen als Handlungsanweisung für rücksichtslose Machtpolitik gelesen wird und in dem der Autor angeblich von einem negativen Menschenbild ausgeht. Ausgehend von einem Satz aus Machiavellis Discorsi („Discorsi. Gedanken über Politik und Staatsführung“) zeigte Zintl, dass Machiavelli bereits alle Voraussetzungen für eine gute Politische Theorie kannte.

Laut Zintl hält Machiavelli den Menschen nicht für amoralisch, sondern betrachtet ihn in seiner ganzen Komplexität – als ein Wesen, das sicherlich moralisch nicht standfest ist, das aber sehr wohl moralische Maßstäbe hat und moralische Urteile fällt. Diese Urteile seien auch als Gegenstand der politischen Theorie zu betrachten. „Da Machiavelli seine Umwelt beobachtete und daraus seine theoretischen Schlüsse zog, kann man ihn auch heute noch als Vorbild dafür sehen, wie gute Politische Theorie betrieben werden kann. Er war jemand, der vor allem Probleme lösen wollte.“

Politische Theorie bleibt wichtige Teildisziplin

Probleme zu definieren und über Lösungsmöglichkeiten nachzudenken sei auch heute noch das Hauptanliegen der politischen Theorie – die Bearbeitung dieser Probleme geschehe dann meist durch empirische Methoden. Dass die Politische Theorie an vielen Universitäten mit dem Ziel, mehr Praxisnähe zu erreichen, reduziert wurde, empfindet Zintl als ein Missverständnis des wirklichen Sachverhalts: „Politische Theorie und Empirie schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander. Deshalb wird die Politische Theorie in Bamberg als eine gleichwertige politische Teildisziplin gesehen. Schließlich ist nichts praktischer als eine gute Theorie.“

Am Ende seines Vortrags wurde Zintl von den gut 200 Zuhörern mit begeistertem Applaus verabschiedet, der nicht nur seiner Rede, sondern auch seiner Person und seiner Haltung galt, die der Dekan mit den Worten „Ausgleich, Harmonie und gelassene Abwägung“ bezeichnet hatte.

Als letzter Redner des Abends verabschiedete der Präsident der Universität Bamberg, Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, Zintl in den Ruhestand. Da Ruppert mit Zintl vier Jahre in der Universitätsleitung eng zusammen gearbeitet hatte – Zintl war von 2004 bis 2008 Vizepräsident für Lehre und Studium – „geht mir dieser Abschied so nahe wie fast noch nie einer in diesem Amt.“ Für seine überragenden Verdienste und zugleich im Hinblick auf zukünftige Aufgaben, die Zintl im Namen der Universität wahrnehmen soll, wurde ihm  abschließend die Urkunde „Emeritus of Excellence“ verliehen.