Vizepräsidentin und Vizepräsident: Anna Susanne Steinweg hat den Arbeitsbereich Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs übernommen. Sebastian Kempgen den Arbeitsbereich Lehre und Studium. (Bild: Pressestelle)

- Monica Fröhlich

Bachelor – Master – Graduate School: Dreisatz der Zukunft?

Seit 1. Oktober 2008 hat die Universität Bamberg eine neue Vizepräsidentin und einen neuen Vizepräsidenten

Nach der Umstellung auf die Bachelor- und Masterprogramme und einer stärkeren Vernetzung und Internationalisierung der Forschung, stehen die beiden neuen Leitungsmitglieder vor großen Aufgaben. Monica Fröhlich sprach mit ihnen über die Herausforderungen der kommenden drei Jahre.

Wiederentdeckung der Geisteswissenschaften in der Gesellschaft

Aber auch das inhaltliche Profil der Bamberger Uni wird die Arbeit der beiden wesentlich beeinflussen. Die Mathematikdidaktikerin Steinweg, die das Aufgabengebiet Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs von ihrem Vorgänger Rainer Drewello übernommen hat, konstatiert eine spürbare „Wiederentdeckung der Geisteswissenschaften“ in der Gesellschaft. Das sei nicht nur an den neuen Förderprogrammen der EU festzumachen. Immer stärker verändere sich das Bewusstsein der Gesellschaft dahingehend, Probleme nicht mehr isoliert zu betrachten. Das Zusammenleben in der Welt könne nur funktionieren, wenn Ansichten reflektiert, Handlungen und Veränderungsprozesse kompetent begleitet und überprüft werden. In dieser Begleitung und in der philosophisch-ethisch-kulturellen Einbettung gesellschaftlicher Werte und Prozesse sehen Steinweg und Kempgen die vorrangige Aufgabe der Geisteswissenschaften, die in Bamberg mittlerweile den größten Schwerpunkt bilden und über alle Fakultäten vernetzt sind. „Es gibt viele Probleme, die nur in der Gemeinschaft gelöst werden können“, sagt die neue Vizepräsidentin. Forschungsförderung allgemein sowie die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Besonderen wird sich unter anderem an diesen Anforderungen zu orientieren haben.

Steinweg, die die Arbeit der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs (FNK) seit längerer Zeit als Frauenbeauftragte begleitet, will die Forschungsförderung in Zukunft noch stärker am Bedarf der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausrichten. Eine Bedarfserhebung und -analyse beim wissenschaftlichen Nachwuchs beziehungsweise bei denjenigen, die am Ende des Studiums stehen und über eine wissenschaftliche Laufbahn nachdenken, steht ebenso auf ihrem Programm. Auch ausgehend von diesen Ergebnissen will sie dann über die notwendigen Maßnahmen und Strukturveränderungen sprechen.

Qualität in Lehre und Studium

Auch im Aufgabenbereich Lehre und Studium, den Sebastian Kempgen künftig betreut, wird das besondere Bamberger Fächerprofil eine große Rolle spielen. Das Ziel, künftig stärker Kompetenzen zu vermitteln als Wissen, müsse dazu führen, über diese Kompetenzen nachzudenken und sie zu definieren. Der Slavist Kempgen, der in seiner Funktion als Dekan die Entwicklung der neuen sprach- und literaturwissenschaftlichen Studienprogramme wesentlich begleitet hatte, erläutert den aktuellen Stand des Bologna-Prozesses: Zunächst habe man die Studiengänge strukturell im Sinne der Anforderungen von Bologna umgestellt. Jetzt gelte es, die Prozesse hinter der Umstellung weiter zu denken und anzupassen. „Wenn wir die Maßgabe der Kompetenzvermittlung ernst nehmen, dann müssen wir auch die Lehr- und Prüfungsformen anpassen“, erklärt er.

Im Wintersemester starten auch die modularisierten Lehramtsstudiengänge. Die Fertigstellung der zugehörigen Ordnungen sei nach dem Eindruck nicht weniger Dozenten etwas „holterdipolter“ vonstatten gegangen, die optimale Form vielleicht noch nicht gefunden. Die Durchlässigkeit zu den Bachelorprogrammen sei dank sorgfältiger Planung schon hoch, bei der Kompatibilität des Staatsexamens zu den Masterprogrammen müsse noch weiter nachgedacht werden.

Auch die Diskussion um die Studienbeiträge, deren Höhe und Verwendung wird natürlich weitergehen. Der Senat wird in seiner ersten Sitzung im Wintersemester am 5. November über etwaige Änderungen der Beitragssatzung beraten.

Wichtig ist für Kempgen ferner, das Portfolio an Studiengängen sinnvoll zu ergänzen: „Wir sind größtenteils sehr fachnah aufgestellt; das ist gut für die Wahrnehmung unserer Programme. Aber wir müssen wettbewerbsfähig bleiben.“ Um einem Vergleich mit anderen Universitäten Stand zu halten, müsse man auch über vernetzte Programme ähnlich dem neuen Joint Master's Degree English and American Studies nachdenken. Und sich immer wieder fragen, ob die Angebote attraktiv genug seien und internationalen Standards genügen.

Damit ist Kempgen bei der wohl größten und umfassendsten Aufgabe in seinem Bereich angekommen: die Sicherung von guter Qualität in Lehre und Studium durch die Einführung der Systemakkreditierung. Die kommenden Jahre stehen im Zeichen der Vorbereitung. Zunächst gilt es, die geeigneten Instrumente zu finden und die nötigen Prozesse zu schaffen. Damit hatte Reinhard Zintl, Kempgens Vorgänger im Amt, bereits begonnen. Zintl, der auch Mitglied im Akkreditierungsrat ist, plädierte dafür, gute Qualität in Studium und Lehre als Produkt eines permanenten Lernprozesses anzusehen, in dem die Hochschulen selbst die primäre Verantwortung für Qualität und Qualitätssicherung tragen und den sie in geeigneter Weise institutionalisieren müssen. Diese Verantwortung liegt jetzt bei Kempgen. Es ist eine ebenso komplexe wie langfristige Aufgabe: „Am Ende meiner Amtszeit sind wir vielleicht so weit, dass wir mit der Einführung beginnen können“, schätzt er die zeitliche Perspektive ein.

Schnittmenge: Graduate School

Das sich wandelnde europäische Hochschulsystem reagiert mit seinem alle Bereiche umfassenden Umstrukturierungsprozess nicht zuletzt auch auf die Veränderung der Lebenswege und die wachsenden Anforderungen eines lebenslangen Lernens und Weiterbildens. Steinweg und Kempgen sind sich einig, dass es immer wichtiger wird, die sich wandelnden Lebenswege zu berücksichtigen und die universitären Angebote darauf abzustimmen. Eine besondere Bedeutung wächst den Übergängen von einer Lebens-, Lern- oder Ausbildungsphase in die nächste zu.

Im Bereich Lehre und Studium betrifft das vor allem den Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium, über den man zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum mehr als Vermutungen anstellen kann: Wie viele Studierende werden sich für einen Master entscheiden? Werden sie ihr Masterstudium unmittelbar an den Bachelor-Abschluss anschließen oder später zurückkehren, nach einer Berufsphase, die ihnen bereits ein Problembewusstsein vermittelt hat, auf das wiederum die Masterprogramme reagieren müssten? Man werde das Verhalten der Studierenden abwarten und analysieren müssen – dann aber direkt darauf reagieren, erklärt Kempgen.

Im Bereich der Masterprogramme und am Übergang vom Master in die Promotion werden sich die Arbeitsgebiete der beiden in Zukunft sehr deutlich überschneiden. Der Name dieser Schnittmenge heißt: Graduate School. Potentiellen wissenschaftlichen Nachwuchs rechtzeitig entdecken und fördern und ihm die Möglichkeit bieten, strukturiert, effizient und international vernetzt zu promovieren – das ist die Idee von Graduate Schools, mit denen sich Bamberg künftig einen Namen in der Nachwuchsforschung und -förderung machen will. Den Übergang vom Bachelor zum Master und vom Master in eine Graduate School schrittweise zu gestalten und zu begleiten, wird eine Aufgabe sein, der sich beide in den kommenden drei Jahren gemeinsam widmen werden.