swdm/Photocase

Das Reisen in Europa wurde durch das Schengen-Abkommen erheblich vereinfacht. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel, wie drei junge Türkinnen erfahren mussten.

Universität Bamberg

Diesmal gut angekommen in Deutschland und von der Universität herzlich willkommen geheißen (von links): Andreas Weihe, Figen, Eylem, Godehard Ruppert, Özge und Auslandsamts-Praktikantin Adviye

- Martin Beyer

Versöhnung mit Deutschland

Universität Bamberg lädt ausgewiesene Türkinnen ein

Handschellen und eine Nacht hinter Gittern: Für drei türkische Erasmus-Studentinnen wurde eine Fahrt von Breslau nach Hamburg zum Albtraum. In Bamberg versöhnten sie sich nun mit Deutschland – sie nahmen am Internationalen Ferienkurs teil.

Den zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 2007 werden die drei türkischen Studentinnen Eylem, Özge und Figen nie vergessen. Sie saßen im Fernzug von Breslau nach Hamburg, um in der Hansestadt Verwandte zu besuchen. Sie nahmen gerade an einem von der EU finanzierten Erasmus-Programm teil, das sie aus ihrer Heimatstadt Izmir nach Polen geführt hatte. Dort lernten sie viel über die Europäische Union und die Öffnung der innereuropäischen Grenzen. Sie lernten auch, dass am 21. Dezember 2007 Polen dem Schengen-Abkommen beigetreten war und damit die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Polen wegfielen. Was sollte sie nun also hindern, mit einem für Polen gültigen Visum nach Deutschland zu fahren? Eine Rückfrage beim Breslauer Auslandsamt kam ebenfalls zu dem Ergebnis: Das sei jetzt möglich.

Unbeabsichtigte Grenzverletzung

Nach Deutschland also. Vielleicht wähnten sich die drei jungen Frauen schon „zu Gast bei Freunden“, als es ein böses Erwachen gab. Die Einreise war nach EU-Vorschriften illegal, die Informationen aus Breslau waren falsch. Eylem, Özge und Figen wurden als „Grenzverletzerinnen“ festgenommen und mussten ein schikanöses Verfahren über sich ergehen lassen. Handschellen, Kontrollen, eine Nacht hinter Gittern, „Zurückschiebung“ nach Polen, dort wieder Inhaftierung. Drohende Konsequenzen: Eintrag in das Eurodac-Register als „unerwünschte Person“, jahrelanges Einreiseverbot et cetera. In einer Nacht schien sich die gesamte Lebensplanung der Studentinnen in Luft aufzulösen.

Der Fall wurde dann, zum Glück für die drei EU-Stipendiatinnen, publik, wichtige polnische Medien berichteten. Die Universität in Breslau bemühte sich, es gab Einsprüche, auch die deutsche Seite ruderte zurück. Das Deutschland-Bild in Polen wurde durch diesen Vorfall, der wohl kein Einzelfall war, nicht gerade gestärkt. Aber, noch wichtiger, was war mit dem Deutschland-Bild der drei Türkinnen, die eine traumatische Nacht durchlebt hatten?

Deutschlandbild ins rechte Licht rücken

Ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung machte Dr. Andreas Weihe, Leiter des akademischen Auslandsamtes, und den Präsidenten der Bamberger Universität Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert auf den „Kasus“ aufmerksam. Ihnen kam die Idee, die drei jungen Frauen zum einmonatigen Internationalen Ferienkurs nach Bamberg einzuladen, um das gestörte Verhältnis der „Grenzverletzerinnen“ zu Deutschland wieder ein wenig zu korrigieren. Eylem, Özge und Figen nahmen an und verbrachten den August in Bamberg, zusammen mit den anderen Ferienkurslern aus aller Welt. Finanziert wurde der Aufenthalt vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD), dessen Generalsekretär ebenso erstaunt, wenn nicht erbost war über das schroffe Vorgehen der deutschen Behörden.

„Die Anwesenheit der drei türkischen Studentinnen entpuppte sich als totaler Glücksfall“, sagt Weihe nach den vier Wochen. Er freute sich über aufgeschlossene und freundliche junge Damen, die bereit zur Versöhnung und weiterhin neugierig waren auf dieses Land. Auch die Sprachkenntnisse der Studentinnen verbesserten sich in den letzten Wochen deutlich. Da sie Anglistik studieren, denken sie sogar darüber nach, sich für das Bamberger Master-Programm „Joint Master’s Degree“ einzuschreiben. Die Stadt an der Regnitz scheint also einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben.

Während Figen und Özge erst einmal nach Izmir zurückflogen, setzte sich Eylem am Ende des Ferienkurses wieder in einen Zug nach Hamburg, wieder mit dem Ziel, ihre Verwandten zu besuchen. Ob sie noch Angst habe? „Meine größte Angst ist diesmal, dass mein Gepäck zu schwer ist“, sagt sie und lacht. Vielleicht ist dieser zweite Weihnachtsfeiertag des Jahres 2007 doch bald vergessen.