Apiradee Gerrits

Lasse Gerrits forscht zu komplexen technischen Systemen, zum Beispiel zu Bahnprojekten.

Apiradee Gerrits

Lasse Gerrits

Nächster Halt: Bamberg!

Lasse Gerrits ist neuer Politikprofessor

Bahnbetriebe, Flughäfen oder Konzerthäuser: Richtig gesteuert können solche Projekte überall funktionieren, auch in Deutschland. Sagt Lasse Gerrits, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, insbesondere Steuerung innovativer und komplexer technischer Systeme. Seine These: Wenn es um die Sache geht und nicht um Eigeninteressen, gelingt auch das große Ganze.

Deutschland ächzt unter seinen Großprojekten: Explodierende Baukosten (Beispiel Elbphilharmonie: derzeit 789 Millionen Euro statt der geplanten 77) und Baupfusch (Beispiel: Brandschutzanlage im BER-Flughafen) bereiten Politikern schlaflose Nächte und treiben Bürgern Tränen in die Augen. Stuttgart 21 gilt bereits jetzt in PR-Kreisen als Negativbeispiel für Führung und Change Management. Einer Person allerdings zaubern diese Themen ein freudiges Lächeln ins Gesicht: Lasse Gerrits. Nein, der Niederländer hat mitnichten einen ausgeprägten Hang zur Schadenfreude. Vielmehr erforscht er solche vielschichtigen Projekte und Prozesse, in denen eine fast unüberschaubare Anzahl von Aktionen, Entscheidungen und Abstimmungen zusammenlaufen.

Neuer TAO-Lehrstuhl in Bamberg

Lasse Gerrits hat Verwaltung und Stadtplanung in Rotterdam studiert, dort auch promoviert und zunächst als Juniorprofessor, später als außerordentlicher Professor gearbeitet. Zum 1. Oktober 2014 kam er nach Bamberg, um den dank der TechnologieAllianzOberfranken (TAO) neugegründeten Lehrstuhl für Politikwissenschaft, insbesondere Steuerung komplexer technischer Systeme, zu leiten. Bei seinen Forschungsprojekten nimmt er besonders die Prozesssteuerung sowie das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik unter die Lupe. Welches Abhängigkeitsverhältnis besteht? Wo endet der menschliche Einflussbereich? Wie und wohin entwickeln sich beide Seiten im Laufe der Zeit?

Der Neu-Bamberger hat sowohl wissenschaftlich als auch biographisch gesehen einen starken Bezug zu Reisen, zum Entdeckertum und Schienenverkehr. So bringt er ein Forschungsprojekt aus Rotterdam mit, das sich mit Problemen und Verbesserungspotential im niederländischen Bahnsystem beschäftigt. Zudem hat er nicht nur längere Forschungsaufenthalte in Thailand, USA, Großbritannien und Deutschland absolviert; schon seit geraumer Zeit wünschte er sich eine dauerhafte Anstellung im Ausland: „Die Niederlande sind klein und alle Universitäten arbeiten ähnlich. Ich war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und hatte große Lust, eine andere Welt kennenzulernen.“

„Die Stelle ist wie ein Lottogewinn“

In die fränkische Domstadt zog ihn vor allem das Lehrstuhlprofil: „Ich hätte nie damit gerechnet, eine Stelle zu finden, die so perfekt zu meinem Lebenslauf passt. Das ist wie ein Sechser im Lotto.“

Während viele seiner Forschungsobjekte mit Elektrizität bewegt werden, ist in Gerrits Leben die Neugier treibende Kraft. Sachinhalte stellen die Weichen, nicht die Überlegung, wie Inhalte für persönliche Interessen nutzbar gemacht werden können. Diese Grundhaltung ist für ihn nicht nur Voraussetzung für qualitätsvolle Forschung, sondern auch für das Gelingen von Großprojekten: „Der Schlüssel zum Erfolg ist, jeden Einzelschritt um seiner selbst willen zu tun und diese nicht zu  instrumentalisieren. Sobald es nicht mehr um die Sache geht, sondern um Geld, Ansehen oder Macht wird es schwierig.“

Kein Wunder, dass Gerrits die Stationen einer wissenschaftlichen Laufbahn ziemlich unbewusst passierte und eher nebenbei zum Wissenschaftler wurde. „Lange Zeit war ich einfach nur neugierig und wollte das, was ich studiere, verstehen. Promoviert habe ich zum Beispiel deshalb, weil ich nach der Masterarbeit das Gefühl hatte, dem Thema nicht gerecht geworden zu sein und mit ihm besser umgehen könnte und sollte.“

Ungewöhnliches Didaktikkonzept

Studierende, die bei Gerrits Lehrveranstaltungen einsteigen möchten, erwartet ein Lehrkonzept, das seiner Haltung entspricht. Sie bekommen einen Sachverhalt geschildert und erarbeiten sich  Problemstellung und Lösungsweg selbst. Ausgearbeitete PowerPointPräsentationen, dutzende von Seiten umfassende Skripte oder Stapel von Aufsatzkopien gibt es in seinen Seminaren nicht: „Da ich vorher nie weiß, an welchen Punkten die Studierenden einhaken und welchen Weg sie wählen, lässt sich so etwas schlecht vorbereiten.“

Gerrits hofft, dass er dieses in den Niederlanden preisgekrönte Konzept auch in Bamberg verwirklichen kann - trotz der hier fehlenden Anwesenheitspflicht. Auch sonst sind ihm einige Unterschiede zwischen seinem alten und neuen Arbeitgeber aufgefallen: „In Rotterdam ist die Studierendenschaft sehr viel internationaler und es gibt deutlich mehr Studierende mit Migrationshintergrund.“

Doch so sehr er das multikulturelle Ambiente schätzt, so sehr freut er sich auch, gemeinsam mit Frau und Sohn seine neue fränkische Heimat kennenzulernen. Ob er mit dem Bamberger Lehrstuhl bereits seine berufliche Endstation erreicht hat, vermag der Niederländer noch  nicht zu sagen. Doch eines weiß er sicher: „Bamberg ist für mich mehr als nur ein Durchgangsbahnhof.“

Die TechnologieAllianzOberfranken (TAO)

In der TechnologieAllianzOberfranken (TAO) arbeiten die vier oberfränkischen Hochschulen, die Universitäten Bamberg und Bayreuth sowie die Hochschulen für angewandte Wissenschaften Coburg und Hof zusammen. Ihr Ziel ist es, Oberfranken als Wissenschaftsstandort weiter auszubauen. Die Schwerpunkte der Kooperation liegen in den Bereichen Energie und Mobilität. Hier sichert TAO den Transfer von aktuellen Forschungsergebnissen in die regionale Wirtschaft, unterstützt die Unternehmen bei der Lösung technologischer Herausforderungen, berät im Hinblick auf die Forschungsförderung und entwickelt spezifische Angebote zur Weiterbildung. Im Bereich des Studiums stehen die Entwicklung hochschulübergreifender Lehr- und Studienangebote sowie kooperative Promotionen im Vordergrund. TAO wird aus Mitteln des Freistaates Bayern gefördert.

Hinweis

Diesen Text verfasste Tanja Eisenach für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

Bei Fragen oder Bilderwünschen kontaktieren Sie die Pressestelle bitte unter der Mailadresse medien(at)uni-bamberg.de oder Tel: 0951-863 1023.