Rita Braches-Chyrek... (Foto: privat)

... und ihr Lehrstuhl-Team (Foto: Nicolas Gassmann)

Blick über den Tellerrand

Gestatten, Rita Braches-Chyrek, Sozialpädagogin!

Rita Braches-Chyrek, Inhaberin des Lehrstuhls für Sozialpädagogik, interessiert sich besonders für die Geschichte, Theorie und die Methoden der Sozialen Arbeit. Diese Leidenschaft prägt nicht nur ihre Forschungsschwerpunkte, sondern auch ihr Verständnis von dem, was für ein Sozialpädagogik-Studium und nachfolgende Berufe wichtig ist: der Blick über den Tellerrand.

Prof. Dr. Rita Braches-Chyrek kam zum Sommersemester 2012 nach Bamberg. Zunächst vertrat sie den Lehrstuhl für Sozialpädagogik, zum Sommersemester 2013 folgte die Berufung. Mit einem längeren Aufenthalt in Bamberg hat die Nordrhein-Westfälin nicht unbedingt gerechnet, denn zunächst war die Lehrstuhlvertretung nur auf ein Semester, also fünf Monate ausgelegt.

Abschreckend empfand Braches-Chyrek dies allerdings nicht: „Ich kenne einige Persönlichkeiten, die an der Universität Bamberg gewirkt haben bzw. wirken, Ulrich Beck zum Beispiel oder Hans-Peter Blossfeld, den ich als sehr sympathischen Kollegen kennengelernt habe. Insofern hat es mich trotzdem gereizt, nach Bamberg zu kommen und an eine Universität zu gehen, die auch menschlich so viel zu bieten hat.“

Umso mehr freut sie sich jetzt auf die nächsten Jahre und darauf, zahlreiche Projekte zu verwirklichen. Besonders gerne und intensiv beschäftigt sie sich mit den Bereichen Geschichte und Theorie der Sozialen Arbeit, Kindheitsforschung, Generationenbeziehungen sowie mit der Bedeutung von Frauen und Frauenbewegungen für die Professionalisierung und Disziplinbildung Sozialer Arbeit. Letzteres ergab sich dabei fast zwangsläufig.

„Wenn Sie sich die Anfänge der Sozialen Arbeit anschauen, werden Sie feststellen, dass die Frauenbewegungen ab den 1830er Jahren bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein sehr eng mit der Geschichte der Sozialen Arbeit als Theorie und Profession verwoben sind“, erklärt die Sozialpädagogin. „Denn sie haben das Berufsfeld Soziale Arbeit überhaupt erst begründet und in den folgenden Jahrzehnten wichtige Impulse für die Professionalisierung gegeben.“

Vielfältiges Lehrangebot

Gleich zu Beginn ihrer Bamberger Zeit organisierte Braches-Chyrek eine Ringvorlesung, in der Experten Theorien und Modelle der Sozialen Arbeit vorstellten und reflektierten. „Das war ein Versuch, vor allen Dingen unseren Studierenden diese Grundlagen unseres Faches etwas schmackhafter zu machen und den Zugang zu dem oft schwerer anzueignenden, aber trotzdem elementar notwendigen Wissen zu erleichtern.“ Doch wer einen Blick in das Vorlesungsverzeichnis wirft, merkt schnell, dass die Sozialpädagogin nicht nur ihre persönlichen Steckenpferde reitet. Ob Grundlagen der Beratungs- und Gesprächsführung, Hilfen zur Erziehung oder Theorie und Praxis der Offenen Behindertenarbeit - das Angebot des Lehrstuhls ist vielfältig und kein Zufall.

„Das Berufsfeld Soziale Arbeit umfasst Tätigkeiten aus allen Entwicklungsstufen des Menschen, von der frühen Kindheit bis ins Seniorenalter, und aus allen Bereichen seines sozialen Lebens“, sagt Braches-Chyrek. „Obwohl der Trend an Fachhochschulen und Universitäten dazu geht, die Ausbildung immer mehr zu spezialisieren, fühle ich mich dieser Breite verpflichtet.“ Denn nur so gebe man den Studierenden die Möglichkeit, sich für viele Tätigkeiten zu qualifizieren. Der Gedanke eines „Studium generale“ zeichne dabei nicht nur ihren Lehrstuhl aus, sondern sei grundsätzlich ein Qualitätsmerkmal der Bamberger Pädagogik, weshalb sie ein Studium in Bamberg auch besonders empfehlen könne, meint Braches-Chyrek.

Bewusstsein für gesellschaftliche und politische Zusammenhänge entwickeln

Neben einer guten methodischen und theoretischen Grundlage und einem Wissen über den Kontext, in dem die Soziale Arbeit entstanden ist, möchte die Neu-Fränkin ihren Studierenden vor allem eine Empfehlung mit auf den Weg geben: „Rauszugehen“, ihr Fach auf Tagungen oder Kongressen und im Austausch mit anderen Wissenschaftlern aus neuen Perspektiven kennenzulernen und über den Tellerrand des Faches hinauszublicken.

Ein politisches Bewusstsein zu entwickeln und gesellschaftliche Verhältnisse und Zusammenhänge zu reflektieren, hält Braches-Chyrek außerdem für besonders wichtig: „Ein Charakteristikum der Sozialen Arbeit ist, dass sie unmittelbar auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren muss und idealerweise sogar von sich aus Veränderungen anstößt. Insofern ist es für Sozialpädagogen unerlässlich, politische und gesellschaftliche Entwicklungen wahrzunehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.“

Diese Empfehlungen führen zurück zu den zahlreichen Projekten, die sich Braches-Chyrek für die nächsten Jahre vorgenommen hat. Denn nachdem sie in den letzten Semestern den Lehrstuhl nach der fünfjährigen Vakanz neu ausgerichtet und eigene Schwerpunkte gesetzt hat, freut sie sich darauf, einige Buchprojekte zu beenden. Zum Beispiel ihre Monografie über Mary Richmond oder ein Handbuch zur frühen Kindheit. In Planung sind außerdem ein Buch über Methoden in der Sozialpädagogik und zwei Sammelbände. In einem geht es um die Beziehung zwischen der Sozialen Arbeit und den Medien, in dem anderen darum, Rechtsextremismus als neue Herausforderung für die Soziale Arbeit zu erkennen. Eine Einführung in die Sozialpädagogik erscheint in Kürze.

Qualitativ forschen möchte sie in naher Zukunft zu den Themen Kindheit in Pflegefamilien und Peerkulturen in der frühen Kindheit, also darüber, wie jüngere Kinder untereinander ihr Zusammenleben gestalten. Aber auch zur Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Kindertagesstätten im Bereich Jugendschutz oder zur Frage, welche Impulse soziale Bewegungen für eine weitere Theorieentwicklung der Sozialen Arbeit setzen. Außerdem arbeitet sie daran, die Lehrveranstaltungen weiterhin abwechslungsreich und praxisnah zu gestalten, zum Beispiel durch Exkursionen oder einer weiteren Vortragsreihe, diesmal zum Thema Inklusion - damit auch im Sommersemester 2014 der Blick über den Tellerrand nicht zu kurz kommt.

Hinweis

Diesen Text verfasste Tanja Eisenach für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

Bei Fragen oder Bilderwünschen kontaktieren Sie die Pressestelle bitte unter der Mailadresse medien(at)uni-bamberg.de oder Tel.: 0951/863-1023.