Uni vor 60 Kahren: Notmensa nach dem Krieg (alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Irmintraud Kraus)

Benedikt Kraft, geb. 1888, war von 1937 bis 1955 Rektor der Philosophisch-Theoplogischen Hochschule. Er setzte sich für die Errichtung einer vierten Landesuniversität in Bamberg ein.

Zum Fächerspektrum der Nachkriegs-Hochschule gehörten auch Naturwissenschaften.

Die Keimzelle der Otto-Friedrich-Universität: das Gebäude des ehemaligen Jesuitenkollegs.

- Konstantin Klein

„Ein Hort echten Idealismus und wahrer Geistigkeit“

Am 21. Oktober 1945 öffnete die Philosophisch-Theologische Hochschule in Bamberg ihre Pforten wieder / Benedikt Krafts Einsatz für eine vierte Landesuniversität in Bamberg

Am 21. Oktober 1945 öffnete die Philosophisch-Theologische Hochschule in Bamberg ihre Pforten für Studierende der Theologie, Philosophie, Geschichts- und Geowissenschaften, Philologie sowie Rechts-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Viele Jahre lang setzte sich Benedikt Kraft, seit 1937 Rektor der Hochschule, für die Errichtung einer vierten Landesuniversität neben den Universitäten München, Erlangen und Würzburg ein. Die Widerstände waren zahlreich, das Unternehmen scheiterte. Doch die weitere Geschichte der Universität Bamberg ist ohne das Wirken von Benedikt Kraft nicht denkbar. Zeitzeugin Irmintraud Kraus blickt 60 Jahre zurück.

„Mit großen Blechnäpfen kamen die Studenten damals in die Mensa“, erinnert sich Irmintraud Kraus, die ab 1948 freiwillig und unentgeltlich die Essensausgabe der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg organisierte. Elf Pfennige kostete ein Mittagsgericht. Wer in der Zeit der Währungsreform auch dies nicht aufbringen konnte, wurde nicht weggeschickt: „Bei uns wurde jeder satt“, meint die heute 97-Jährige, die während des Zweiten Weltkriegs nach Bamberg gekommen ist. „Unser Haus in Schweinfurt war komplett ausgebombt, mein Mann beim ersten Fliegerangriff auf die industriell bedeutende Stadt ums Leben gekommen.“ Als sie Verwandte in der Stadt an der Regnitz sucht, stößt sie durch Zufall auf ihren ehemaligen Lehrer Prälat Benedikt Kraft, der seit 1937 als Rektor die Bamberger Hochschule leitet. Er bietet ihr an, mit ihrer Schwiegermutter in seine große Wohnung am Jakobsberg einzuziehen. Bis zu seinem Tod bleibt Irmintraud Kraus 1963 in diesem Haus wohnen.

Bamberg war nach dem Ende des Kriegs ein begehrter Studienort, hatte allerdings nicht den Status einer Universität wie München, Erlangen und Würzburg, sondern den einer Philosophisch-Theologischen Hochschule. Von den Nationalsozialisten 1939 geschlossen, öffnete sie bereits am 21. Oktober 1945 wieder ihre Pforten für Studierende der Theologie, Philosophie, Geschichts- und Geowissenschaften, Philologie sowie Rechts-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Die heimkehrenden Kriegsteilnehmer hatten großen Nachholbedarf an akademischer Bildung. Die Schließung zahlreicher Universitäten in der russischen Besatzungszone erhöhte zusätzlich die Zahl der Bamberger Studenten. Erschwert wurde deren Studium in Bamberg allerdings dadurch, dass sie zwar Vorlesungen in Bamberg besuchen konnten, viele Prüfungen aber an einer der drei Landesuniversitäten München, Erlangen und Würzburg abzulegen hatten.

Gemeinsam für eine „Universitätsstadt Bamberg“

Schnell erwuchs die Forderung, die Bamberger Hochschule zu einer vierten Landesuniversität auszubauen. Professoren, Studenten, Politiker, allen voran aber Rektor Benedikt Kraft unterstützen dieses Unternehmen maßgeblich. Man bemühte sich, auf die Tradition der 1647 gegründeten Universitas Ottoniana-Fridericiana zurückzugreifen, deren Fakultäten 1803 rechtlich nicht aufgehoben worden waren und in der Philosophisch-Theologischen Hochschule fortbestanden. Kraft, der zuvor als Professor für neutestamentliche Exegese und Homiletik in Eichstätt gewirkt hatte, regte zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsident Hans Ehard im Rahmen der 300-Jahr-Feier am 1947 die Errichtung einer vierten Landesuniversität in Bamberg an. „Die ganze Zeit über wurde Geld für die Universität gesammelt“, weiß Irmintraud Kraus aus dieser Zeit zu berichten. Unermüdlich habe Benedikt Kraft bei Sponsoren angerufen und um Spenden für seine Studenten gebeten: „Das fing mit Lebensmitteln für unsere Mensa an, die oft von Bamberger Geschäften gestiftet waren. Außerdem wurden Bausteine verkauft: Für zwei Mark konnte man einen Stein für den Ausbau der Universitätsgebäude erwerben“, erinnert sich Kraus. Nach Gesprächen mit dem Bamberger Bürgermeister konnte der 1888 im Allgäu geborene Benedikt Kraft schon bald das im Krieg teilweise zerstörte Hochzeitshaus sowie das Wasserschloss Concordia für die Hochschule zugesichert bekommen. Einen hohen Raumbedarf gab es schon damals immer, und manchmal musste improvisiert werden: So fand teilweise Unterricht auf den Gängen der Hochschule statt. Irmintraud Kraus erinnert sich an den Dachausbau im Hochzeitshaus: „Zum Richtfest kletterte der Rektor ziemlich weit nach oben zu den Handwerkern.“ Bis zu seiner schweren Erkrankung 1961 war Benedikt Kraft ein begeisterter Sportler, guter Reiter und Schwimmer.

Am 26. November 1947 war es soweit, der Rektor stellte beim Ministerium für Unterricht und Kultus den Antrag auf „Errichtung einer vierten Universität in Bayern, hier Ausbau der Philosophisch-Theologischen Hochschule Bamberg“. „In einer Zeit, in der die ideellen und geistigen Güter unseres Volkes immer mehr von dem furchtbaren Strudel der materiellen Krisis vernichtet zu werden drohen, soll die neue Universität ein Hort echten Idealismus und wahrer Geistigkeit werden“, forderte Benedikt Kraft Anfang 1948. Die Mehrheit der Kommunalpolitiker setzte sich begeistert dafür ein, dass Bamberg bald das Attribut „Universitätsstadt“ würde tragen können. Der oberfränkische Bundesjustizminister Thomas Dehler (FDP) sprach von „historischer Wiedergutmachung“ und von der „Notwendigkeit“ einer Universität für Bamberg. Er stellte Kontakte zur Wirtschaft her, die eine Bezahlung für fast die Hälfte des zusätzlich erforderlichen Lehrpersonals aus Stiftungsmitteln ermöglicht hätten.

Der Streit um den Titel wird zum Kampf

Doch neben die euphorischen Töne Benedikt Krafts mischten sich bald auch ablehnende Haltungen: Auch die Hochschule in Regensburg bemühte sich, den Titel einer vierten Landesuniversität in Bayern für sich zu gewinnen. Genau wie Bamberg verwies die Stadt an der Donau dabei auf ihre Geschichte, die Tradition der Hochschule und durch die ostbayerische Lage auf die Ostbeziehungen. Krafts Vorschlag einer Aufteilung, der zufolge Bamberg mit Jura und Naturwissenschaften, Regensburg mit Philologie und Medizin ausgestattet worden wäre, wurde wenig Gehör geschenkt. „Aus dem Streit entwickelte sich sehr schnell ein richtiger Kampf“, meint Irmintraud Kraus, die Benedikt Kraft oft zu den Verhandlungen nach München begleitet hat. „Das war unheimlich anstrengend für den Rektor“, erzählt sie, „wir sind meist um 4.00 Uhr nach München aufgebrochen und in den Morgenstunden des nächsten Tages erst wieder zurückgekommen.“ Im Maximilianeum, dem Sitz des Bayerischen Landtags, fanden erbitterte Streitgespräche statt. Irmintraud Kraus, die in der Diplomatenloge bei den Verhandlungen dabei sein durfte, konnte sich, wie sie berichtet, einmal nicht zurückhalten: „Als die Regensburger wieder einmal Unverschämtheiten erzählt haben, sprang ich auf und habe ‚Lügen! Lauter Lügen!’ in den Saal gerufen“, erzählt sie heute lachend. „Nun, ich wurde sofort von ein paar Polizisten abgeführt und in eine Zelle gesperrt, aus der mich der Rektor erst am nächsten Morgen wieder abholen durfte. Er hat bei den ganzen Gesprächen sehr großen Einsatz gezeigt, für seine Studenten hätte er alles getan“, berichtet Irmintraut Kraus mit Begeisterung.

Neben dem Konkurrenzkampf mit Regensburg stellte sich schon bald ein noch größeres Problem heraus: Die Universität Erlangen fühlte sich durch eine etwaige Aufwertung Bambergs durch die räumliche Nähe bedroht und setzte alles daran, die Neugründung als Universität zu verhindern. Die eher evangelisch geprägte Erlanger Universität befürchtete von der katholischen Hochschule Bamberg, an der zu Rektor Krafts Zeiten in den Natur- und Rechtswissenschaften mehr Protestanten als Katholiken lehrten, eine „Missionierung des evangelischen Frankens“. „Rektor Kraft hat immer wieder beteuert, wie unsinnig dieses Argument sei“, meint Irmintraud Kraus, „aber es hat nichts genützt. Die Konfession der Professoren war für ihn völlig nebensächlich, obwohl er katholischer Priester war. Wichtig war ihm, dass sie fachlich gut waren.“ Als sich etwa einer der Theologieprofessoren, der spätere Bamberger Erzbischof Joseph Schneider, bei Benedikt Kraft beschwerte, dass Studenten in seinen Vorlesungen einschlafen würden, setzte dieser fest, dass Irmintraud Kraus an Schneiders Studenten Bohnenkaffee ausschenken solle: „Da war natürlich etwas los“, erinnert sie sich, „Kaffee war für die Studenten doch sonst unerschwinglich. Auf einmal wollten alle, selbst die Juristen, in Schneiders Vorlesung gehen!“

Unabhängig gegenüber weltlichen und geistlichen Autoritäten

Während sich in den frühen 50er Jahren Bamberg mit bedeutenden Naturwissenschaftlern auch akademisch hervortat, brach mit dem Fortschreiten der Auseinandersetzung mit Erlangen immer mehr die Unterstützung von Seiten der Politik weg: Bald trat die SPD geschlossen gegen eine vierte Landesuniversität auf und sprach Bamberg das „geistige Fluidum“ zu einer solchen akademischen Einrichtung ab. Als die CSU in den Landtagswahlen 1950 starke Einbrüche zu verzeichnen hatte, wurden die Gewichte anfangs zugunsten Regensburgs verschoben, das 1952 allerdings auch als Standort für eine Universität abgelehnt wurde. Ein Versuch Thomas Dehlers, Bamberg zu einer „Ostuniversität“ mit Professoren aus den ehemaligen Universitäten etwa zu Königsberg, Prag oder Breslau auszubauen, scheiterte ebenfalls.

Als Benedikt Kraft 1955 emeritiert wurde, hatte er seinen Traum von Bamberg als vierter Landesuniversität nicht durchsetzen können. Der Bamberger Historiker Karl Möckl bezeichnet Krafts Idealismus aber als wegweisend für die Zukunft Bambergs. Die weitere Hochschulentwicklung sei ohne das Wirken von Benedikt Kraft nicht denkbar, so Möckl. Er lobt Krafts nie versiegenden Einsatz und seine Unabhängigkeit gegenüber weltlichen und geistlichen Autoritäten. Irmintraud Kraus, die Kraft in seinen verbleibenden acht Lebensjahren nahezu täglich gesehen und seinen Nachlass verwaltet hat, berichtet begeistert von Krafts Direktheit, dem guten Verhältnis, das er zu seinen Kollegen und Studenten hatte und seinem Mut: So versteckte er während des Zweiten Weltkriegs die Jüdin Irma Frank, die Ehefrau Thomas Dehlers, in seiner Wohnung und versorgte ein weiteres jüdisches Ehepaar heimlich mit Essen. „Er ist vor keinem Risiko und keiner Aufgabe in die Knie gegangen, ein wirklich mutiger Mensch.“