Andreas Drechsler unterstützte zwei Monate lang den Aufbau einer neuen Universitätsbibliothek in Afghanistan. Zu seinen Aufgaben zählte auch die Beschaffung von Fachliteratur.

Dabei stand ihm der afghanische Bibliothekar Mohammad Afzal Zarghoni mit Rat und Tat zur Seite.

Andreas Drechsler (hinten, Zweiter von links), Mohammad Afzal Zarghoni (vorne, Dritter von links), die angehenden Bibliothekarinnen und Bibliothekare für die neue Universitätsbibliothek sowie die Universitätsleitung.

Der Eingang zur neuen Universitätsbibliothek, die sich noch im Bau befand. (Fotos: Andreas Drechsler)

Kontinente übergreifende Entwicklungshilfe

Vermittlung von universitätsbibliothekarischem Wissen in Afghanistan

Andreas Drechsler, Fachreferent an der Universitätsbibliothek Bamberg, verbrachte zweieinhalb Monate in Afghanistan. Das Ziel: Beim Aufbau der neuen Zentralbibliothek der Universität in Taloqan zu helfen.

Andreas Drechsler fuhr im September 2014 mit einem gepanzerten Fahrzeug zum Universitätscampus in Taloqan, Nordafghanistan. Das Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Anschlags zu werden, ist ständiger Begleiter. Terroristische Gewalt gehört in Afghanistan, das sich seit 36 Jahren im Bürgerkrieg befindet, zum Alltag. Dennoch verbrachte Andreas Drechsler zweieinhalb Monate dort. Der Fachreferent an der Universitätsbibliothek Bamberg für die Fächer Orientalistik, Theologie und Jura unterstützte im Rahmen eines Projekts der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) den Aufbau der neuen Universitätsbibliothek in Taloqan mit seinem bibliothekarischem Fachwissen. „Nach 21 Jahren Berufspraxis an der Universität reizte mich vor allem das Experiment, mein Wissen über den Aufbau und den Betrieb einer Universitätsbibliothek unter den dort gegebenen Lebensumständen an Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln, die unter den ganz anderen Bedingungen eines Entwicklungslandes arbeiten“, erklärt der Bamberger.

Ein Start vom Nullpunkt aus

Das Projekt der GIZ ist Teil des größeren Programms „InfraNorth“ des Auswärtigen Amts, das den Ausbau der zivilen Infrastruktur in Nordafghanistan zum Ziel hat. Das neue Bibliotheksgebäude in Taloqan befand sich noch im Bau, als Andreas Drechsler vor Ort war. „Die Universität hatte bereits sechs Fakultätsbibliotheken und eine Zentralbibliothek, die alle aus sehr kleinen Räumen bestanden. Dort war wenig Literatur vorhanden, die außerdem kein Ordnungssystem und keine Katalogisierung aufwies. Deshalb wurde eine neue Zentralbibliothek der Universität gebaut und das dort arbeitende Personal sollte entsprechend geschult werden“, schildert der Fachreferent. Das neue Bibliotheksgebäude in Taloqan wurde für afghanische Verhältnisse mit guten Arbeitsbedingungen ausgestattet und bietet Platz für 50.000 Bände. Der zweistöckige Neubau enthält zudem zwei Lesesäle für jeweils 250 Nutzer.

Andreas Drechsler leitete die bibliothekarischen Schulungen an. Er koordinierte das Beschaffen von Literatur und Geräten und schulte die angehenden Bibliothekarinnen und Bibliothekare im Bereich der Katalogisierung. Dafür stand ihm sein Kollege Mohammad Afzal Zarghoni, einer der wenigen ausgebildeten Bibliothekare in Afghanistan, zur Seite, der mit seinen Kontakten im afghanischen Bibliothekswesen und seinem Wissen um die gegebenen Buchhandelsstrukturen die Arbeit erleichterte. Für die Schulungen musste Andreas Drechsler geeignete Räume finden und Schulungsmaterialien erarbeiten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erlernten darin grundlegende Kenntnisse in der Katalogisierung und bekamen einen Einblick in die Grundsätze bibliothekarischer Arbeit.

Ein Beitrag zum Aufbau des Landes

Andreas Drechsler kümmerte sich nicht nur darum, das neue Bibliotheksgebäude mit Laptops, Druckern, Scannern und Kopierern zu füllen, sondern auch darum, sowohl persische als auch englische Fachliteratur anzukaufen. Von Mohammad Afzal Zarghoni  ließ er sich die örtlichen Buchhändler zeigen, was Überraschendes zu Tage brachte: „Ich war erstaunt, wie viele Neuveröffentlichungen im Bereich der Fachliteratur es nach mehr als drei Jahrzehnten Bürgerkrieg gab. Entsprechend umfangreich fiel die Liste der Fakultäten mit Bücherwünschen für die neue Bibliothek aus“, erzählt der Bamberger Fachreferent.

Im November 2014 wurde die neue Universitätsbibliothek in Taloqan eröffnet. Zu dieser Zeit war Andreas Drechsler schon wieder in Deutschland. Der Bibliotheksbetrieb konnte bis heute aufrechterhalten werden, wie der Fachreferent über regelmäßige E-Mail-Kontakte weiß.  Allerdings waren von Anfang an Probleme abzusehen: „Man weiß nicht, ob so ein Projekt auf Dauer wirkt. In Afghanistan gibt es keinerlei Kontinuität in Bezug auf Politik, Bildung und Infrastruktur“, erklärt Andreas Drechsler.

Das Projekt empfand er dennoch als Bereicherung: „Eine neue Zentralbibliothek einer Universität mitaufzubauen, bedeutet einen Beitrag zum Aufbau des Landes zu leisten. Bei einem Entwicklungsland wie Afghanistan ist die Bedeutung des Beitrags umso größer“. Auch der Direktor der Bamberger Universitätsbibliothek, Fabian Franke, blickt positiv auf den Einsatz seines Mitarbeiters in Afghanistan zurück: „Die Universitätsbibliothek hat sehr gerne das Engagement von Herrn Drechsler in Afghanistan unterstützt. Seine Erfahrungen, dass Bibliotheken sogar in von Krieg und Gewalt zerrütteten Ländern eine wichtige gesellschaftliche Funktion ausüben, sind auch für unsere bibliothekarische Arbeit wertvoll.“

Hinweis

Diesen Text verfasste Verena Sinn für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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