Bevor die Podiumsdiskussion zum Thema „Strategien des Vergessens und Erinnerns“ stattfand... (Fotos: Andrea M. Müller)

... sprachen Jonathan Williams über die vergessenen Deutschen im British Museum...

... und Harald Wydra über die Selbstvergessenheit der Deutschen im 20. Jahrhundert.

Wie wir wurden, was wir sind

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„Wir interessieren uns nicht für Deutschland und verstehen es auch nicht“, gestand Jonathan Williams, stellvertretender Direktor des British Museum. Und obwohl sein Haus die größte ausländische Sammlung deutscher Kunst- und Kulturschätze besitze, spiele Deutschland seit 200 Jahren dort keine Rolle mehr. Ein Zustand, den Williams als Problem identifizierte. Dass die Briten außer der Nazizeit so wenig über ihre kontinentalen Nachbarn wissen, soll mit einer großen Ausstellung 2014 im British Museum geändert werden. Viele alte Verbindungen könnten da aufgewärmt werden, so jährt sich etwa die Thronbesteigung des aus Hannover stammenden britischen Königs George I. zum dreihundertsten Mal.

Der Museumsdirektor schloss mit kritischen Gedanken über seinen Beruf. Denn Museen, Orte der Erinnerung, können, so sagte er, leicht auch zu Orten des Vergessens werden. Das eine wird ausgestellt, das andere eben nicht. Man müsse also stets reflektieren darüber, was man Vergessen will. Nun, Jonathan Williams will die deutsche Kultur für seine britischen Landsleute vor dem Vergessen bewahren.

Deutsche Erinnerungskultur – gekränkte Identität?

Den zweiten Vortrag des Abends bestritt der in Cambridge lehrende Deutsche Dr. Harald Wydra. Ihm ging es um die spezifisch deutsche Problematik der Erinnerung im Angesicht der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs. „Staaten sind auch ein emotionales Projekt“, sagte er und betonte damit, wie wichtig die kollektive Erinnerung für eine gemeinsame Identität sei. Die Deutschen nun dächten sich „von einem Tiefpunkt her“ und sähen sich selbst als Tätervolk an. Dies sei auch der Grund dafür, dass sich Deutschland immer noch davor scheue, eine Führungsrolle in Europa und der Welt einzunehmen. Von Engländern werde dies häufig gefordert.

Die deutsche Erinnerungskultur, mit der die Vergangenheit aufgearbeitet wurde und wird, habe, so wichtig sie auch sei, den Nebeneffekt, vieles andere in den Hintergrund treten zu lassen. Diese „Selbstvergessenheit der Deutschen“ für ihre eigenen historischen Charakteristika, so Wydra, erschwere ein starkes Selbstbewusstsein. Scham und Schuld und Schmach waren die Wurzeln eines Staates, dessen Verhältnis zu sich selbst aus gutem Grund einzigartig in der Welt sei.

Emotionale Podiumsdiskussion

Emeritus Prof. Dr. Reinhard Zintl moderierte zum Abschluss eine Podiumsdiskussion mit den beiden Vortragenden und Prof. Dr. Christian Illies, in der die behandelten Themen vertieft sowie insbesondere die unterschiedlichen europäischen Formen des kollektiven Gedächtnisses ersichtlich wurden. Das Publikum steuerte teils sehr emotionale persönliche Erinnerungen aus der deutschen Geschichte bei. Dadurch wurde besonders deutlich, dass sich die Erinnerung des Einzelnen und die nationale Sicht auf die Vergangenheit unterscheiden können oder vielleicht müssen. Wandlung - im Sinne von Akzeptanz der Historie und Veränderung der Gegenwart - bleibe immer Sache des Einzelnen, sagte Harald Wydra mit Karl Jaspers.

Hinweis

Diesen Pressetext verfasste für die Pressestelle der Universität Bamberg
Matthias Waha
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