Tim Kipphan/Universität Bamberg

Christian Proaño hat erforscht, wie sich Schwankungen des US-Finanzmarktes auf Deutschland auswirken.

Deutscher Finanzmarkt ist im weltweiten Vergleich stabil

Bamberger Volkswirt Christian Proaño hat Dauer und Ausmaß des Krisenindikators Finanzzyklus untersucht.

Der amerikanische und der britische Finanzmarkt sind eng miteinander verwoben, während der deutsche Finanzmarkt von Schwankungen in den USA in der Regel weniger betroffen ist. Diese Zusammenhänge hat Dr. Christian Proaño, Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Angewandte Wirtschaftsforschung, an der Universität Bamberg in einer neuen Studie nachgewiesen. Er hat sie gemeinsam mit PD Dr. Till Strohsal und Prof. Dr. Jürgen Wolters von der Freien Universität Berlin im September 2019 in der VWL-Fachzeitschrift „Journal of Banking and Finance“ veröffentlicht. Die drei Volkswirte maßen in ihrer Studie mit statistischen Methoden, wie sich Dauer und Ausmaß des Finanzzyklus über die Zeit verändern. Der Finanzzyklus gilt als einer der verlässlichsten Krisenindikatoren. Er bildet die gesamtwirtschaftliche Kreditvergabe und den Anstieg der Immobilienpreise über Jahrzehnte hinweg in einem Modell ab. Mithilfe der drei Variablen Kreditwachstum, Häuserpreise und Aktienpreise verglichen die Volkswirte die USA, Großbritannien und Deutschland miteinander.

Zunächst untersuchten die Wissenschaftler, wie sich Finanzzyklen prinzipiell über einen längeren Zeitraum entwickeln. „In einer idealen Welt wäre der Finanzzyklus extrem langweilig, weil er sehr vorhersehbar abbildet, wie Ersparnisse der Haushalte an Unternehmen übermittelt werden“, meint Proaño. In den 1980er Jahren war der Banken- und Finanzsektor weltweit tatsächlich noch recht stabil und vorhersehbar. Seitdem ist die Rolle dieses Sektors in der Volkswirtschaft gestiegen. Anreizmechanismen sind eingeführt worden, beispielsweise Boni für besonders hohe Gewinne.

Emotionen bestimmen Finanzmarkt

„Das führt dazu, dass Preisentwicklungen nicht nur von den realen Gegebenheiten, sondern auch durch emotionale Faktoren wie Überoptimismus bestimmt werden“, so Proaño. Aktien geben die erwarteten Gewinne eines Unternehmens wieder, doch: „Heute sind Entscheidungen weniger rational. Es entsteht eine größere makroökonomische Instabilität, die im schlimmsten Fall zu einer Finanzkrise führt.“ Ein Beispiel: In einem Land, in dem das Bruttoinlandsprodukt zwei Prozent beträgt, kann man keine Rendite von zehn Prozent erwarten. Durch überoptimistische Aktionäre entstehen starke Aufschwünge und anschließend umso tiefere Rezessionen. „Sind in den USA die Zinsen niedrig, werden amerikanische Aktieninhaberinnen und -inhaber risikobereiter“, erklärt Proaño. „In der Folge ändert sich auch der Finanzzyklus in Großbritannien. Deutschland dagegen spürt die Auswirkungen in einem deutlich geringeren Ausmaß, weil der Aktienmarkt hier eine kleinere Rolle spielt.“

Um den weltweiten Finanzsektor zu stabilisieren, haben die Europäische Zentralbank und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Regulierungen eingeführt, zum Beispiel den antizyklischen Kapitalpuffer: In schlechten Zeiten sollen Banken mehr Eigenkapital besitzen als in guten, damit sie im Falle einer Krise nicht so schnell insolvent gehen. In den kommenden Jahren untersucht Proaño mit einem Team, wie sich der antizyklische Kapitalpuffer auf den Bankensektor auswirkt.

Christian Proaño ist seit Mai 2015 Inhaber der Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Angewandte Wirtschaftsforschung, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er erforscht die Wechselwirkungen zwischen Finanzmarkt und Makroökonomie. Der gebürtige Ecuadorianer ist unter anderem Co-Autor von mehr als 40 Artikeln in Fachzeitschriften und drei Büchern zu makroökonomischer Theorie. Das Handelsblatt-VWL-Ranking 2019 listet ihn unter den 100 weltweit forschungsstärksten deutschen Volkswirten unter 40 Jahren.

Publikation:
Till Strohsal, Christian Proaño und Jürgen Wolters. 2019. Characterizing the financial cycle: Evidence from a frequency domain analysis. Journal of Banking & Finance. DOI: 10.1016/j.jbankfin.2019.06.010

Bild: Christian Proaño hat erforscht, wie sich Schwankungen des US-Finanzmarktes auf Deutschland auswirken.(2.6 MB)
Quelle: Tim Kipphan/Universität Bamberg

Weitere Informationen für Medienvertreterinnen und Medienvertreter:

Kontakt für inhaltliche Rückfragen:
Prof. Dr. Christian Proaño
Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Angewandte Wirtschaftsforschung
Tel.: 0951/863-1576
christian.proano(at)uni-bamberg.de

Medienkontakt:
Patricia Achter
Pressereferentin
Tel.: 0951/863-1146
patricia.achter(at)uni-bamberg.de