Das Logo des Anglistenverbandes (Bild: Anglistenverband)

- Johannes Weber

Zwischen Rauchbier und Sensual Renaissance

Deutscher Anglistentag an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Für die Bamberger Anglistik war der Anglistentag vom 18.-21. September mit rund 250 Teilnehmern die größte Konferenz der letzten Jahre. Nach knapp zweijähriger Vorbereitungszeit zeigte sich das Organisationsteam von der Englischen Literaturwissenschaft um Prof. Dr. Christoph Houswitschka und Dr. Anja Müller sehr erfreut über den Verlauf und die Ergebnisse der Tagung. Besonders gut sei auch das Rahmenprogramm angenommen worden, welches neben den obligaten Stadtführungen und einer Fahrt in die Fränkische Schweiz auch Ausflüge zu den Schlössern Weißenstein und Seehof und die Besichtigung der Staatsbibliothek einschloss. Ob zwischen den Stalagmiten der Sophienhöhle oder bei der „Bierschmeckerführung“ durch Bamberger Brauereien: Gelegenheit zum Austausch von Meinungen gab es genug. In den Harmoniesälen des E.T.A.-Hoffmann-Theaters und damit in feierlichem Rahmen fand der Empfang der Stadt Bamberg und der Universität statt. Hieran nahmen auch Vertreter der zehn Verlage teil, welche mit Bücherständen und Neuerscheinungen im Marcushaus die Konferenz begleiteten.

Sechs Sektionen

Als Rahmen für die Vorträge und Gespräche dienten sechs Sektionen, welche gleichermaßen einen Einblick in das gaben, was die Anglistik derzeit bewegt. Begleitet wurden sie von Plenarvorträgen ausländischer Gastredner.

Bereits die erste Sektion, „Violence and War in Anglophone Cultures“, beschäftigte sich mit einem hochbrisanten Themenfeld. Seit den Anschlägen und den Gegenschlägen nach dem 11. September ist das Gewaltpotential von Gesellschaften noch intensiver in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Die Vorträge skizzierten eine kriegerische Kultur, die ihren populärsten Ausdruck in Filmen wie „Pulp Fiction“ und Computerspielen (Ego-Shooter) findet und nicht nur in Romanen und auf der Bühne (In-Yer-Face Theatre), sondern auch im Film und der Architektur zunehmend thematisiert wird.

In „The Sensual Renaissance“ wurde ein blind-spot der Renaissanceforschung beleuchtet: das sinnliche Erleben und dessen Versprachlichung bezeihungsweise Visualisierung. Es bildetet sich ein Verständnis von Sensualität heraus, welches das der Neuzeit entscheidend prägte. Neben großen Namen wie William Shakespeare, Francis Bacon und Samuel Pepys wurden auch – in der Tradition des New Historicism - nichtliterarische Texttypen der Epoche betrachtet. Dem immer noch wachsenden Interesse an audiovisuellen Medien zollte die Sektion „Anglistik und Medienwissenschaft“ Tribut. Vor dem Hintergrund einer zwangsläufigen Veränderung der Wahrnehmung und des Verständnisses sozialer und kultureller Repräsentation durch Massenmedien wurde hier über Film, Fernsehen und ihre Schnittstellen und Unterschiede zu den „alten Medien“ diskutiert. Weitere Sektionen waren “Modern English in the Making” und “The Return of Biography”

Nachwuchswissenschaftler treffen "alte Hasen"

Unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Meyer (Koblenz) fand in der Aula der Otto-Friedrich-Universität ein Forum zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses statt. Die Podiumsdiskussion führte ‚alte Hasen’ und Nachwuchswissenschaftler zusammen und skizzierte neben unterschiedlichen Wegen zur Berufung vor allem die akademischen Perspektiven von Anglisten. Eine „eierlegende Wollmilchsau“ sei derzeit gefragt, nämlich ein Professor, der „gleichzeitig forschen, lehren, Vorträge halten, in Gremien mitarbeiten und Drittmittel auftreiben“ kann. Diese düstere Einschätzung von Virginia Richter vom Graduiertenkolleg der LMU München wurde von Prof. Meyer bestätigt: er betonte, dass „auf eine Stelle im Bereich der englischen Literaturwissenschaften derzeit circa 40-70 Bewerber kommen.“ Da an vielen Universitäten der Generationswechsel bereits nahezu abgeschlossen ist, sei eine mittelfristige Entspannung nicht in Sicht. Die bereits erwähnte Klage über zu wenig Stellen zeigt nicht zuletzt auch, dass die deutsche Anglistik über eine Menge fähiger und ambitionierter Nachwuchswissenschaftler verfügt. Zwei davon wurden in der Einführungsveranstaltung mit dem diesjährigen Dissertationspreis des Anglistenverbands ausgezeichnet: der Linguist Sebastian Hoffmann (Zürich) und der Literaturwissenschaftler Kai Merten (Gießen). Zahlreiche andere konnte man diesen Sommer in Bamberg erleben. Das nächste Mal treffen sich die Anglisten im kommenden September in Halle.