Rudolf Hein

Der Universitätschor und das Universitätsorchester boten beim Semesterschlusskonzert eine bemerkenswerte Konstellation.

Rudolf Hein

Der Universitätschor überzeugte mit achtstimmigem A-capella Gesang.

Rudolf Hein

Universitätschor und- orchester konnten sich über einen großen Besucheransturm in der Konzerthalle freuen.

- Tobias Fichte

An die Sterne

Semesterabschlusskonzert des Universitätschors und -orchesters

Von der Gestaltung eines guten Konzertprogramms erwartet man grundsätzlich einen gewissen Zusammenhang – oder mindestens absichtsvoll kontrastierende Gegenüberstellungen. Das Semesterabschlusskonzert mit dem Titel An die Sterne des Universitätschors und -orchesters hatte am Samstagabend des 16. Juli eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Konstellation zu bieten. Die bogenförmige Abfolge des romantischen Dreigestirns Schumann – Brahms – Reger griffe allein viel zu kurz (dazu später mehr), wenngleich Regers Vertonung des Eichendorff-Gedichts Der Einsiedler op. 144a für Bariton, fünfstimmigen Chor und Orchester die zentrale Stellung in der Tat gebührte, gewissermaßen vorbereitet durch Schumanns Doppelchörige Gesänge op. 141 und Brahms’ Schicksalslied op. 54.

Beginnend also mit achtstimmigem A-capella-Gesang exponierte der Chor mit den Schumannschen Vertonungen des Rückert-Gedichts An die Sterne und Joseph Christian Freiherr von Zedlitzens Ungewisses Licht die romantische Entgrenzung von Tag und Traum, Licht und Nacht, Liebe und Tod anhand eines großen Ausdrucksspektrums und beachtlicher Textverständlichkeit. Sie ereignete darüber hinaus sich hier nicht zuletzt in diffizilen harmonischen Wendungen  zwischen dem in zwei Chöre aufgeteilten Stimmkörper.

Mit Brahms’ Schicksalslied op. 54 auf die Verse aus Hölderlins „Hyperion“ ließ das hinzukommende Orchester sogleich aufhorchen. Die Streicher zeichneten nicht nur mit der Dramatik des Allegro in den impulsiv auf- und absteigenden Wellen das Fallen der leidenden Menschen „wie Wasser von Klippe zu Klippe“ hervorragend phrasiert und akzentuiert nach. Sie erzeugten auch im einleitenden Adagio in Es und besonders noch einmal in dessen C-Dur-Reprise am Ende im Zusammenspiel mit den ebenso überzeugenden Bläsern jene feierliche, versöhnliche Stimmung von Hölderlins Eremiten Hyperion, die auf den Tiefpunkt der in dem Lied geschilderten Verzweiflung in der literarischen Vorlage folgt.

Der sich anschließende „Einsiedler“ Regers entpuppte sich in der Gegenüberstellung  mit dem Schicksalslied nicht nur als eine thematisch verwandte, sondern auch kongeniale Komposition. Das im 100. Todesjahr des Komponisten in Bamberg wohl erstmals aufgeführte, anspruchsvolle Werk tauchten Dirigent Wilhelm Schmidts und sein Orchester von Beginn an in jenen unwiderstehlichen „Brahmsnebel“, dem sich Reger ungeachtet seiner Modernität zeitlebens verhaftet fühlte. Die erste Violine schien mit dem Cello in ausdrucksvoll aufsteigenden Phrasen durch die Bläser gleichsam hindurch, um dem Imperativ des sodann ebenso zart wie eindringlich einsetzenden Chors: „Komm, Trost der Welt“ Bahn zu brechen. Dieser Trost sollte sodann mit der durch die ausführenden Musiker überzeugend ins Choralhafte gewendeten Beschreibung des Schiffers, der „übers Meer sein Abendlied / Zu Gottes Lob im Hafen“ singt, folgen. Mit der zweiten Gedichtstrophe hub Bariton Thomas Trolldenier darauf in lyrischer Eindringlichkeit das Klagelied des von der Welt vergessenen Eremiten an, zu dem der Chor ihm schließlich in entrückter Weise den Trost der Welt zusprach, die „stille Nacht“.  

Im zweiten Teil des Konzerts wurden mit Brahms’ „Haydn-Variationen“ und Schumanns 4. Symphonie zwei reine Orchesterwerke gegeben. Die Vorstellung des Themas der Variationen gelang, sogleich an Schubert erinnernd,  herrlich wienerisch, bereichert durch die besondere Note des Kontrafagotts. Neben zahlreichen tollen Momenten waren besonders organische Phrasierungen etwa im Andante con moto der 4. Variation zu hören.

Der orchestrale Höhepunkt stand am Schluss mit Schumanns d-Moll-Symphonie in der Urfassung von 1841. Dieses erstaunliche Werk, vom Komponisten als einsätzige – wenngleich vierteilige –  „sinfonische Fantasie“ konzipiert, galt es in seinen zahlreichen motivischen Entsprechungen und Bezügen bei seinem gleichzeitigen Ideeneichtum wie in einem Guss zusammen zu halten. Diese Herausforderung gelang durch die offensichtlich minutiöse Einstudierung in Verbindung mit Wilhelm Schmidts’ völlig klarem Dirigat und einem hochkonzentrierten Orchester eindrucksvoll - und wurde mit langen Beifallsbekundungen belohnt.

So endete ein im tiefsten Sinne romantisches Programm, bei dem die programmatischen beziehungsweise textgebundenen Stücke des ersten Teils den (Ab-) Grund darstellten, über dem die scheinbare Helligkeit und die spielerischen Formen der Instrumentalwerke des zweiten Teils in jenes Zwielicht von Morgenrot und Tod gerückt wurden, das die Kunst ihrer Epoche bestimmt.