Zum 200jährigen Jubiläum seiner Ankunft in Bamberg begab sich Alexandra Franz auf die Spuren E.T.A. Hoffmanns.

Das Haus Hoffmanns am Schillerplatz (damals Zinkenwörth 50).

Zu Ehren Hoffmanns wird ein Spazierweg mit Kanaldeckeln angelegt, die mit seinem Portrait und Motiven aus seinen Werken geschmückt sind (Bilder: Alexandra Franz).

- Alexandra Franz

Konzerte, Klavierunterricht und Kanaldeckel

Auf den Spuren E.T.A. Hoffmanns in Bamberg

Am 1. September 2008, also vor 200 Jahren erreichte einer der bedeutendsten Künstler der Romantik Bamberg: E.T.A. Hoffmann. Aus diesem Anlass feiert die Stadt das Universalgenie fast ein ganzes Jahr lang mit einem breit gefächerten Programm.

„Jemand, der […] selbst bedeutende Kompositionen, die mit Beifall aufgenommen wurden, geliefert und bis jetzt einer wichtigen musikalischen Anstalt als Direktor vorgestanden hat, wünscht […] bei irgendeinem Theater oder einer Privatkapelle als Direktor angestellt zu werden.“ Diese Anzeige gab Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann, der Mozart verehrte und sich deshalb Amadeus nannte, im Jahr 1807 auf. Er hatte weder eine Karriere als wichtiger Musikdirektor hinter sich, noch wurden seine Kompositionen mit besonderem Beifall aufgenommen. Doch Not macht erfinderisch. Und der Hunger, den Hoffmann in Berlin litt, sicher auch.

Auf die Anzeige antwortete der Theaterunternehmer Graf Julius von Soden. Er erklärte sich einverstanden, Hoffmann als Musikdirektor der „Königlich privilegierten Schaubühne“ in Bamberg einzustellen. So verschlug es den Juristen, Romantiker, Schriftsteller und Komponisten am 1. September 1808 in das kleine Städtchen an der Regnitz.

E.T.A. Hoffmann Spazierweg wird angelegt

Das war vor genau 200 Jahren. Zu Ehren der Ankunft dieses Universalgenies feiert die Stadt Bamberg den Romantiker vom September 2008 an fast ein ganzes Jahr lang. Lesungen werden gehalten, Konzerte finden statt, Ausstellungen werden vorbereitet. Und Kanaldeckel verlegt. Was zunächst absurd klingt, wurde in Bamberg tatsächlich umgesetzt:

Von weitem glänzen die fünf bronzenen Kanaldeckel auf dem Gehweg in Richtung Bamberger Innenstadt am Oberen Leinritt in der Sonne. Darauf zu sehen sind E.T.A. Hoffmanns Undine, Olimpia, Kater Murr und der Nussknacker. Und natürlich deren Erfinder selbst. Die Idee stammt von der Bamberger Künstlerin Lore Götz. Hoffmann spazierte am gegenüberliegenden Ufer während seiner Zeit in Bamberg fast täglich entlang. Seit Oktober 2008 weisen die ersten fünf Kanaldeckel mit Motiven aus E.T.A. Hoffmanns literarischem Werk darauf hin. Acht weitere sollen laut Bamberger Kulturamt noch folgen und den E.T.A. Hoffmann Spazierweg komplettieren. Und so absurd es auch klingen mag: Die Kanaldeckel stehen doch irgendwie für den Romantiker, der sein Leben lang zwischen dem profanem Brotberuf des Juristen und dem Künstlerdasein zerrissen war. Ebenso hat auch die Aktion der Lore Götz ihre zwei Seiten. Einerseits erfüllen die E.T.A.-Hoffmann-Kanaldeckel einen höchst profanen Zweck, andererseits sind sie künstlerische Reliefs.

Schwierigkeiten in der neuen Stadt

Als Hoffmann nach Bamberg aufbrach, glaubte er noch, dass er endlich von der Kunst der Musik, die er damals noch höher schätzte als sein literarisches Talent, leben könnte. Doch schnell holte ihn auch in Bamberg die Realität wieder ein. Oft muss er in seiner Zeit als Musikdirektor mehr Musik dahinschmieren, als kunstvoll zusammenstellen. Außerdem liebten die Bamberger Bürger Nichtiges, Unterhaltsames. Flache Singspiele, weinerliche Rührstücke, komische und schnell hingeworfene Lustspiele standen auf dem Spielplan. Hinzu kam, dass Hoffmann seinen Posten als Musikdirektor de facto schon nach acht Wochen wieder verlor. Die von ihm inszenierte Oper „Alina, Königin von Golkonda“ war beim Publikum durchgefallen und man gab Hoffmann die Schuld dafür. Seine Unerfahrenheit im Dirigieren war nicht unbemerkt geblieben. Außerdem monierten die Musiker, dass er nicht, wie sie es gewohnt waren, mit der Violine dirigierte, sondern hinter dem Klavier. Der Konzertmeister Dittmaier, dem der fremde Hoffmann einfach vor die Nase gesetzt worden war, tat das Übrige. Zwar durfte er den Titel Musikdirektor noch einige Zeit behalten, doch sein Gehalt wurde um die Hälfte gekürzt und Hoffmann zum musikalischen Hilfsarbeiter degradiert. Die Miete für die Wohnung an der Nonnenbrücke 10 (damals Zinkenwörth 56) konnte Hoffmann 1809 nicht mehr bezahlen und so zog er mit seiner Frau Mischa in das kleine Häuschen des Trompeters Kaspar Warmuth am Schillerplatz (damals Zinkenwörth 50) – direkt gegenüber des Theaters.

Von Beginn an musste er sich mit Gesangs- und Klavierunterricht für höhere Töchter über Wasser halten. Waren die Schülerinnen begabt, gab er gern Unterricht. Doch nur allzu oft plagte ihn die Unbegabtheit und Klavierklimperei der jungen Mädchen und die Vorwürfe der Mütter, der Unterricht gehe nicht schnell genug voran. Die wohlhabenden Bürger missbrauchten den begabten Hoffmann als Musikautomat. Nicht so im Hause Mark in der Langen Straße 13. Hier unterrichtete er ab Januar 1809 die Töchter Wilhemine und Juliane. Da Hoffmann bei Familie Mark fast jeden Tag ein und aus ging, wurde aus dem Hauslehrer bald ein Hausfreund. Julia Mark war seine Lieblingsgesangsschülerin.

Und bald bedeutete sie für ihn mehr als das: er verliebte sich in sie. Doch das Mädchen aus gutem Hause war einem reichen Kaufmann aus Hamburg versprochen worden und für Hoffmann, der verheiratet und am Ende doch nur Bediensteter war, unerreichbar. Trotzdem: Hoffmann war in sie verliebt, und das bis über beide Ohren. Er brannte vor Eifersucht, sobald jemand Julia näher kam. Die in Bamberg verbrachten Jahre wurden so ab 1810, obwohl Hoffmann unter Holbein als Direktionsgehilfe, Theatermaler und Kompositeur wieder am Theater arbeiten konnte, immer mehr zur Qual. Am 10. August 1812 – der Tag an dem Julia die Braut von Johann Gerhard Graepel wurde – erreicht Hoffmanns Leiden seinen traurigen Höhepunkt. Er betrank sich auf der Verlobungsfeier im Schloss Pommersfeld und beschimpfte den Bräutigam. Danach sah er Julia Mark nie wieder. Der Vorfall machte in der Stadt die Runde und immer mehr Familien wollten Hoffmann nicht mehr als Musiklehrer in ihrem Haus haben.

Seine Erlebnisse aus dieser Zeit verarbeitete er ein Jahr später in der Erzählung „Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza“, in dem er aus der Sicht des Hundes Berganza über die Bamberger Bürger und die Familie Mark, Julia natürlich ausgenommen, hemmungslos herzog. Vorbild für Berganza war der Hund Pollux. Er gehörte Madame Kauer, der Wirtin der „Theaterrose“, in der Hoffmann oft und gerne die Nächte durchzechte und war so an Hoffmann gewöhnt, dass er ihm oft bei seinen Spaziergängen durch den Hain nachlief.

E.T.A. und Bamberg – ein wechselvolles Verhältnis

Hoffmann rechnete also schon im Februar 1813 literarisch mit den Bamberger Bürgern ab, denen er nicht erst seit dem Vorfall auf Schloss Pommersfeld nicht geheuer war. Irgendwie schien der Künstler und Gerichtsjurist, der in Warschau und Berlin gelebt hatte, von Anfang an nicht ins Weltbild der Bamberger zu passen. Zwar schätzen sie sein Schaffen, doch hinter vorgehaltener Hand wurde Hoffmanns unbedingter künstlerischer Eifer belächelt oder sogar für irrsinnig gehalten. Man erzählte sich die wildesten Geschichten über ihn. Seine heitere, quirlige Erscheinung war deshalb oft nur eine Maskerade, hinter der er sich versteckte und zwei scheinbar unvereinbare Seiten seiner Persönlichkeit verbarg – die Kluft zwischen Künstler und Bürger hatte sich in Bamberg endgültig aufgetan. Als er schließlich eine Musikdirektorstelle in Leipzig angeboten bekommt, zögert er nicht, das mittlerweile verhasste Bamberg zu verlassen.

Und doch nahm er vieles mit aus Bamberg. Hier traf er auf seinen ersten Verleger, hier erwachte der Schriftsteller Hoffmann zu neuem Leben und die Erlebnisse in Bamberg dienten ihm noch Jahre später als Erzählstoff. Hier wurde sein Hass gegen das Gemeine geschürt. Auch die enttäuschte Liebe zu Julia, die er bis zu seinem Tod nicht vergessen konnte, trieb sein künstlerisches Schaffen nur zusätzlich an.

Ebenso haben die Bamberger das Ausnahmegenie E.T.A. Hoffmann bis heute nicht vergessen. Dies beweisen unter anderem die Ringvorlesung über den Künstler, die Aufführungen des Märchens „Nussknacker und Mäusekönig“ und der Oper „Undine“, die Ausstellung „E.T.A. Hoffmann und sein Werk im Spiegel der Grafik“ oder der „E.T.A. Hoffmann Weg“ in der Innenstadt, der ab März 2009 mit Tafeln zum Wirken Hoffmanns ausgestaltet werden soll und auf die wichtigsten Wirkungsstätten hinweist.
Am Ende markiert die Zeitungsannonce, die Hoffmann nach seiner Abreise aufgab, nur das vorläufige Finale der wechselvollen Beziehung zwischen der Stadt Bamberg und dem Künstler Hoffmann. Durch eine Anzeige in der Zeitung war er in Bamberg gestrandet, mit einer Annonce verabschiedete er sich auch wieder: „Seinen Gönnern und wohlwollenden Freunden empfiehlt sich bei seiner Abreise nach Dresden ganz ergebens Bamberg, den 21. April 1813. Der Musikdirektor Hoffmann.“