36. Währenddessen erwartete mein Vorgänger (Bischof Wigbert von Merseburg) nach langer, schwerer Krankheit sehnsuchtsvoll sein Ende. Doch bevor ich zum Schluss komme, will ich zu seinem Gedächtnis noch etwas über ihn berichten. Er entstammte einem der vornehmsten Geschlechter Ostthüringens und hatte in Magdeburg unter Ochtriks Anleitung die Schule besucht. Dann zog Erzbischof Giselher den trefflich gebildeten Mann vertrauensvoll in seine Dienste, behielt ihn lange in seiner Nähe und zeichnete ihn durch eine besondere Pfründe und die Erzpriesterwürde aus. Zuletzt freilich benachteiligte er ihn auf ständige missgünstige Einflüsterungen hin und entfremdete ihn sich so sehr, dass er alles aufgab und, wie berichtet, in König Heinrichs Dienste trat, bei dem er hohes Ansehen erlangte. Er war auffallend an Gestalt und Antlitz, beredt, ein angenehmer Sprecher, geschickt in Verhandlungen, unterhaltend im geselligen Kreise und außerordentlich freigebig; so sah Gott auf ihn, und durch seine Tüchtigkeit stieg er empor zur Bischofswürde. Für seine Kirche machte er in der ihm von Gott gewährten Zeit folgende Erwerbungen: Sotterhausen, Burgwerben, neun Hufen in Niederröblingen, sieben in Thaldorf und sieben in Nienstedt. Aus seinem Erbgut schenkte er sieben Hufen und den Hang Schönberg in Obhausen. An Büchern und anderen Geräten für die Feier der hl. Geheimnisse brachte er vielerlei zusammen.
37. Nicht weniger als 10 Jahre lang litt er (Bischof Wigbert von Merseburg) infolge eines vergifteten Tranks häufig an heftigen Schmerzen, besonders im Monat März. Wenn er daher gegen die Seinen oder gegen Fremde zuweilen unfreundlich war, so kam das von der Qual seiner schweren Krankheit. Durch ständige Verkündigungen suchte er die ihm Anvertrauten von ihrem nichtigen Irrglauben abzubringen; den heiligen Hain Schkeitbar, der bei den Umwohnern immer in göttlichem Ansehen gestanden hatte und seit Urzeiten niemals verletzt worden war, ließ er völlig vernichten; an seiner Stelle errichtete er eine Kirche für den hl. Märtyrer Romanus. Außerdem hat er neben vielen anderen Kirchen noch eine 3. und 4. Kirche in Magdeburg geweiht. Wenn leicht zu beeinflussendes, oft unwahrhaftiges Volk ihn ins Gerede bringt, so werden gute Menschen sicherlich nichts darauf geben. Denn viele wissen bei Beschuldigungen gegen andere nicht, dass niemand ohne Sünde ist. Dieser hochwürdigste Mann hatte sein Bistum 5 Jahre, 6 Wochen und 5 Tage lang inne. Selig ging er am Dienstag, dem 24. März, in Merseburg, so hoffe ich, aus diesem Lichte hinüber zu Christus, nachdem er unter Tränen immer wieder gebeichtet und durch die an seinem Totenbette weilenden Bischöfe Wigo (von Brandenburg) und Erich (von Havelberg) die Absolution empfangen hatte. Begraben liegt er an der Stelle, die ihm einer der Erwählten Christi, sein Führer und Gefährte im Leben, durch ein Gesicht schon früher gewiesen hatte.
38. Zu seinem Nachfolger bestimmte der fromme Hirt Tagino schon im Voraus, trotz meiner Unwürdigkeit, mich (Thietmar), der ich dies niederschreibe. Als der König in Pöhlde das Geburtsfest des Herrn feierte (25. Dezember 1008), verhandelte er mit seinem Mitpriester Tagino über einen Weg, nach dem Tode Bischof Wigberts die Merseburger Kirche einem guten Hirten anzuvertrauen. Da erklärte ihm dieser: "In meinem Stift lebt Bruder Thietmar; ihr kennt ihn wohl. Seine Pflicht nimmt er klug wahr; mit Gottes Willen halte ich ihn für geeignet hierzu." Darauf entgegnete der König: "Nähme er doch an! Er fände in mir bestimmt einen zuverlässigen Förderer all seiner Anliegen." Man sandte gleich meinen Vetter Dietrich zu mir, um mich von der Ansicht des Königs und des Erzbischofs zu unterrichten und möglichst meine Einwilligung herbeizuführen. Ich erhielt diesen Antrag in Magdeburg und erwiderte: "Der allmächtige Gott möge unserem frommen Herrn und Vater vergelten, dass er in Gnaden meiner gedacht hat. Ich halte mich jedoch für unwürdig hierzu und darf es daher gar nicht wagen, zuzustimmen. Gott hat die Macht, den noch lebenden Bischof der Hand des Todes zu entreißen. Lehne ich aber völlig ab, so fürchte ich den Verlust der gewohnten Huld meines Herrn. Außer ihm habe ich jedoch keinen Förderer, von dem ich dies und noch mehr erlangen könnte. Wenn ich am Leben bleibe, will ich deshalb nach dem Tode des Bischofs gern in alles willigen, was Gott und der von ihm eingesetzten Obrigkeit gefällt."
39. Als der König in Frankfurt die Nachricht vom Tode des Bischofs (Wigbert von Merseburg) erhalten hatte, ließ er sogleich das schuldige Totengedenken für ihn abhalten. Dann aber richtete er auf Veranlassung gewisser Leute seinen Blick bereite von mir (Thietmar) auf Bessere. Wollte er doch dem verdienstvollen Adalger die Würde zuwenden. Als das des Königs Freund Tagino erkannte, widersetzte er sich energisch, und auf sein dringendes Bitten durfte er mich im Einverständnis mit dem Könige durch Propst Geso vorladen. Dieser erreichte mich auf meinem Hof Rottmersleben; ich hatte in der Nacht einen Bischofsstab neben meinem Bette stehen sehen und die Frage vernommen: "Willst du die Kirche von Merseburg annehmen?" Auf meine Entgegnung: "Wenn es Gott will und der Erzbischof, der mich kommen heißt" hatte die Stimme weiter gesprochen: "Hüte dich sorgfältig! Wer des hl. Laurentius Unwillen erregt, verliert gleich den Verstand." Ich hatte geantwortet: "Christus, der Hüter der Menschen, schütze mich davor, dass ich jetzt oder irgendwann die Majestät Gottes beleidige und die Fürbitte der Heiligen verscherze!" Beim Erwachen sprang ich verwundert auf und sah den hellen Tag schon ins Fenster scheinen. Da trat der Propst ein, wies mir zwei Schreiben und entbot mir die Ladung für Karsamstag nach der Stadt Augsburg.
40. Ich begab mich nach Magdeburg und brach am Palmsonntage mit Erlaubnis des Propstes und der Brüder von dort auf; am Dienstag nach der Auferstehung des Herrn erreichte ich mein Ziel; der Erzbischof empfing mich wegen meines späten Kommens zwar ärgerlich, aber doch in Gnaden. Am nächsten Tage ließ er mich nochmals rufen und fragte mich auf Weisung des Königs, ob ich meiner Kirche mit einem Teil meines Erbguts helfen wolle. Ich entgegnete ihm: "Auf eure Anordnung bin ich hierher gereist; darauf kann und will ich jetzt noch nichts Endgültiges antworten. Wenn sich durch Gottes Willen und des Königs Gabe euer mir stets liebevoll gewogener Plan verwirklicht, dann werde ich in Demut alles erfüllen, was ich in diesem Falle oder anderweit zum Heile für meine Seele und in der Verpflichtung für das mir anvertraute Amt tun kann." Mit dieser Antwort war der Erzbischof zufrieden und erklärte sich einverstanden; er führte mich zur Kapelle des Bischofs Bruno, wo ihn der König erwartete, legte die Messgewänder an und übergab mich in die Hände des Königs. Als er mir ohne ein Verdienst meinerseits nach einer Wahl durch alle Anwesenden mit dem Stabe die Hirtenwürde anvertraute, warf ich mich nieder, bat um Nachsicht, und der Vorsänger stimmte den Introitus an: "Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters!" Zur gleichen Zeit läuteten in der Domkirche alle Glocken zur Messe. Wenn das auch Zufall war, niemand es befohlen hatte, und es auch nicht um meiner Würdigkeit willen geschah, so nahm es doch der König als ein gutes Vorzeichen. Dann veranstaltete der hochwürdigste Bischof Bruno dort ein großes Festmahl; am nächsten Samstag reisten wir nach Neuburg. Hier wurde ich am 24. April in der Oktav des Herrenfestes durch den Erzbischof in Gegenwart des Königs mit hl. Öle zum Bischof gesalbt; mein Amtsbruder Hildeward (von Zeitz) unterstützte ihn dabei, und nicht weniger als 4 Bischöfe wirkten mit. Von da fuhren wir zu Schiff auf der Donau weiter nach Regensburg. In dieser Zeit herrschte dort im Lande große Hungersnot.
41. Währenddessen hatte Herzog Heinrich (V.) heimlich versucht, nach Bayern zu kommen, um Unruhe zu stiften; doch als er merkte, dass ihm des Königs kluge Umsicht den Weg versperrt hatte, flüchtete er sofort wieder zurück. In dieser Angelegenheit waren die bayerischen Großen auf königliche Ladung in Regensburg zusammengekommen; wohl hatten sie alle ihrem Herzoge freiwillig geschworen, innerhalb von drei Jahren keinen anderen erwählen zu wollen, doch da das der König beanstandete, gaben sie auf seine Versprechungen und Warnungen hin Dienst und Unterstützung des Herzogs auf und ließen sich für den Dienst des Königs gewinnen. Weiter brachten dort die Brüder vom Kloster des Märtyrers Christi Emmeram fußfällig und unter Tränen vor dem Könige einmütig schwere Klagen vor über ihren Bischof Gebhard (von Regensburg), und die anwesenden Laien schlossen sich ihnen mit lauten Beschwerden an; Kaiser Arnulf hatte das Kloster zu Emmerams Ehren errichtet und sich zur Ruhestätte seines Leibes erwählt; ich habe alles mit angehört. Es ist schwer wiederzugeben und man wird mir kaum glauben, was alles seine Untertanen über seinen eitlen Wahn und Schädigungen an seiner Seele aussagten. Nur eins weiß ich sicher: An Haltung und ungewöhnlichen Gaben kenne ich nicht seinesgleichen, nicht einmal aus alten Schilderungen. Wenn sein Wesen mit der äußeren Erscheinung übereinstimmt, ist er besser als andere, sonst freilich weit schlimmer. Beste alte Gewohnheiten hebt er auf, um Neuerungen müht und sorgt er sich; die Heimat verlässt er mit den ihm Anvertrauten; Fremdes verehrt er mit überflüssigem Aufwand, auch wenn es noch so fern liegt. Ich erzähle das nicht nur, um ihn zu tadeln, Gott sei mein Zeuge! Wir sollten die eigene Schwäche an uns Nahestehenden verdecken und allein um der Besserung willen rügen; nur Wahrheitsliebe veranlasst mich dazu, und wie viele andere wundere ich mich sehr. Gott sei ihm gnädig! Handelt er in guter Absicht, dann möge er gerechtfertigt vor Gott ohne Beschwerde den Weg dieser Pilgerfahrt zurücklegen. Tut er alles mehr aus aufgeblasener Eitelkeit als aus herzlicher, frommer Liebe, nur um sich über die Art seiner Zeitgenossen abfällig zu äußern, dann möge er von seinem Unrecht lassen, durch Gewinnung von Weltkindern sich um Erbauung gläubiger Seelen bekümmern und keinen Schaden an seiner eigenen Seele nehmen. Glückselig ist in Christus, wer durch gerechte Taten ewiges Angedenken erwirbt und frei von böser Nachrede zur Rechten Gottes berufen werden kann.
42. Schon während der König diese so weitläufig von mir betrachteten Dinge untersuchte, reiste ich (Thietmar) auf seinen Befehl ab, um meinen Bischofssitz (Merseburg) einzunehmen. Zunächst erreichte ich meinen auf slavisch Malacin, auf deutsch Eisdorf genannten Hof, und am folgenden Tage sprach ich an der Elster bei der Burg Eythra zu den versammelten Dienstleuten meiner Kirche, um die Anwesenden aufzumuntern und fern Gebliebene heranzuholen. Sehr viele von ihnen waren nämlich entwichen, teils aus eigener Unbeständigkeit, teils infolge der schweren Krankheit meines Vorgängers. Dann reiste ich nach Merseburg, wo mich nach ehrenvollem Empfang durch die Brüder Bischof Erich (von Havelberg) inthronisierte. Der nächste Tag war ein Sonntag; ich Sünder sang die Messe, unterwies die Erschienenen, obwohl selbst der Ermahnung bedürftig, und gewährte den Beichtenden kraft göttlicher Vollmacht trotz meiner Schwachheit Sündennachlass. Am Montag begannen die Bettage, und ich reiste auf Geheiß meines Erzbischofs (Tagino) von hier nach Magdeburg, wo mich meine geistlichen Brüder am Mittwoch nicht nach meinem Verdienst, sondern nach dem Maß ihrer tiefen Liebe aufnahmen. Das hehre und herrliche Geheimnis der Himmelfahrt feierten wir, so andächtig wir es vermochten, in Demut gemeinsam.
43. Von hier ging es nach Walbeck, wo ich seit 7 Jahren, 3 Wochen und 3 Tagen die Gott und der allezeit jungfräulichen Maria dienenden Brüder als Propst leitete; leider hatte ich das hohe Amt durch Simonie erlangt, zwar nicht um Geld, sondern gegen eine Landschenkung an meinen Oheim. Trotz meiner großen Schuld erhoffe ich jedoch hierfür die Verzeihung meines gestrengen Richters; habe ich es doch hauptsächlich zum Schutze der Herde des Herrn getan und zur Erhaltung einer Stiftung meiner Vorfahren. Deshalb bitte ich dich bei Gott, lieber Leser, betrachte den Verlauf der folgenden Erzählung, beurteile mein Tun und suche mit Tränen und Bitten das schreckliche Antlitz meines künftigen Richters zu versöhnen! Mein schon erwähnter Großvater Liuthar hatte sich nach seinem Vergehen gegen seinen Herrn und König ernstlich bemüht, seine Schuld wieder gutzumachen. Deshalb stiftete er in Walbeck zu Ehren der hl. Gottesmutter ein Kloster, zu dessen Propst er Willigis ernannte; für ihren Bedarf an Nahrung und Kleidung schenkte er den Brüdern den zehnten Teil seines Erbguts. Als er gestorben war, wünschte seine Gemahlin Mathilde mit Zustimmung ihrer beiden Söhne, das Gelübde ihres lieben Eheherrn zu vollenden, und ließ nach dem Tode des hochwürdigen Vaters Willigis den aus Ostfranken stammenden Reinbert folgen. Er wurde viele Jahre später, als mein Vater und dessen Mutter schon tot waren, auf Anraten meines Oheims Liuthar von Otto III. zum Bischof von Oldenburg erhoben.
44. Damals lebte in unserer Nähe Dietrich, ein Priester aus edlem Geschlecht, der auf Empfehlung des Grafen die Propstei um 10 Hufen erwarb. Nachdem er sie etwas über 10 Jahre verwaltet hatte und meine Mutter (Kunigunde) gestorben war, erbte ich als dritter Sohn das Kloster und erhielt von meinen Brüdern die Hälfte des zugehörigen Grundbesitzes. Nun wandte ich mich mehrfach an meinen Oheim, ob ich das Amt übernehmen dürfe, wenn nicht geschenkweise, so vielleicht für einen mäßigen Preis. Nach langen, zähen Verhandlungen, in denen er Liebe und verwandtschaftliche Verpflichtungen ganz vergaß, verlangte er von mir eine hohe Bezahlung. Da mich meine Brüder gar nicht unterstützten, gab ich leider seiner Forderung nach und wurde so am 7. Mai des Jahres 1002 der Fleischwerdung des Herrn Hüter dieser Kirche, deren Diener ich schon durch die väterliche Erbschaft geworden war; mein Vorgänger gab nach einem ihm genehmen Tausch seine Einwilligung.
45. In diesem Amt habe ich als ein träger Arbeiter mehr Unbilligkeit als göttliche Gerechtigkeit bewiesen und deshalb auch niemals versucht, mich der Frucht rechter Reue zu befleißigen. Ich will keinen Verwandten anklagen, sondern wünsche ihnen für ihr schlimmes Tun allen Gutes. Nach dem Tode seiner Frau bat mich mein Bruder, ihr die verlangte Ruhestätte zu bereiten. Ich wusste, dass dort der hochwürdige Willigis begraben lag, lehnte daher zunächst ab, schob aber schließlich in Anbetracht seines Wunsches doch Recht und fromme Scheu beiseite; so beging ich Elender einen Frevel; hätte ich es doch unterlassen! Ich, ein Christ, habe durch Schändung von Grab und Gebeinen meines Mitbruders etwas verübt, was schon bei den Heiden als ruchlos galt. Den dort gefundenen silbernen Kelch ließ ich für Almosen an die Armen aufbewahren, konnte ihn aber später niemals mehr auffinden. Ich habe bald darauf an einer Erkrankung erkannt, wie sehr ich mich an Gott versündigt habe. Als ich sie mit Hilfe des Herrn überwunden hatte, machte ich eine Pilgerfahrt nach Köln. Da hörte ich eines Nachts großen Lärm, und auf meine Frage, was los sei, sprach eine Stimme: "Ich bin hier, Willigis; durch deine Schuld muss ich ruhelos umherirren." Voller Schrecken fuhr ich auf; und bis auf den heutigen Tag und zeitlebens muss ich zitternd diese Schuld beklagen.
46. Als mich Herr Tagino zu meiner Priesterweihe nach der Burg Allstedt berief, beichtete ich unterwegs mein Vergehen. Die gelobte Buße habe ich nicht pflichtgemäß geleistet. Aber meine Priesterweihe erhielt ich trotz meiner Unwürdigkeit am 21. Dezember (1004) durch den Erzbischof in Anwesenheit König Heinrichs, der mir eine sehr schöne Kasel schenkte. In der von allen Gläubigen überall begangenen Gedenkwoche für die Brüder vor meiner Erhebung zum Bischof kündigte mir eine Stimme im Traum Folgendes an: "Innerhalb eines Jahres werdet ihr Gottes Auftrag erfüllen: Bischof Hilderich (von Havelberg), Dekan Meinrich und du!" Ich entgegnete ihr: "Es geschehe nach dem himmlischen Willen!" Und schon am folgenden 30. Oktober, noch im gleichen Monat, verstarb der Bischof in Christus, wie ihm zuvor offenbart war. Es ist meine Pflicht, solche Vorgänge mündlich und schriftlich der Nachwelt zu überliefern, damit der Name des Herrn gepriesen werde und der schwache Mensch sich vorsehe, denn der allmächtige Gott sieht in seiner Gnade oft unsere menschliche Hinfälligkeit an und sucht sie zu stärken. Die herrliche Erscheinung eines Mannes nämlich hatte zuvor den Bischof im Traume ermuntert, als er in Magdeburg einmal schwerkrank daniederlag: "Sei unbesorgt um dein Ende! Vier Jahre und 2 bis 3 Wochen musst du noch warten; darum tue unablässig Gutes, soviel du kannst!" Nach diesen Worten verschwand er; der Bischof aber lebte, wie ich glaube, wachen Geistes weiter, wie ihm vorausgesagt war, bis leider ein plötzlicher Tod seinen irdischen Lebenslauf beendete. In der folgenden Nacht ist ein helles Licht erschienen; viele sahen es.
47. In tiefer Sorge um mich selbst erbat ich nach dem Allerheiligenfeste vom Dekan Urlaub und riet ihm, sich vorzusehen. Ich ging auf meinen Hof Rottmersleben und betete in der folgenden Nacht demütig zu Gott, er möge mir gnädig Gewissheit über mein Schicksal geben. Da glaubte ich während meiner kurzen Ruhe im ersten Morgengrauen des neuen Tages, am Tage vor St. Martin, die Erscheinung unseres damaligen Propstes Walthard zu sehen, der mich fragte: "Du willst wissen, was dir in Zukunft heilsam ist?" Als er merkte, wie gespannt ich darauf war, schaute er sogleich sorgfältig in sein Buch, einen Märtyrerkalender, und ließ schweigend ein Senkblei hinein; erst nach geraumer Weile kam es zur Ruhe. "Was nun?" fragte ich ihn, und er entgegnete: "Fünf!" Deutlich sah ich die Zahl mit Tinte geschrieben, wusste aber nicht, ob sie Tage, Wochen, Monate oder Jahre zu bedeuten habe. Ich fragte ihn sofort, ob sie den schon zuvor angekündigten Zeitpunkt oder einen späteren bezeichne. Er aber ging schweigend fort. Tief bekümmert merkte ich mir die gewiesene Frist, nützte sie jedoch keineswegs zu guten Werken. Als der fünfte Monat kam ich erwartete eher den Tod als etwas anderes gingen beide Träume dadurch in Erfüllung, dass ich mein Bistum erhielt; denn ich folgte hierin Gottes Weisung und ließ die bezeichnete Zahl sich erfüllen. Nun erschien es mir unzweckmäßig, die bisher von mir geleitete Kirche ohne eigenen Vorsteher zu lassen; so setzte ich mit Zustimmung aller Brüder als Diener dieses Altars Willigis über sie, meinen Bruder vom Vater her. Dann zog ich von dort nach Merseburg, wo ich mit meinem Herrn König das nächste Pfingstfest feierte.
48. Dann reisten wir alle nach Magdeburg. Hier hätte mein auf Veranlassung des Grafen Dedi beim Könige vielfach beklagter Vetter, Markgraf Werner (von der Nordmark), Huld und Lehen verloren, wenn nicht eine plötzliche Erkrankung das Verfahren verhindert und Pfalzgraf Burkhard mit klugem Rat Aufschub erwirkt hätte. Auf der Weiterreise bekümmerte sich der König um die unbeständige Gesinnung der Leute im Westen und suchte zur Verhinderung der üblichen Wirren für Ruhe zu sorgen. Manche loben diese Menschen, weil sie sich von ihren Herren kein Unrecht gefallen lassen; uns dagegen schelten sie Feiglinge. Es gibt jedoch sehr viele, die nur all ihren leiblichen Begierden dienen, sich jedoch niemals nach dem Zügel der Gerechtigkeit richten, den Gott dem Könige in die Hand gelegt hat; unbesorgt um die Zukunft treten sie dafür so entschlossen und verschlagen wie möglich ein und verfolgen jeden, der hierüber anderer Meinung ist, mit scheelen Blicken und unstillbarem Hass. Ich kann freilich ihnen und ihren Gönnern nicht beipflichten, sondern halte mich an Menschen, die sich vor Gott und der von ihm eingesetzten Obrigkeit beugen und nachgeben, denen es richtiger erscheint, für Gott alles zu erdulden, als die göttliche Majestät durch Streit und fluchwürdigen Eidbruch zu beleidigen. Unsere Vorfahren waren ihren Herren immer getreu und stritten als tapfere Ritter gegen fremde Völker, nicht aber gegeneinander. Davon sollte die Nachwelt lernen und alles andere meiden; sie sollte bestrebt sein, Wandlungen nicht zum schlechteren, sondern zum besseren zu vollziehen. Bereitwillig sollten sie der achten Seligkeit harren, Entgegenstehendes meiden und nur sie zu erlangen suchen. Doch wozu soll ich die einen noch weiter tadeln, die anderen loben? Wird doch ein jeder nach dem, was er sät, gewisslich bei der künftigen Ernte Frucht empfangen. Ständig mühen wir uns um vergänglichen Gewinn; warum jagen wir nicht furchtlos auch ein wenig nach der Krone unvergänglicher Ehren? Sie zu erlangen, müht sich unser König, wie berichtet, mit Fleiß auf seinen Reisen und in anderen schwierigen Lagen, indem er zu Recht verhasste Feinde sich zu Freunden gewinnt.
49. Währenddessen tat Graf Dedi meinem Vetter (Markgraf Werner von der Nordmark) mit Worten und Taten großen Schimpf an und weckte dadurch die Erinnerung an ein altes Unrecht, das er längst vergessen geglaubt hatte: Die Burg von Werners Vater, unser Wolmirstedt auf slavisch heißt es Ustiure, weil hier Ohre und Elbe zusammenfließen , war auf seine Veranlassung und mit seiner Hilfe niedergebrannt und verwüstet worden. Das alles empörte des tüchtigen jungen Mannes mutvolles Herz; auf die sichere Nachricht, sein Feind sei im Anritt aus der Burg Tangermünde, wo die Tanger in die Elbe mündet, fiel er daher zusammen mit meinem Bruder Friedrich (Burggraf von Magdeburg) und nur 20 Gewaffneten kühn über ihn her, und zwar beim Dorfe Mose von der Anhöhe einer Ebene aus, die weite Sicht erlaubt; er erschlug ihn und seinen Vasallen Egilhard trotz tapferer Gegenwehr, denn dessen mehr als 40 Begleiter waren gleich geflohen. Daraufhin verlor er allerdings zu Recht, was er durch dessen Verleumdungen ohne ausreichenden Rechtsgrund schor vorher beinahe eingebüßt hätte.
50. Du wirst Dedis Abstammung kennen wollen, lieber Leser: So höre! Er kommt aus dem Hause der Bukkonen, sein Vater hieß Dietrich. Von Jugend auf hatte er seinem Verwandten, dem Markgrafen Rikdag (von Meißen), gedient und sich durch geistige und körperliche Tüchtigkeit ausgezeichnet. Wie schon erzählt, hatte er die Böhmen beim Aufstande gegen uns vor die Zeitzer Kirche geführt. Dort hatte er ringsum mit ihnen geheert und zuletzt mit der übrigen Beute auch seine Mutter gefangen weggeführt, nicht wie ein Sohn, sondern als Feind. Später söhnte er sich wieder mit Otto III. aus, wurde sein Vasall und erwarb sich schnell Gunst und Vertrauen. Inzwischen war Graf Binizo von Merseburg auf einem Kriegszuge gestorben, und Erzbischof Giselher verschaffte ihm dessen Grafschaft zwischen Wipper, Saale, Salza und dem Wilderbach. Dazu erwarb er noch für sich und seinen Bruder Friedrich den Burgward Zörbig, den schon seine Vorfahren als Lehen besessen hatten. Außerdem vermählte er sich mit Thiedburg, der Tochter des Markgrafen Dietrich (von der sächsischen Nordmark), und all das machte ihn so aufgeblasen, dass er dem Könige insgeheim, vielen anderen aber ganz offen Unannehmlichkeiten bereitete.
Das nächste Geburtsfest des Herrn feierte der König in Pöhlde. Hier verlieh er Graf Dedis Grafschaft und alle Lehen zu Recht auf Empfehlung der Königin und seiner Großen an dessen Sohn Dietrich. Außerdem übertrug er die Mark und alles, was Werner von Seiten des Königs besessen hatte, vollständig an Graf Bernhard.
51. In diesen Tagen machten Bischof Dietrich von Metz, sein Bruder Herzog Heinrich (V.), und andere Empörer dem Könige und seinen Anhängern große Ungelegenheiten; aber ihm und seinen Nachfolgern entstand unersetzlicher Verlust. Es wurde nämlich eine Kirche vor der Stadt Metz und die dort dienende Brüderschaft von ungläubigen Slaven heimgesucht (Spätsommer 1009). Der König vergütete diesen Schaden allerdings unter eidlichen Versicherungen großenteils aus seinem Eigengut und gebot dem ganzen Heere Achtsamkeit, um einen ähnlichen Vorfall zu vermeiden. Weinberge, Häuser, Getreide und andere Nutzbarkeiten verheerte er. Bald darauf sah ich ein Verzeichnis, in das die Hörigen von St. Stephan, 800 an der Zahl, ein getragen waren, die aus Hunger und anderer Not ihre Heimat ohne Wissen der Obrigkeit verlassen hatten, nicht gerechnet alle, die mit ihrer Erlaubnis abgewandert waren. Die Kirche dort stände besser da, wäre dieser Mensch niemals geboren worden.
52. Noch eine betrübliche Schandtat der beiden (Bischof Dietrich von Metz und Herzog Heinrich V. von Bayern) will ich berichten, die sie in Odernheim verübt haben. Der König hatte eine Versammlung in der Stadt Mainz abgehalten, an der sie teilnahmen. Als sie sich nun gar nicht so verantworten konnten, wie sie es sich gedacht hatten, kehrten sie voller Zorn heim, nachdem wenigstens ein vorläufiger Landfriede vereinbart worden war. Nichts Böses ahnend, zogen hinter ihnen Bischof Heimo von Verdun und Herzog Dietrich (von Oberlothringen) des gleichen Weges; da gerieten sie unversehens in einen Hinterhalt, und zahllose Männer wurden erschlagen; außer den Bischöfen entkamen nur wenige. Der Herzog wurde schwer verwundet; weil er mit ihnen befreundet war, führten sie ihn gefangen mit sich fort und hielten ihn lange Zeit in Haft. Später kam er durch Geiselstellung frei, ohne deshalb des Königs Huld zu verlieren. Im Jahre 1000 und... (1011) der Fleischwerdung des Herrn verstarb Herzog Bernhard (von Sachsen) in Corvey.
53. Inzwischen führten Graf Hermann und Markgraf Gunzelin gegeneinander Fehde und stritten in einer für unsere Gegend ungewohnten Art miteinander. Nachdem Gunzelin vergeblich versucht hatte, die von Hermanns Kriegern gesicherte Burg Strehla zu erobern, ließ er die an der Mulde gelegene, schlecht verwahrte Burg Rochlitz in Flammen aufgehen. Auch unterließ er nichts, wodurch er dem Grafen Schaden zufügen konnte, wüten doch Oheime immer gegen die Söhne ihrer Brüder. Auch die Brüder Hermann und Ekkehard umringten und nahmen plötzlich mit stürmender Hand eine Burg an der Saale, die Gunzelin besonders wert war, und in der er im Schutz von Mauern und Kriegern zahlreiche Güter gestapelt hatte; alle Besitztümer wurden verteilt, die Burg von Grund auf gebrochen und durch Feuer zerstört.
(Übersetzung: Werner Trillmich)