30. Der Stellvertreter des Papstes verbrachte noch einige Zeit bei Bischof Bernward, der ihn und die Seinen mit kostbaren Gaben beschenkte. Dann nahm er in Frieden Abschied, kehrte zu Papst (Silvester II.) und Kaiser (Otto III.) zurück und berichtete ihnen über den Verlauf seiner Gesandtschaft. Schwer erzürnt über das, was vorgefallen war, gaben sie den Befehl, dass alle deutschen Bischöfe in der Zeit um Weihnachten vor ihnen erscheinen sollten; und zwar sollten sie nicht nur zur Synode, sondern zugleich mit ihrem gesamten Aufgebot an Vasallen kommen und gerüstet sein, überallhin ins Feld zu ziehen, wo es der Kaiser wolle. Der genannte Friedrich aber empfing nicht lange danach den Bischofsstuhl von Ravenna.
(...)
32. Nachdem dieser Gewaltakt (= ein Überfall von Mainzer Leuten auf ein Kloster des Bischofs) verübt worden war, fasste der ehrwürdige Bischof den Entschluss, das Kloster Gandersheim zu besuchen, um nach dem Rechten zu sehen, damit nicht etwa durch seine Schuld etwas versäumt würde. Dem aber widersetzte sich ein riesig großer Haufen, der nicht anders bewaffnet war, als wenn er zu einem offenen Krieg aufgeboten worden wäre. Diese Leute hatte Sophie zusammengebracht, nämlich alle Vasallen des Erzbischofs, die sie auftreiben konnte, ihre Freunde und Bekannte und ein starkes Aufgebot aus ihrer eigenen Dienerschaft. Sie füllten die Türme und Befestigungen rund um die Kirche mit Bewaffneten. Gegen einen einzigen Menschen, noch dazu ihren Bischof, der keine Waffe trägt und ihnen nur den Segen bringen will, befestigten sie ihre Burg als gelte es, sich gegen eine Welt von Barbaren zu verteidigen. So hat sich an ihm wahrhaft das Wort des Apostels erfüllt: "Alle, die fromm in Christus leben wollen, werden Verfolgung leiden." Als der Bischof davon erfuhr, fragte er seine Leute, was er tun solle. Die einhellige Meinung war, dass man vor der Gefahr weichen solle. Auch wurden Leute ausgeschickt, die die Lage genau erkunden sollten, und diese meldeten bei ihrer Rückkehr, dass alles, was man gerüchtweise vernommen hatte, wahr, ja in Wirklichkeit noch schlimmer sei.

33. Nach diesen Vorfällen verlangten die Bischöfe, die den Streit in der Kirche um sich greifen sahen und diese unerhörten und unerträglichen Gewalttaten eines so hohen Würdenträgers aufs tiefste bedauerten, eine Zusammenkunft in Frankfurt in der Zeit nach Mariä Himmelfahrt. Auch die Erzbischöfe von Köln und Trier wurden dazu eingeladen. Man erschien also zum Tag des Konzils. Den Vorsitz führten die Erzbischöfe Willigis von Mainz, Heribert von Köln und Liudolf von Trier zusammen mit den andern Dienern Gottes, Rethar von Paderborn, Rodbert von Speyer, Berengar von Verden und Ekkehard von Schleswig. Ekkehard lebte ja damals in Hildesheim, weil seine eigene Stadt und Kirche durch die Barbaren entvölkert worden waren. Und weil der Herr Bernward durch Erkrankung am Erscheinen verhindert war, entsandte er ihn an seiner Statt zur Versammlung. Darüber hinaus gab er ihm den Priester und Domdekan Thangmar (= der Autor der Vita) als Begleiter mit, damit er ihm helfend zur Seite stehe, falls von Seiten des Erzbischofs Einwände erhoben würden. Zu Beginn der ersten Sitzung beschwerte sich der Erzbischof bei seinen Mitbrüdern in einigermaßen gemäßigtem Ton über die Abwesenheit Bernwards und erklärte, er wolle ihm gemäß dem Urteil der Mitbrüder Gerechtigkeit widerfahren lassen, soferne er da wäre. Man entgegnete ihm, Bischof Bernward fehle nicht aus Trotz und Ungehorsam, sondern weil er durch eine schwere Erkrankung verhindert sei; er werde jedoch alles befolgen und einhalten, was dieser heilige Konvent, von göttlichem Geist erleuchtet, beschließe, festsetze und anordne. So wurde an diesem Tag, nachdem man sich gegenseitig den Segen gegeben hatte, die Sitzung aufgehoben. Am andern Tag erschien der Erzbischof (Willigis) ­ man weiß nicht, wer dahinter steckte ­ merklich angriffslustiger zur Sitzung. Einige, darunter auch etliche von den Bischöfen, gaben nämlich aus Sympathie für den Erzbischof den Rat, man solle den Bischof Bernward öffentlich in der Versammlung aufrufen. Der Priester Thangmar aber bat die Bischöfe nachdrücklich, sie möchten doch den Erzbischof von seinem feindseligen Vorgehen abhalten. Endlich wurde der Erzbischof durch Gottes Güte etwas milder. Dass aber der Bischof Bernward das Kloster Gandersheim besitzen solle, wie alle andern forderten, lehnte der Erzbischof entschieden ab; er gab nur zu, dass keiner von beiden dort etwas vornehmen solle, solange bis sie acht Tage nach Pfingsten am Hof zu Fritzlar zusammenkämen. So wurde mit Gottes Gnade die Versammlung aufgehoben.

34. Bischof Bernward verspürte nun zwar aus doppeltem Grund den Wunsch, nach Italien zu ziehen. Denn erstens wollte er dem Befehl des Papstes (Silvester II.) gehorchen und zweitens hätte er gerne den geliebten Herrn und König (Otto III.) wiedergesehen, der ihm mehr bedeutete, als sein eigenes Leben. Dennoch entsandte er an seiner Statt den Priester Thangmar (= Autor der Vita), der ihn auch im Vorjahr auf seiner Reise zum Kaiser begleitet hatte und der von Jugend an bis in sein Alter mit dem Schulunterricht befasst war und sich der Erziehung der Knaben widmete. Dieser Thangmar also wurde mit Briefen und Aufträgen zu Papst und Kaiser entsandt. Nachdem er unterwegs dank seines Herrn das Wohlwollen ungezählter Menschen erfahren hatte, erreichte er im Gebiet von Spoleto den Kaiser. Er fand mit Rücksicht auf seinen Herrn, den Bischof, gütigste Aufnahme und wartete hier auf die Ankunft des Papstes. Nach ihrem Zusammentreffen überbrachte er seine Botschaft und seine Briefe, wobei sich der Kaiser beim Papst gütig der Sache des Bischofs annahm. Dann erhielt er Anweisung, die Synode abzuwarten, die an Weihnachten in Todi stattfinden würde. Seinen Unterhalt empfing Thangmar in reichem Maß von Seiten der beiden Herren.
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36. Im Jahr 1002 nach der einzigartigen Geburt unseres Herrn Jesus Christus, im 15. Jahr der Indiktion, feierte der Papst (Silvester II.) zusammen mit dem Kaiser (Otto III.) das Weihnachtsfest in Todi. Hier traten am Fest des heiligen Evangelisten Johannes die Bischöfe aus der Umgebung Roms sowie einige Bischöfe der Toskana und Italiens zu einem Konzil zusammen. Von den unsrigen waren dabei: Notger von Lüttich, Siegfried von Augsburg und Hugo von Zeitz. An die dreißig Väter nahmen zum feierlichen Gottesdienst Platz. Den Vorsitz führten die beiden Häupter der Stadt, der Papst und der Kaiser. Nach dem Evangelium wurden einige Kapitel aus den Dekreten der heiligen Väter verlesen. Dann stellte der Oblationar den Abgesandten des ehrwürdigen Bischofs Bernward der Synode vor. Der Papst fragte ihn: "Aus welchem Grund bist du vor uns gekommen und was begehrst du von der Synode?" Da warf sich der Gesandte, der Priester Thangmar, sogleich mit ganzem Körper zu Boden. Durch gütige Hände wieder aufgerichtet, kniete er zu Füßen der beiden Fürsten nieder, erhob sich dann und begann folgendermaßen: "Mein Herr sagt eurer Apostolischen Hoheit und eurer Kaiserlichen Majestät in jeder Weise Dank für alles, was ihr voll Güte für seine Kirche getan habt. Was nun euer Legat ausgerichtet hat, und wie es ihm bei seiner Mission ergangen ist, das wird er selber, da er ja zugegen ist, am besten berichten können. Nach seiner Abreise beriefen die Bischöfe, besorgt darüber, dass Streit und Zwietracht noch immer anhielten, eine Versammlung nach Frankfurt. Weil aber mein Herr durch schwere Erkrankung am Erscheinen verhindert war, schickte er mich als seinen Stellvertreter dorthin. Hier fassten die ehrwürdigen Väter schließlich den gemeinsamen Beschluss, dass weder der Erzbischof (Willigis) noch mein Herr im Kloster Gandersheim etwas zu sagen haben sollten, bis nach der Pfingstoktav; dann sollten sie wegen eben dieser Frage zu einer Synode in Fritzlar zusammenkommen. Das aber wurde vor euren Apostolischen Stuhl gebracht und in Schreiben von euch wiederholt für ungültig erklärt. Und deshalb bittet mein Herr um euren Spruch: Ihr möget kraft eures Amts bestimmen, durch welches Gericht und durch welchen Richter diese Sache zu entscheiden ist. Zu diesem heiligen Konvent aber, der hier durch die Gnade des Heiligen Geistes von euch berufen worden ist, hat mein Herr meine Wenigkeit entsandt. Er will auf diese Weise vor dem ganzen Senat der Apostolischen Kirche öffentlich zum Ausdruck bringen, dass er dem Papst und dem Römischen Stuhl bereitwillig und gern gehorcht und beipflichtet und dass er um eure richterlichen Beschlüsse bittet und sie nach Vermögen immerdar einhalten will." Auf diese Worte spendete der Papst dem Gehorsam, der Ergebenheit und dem Eifer unseres Bischofs das höchste Lob. Als nächster sprach Friedrich, der ehrwürdige Metropolitan von Ravenna. Er schilderte, was ihm in Pöhlde und während seiner ganzen Mission begegnet war, den Ungehorsam des Erzbischofs, sein beleidigendes Verhalten und seine Missachtung auch des Römischen Stuhls. Dagegen betonte er das Wohlwollen Bischof Bernwards wie auch die Tatsache, dass er von ihm mit besonderen Ehren behandelt und mit allem Guten überreich beschenkt worden sei. Hierauf wurde das feindselige Verhalten des Erzbischofs von allen Römischen Bischöfen öffentlich missbilligt und seine freche Anmaßung scharf gerügt. Man fasste indessen den gemeinsamen Beschluss, die Ankunft des Erzbischofs (Heribert) von Köln und weiterer Bischöfe, die in nächster Zeit eintreffen sollten, abzuwarten. Man sandte auch Boten aus, die sie auffordern sollten, am Fest Epiphanie vor den beiden Oberhäuptern zu erscheinen. Doch sie kamen nicht, und man wartete noch drei Fristen lang auf sie. Als sich aber zeigte, dass man unmöglich noch zusammenkommen konnte, bat der Priester Thangmar nachdrücklich, ihn zu entlassen. So verabschiedete der Kaiser am 11. Januar den Gesandten seines geliebten Lehrers, des Bischofs Bernward, den oft genannten Priester, und ließ ihn reich beschenkt nach Hause ziehen. Auch für den Bischof schickte er kostbare Geschenke mit, unter andern ein wertvolles Gefäß aus Onyx sowie verschiedene Sorten von Arzneimitteln und etliche Farbstoffe.
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37. Doch schon nahte der Unglückstag, der Sterbetag des gütigen Kaisers (Otto III.). Auf eine Frage des Priesters hin hatte der Kaiser schon zugegeben, dass er etwas Fieber habe. Die Krankheit verschlimmerte sich von Tag zu Tag und am 23. Januar hauchte der milde und demütige Kaiser, wohlversehen mit dem Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, unter Worten des reinen Glaubens in Gegenwart der Bischöfe zum unendlichen Schmerz aller Guten seinen Geist aus. Wer vermöchte den untröstlichen Schmerz der Trauergemeinde, die von überallher zur Totenfeier zusammenströmte, in Wort oder Schrift zu schildern? Nachdem alles Nötige für den Weg vorbereitet war, trug das Heer der Deutschen in feierlichem Trauerzug den Leichnam des frommen Herrschers nach Aachen. Hier wurde er am Palmsonntag von der hehren Trauerversammlung des ganzen Reiches empfangen. Alle Fürsten erwiesen ihm mit außergewöhnlicher Anteilnahme den letzten Dienst. In der Mitte des Chores wurde er beigesetzt.

38. Unterdessen gingen die Absichten der Fürsten in die verschiedensten Richtungen. Viele wollten, ohne jede Gottesfurcht, die oberste Reichsgewalt an sich bringen. Einer von ihnen war Bruno. Dieser wusste sehr wohl, dass der ehrwürdige Bischof Bernward mit unerschütterlicher Treue zu dem hochgeachteten Herzog Heinrich (IV. von Bayern) hielt, und fürchtete deshalb, dass sich Bernward ihm widersetzen werde, sobald er seine Pläne in die Tat umsetzen werde. Daher sammelte Bruno eifrig Bewaffnete, wo immer er jemand zum Schaden des Bischofs und zum Verderben der Hildesheimer Kirche auftreiben konnte, und fiel bald da, bald dort raubend und plündernd über die Orte und Leute des Bischofs her. Dieser aber ließ sich in seiner gewohnten Art von seiner Treue nicht abbringen, obwohl er durch viele Gewaltakte immer wieder herausgefordert wurde. Als geschickter Architekt, der er war, legte der kluge Bischof den Grundstein des neuen Königtums zuallererst durch das Gebet. Alle Gemeinschaften geistlicher Brüder und Schwestern, die unter seinem Banner für die göttliche Herrschaft stritten, forderte er nämlich auf, in dieser Stunde der Not in inständigem Gebet nicht zu ermüden. Auch er selber erflehte die Gnade des Herrn durch strenge Enthaltsamkeit, was er jedoch vor den Mitmenschen verborgen hielt. Und so kam es hinsichtlich der Wahl zu einer wundersamen Einmütigkeit, wobei die Wünsche des Volkes den Bemühungen der Großen noch vorausgingen. Denn wo immer eine Volksversammlung gehalten wurde, forderte das Volk wie aus einem Mund, Herr Heinrich solle Kaiser werden, er und kein andrer solle das Reich regieren. Nachdem ihn alle einstimmig erwählt hatten, geleiteten Erzbischof Willigis und Bischof Bernward zusammen mit den andern Großen des Reiches den Herrn Heinrich unter höchsten Ehrenbezeigungen nach Mainz und übergaben ihm am Sonntag nach Pfingsten zugleich mit der Heiligen Lanze die Herrschaft und Königsgewalt. Nachdem alles dem Brauch gemäß vollzogen war, spendeten sie ihm unter allgemeinem höchsten Jubel mit Gottes Gnade feierlich die Salbung.

39. Der neue König feierte das Fest des heiligen Laurentius in Paderborn, und dort empfing die Herrin Kunigunde vom ehrwürdigen Erzbischof Willigis Krone und Weihe. Sophie aber, die inzwischen zur Äbtissin von Gandersheim gewählt worden war, war die alte geblieben. Genauso wie sie bei ihrer Einkleidung den eigenen Bischof verschmäht hatte, hielt sie es auch jetzt für unter ihrer Würde, von ihrem Hirten und Vater die Herrschaft und Weihe zu empfangen. In ihrem Hochmut und eitlen Stolz erbat sie sich vom König, der Königin und den Großen, von einem Palliumträger geweiht zu werden. Bischof Bernward konnte sich nicht widersetzen und gab seine Zustimmung.

40. Im Jahre 1003 nach der Geburt des Herrn besuchte der König (Heinrich II.) in frommer Absicht reihum Bischofsstädte und Abteien, heilige Stätten also, wo Knechte und Mägde Gottes mit frommem Eifer dem heiligen Dienst oblagen. Durch ihr Gebet wollte er Schutz für sich selbst und das Reich, das Gott ihm übertragen hatte, erlangen. Sein großer Wunsch war, auch nach Hildesheim zu kommen. Weil das aber aus Scheu vor diesem Ort noch kein König vor ihm gewagt hatte, wandte er sich an Bischof Bernward und fragte ihn, ob er es wohl wagen dürfe, diese heilige Stätte zu besuchen. Bernward erteilte ihm die Erlaubnis, und so kam er vor dem heiligen Palmsonntag zu unserer Kirche und wurde mit feierlichem Ehrerweis empfangen. Der König spendete auch einen ansehnlichen Geldbetrag für den Altardienst und für den Unterhalt der Brüder und versprach, den Ort bereichern und ehren zu wollen. Das hat er in hohem Maß voll Güte auch ausgeführt.
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43. Im Jahre 1007 nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus beging der verehrungswürdige König Heinrich, der höchste Herrscher des Römischen Reiches, mit größten Ehren das Weihnachtsfest in Pöhlde. Überall, wohin der weise Herrscher sein geheiligtes Antlitz wandte, stiftete er, wenn er etwa Zwietracht entdeckte, auf der Stelle Versöhnung; wenn das aus irgendeinem Grund nicht geschehen konnte, gönnte er sich so lange keine Ruhe, bis die verletzte Liebe endlich doch wiederhergestellt war. Dieses Ziel verfolgte der Kaiser mit viel Geschick auch damals, am Fest der geheimnisvollen Geburt. Schon oft hatte er versucht, den alten Hass zu dämpfen, den Erzbischof Willigis gegen Bischof Bernward von Hildesheim aus geringfügigem Anlass, aber von bitterem Zorn immer wieder angestachelt, unheilbar in seinem Herzen nährte. Aber vor der Unversöhnlichkeit des Erzbischofs hatte sich der König jedes mal geschlagen geben müssen. Jetzt aber traf er sich mit ihm vor den Augen zahlreicher Bischöfe und Großer, die an diesem Hochfest im Palast zusammenströmten, und drang mit allem Ernst und verdienter Strenge in ihn, bis sein Starrsinn völlig gebrochen war. Willigis unterwarf sich und den ganzen Streitfall dem Gericht des Kaisers und der Bischöfe und gab jeden Widerstand gegen die Anordnungen des Kaisers und die Beschlüsse seiner Mitbrüder auf. Hierauf bestimmte der weiseste Kaiser für die Weihe der Gandersheimer Kirche, die immer wieder verschoben worden war, den Vigiltag vor Erscheinung des Herrn, der damals auf einen Sonntag fiel, den Tag der Auferstehung des Herrn. Die Einkleidung der Mägde Gottes aber sollte am Erscheinungstag selbst stattfinden. Der ehrwürdige Bischof Bernward lud also den Erzbischof Willigis und die andern Bischöfe ein, bei der Weihe der Kirche mitzuwirken. Bald war das heilige Fest gekommen. Die Weihezeremonien wurden unter Leitung Bischof Bernwards vollzogen; alles ging in brüderlicher Liebe. So nahm der Erzbischof bei der Besprengung mit Weihwasser den ersten Platz ein, und Bischof Bernward war an seiner Seite. In der Kirche aber leitete er, Bernward, zu dessen Diözese die Kirche gehörte, die Weihehandlungen; hier nahm er selbst die erste Stelle ein. So behauptete er seinen Vorrang. Nachdem alles durch Gottes Gnade in brüderlicher Liebe vollzogen war, trat der König zusammen mit dem Erzbischof und andern vor das Volk und sprach: "Liebe Freunde, den Streit, der unserer Sünden wegen so lange gewährt hat, wollen wir heute endgültig beilegen. Ich weiß und ich erkenne an, dass diese Kirche und die benachbarten Höfe immer den Bischöfen von Hildesheim gehört haben und unwidersprochen in ihrem Besitz gewesen sind." Auf diese Worte des Kaisers ging Erzbischof Willigis durch Gottes Güte endlich in sich und bekannte öffentlich, was er aus eigener Schuld wie auch auf Anstiften anderer gegen Gott und die heilige Gottesmutter begangen hatte, indem er zu Unrecht in den Gandersheimer Sprengel, der zur heiligen Hildesheimer Kirche gehöre, eingedrungen sei. Er erklärte feierlich, dass er kein Recht und keinen Anspruch auf diesen Ort habe, und überreichte zum Zeichen seines Verzichts dem Herrn Bernward seinen Bischofsstab mit den Worten: "Lieber Bruder und Mitbischof, ich erkläre meinen Verzicht auf diese Kirche und überreiche dir im Angesicht Christi, im Angesicht unseres Herrn Königs und unserer Mitbrüder diesen meinen Hirtenstab, den ich in Händen halte, zum Zeichen dafür, dass fortan weder ich noch einer meiner Nachfolger in dieser Sache einen Anspruch oder eine Forderung erheben kann." Dann wurde das Messoffizium mit Zustimmung Bischof Bernwards von Erzbischof Willigis feierlich zu Ende gelesen. Am folgenden Tag aber, dem Erscheinungstag, vollzog der Herr Bernward in Gegenwart des Königs und aller Bischöfe die feierliche Einkleidung der Schwestern. Durch Gottes Gnade und durch die Weisheit des frommen Fürsten war also alles in Friede und Eintracht beigelegt, und so ging man auseinander. Nachdem der Streit sein Ende gefunden hatte, behandelte der Erzbischof unsern Bischof ferner mit aller Achtung und Liebe. Er selber wurde ehrenvoll in die Brüderschaft unseres Domstifts aufgenommen und bezeigte sowohl unserer Stadt wie auch den Brüdern die höchste Zuneigung.

44. So standen die Dinge, als der Erzbischof (Willigis) fünf Jahre später, reich an Tagen wie an guten Werken, zu Christus hinüberging. Das war am 24. Februar.

45. An seine Stelle trat als Leiter der Mainzer Kirche Erkanbald, zuvor Abt von Fulda, ein Mann, der es im katholischen Glauben an nichts fehlen ließ. Bischof Bernward erteilte ihm am 1. April zu Mainz die Bischofsweihe. Durch göttliche Fügung wurde er zum Erzbischof erhoben, da er in den Tagen des Unfriedens Versöhner geworden ist. Den Lockungen, den alten Zwist zu erneuern, schenkte er zeit seines Lebens kein Gehör; vielmehr bezeigte er dem, der ihn geweiht hatte und der überdies sein Blutsverwandter war, die schuldige kindliche Ehrerbietung und behandelte ihn mit väterlicher Liebe.
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48. Fünf Jahre danach, am 18. August 25, verließ Erzbischof Erkanbald von Mainz, reich an Tagen und Verdiensten, die Kirche Gottes in Frieden und hauchte seine Seele in die Hände der Engel aus. Sein Nachfolger wurde der königliche Kapellan Aribo. Dieser erhob von neuem die Waffen der Zwietracht, die unter seinem Vorgänger, welcher den Segnungen der Eintracht den Vorzug gegeben hatte, friedlich geruht hatten. Der gottgefällige Bischof Bernward musste den künftigen Bischof zum Priester weihen und bei dieser Gelegenheit verbot er ihm in Gegenwart des gütigen Kaisers Heinrich und verschiedener Bischöfe vor der Gemeinde der Geistlichen und des Volkes mit dem Schwert des Wortes Gottes unter Strafe des Bannes, dass er nach der Übernahme der Regierung gegen die Hildesheimer Kirche irgendein Unrecht im Zusammenhang mit dem Gandersheimer Gebiet begehe. Das gleiche wiederholte und bekräftigte er nochmals, als ihn an Bernwards Statt der ehrwürdige Bischof Ekkehard zum Erzbischof weihte. Was er damals arglistig versprach, wollte er hinterher, als seine Torheit sich wieder durchsetzte, nicht wahrhaben. Denn noch bei seiner Thronbesteigung knüpfte er in erheuchelter Friedfertigkeit durch seinen Boten mit Bischof Bernward an und versuchte, mittels einer unehrlichen Grußbotschaft den Streit um Gandersheim wieder aufzuwärmen. Bischof Bernward aber hörte, von göttlicher Eingebung geleitet, überhaupt nicht auf sein leeres Geschwätz, sondern erinnerte ihn nur an sein Versprechen und an den Bann und ließ ihm ausrichten, es gäbe ­ sofern der Erzbischof guten Willens sei ­ keinen Gemeinschaftsbesitz zwischen ihnen beiden, abgesehen von dem, was Gottes sei; vom Mainzer Sprengel sei ihm, Bernward, ohne Zweifel nichts überlassen worden. Durch diese Antwort vereitelte er den Anschlag des Erzbischofs, und dieser wagte, solange Bischof Bernward am Leben war, keinen Laut mehr in dieser Sache von sich zu geben.
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(Übersetzung: Hatto Kallfelz)

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