II/57. Zur Zeit des frommen und hervorragenden Kaisers Heinrich geschah es, dass nachdem viele Besitzungen des Regensburger Bistums durch Unvorsichtigkeit verloren gegangen und mehrere Güter der Abtei St. Emmeram wegen einer Auseinandersetzung zwischen Bischof und Abt zugrundegerichtet und verschleudert worden waren Bruno, der Bruder des nämlichen Kaisers, unter dem Vorwand erblichen Rechts versuchte, sich die Besitzung und Hofstätte anzueignen, die in der Volkssprache Eiterhof genannt wird, d.h. Hof und Hofstätte des Giftes. Aber nach denen, die höherer Einsicht sind und alles verständiger untersuchen, kann er (= der Hof) nicht unpassend "Hoffnung des Äthers", d.h. des Himmels, genannt werden, gemäß (der Art, wie) die sächsische Umgangssprache das Deutsche gebraucht. Die Sachsen nämlich haben die Gewohnheit, das Hoffen oder die Hoffnung mit einem diesem Wort sehr nahestehenden Namen zu bezeichnen.
Da dieser (= Bruno) es nicht wagte, öffentlich gegen das Gebot des Kaisers Gewalt gegen Kirchengut anzuwenden, kam man schließlich nach Beratung überein, im Ort Aetinga darüber einen Prozess oder eine Gerichtsverhandlung zu führen. Obwohl in dieser alle Richter und Schöffen, die es in selbiger Grafschaft gab, mit Geld bestochen und andere von woher auch immer durch Belohnung zum selben verleitet worden waren, wurden doch die List und Schläue aller Anwälte derart vom Himmel betört, dass der einvernehmlich von der Gegenseite eingeführte und angestiftete Richter, ein gewisser Otpolt, dessen Geschwätzigkeit zu dieser Zeit von vielen viele Fälle anvertraut wurden, kein Urteil zu fällen gewusst oder vermocht hätte, das der Sache des heiligen Emmeram und unserer hätte schaden können. Daher wurde er von unserem Verteidiger öffentlich der Lüge und Falschheit gescholten und bot vielen (Anlass) zu Verwunderung mit hinzutretender Furcht. Damit aber der vorgenannte Bischof Bruno mit seinen (Anhängern und) Zeugen (asstipulatores) nicht so schändlicher Schmach zu unterliegen scheine, wurde auf sein Bitten hin ein Hoftag (palatinus conventus) zu Regensburg gehalten, um dort gleichsam das Wunder auszulöschen, das geschehen war. Die Sache aber ging gänzlich anders aus, als die ganze dort zusammengetretene Versammlung, ob sie es nun wollte oder nicht, sich dem göttlichen Willen beugte. Als nämlich Herzog Heinrich (V. von Bayern) mit der Kaiserin Kunigunde, seiner Schwester, dem Gerichtshof vorsaß und auch die Bänke, wie es der höfische Brauch erfordert, mit ehemaligen Konsuln (viri consulares) oder (anders gesagt) Grafen besetzt waren, konnte man am ganzen Hof die Stimme derjenigen vernehmen, die gegen den heiligen Emmeram die Seite des Bischofs begünstigten. Diese sagten, niemand könne verhindern, dass Bruno, weil er eine so bedeutende und mächtige Person sei, an jenem Tag durch das Urteil aller das vorgenannte Gut in seine Gewalt bekomme, das seine Großmutter Judith, die Herzogin des norischen (= bayerischen) Königreiches, dem heiligen Emmeram für sich und ihre Söhne Ludwig und Heinrich als Königsgut (velut regalem fiscum) übergeben hatte, jedoch mit dem Vorbehalt, dass dieser Hof sogleich an ihre Erben zurückfallen solle, wenn ein Bischof oder irgendeine mächtige Person ihn (unrechtmäßig) für sich beanspruche oder dem Nutzen der Mönche entziehe. Dieser Ansicht gaben auch die Richter und Großen den Vorzug, indem sie feststellten, dass die Übereinkunft dieser Übertragung durch Bischof Gebhard von Regensburg (Imbripolitanus) verletzt worden sei. Daraufhin lud Bruno mit Zustimmung des Kaisers außerhalb des Hofes die mit größter Beredsamkeit begabten Großen ein und stachelte auch die anderen Richter, Anwälte und Rechtsgelehrten an, seine Sache zu vertreten; mit jeglicher List und Tücke wurden diejenigen draußen unterwiesen und vorbereitet, die drinnen die Verteidigungsreden für seine Seite, wie es ihm schien, geschickt vortragen sollten, ohne Rücksicht auf die Schrift, wo geschrieben steht: "Es gibt keinen Rat gegen den Herrn, der die Herzen der Menschen kennt." (kein wörtliches Schriftzitat, vgl. Sprüche 21, 30; Lukas 16, 15; Apostelgeschichte 15, 8). Und nachdem alle eingetreten und Zeit und Ort gekommen waren, da die Falschheit und Schlechtigkeit des gerichtlichen Urteils abgelehnt werden und gleichsam die triumphale Autorität des Hofes sich durchsetzen sollte, verfiel nicht nur derjenige, der zuvor der Falschheit gescholten worden war, demselben ablehnenden Urteil, sondern auch die Münder all derer, welche die gegnerische Partei begünstigten, wurden durch himmlischen Beistand verschlossen und verstummten, so dass keiner unter so vielen in listiger Begabung bewanderten (Männern) äußern konnte, was er bei sich überlegte und dachte, noch auszusprechen vermochte, was andere ihn sagen hießen, indem sie ihm ins Ohr flüsterten. Da aber wurde der gesamte Rat, dessen Mitglieder in großer Zahl erschienen waren, ob dieses klaren und deutlichen Wunderzeichens zum Lob Christi veranlasst; Gott sei Dank, der ganze Hof hallte wider von demütigen und wahrhaft löblichen Rufen, und das liebenswerte Murmeln derer, die beiderseits Lobpreisungen auf den heiligen Märtyrer Emmeram anstimmten, tönte in den Ohren der Menge.
Unter ihnen soll ein in christlicher Gottesfurcht berühmter Mann namens Eberhard gesagt haben: "Seht, der König der Könige zerstört offen sichtbar die Rechte der weltlichen Gesetze. Immer hat derjenige alles gut gemacht, der den Hochmütigen widersteht und den Demütigen seine Huld gewähren wird, und er tut es auch jetzt. Da wurde Bruno von großer Furcht zerrissen, ja er wurde durch die Kraft der himmlischen Tugend sich innerlich sogar so sehr entrissen, dass er nicht nur an jenem Tag vor den Fürsten und dem Volk gedemütigt fröstelte, schwitzte und erblasste, sondern auch innerhalb der Mauern seines eigenen Hauses unter großer Gefahr für sein Leben die folgende Nacht schlaflos verbrachte. Tags darauf aber, als die Sonne bereits den Erdkreis erleuchtet hatte, vertrieb er mit Reue und unter Tränen das Dunkel des Irrtums, der ihn geblendet hatte, und trat sich anerbietend vor den heiligen Emmeram; er gestand den Brüdern sein Vergehen und nahm unterdessen, indem er barfuß zwischen den Gedächtnisstätten der Heiligen einher schritt, eine derart beschwerliche Bußübung auf sich, dass er an keinem sämtlicher Altäre, die bei uns in reicher Zahl vorhanden sind, vorüberging, ohne eigenhändig eine Spende zu hinterlassen. Schließlich schwor und gelobte er vor dem Altar unseres erlauchtesten Schutzherrn, dass er in Zukunft weder ihm, noch den Seinen irgendein Übel antun oder gar Gewalt gegen Kirchengut anwenden werde, was er auch unter Zeugen bekräftigte. Auch den Wein, den er seinen Parteigängern zum Gelage versprochen hatte, gab er uns für das Liebesmahl und empfahl sein Leben eifrigst dem Gebet der Brüder an.
(Übersetzung: Klaus van Eickels / Eike Schmidt)