Konrad von Abdinghof (?), Vita Meinwerci

Als zweiter Sohn des sächsischen Grafen Immad und seiner Frau Adala wurde Meinwerk um 976 in den heutigen Niederlanden geboren. Der ausgedehnte Grundbesitz der Immedinger reichte vom Harz im Osten bis zum Ijsselmeer im Westen. Die Vorbereitung auf die für ihn vorgesehene Laufbahn als Kleriker erfuhr der zukünftige Paderborner Bischof zunächst in Halberstadt und dann in Hildesheim. Dort begegnete ihm als Mitschüler der Sohn Herzog Heinrichs (des Zänkers), der spätere Kaiser Heinrich II. Nach der Schulausbildung wurde Meinwerk Hildesheimer Domkanoniker. Otto III. nahm ihn in die Hofkapelle auf, deren Mitglied er auch unter dessen Nachfolger Heinrich II. blieb. Hatte Meinwerk schon zu Ottos Vertrauten gehört, so fand seine Königsnähe bei Heinrich ihren Ausdruck darin, dass dieser dem Kapellan, seinem früheren Schulfreund, 1009 das Bistum in Paderborn übertrug.
Mit diesem Amt und der Rangerhöhung verband der Herrscher in diesem Fall auch die Verantwortung, besonders materiell für das zu der Zeit ausgesprochen arme Bistum Sorge zu tragen und es zu mehren. Diesen Erwartungen kam Meinwerk nicht nur durch umfangreiche Schenkungen aus seinem Eigengut nach. Der neue Bischof verstand es auch, solche von anderen Personen und besonders vom König zu erwirken. Das ihm anvertraute Kirchengut verwaltete er sorgfältig und effizient. So wurde ein Neubau des Doms (1015) möglich, dessen Vorgängerbau im Jahre 1000 abgebrannt war. Während seiner Amtszeit entstand außerdem eine Bischofspfalz und vermutlich auch eine neuen Kaiserpfalz. Nicht nur in seiner Bautätigkeit stellen sich Meinwerks Bemühungen im Kirchen- wie im Reichsdienst als eng miteinander verwoben dar. Der Bischof beteiligte sich an der Sicherung des Reiches im Osten und begleitete Heinrich II. 1013/14 auf seinem zweiten Italienzug; möglicherweise war er auch 1022 mit dem Kaiser in Italien. Paderborn zeichnete sich zur Zeit dieses Bischofs durch häufige Königsgastung aus, Heinrich II. und Kunigunde erhielten zudem eine Pfründe am Dom und wurden in die Gebetsgemeinschaft des Domkapitels aufgenommen. Auch zum nächsten Kaiser unterhielt Meinwerk enge Beziehungen, auch Konrad II. begleitete er zu seiner Kaiserkrönung 1027 nach Rom.
In den letzten Jahren seines Lebens scheint Meinwerk sich aus der weltlichen Politik etwas zurückgezogen zu haben; in jedem Fall widmete er sich verstärkt seinem eigenen Seelenheil. Die Kirche seiner schon seit längerer Zeit betriebenen Klostergründung am Abdinghof konnte er 1031 weihen, fünf Jahre später auch die Jerusalemkirche und das Busdorfstift. Ob die Anlage weiterer Kirchen und Klöster von Meinwerk angedacht war, ist umstritten. Für das später als bereits (von ihm?) geplant angenommene "ottonische Kirchenkreuz" fehlte jedenfalls zu dieser Zeit die Nord-Süd-Achse. Er starb am 5. Juni 1036 und wurde, wie es sein Wunsch war, in der Kirche des Abdinghofklosters beigesetzt. 1376 erhob man seine Gebeine aus der dortigen Krypta in den Hochchor und überführte sie 1810 in die Busdorfkirche. Seit 1936 liegt ein Teil davon im Paderborner Dom.
Die Lebensbeschreibung, die gut 120 Jahre nach Meinwerks Tode in seiner Stiftung Abdinghof entstanden ist, berichtet sehr tatenorientiert von der Amtsführung des Bischofs, der darin geradezu als Ideal eines Reichsbischofs der ottonisch-frühsalischen Zeit erscheint. In zwei Erzählsträngen wird anfangs einerseits ein Abriss der Geschichte des Bistums Paderborn seit seiner Gründung 799 geboten, andererseits sehr knapp die adelige Herkunft und der Werdegang Meinwerks bis zu seiner Bischofserhebung durch Heinrich II. zusammengefasst.
Mit dieser scheint das Bistum eine Wendung hin zu glücklicheren Zeiten erlebt zu haben: Bereits am Beginn seiner Amtszeit gelang Meinwerk der Wiederaufbau des Domes, im weiteren Verlauf der Vita wird an mehreren Stellen deutlich, wie sehr das, was der Bischof für seine Diözese erreicht, in der Vorstellung des Verfassers in Kausalitätsbeziehung mit seinem Königsdienst steht. Einen großen Teil der Vita machen die Kapitel 29-130 aus, in denen aneinandergereiht Güterübertragungen festgehalten werden. Hier konnte der Autor auf schriftliches Material zurückgreifen, das beim Brand des Abdinghofklosters 1165 teilweise vernichtet wurde.
Durch den Bericht über die vielen Schenkungen verknüpft er das Lob Meinwerks mit einer Art Bestandsaufnahme der Besitztümer für die Nachwelt. Dabei begegnet schon die resolut-fordernde Art, die der Bischof sich gegenüber weltlichen Herrschern aufgrund seines Ansehens herausnehmen konnte. Dieses Verhalten fällt im zweiten Teil der Vita, der nach dem Einschub der Traditionsnotizen wieder mit der Domweihe des Jahres 1015 einsetzt, geradezu ins Auge. Besonders die Schilderung seines Umgangs mit Heinrich II., dem er bei dieser Gelegenheit einen goldenen Kelch und ein Gewand mehr oder weniger wegnimmt, macht die Lebensbeschreibung Meinwerks für uns interessant. Nicht minder die Reaktion des Kaisers, der daraufhin den im Lateinischen wohl nicht ganz so sicheren Bischof durch eine Veränderung zweier Wörter in seinem Messbuch vor gefüllter Kirche in große Verlegenheit gebracht haben soll.
In den Kapiteln, die von Meinwerks Leben während der Regierungszeit Konrads II. berichten, ist der Reichsbischof wieder als treuer Begleiter des Königs dargestellt, der von ihm dafür mit zahlreichen Schenkungen belohnt wird. Allerdings finden sich hier keine so anschaulich erzählten Einzelereignisse mit persönlichem Charakter, wie sie von den ehemaligen Schulfreunden Heinrich II. und Meinwerk berichtet sind. Die durchgängige Königsnähe des Bischofs wirft zum einen ein positives Licht auf ihn, der allen Anforderungen eines Reichsbischofs entsprach, zum anderen rief ihre Betonung den Zeitgenossen des Verfassers sicherlich die Zeit in Erinnerung, zu der Paderborn eine so herausragende Stellung einnahm.
Der zwischen 1155 und 1165 im Kloster Abdinghof entstandene, 210 Kapitel umfassende Text ist beinahe vollständig als Autograph überliefert. Uns sind daneben zwei spätmittelalterliche Abschriften erhalten; die Vita fand wohl aufgrund ihrer Ortsbezogenheit und Konzentration auf die Schenkungen an die Paderborner Kirche keine weitere Verbreitung. Besondere Beachtung findet das Kloster Abdinghof, dessen Bedeutung für seinen Gründer Meinwerk mehrfach hervorgehoben wird.
Im Werk selbst ist kein Verfasser genannt. Man nimmt an, dass es sich um Abt Konrad von Abdinghof handelt, der urkundlich zwischen 1142 und 1173 nachzuweisen ist. In seine Amtszeit fallen auch die sogenannten Abdinghofer Fälschungen, dabei handelt es sich um ältere Traditionsnotizen zu Gunsten des Klosters, die man später zu Siegelurkunden umarbeitete. Diese spielen in den Überlegungen über die Vita Meinwerci und ihren Urheber eine zentrale Rolle: Durch Diktatvergleich wurde festgestellt, dass der Verfasser der Abdinghofer Fälschungen wahrscheinlich mit dem der Vita identisch ist. Zugleich gibt es Übereinstimmungen im Stil der gefälschten Urkunden und einer echten Urkunde, als deren Verfasser sich Abt Konrad von Abdinghof nennt. Daraus schloss man, dass Abt Konrad an der Abfassung dieser drei Texte beteiligt war. Davon ausgehend ist andererseits die Tatsache interessant, dass es sich bei den Abdinghofer Urkunden um absichtliche, systematische Fälschungen handelt. Daher ­ aber auch schon aufgrund des zeitlichen Abstands ­ ist eine gewisse Vorsicht gegenüber den Aussagen der Vita angebracht.
Sicherlich sind kleinere Ungenauigkeiten zum Beispiel in der Datierung darauf zurückzuführen, dass der Autor der Lebensbeschreibung sich ­ neben der mündlichen und urkundlichen Überlieferung ­ einer Vielzahl von schriftlichen Quellen bediente. So hatte er unter anderem die Chroniken Thietmars von Merseburg und Frutolfs von Michelsberg, die Paderborner Annalen, einen Bischofskatalog und Nekrologien zur Verfügung. Er benutzte aber auch die Vita Heinrici des Adalbold von Utrecht sowie die Lebensbeschreibungen Erzbischof Heriberts von Köln und der Bischöfe Bernward und Godehard von Hildesheim.
Fehler in der Chronologie wurden möglicherweise aber auch bewusst in Kauf genommen, um ein bestimmtes Bild von den Ereignissen zu zeichnen. Dem Verfasser sind nicht nur die Schenkungen als solche wichtig, also wer wann unter welchen Umständen was tradierte, sondern ihr Gesamteindruck als "Schenkungswelle", ausgelöst durch das Beispiel Meinwerks bei der Domweihe 1015. Allein aus den Papst- und Königsurkunden von 1014 geht schon hervor, dass es auch in den Jahren davor Güterübertragungen gegeben hat, über die der Autor der Vita Meinwerci informiert war. Sein Anliegen war es jedoch, den Ausstattungsprozess direkt auf Meinwerk zurückzuführen, um diesen als zweiten Begründer des Bistums Paderborn erscheinen zu lassen.
Die für uns so lebendig wirkenden Erzählungen über etwas merkwürdige Begebenheiten im Leben Meinwerks, beispielsweise die Episode mit den auf Befehl Heinrichs II. getilgten Buchstaben im Messbuch des Bischofs, sind sicherlich keine Erfindungen Abt Konrads von Abdinghof. In der mündlichen Weitergabe haben sich diese Anekdoten um einen historisch wahren Kern wohl erst nach Meinwerks Tod ausgebildet. Für den Vitenschreiber passen sie gut ins Bild des Bischofs, weil die gegenseitigen Streiche seine Vertrautheit mit dem König anschaulich machen. Ereignisgeschichtlich gesehen sind dem Verfasser der Vita also einige Fehler unterlaufen, von denen der eine oder andere möglicherweise beabsichtigt war und dazu diente, der Nachwelt ein auf bestimmte Gesichtspunkte hin angelegtes Bild von der Wichtigkeit der Person Meinwerks und vom Hergang der Ereignisse zu vermitteln.
(Sigrid Zeitler)

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