I/23. Nichtsdestoweniger scheint jene Satzung allzu geziemend und äußerst ehrbar zu sein und bestens geeignet zum Schutz des Friedens, dass nämlich niemand verwegen danach streben soll, voreilig das Szepter des Römischen Reiches zu führen, oder Kaiser genannt werden oder sein kann, es sei denn, der Papst des römischen Bischofssitzes habe ihn aufgrund seiner sittlich-charakterlichen Rechtschaffenheit als für das Gemeinwesen geeignet ausgewählt und ihm das kaiserliche Abzeichen anvertraut, weil nämlich einst überall auf der Welt beliebige Gewaltherrscher, die sich unverschämt aufdrängten, sehr oft zu Kaisern gewählt wurden und (doch) umso weniger für das Gemeinwesen geeignet waren, als sie bekanntlich mehr durch Gewaltherrschaft als durch den Einfluss ihrer Frömmigkeit aufgestiegen waren. Wiewohl jenes kaiserliche Abzeichen zuvor auf unterschiedliche Weise gestaltet gewesen war, befahl der ehrwürdige Papst Benedikt im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 710, selbiges Abzeichen in sehr bedeutungstragender Gestalt anzufertigen. Er ordnete an, es wie einen goldenen Apfel herzustellen, es auf seinen vier Seiten mit wertvollsten Edelsteinen zu umgeben und oben mit einem goldenen Kreuz zu versehen. Es war aber vergleichbar der Gestalt dieser irdischen Masse, die nämlich als in einer gewissen Rundheit bestehend wahrgenommen wird, damit, wenn der Fürst des weltlichen Reiches jenes (Abzeichen) betrachtet, es ihm beweise, dass er nicht anders in der Welt herrschen und streiten solle als auf solche Weise, dass er für würdig gehalten werde, vom Banner des Leben spendenden Kreuzes geschützt zu werden; im Schmuck unterschiedlicher Edelsteine selbst (sollte er) auch (erkennen), dass die Spitze des Reiches mit Erscheinungen sehr vieler Tugenden geziert sein müsse. Als später der vorgenannte Papst (Benedikt VIII.) Kaiser Heinrich (II.), der zu diesem Zweck nach Rom kam, der Gewohnheit gemäß mit einer sehr großen Masse von Klerikern beider Stände entgegengezogen war und ihm dieses Abzeichen des Kaisertums im Angesicht des ganzen römischen Volkes übergeben hatte, nahm er jenes heiter an, betrachtete es von allen Seiten, und sagte, da er ein sehr verständiger Mann war, zum Papst: "Bestens, Vater, hast du dies anfertigen lassen, und durch ein Vorzeichen vorausdeutend auf unsere Herrschaft hast (uns) du recht umsichtig belehrt, wie sie (= die Herrschaft) sich maßvoll zu gebärden hat." Dann fügte er, während er jenen goldenen Apfel in der Hand hielt, hinzu: "Zu niemandem passt es besser, dieses gegenwärtige Geschenk zu besitzen und zu betrachten, als zu jenen, die den Glanz der Welt mit Füßen treten und gar zügig dem Kreuz unseres Erlösers nachfolgen." Umgehend schickte er jenen (Apfel) in das gallische Kloster Cluny, das auch zu dieser Zeit für das frömmste von allen galt; diesem übergab er als Geschenke auch sehr viel anderen Zierrat.
(...)
III/8. Denn ihm (= König Robert von Westfranken) war Frieden mit den Königen in der Umgebung seines Reiches beschieden, vor allem mit dem oben genannten Kaiser Heinrich (II.). Denn als sie einmal zu einem Gespräch an der Maas (eigentlich: Chiers, Nebenfluss der Maas), die die Grenze zwischen beiden Reichen ist, zusammengekommen waren und mehrere von beiden Seiten murrten, es zieme sich nicht, dass einer von jenen so bedeutenden Königen sich selbst demütigend (und) gleichsam dem anderen zur Hilfe kommend übersetze, vielmehr sei es das beste, dass sie auf Booten in die Mitte des Flusses gebracht würden, um miteinander zu sprechen, da gedachte der Kaiser jenes Wortes eines sehr gelehrten Mannes: "So sehr du groß bist, demütige dich in allen Dingen!"; und er erhob sich früh am Morgen und setzte mit kleinem Gefolge über zum König der Franken; unter allzu heftiger Umarmung küssten sie sich gegenseitig ab, vor ihren Augen wurde von den Bischöfen geziemend die Messe gefeiert und es passte beiden, miteinander zu frühstücken. Nach dem Frühstück brachte König Robert Heinrich unermessliche Geschenke an Gold, Silber und Edelsteinen dar, dazu hundert höchst ehrenvoll ausgestattete Pferde, auf jedem von diesen zudem einen Brustpanzer und einen Helm; dazu sagte er, er werde in dem Maße ihre Freundschaft mindern, wie er ihm etwas von all diesen Dingen zurücklasse. Heinrich aber erkannte die Freigebigkeit seines Freundes und nahm von jenen Dingen nur ein mit Gold und Edelsteinen belegtes Evangeliar und ein ähnlich gestaltetes Gefäß, das einen Zahn des heiligen Diakon und Märtyrers Vinzenz enthielt; seine Gemahlin (Kunigunde) aber nahm nur angemessene (Weihrauch)schiffchen aus Gold an. Die übrigen Dinge aber schickte er, als er wegging, huldvoll zurück. Am folgenden Tag also setzte wiederum König Robert mit seinen Bischöfen zu den Zelten des Kaisers über, der ihn hinreichend erhaben empfing und ihm nach der Mahlzeit hundert Pfund reinen Goldes darbrachte. Auch der König nahm aus diesem (Angebot) nur angemessene (Weihrauch)schiffchen aus Gold, und nachdem sie beide das Abkommen ihrer Freundschaft bekräftigt hatten, kehrten sie in ihre Reiche zurück. Auch von den anderen Königen wurde er immer hinreichend gefällig behandelt, von Aethelred, dem König der Engländer (= Aethelred II. der Unberatene); von Rudolf, dem König der Austrasier (= Rudolf III. von Burgund); von Sancho, dem König von Navarra in Spanien (= Sancho III. der Große); sie schickten ihm (häufig) Geschenke und erbaten von ihm Hilfe (im Krieg).
(Übersetzung: Klaus van Eickels / Eike Schmidt)