Wolfhere, Vita Godehardi episcopi prior (Die ältere Lebensbeschreibung Bischof Godehards)

(Vorrede)
Seinem Herrn und Lehrer, dem beredten A(lbuin) der mit allen sieben Gaben des heiligen Geistes reichlich ausgestattet und von dem Glanze edelster Tugenden vielfach umstrahlt ist, bringt Wolfhere, ein demütiger Levit, seinen ergebensten Gruß im Herrn aller Dinge.
Nach dem Beschluss der göttlichen Unveränderlichkeit, welche selbst unbeweglich alles bewegt, ist von Ewigkeit her allen Geschöpfen, die nach Gottes Willen hervorgebracht wurden, gemäß ihrer ursprünglichen Beschaffenheit in verschiedenem Grade die Fähigkeit zugewandt, sich zu erkennen und zu bewegen. So trennt und verbindet sich wechselweise die gleichartige Materie nach der ihr innewohnenden Notwendigkeit in wunderbarer Vermischung. So wird die ursprüngliche Vierzahl der Elemente durch unauflösliche Bande zusammen gehalten, das Wasser mit der Erde durch Kälte, die Erde mit dem Feuer durch Trockenheit, das Feuer mit der Luft durch Hitze, die Luft mit dem Wasser durch Feuchtigkeit ohne irgend einen Widerstand verbunden. Auch dem vielfach verschiedenen Geschlechte der unvernünftigen Tiere ist nach der selben Anordnung eine verhältnismäßige Fähigkeit der Empfindung beigelegt, und wie sie in ihrer Einfalt gewissermaßen löbliche Folgsamkeit und Ausdauer zeigen, hat selbst die göttliche Wahrheit ihnen das Zeugnis gegeben: "Der Ochs kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn." (Jesaias 1,3) Dem Menschen aber ist vom Himmel eine besondere Rechtschaffenheit zur Pflicht gemacht, die er in keiner Weise verleugnen und die vor den übrigen Geschöpfen ihn auszeichnen soll. Er soll sich bemühen, die untergeordneten Wesen, vor denen er im Einzelnen und im Allgemeinen bevorzugt ist, nicht bloß nachzuahmen, sondern ihnen auch durch die edle Gabe der Vernunft, deren jene gänzlich entbehren, den Vorrang abzugewinnen. Niemals soll er die durch göttliche Gnade ihm angeborene Erkenntniskraft durch den Aussatz der Trägheit beschmutzen und so unter diejenigen sich herabdrücken lassen, denen er ursprünglich vorangeht. Andererseits soll er aber auch das Gesetz wohl beachten, dass jedes Geschöpf nach Maßgabe seiner Fähigkeiten sich gehorsam verhalten muss, und nicht über diejenigen, denen er Gehorsam und Unterwürfigkeit schuldig ist, sich emporheben, um alsbald kraftlos wieder zurückzufinden. Denn es ist ebenso tadelnswert, wenn ein Geschöpf besser sein will, als sein Ursprung, als wenn es denen, welchen es ursprünglich vorgehen sollte, durch eigene Torheit nachsteht.
Als ich dieses lange bei mir überdachte und mit allem Scharfsinn, dessen mein kurzsichtiger Geist fähig ist, hin und her sann, kam ich endlich zum Entschluss, etwas zu schreiben, und zwar in solcher Art, dass einerseits auch nicht das kleinste Fünkchen, welches der Zunder göttlicher Eingebung in meiner kleinen Brust durch eure wohlwollende Lehre entzündete, durch den Regen der Trägheit beeinträchtigt, oder durch die Überschwemmung des Stumpfsinnes vollkommen ausgelöscht würde, dass ich aber auch andererseits nicht etwas Unmögliches tollkühn unternähme und dann, wenn die dädalischen, wächsernen Flügel im unerträglichen Feuer des Tadels sich lösten, wie Ikarus von dem undurchschwimmbaren Meere der Verwirrung rettungslos verschlungen würde. Daher stimmte ich mehreren Leuten, welche mir voreilig einreden wollten, in einige sehr schwierige Verhältnisse Licht zu bringen, nicht bei; denn ich war mir meiner eigenen geringen Fähigkeit bewusst, und hielt mich einem solchen Unternehmen nicht gewachsen. Insbesondere schien es mir durchaus nicht schicklich, dass ich, den eure Fürsorge von Kindheit an gütig geleitet und noch gütiger in die gelehrte Bildung, soweit mein zartes Alter verstattete, eingeführt hat, irgend etwas in solchen Dingen ohne euren Befehl unternähme. Dass ich aber jetzt, als ein noch ungeübter Schiffer und nicht unter der Flagge eurer Belehrung, in das weite stürmische Meer mich hinausgewagt, und diese für meinen Jahre und meine Kräfte so unverhältnismäßige Arbeit unternommen habe, das ist nicht aus Hochmut oder Eitelkeit geschehen, sondern, wie ihr aus dem Folgenden zur Genüge entnehmen könnt, aus einem einzigen Grunde, dem zu widerstreben mir Frevel schien, nämlich aus Gehorsam. Damit man mich aber jetzt nicht beschuldigen möge, ich wolle eurer Heiligkeit, die so vielen Dingen die lebhafteste Aufmerksamkeit zuwenden muss, durch endloses Plaudern beschwerlich fallen, so werfe ich alle lästigen Umschweife bei Seite und versuche kurz und bündig zu erzählen, weshalb ich diese Last auf mich genommen habe.
Als ich mich nämlich zu Altaich aufhielt, behandelte mich euer (Albuins) Freund, der verehrungswürdige Herr Abt Ratmund, welcher durch die honigsüße Milch eurer Lehre mit mir zugleich getränkt worden ist, wie seinen Milchbruder, und legte mir oft in vertraulicher Weise nahe, ich möge das Leben und die Taten unseres verehrungswürdigen Bischofs Godehard beschreiben und dem Gedächtnis der Nachwelt überliefern. Von diesen wurden schon damals viele mit heilsamstem Erfolg verbreitet, vieles aber, was er in reiferen Jahren oder im Alter Lobenswürdiges vollbracht hat, war noch unbekannt, weil er selbst es aus Bescheidenheit verborgen lassen wollte. Ich führte dagegen demütig als Entschuldigung an, ich sei sowohl meinem Alter als meiner Wissenschaft nach der Last einer solchen Arbeit nicht gewachsen, und falls ich auch die nötigen Kräfte hätte, so dürfe und möge ich doch ohne eure vorherige Zustimmung, die mir in solchen Dingen durchaus zur Seite stehen müsse, nichts unternehmen. Er aber bestand immer gebieterischer auf seiner Forderung, und befahl mir endlich, bei der Pflicht des Gehorsams, seinem Willen, wie es recht sei, nachzukommen. Häufig berief er sich auf jenen Vers: "Wer der Gewalt widersteht, widersteht Gottes Ordnung;" (Römer 13,2) zudem lebe ich ja an einem Orte, wo ich ohne Mühe und Umwege den Verlauf dieser Dinge von denjenigen erfahren könne, welche den Herrn Godehard von seiner Geburt bis zu seiner Erhebung zur bischöflichen Würde immer wie sich selbst gekannt hätten. Ich war bekümmert, was ich tun und wohin ich mich wenden solle. Mit einem Dinge stritten drei, nämlich mit dem schuldigen Gehorsam der Mangel eurer Zustimmung, das Bewusstsein meiner Unwissenheit und das Jugendliche meines Alters.
(...)
Endlich da der Rat und die Aufforderung meines Vorgesetzten immer dringender wurden, siegte der Gehorsam, und indem ich mich versichert hielt, dass ich nichts Unerlaubtes mir herausnehme, und dass eure unaussprechliche Milde mich bei etwaigem Irrtume mit einem leichten Tadel wurde davon kommen lassen, übernahm ich diese übermäßige Aufgabe, obgleich mir die Zeit fehlte auf den Schreibtisch zu schlagen oder die Nägel zu zerkauen. Sollte aber jemand mich der Falschheit beschuldigen, so ist Christus mein Zeuge, dass ich nicht aus Vorliebe oder Schmeichelei etwas Unwahres ersonnen, sondern in bescheidenen Worten nach Maßgabe meiner geringen Fähigkeiten, aber mit voller Wahrheit dasjenige aufgezeichnet habe, was ich von bejahrten, wahrheitsliebenden Männern, insbesondere von einem vortrefflichen Priester hörte, der jenem von Kindheit an in treuer Dienstleistung ununterbrochen zur Seite stand. Aber nicht ohne Grund fürchte ich wegen meiner Unkenntnis den Fleischern unter das Messer zu geraten, und da ich gegen das Zähnefletschen hinter meinem Rücken mich nicht zu drehen weiß, so sehe ich nicht, wie ich ihren Schmähungen und Spottreden anders, als unter dem Schutze eures Mantels werde entgehen können. Denn wie man zu sagen pflegt: Wo tüchtige und eifrige Männer sind, da fehlen auch niemals Neider und Nebenbuhler; und je weniger sie von der Sache verstehen, desto wölfischer stürzen sie sich auf alles, dem sie einen Tadel anhängen können. Aber ich fürchte das weniger; denn ich schrieb, wenn auch nicht grade geschickt, doch aus vollem Herzen, und wie schon bemerkt, nicht deshalb, weil ich einer so schweren Arbeit mich gewachsen glaubte, sondern in der Absicht, doch wenigstens den später Lebenden den nötigen Stoff für ihre Darstellung an die Hand zu geben, wenn sie vom Feuer göttlicher Eingebung entzündet, die Taten des frommen Mannes in geeigneterem Stile beschreiben möchten. Auch bin ich fest überzeugt, es sei besser, von jenen Böswilligen der Unwissenheit beschuldigt, als bei Klügeren wegen Ungehorsams verdammt zu werden.
(...)
Leser, wofern es dich freut, ein verständiges Wort zu vernehmen,
Wenn du verstehst, das Erhabne zu würdigen, wie sich gebühret,
Wende mit achtsamem Sinn dich hierher und mit ganzem Gemüte
Preis' und bewundere Gott, der wunderbar wirket auf Erden.
Nicht mit prunkendem Wort sind hier des verderblichen, alten
Irrtums Fabeln gereiht, unselige, Jammer erfüllte;
Nicht auch erzählen wir hier von dem Mahle des grausen Saturnus,
Von dem verschlungenen Stein der Cureten und frevelndem Diebstahl,
Nicht von Europas Lieb und dem grausamen Vater Agenor;
Cadmus lassen wir auch und Hermione gänzlich bei Seite,
Weisen den Amphiaroas zurück, den Erkunder der Frevel,
Und von Oedipus meld' und der Sphinx ein geschwätziger Rhetor;
Auch nicht Phaetons Fluß und Demophoons laubige Hülle,
Nicht die erlogne Reihe so vielfach quälender Übel,
Sondern das rühmliche Leben, das jener vortreffliche Bischof
Edelstem Streben geweiht, wird hier nach Würden gepriesen,
Welcher dem Herrn sich ganz hingab, wie Jeglichem kund ist,
Und auf erhärtete, Gott treu dienende Tugend die Hoffnung
Schon beim Klange des Namens, wie Heilige pflegen, hervorruft,
Und durch hohe Verdienste so edler Benennung sich wert zeigt;
Den die Gerechten stets und an jeglichem Orte verehrten,
Seit er als Knabe zuerst und der Windeln entledigt, emporwuchs
Bis auf die heutige Stunde, die hoch ihn vor Allen verherrlicht.
Ist er doch sanft und gelind und werth, dass jeder ihm hold sei,
Nüchtern und keusch und klug und in jeglichen Dingen bescheiden,
Hoch als Weiser berühmt, der Gerechtigkeit Milde vereinend,
Alles zu ehren bereit, was einer mit Grund ihm empfohlen.
Deshalb preiset den Herrn, ihr Alle, die fest in der Gottheit
Bunde vereint, und ihm, o weiht ihm innige Liebe,
Und die Freuden des Reichs, das der Heiligen würdig, erfleht ihm.
(...)

7. Nach Verlauf einiger Jahre sollte nach dem Willen Gottes jenes Kloster (= Niederaltaich) eine bessere Verfassung erhalten. Dies geschah nach dem fluchwürdigen, bejammernswerten Krieg, der zwischen dem vorgenannten Herzog Heinrich, dem Vater Kaiser Heinrichs frommen Angedenkens, und einem andern Heinrich, Herzog der Kärntner, dem Sohn des Herzogs Berthold, wütete, weil der Herzog Heinrich (II.) von Bayern gegen Kaiser Otto III. eine Verschwörung angestiftet hatte, um die Krone zu gewinnen. Ich würde ihn hier ausführlicher beschreiben, wäre er nicht durch die Sorge meiner Vorgänger in den Chroniken der Wahrheit gemäß enthalten. Durch göttliche Mahnung angetrieben, fasste der oft genannte Herzog Heinrich, wie er denn mit dem Schmuck aller Tugenden geziert war, den Entschluss, das Stift Altaich in ein Mönchskloster zu verwandeln, und führte ihn mit dem Beistande der göttlichen Gnade aus. Denn es stand und steht fest, dass er mit Gottes gnädiger Hilfe und auf den Rat ausgezeichneter Männer, nämlich des Bischofs Pilgrim von Passau und des Bischofs Wolfgang von Regensburg, einen vortrefflichen Mann namens Erchanbert aus Schwaben dorthin berufen hat. Diesem übergab er das Kloster, um die Regel des heiligen Benedikt einzuführen, und ließ den Bewohnern die freie Wahl, entweder Mönche zu werden oder zu gehen, wohin sie wollten. Von den Reizen dieser Welt umstrickt, wollten sie anfangs gemeinschaftlich sich widersetzen, wurden aber, einer wie der andere, aus dem Kloster ausgewiesen und zogen in die Welt, wohin jeder konnte oder wollte.
Nur der Propst (Godehard) blieb zurück und übertraf, obgleich dem Alter nach noch ein Jüngling, doch alle an Frömmigkeit und Weisheit, wie es hierin und in vielen Dingen klar wurde. Er wusste mit seiner Taubeneinfalt gar wohl Schlangenklugheit zu vereinigen, gelobte wie der Patriarch Jakob dem Herrn ein Gelübde, verließ die Welt und legte in dem Glauben, dass er bei Gott sich einen Schatz der Gerechtigkeit erwürbe, am 21. Dezember mit frommem Sinn das Mönchsgelübde ab. Wie sehr nun seine Beharrlichkeit von Tag zu Tag wuchs, kann die Beredsamkeit keines Sterblichen hinreichend schildern. Als der Abt Erchanbert wahrnahm, wie unermüdlich sein Gehorsam sei, und wie er der klösterlichen Ordnung mit solchem Eifer nachkomme, als sei er nicht nur darin erzogen, sondern ganz und gar darin eingelebt, nahm er ihn freudig und frohlockend zu seinem geistlichen Sohn an, machte ihn zum Prior und traf keinerlei Anordnungen, die er nicht vorher mit ihm überlegt hatte. Aber der fromme Mann erinnerte sich der apostolischen Vorschrift: "Wache und arbeite in allem und tue, was deines Amtes ist, und sei nüchtern." (Genesis 28,20). Er war so eifrig im Wachen und Beten, dass er häufig ganze Nächte hindurch in der Kirche Psalmen, Lobgesänge und geistliche Lieder sang. Nicht weniger ließ er die Handarbeiten sich angelegen sein, und hatte in nicht langer Zeit die für Kanoniker angemessenen Gebäude niedergerissen und andere in kürzester Zeit wieder hergerichtet, die den Bedürfnissen der Mönche, wie man heute noch sehen kann, vollkommen entsprachen. Nüchternheit und Enthaltsamkeit machte er sich so sehr zu eigen, dass er nicht nur unerlaubte, sondern sogar erlaubte Speisen und Getränke seinem Körper häufig versage, und mit Wasser und Brot denselben wunderbar im Zaum hielt. Kurz, sein Eifer für jegliche Vollkommenheit war so unbeschreiblich, dass man auch unter den Gerechtesten kaum jemand findet, der ihm gleich, und keinen, der vollkommener als er gewesen wäre. Von solchen Blumen himmlischer Gnade herrlich bekränzt, stieg er von Tugend zu Tugend empor und wurde nach dem Tode des Bischofs Pilgrim von Passau, in dessen Diözese das Kloster gelegen war, von dem heiligen Bischofe Wolfgang von Regensburg verdientermaßen mit der Würde des Priestertums bekleidet.

8. Aber schon sieben Jahre nach Einführung der klösterlichen Zucht, am 28. August (995), entschlief der verehrungswürdige Herzog Heinrich, durch dessen Eifer und Sorgfalt dieselbe eingeführt und in Wachstum erhalten war, zu des ganzen Reiches unaussprechlichem Kummer. Damit jedoch nach seinem Tode in jener Gegend nicht eine verderbliche Verwirrung um sich greife, spendete Gott sogleich hinreichenden Trost; denn sein Sohn Heinrich, ein Jüngling von trefflichen Anlagen, den wir später als Kaiser sahen, erhielt das Herzogtum. An Eifer und Scharfsinn dem Vater ähnlich, glänzte er in der Blüte der Jugend in jeglichem Schmuck feinster Bildung. Es waren aber einige, denen die mönchische Lebensweise in dem vorgenannten Kloster (= Niederaltaich) von Anfang an missfallen hatte, obgleich sie es bei Lebzeiten des früheren Herzogs, aus Furcht vor seiner Ehrfurcht gebietenden Strenge nicht öffentlich aussprechen mochten. Insbesondere waren unter ihnen jene Geistlichen geschäftig, welche beschriebener Weise aus dem Kloster vertrieben und über ihre Ausstoßung heftig erbittert waren. Diese traten miteinander in Einverständnis, erschienen vor dem jungen Herzog, brachten gegen den Abt Erchanbert verleumderische Beschuldigungen vor, und ruhten nicht eher von ihren lügenhaften Einflüsterungen, bis sie den Herzog aufs Höchste gegen ihn aufgebracht hatten. Und wie man in seinem Alter den Schmeichlern gar leicht sein Ohr leiht, kam dieser unbesonnen ihren Aufforderungen nach, die er gar nicht hätte anhören sollen, und entsetzte den Abt ohne irgendeine begründete Anschuldigung seiner Würde.
Dann beschloss er, den Herrn Godehard, den er als vertrauten Freund seines Vaters kannte, und von dessen strenger Lebensweise das Zeugnis der angesehensten Männer und seine eigene Wahrnehmung ihn mehr und mehr überzeugt hatten, auf Bitten der Genossenschaft und auf den Rat aller Würdenträger der Provinz zu dieser Würde zu erheben. Aber der Herr Godehard wusste die Ausführung dieses Planes durch geschickte Verzögerung zwei Jahre lang hinzuhalten. Zuerst hielt nämlich der Herzog mit allein angesehensten Männern der Provinz eine Besprechung zu Regensburg, wo er den Herrn Godehard, der auch gegenwärtig war, auf das Zeugnis der ganzen Geistlichkeit und des Volkes jenem Kloster als Abt vorsetzen wollte. Aber jener, der mit dem feinsten Salz göttlicher Weisheit gewürzt und mit dem festen Panzer geistlicher Waffen von allein Seiten geschirmt war, führte zuerst mit passenden Worten demütig als Entschuldigung an, dass er nicht fähig sei, eine solche Leitung zu übernehmen, und bat inständig, man solle einen anderen suchen, dem man passender ein so hohes Amt übertragen könne. Als aber der Fürst und die Übrigen sich hierdurch durchaus nicht beunruhigen ließen, sondern im Gegenteil einstimmig in ihn drangen, er solle eine so ehrenvolle Aufgabe auf sich nehmen, widersprach er ihnen allen ins Angesicht und eröffnete dem Herzog und den Übrigen mit folgenden beredten Worten die Gründe dieses heftigen Widerstandes.

9. "Ruhmvoller Fürst", sprach er (= Godehard), "so viel ich nur vermag, danke ich eurer Milde und der ganzen würdigen Versammlung, dass ihr ohne mein Verdienst mich für ein solches und so hohes Amt tauglich erachtet. Aber je würdiger ich euch, die ihr nur das Antlitz seht, erscheinen mag, für desto unwürdiger erklärt mich meine eigene Gebrechlichkeit vor dem, der das Herz sieht. Deshalb wünsche ich euch, wenn ihr mich nur anhören wollt, offen darzulegen, weshalb ich dieses Amt nicht wohl übernehmen kann, und bitte in aller Unterwürfigkeit nur darum, dass alles, was ich etwa ungeschickt oder unpassend vorbringe, nicht als Beleidigung eurer Herrlichkeit, sondern als die Schuld meiner Unwissenheit ausgelegt werde. ihr wisset besser als ich, dass alles, was in eurer Versammlung verhandelt wird, vorher sorgfältig beraten und jeder eurer Beschlüsse nach allen Rücksichten so wohl erwogen sein muss, dass niemand zur Klage Veranlassung hat, es sei ihm in eurer Gegenwart etwas auferlegt, was er nicht wünscht, oder etwas genommen, was er wünscht. Denn wenn schon alle, deren Amt es ist, nach weltlichen Gesetzen zu richten, sich stets unter dem Schwerte des Richters fühlen sollten, und wenn alles, was ungesetzlich ist, den Gesetzen von Rechts wegen keinen Abbruch tun kann, so muss noch viel mehr in eurer so würdigen Versammlung alles hinlänglich und reiflich erwogen werden, damit ihr nicht etwa unbesonnen ein Gesetz durch ein anderes aufhebt und endlich gar keine Gesetze mehr behaltet.
Ich muss aber klagen, dass mein Abt, dem ich freiwilligen Gehorsam gelobte und unter dessen Leitung ich der göttlichen Heiligkeit nach bestem Können und Wissen in Demut zu dienen beschloss, von derselben Würde, welche man mir aufdrängen will, ungerechterweise entfernt und dadurch nicht allein das kirchliche, sondern auch das bürgerliche Gesetz freventlich verletzt wurde. Denn auch nach letzterem darf selbst ein Schuldiger erst dann verdammt werden, wenn er durch untadelhafte, persönlich gegenwärtige Ankläger, durch die Aussagen der Zeugen, nach angemessener Verhandlung vor den gesetzmäßigen Richtern öffentlich überführt wurde. Vorerst muss also jener in seine frühere Würde, in sein Amt und den Genuss alles Seinigen rechtmäßig wieder eingesetzt werden; wird er dann auf die Aussage von Anklägern, die gegen einen Geistlichen klagen dürfen, am passenden Ort mit Beobachtung der gesetzmäßigen Fristen vorgeladen und überführt, so mag er von Richtern, die über kirchliche Rechte urteilen dürfen, rechtmäßig abgesetzt werden. Wenn aber Gottes Strafgericht es fügt, dass die lügenhaften Ankläger auf dem Synodalgericht widerlegt werden, so muss man ihn von der Anklage löblich entbinden. Vorher dürft ihr in keinem Fall, weder öffentlich noch insgeheim ihm einen Nachfolger suchen, wenn ihr auch nur den Wortlaut der Gesetze, die ihr zu wahren und zu verteidigen verpflichtet seid, aufrecht erhalten wollt. Denn Waffenlose können nicht wohl mit Bewaffneten kämpfen und die, welche ihres Vermögens und ihrer Freunde beraubt sind, nicht leicht den Verleumdungen feindseliger Menschen entgegentreten. Diese trefflichen Männer, o verehrungswürdiger Herzog, diese Bischöfe, welche euch umgeben, waren häufig auf Synodalgerichten Beisitzer oder Vorsitzer. Von ihnen, die den Willen und die Pflicht haben, euch zu belehren, könnt ihr leicht erfahren, wie ihr in Bezug auf euch und eure Untertanen, Geistliche sowohl als Laien, euch vorsichtiger zu benehmen habt, damit nicht der Schein auf euch fällt, als liehet ihr den Schmeicheleien jeglichen Verleumders leicht euer Ohr und wolltet die kirchlichen Rechte, wie es von manchem geschieht, nach dem Gewicht des Goldes abschätzen.
Aber auch ihr, o Väter, die ihr im Buche des Lebens verzeichnet steht als Stellvertreter des guten Hirten, der sein Leben lässt für seine Schafe, ihr, denen über das Haus Gottes, über die allgemeine Kirche das bischöfliche Amt zu Teil geworden ist, ihr, die Auserwählten des heiligen Geistes, seht wohl zu, dass diese Angelegenheiten in geistlicher Weise verhandelt werden. Verhindert so große Ungesetzlichkeiten, damit ihr nicht in Zukunft ähnliche gegen euch selbst oder gegen die Eurigen erdulden müsst. Denn ihr wisst und ihr wisst recht wohl, wie die Absetzung nicht nur eines Bischofs oder Abtes, sondern auch des geringsten Klerikers zu geschehen habe, wenn ihr nur die alten und bewährten Verordnungen der vier hauptsächlichen Konzilien, so wie der Reimser und anderer Synoden, in denen vieles über diesen Gegentand vorkommt, in ihren Rechten unverkümmert lassen wollt. Weil nun in denselben vorgeschrieben ist, dass man in Bezug auf die Gerichtsstätte, die Zeit, das Verbrechen, den Richter, die Zeugen, den Ankläger und den Angeklagten nach reiflicher Erwägung und gemäß den Kirchengesetzen verfahren solle, so lasst von der Mahnung Gottes euch rühren, und tragt Sorge, dass jener, der, wie ihr wisst, in ungerechter und Gott verhasster Weise abgesetzt ist, nicht zur Schmach eures Namens und eurer Würde unschuldig verdammt werde.
Ich weiß, dass es gerecht ist, Pflichtvergessene zu entfernen, nur müssen dadurch nicht Böswillige in ihrem Treiben bestärkt werden. Darum beschließt in dieser und in den übrigen Sachen weise, was zu tun und was zu ertragen sei. Verhindert aus Eifer für die göttliche Gerechtigkeit ein so ungesetzliches Verfahren, und wie den Untergebenen der nötige Schutz nicht verweigert wird, so werde auch den Vorgesetzten ohne Gefahr und Widersetzlichkeit gebührende Ehre erwiesen. Nun erkenne ich, wie gesagt, meinen Abt als unschuldig, mich selbst, auch wenn ich ohne Ungerechtigkeit gegen ihn erhoben werden könnte, für ein so hohes Amt nicht geeignet, und rufe deshalb Gott zum Zeugen, dass ich nichts mehr fürchte, als das ihm zustehende Amt zu übernehmen und etwa in den Verdacht zu geraten, als stimmte ich durch die Tat seinen Feinden bei. Darum bitte ich euch insgesamt und ermahne euch, soviel an mir liegt, in aller Ergebenheit, dass ihr dem göttlichen Wissen, der überall die Gerechtigkeit zur Herrschaft bringen will, nicht widerstrebt, dass ihr jenen nicht ungerecht verstoßen und mich zu solcher Freveltat nicht antreiben wollt. Wofern ihr aber meine demütigen Ermahnungen nicht beachtet und unbesonnen auf eurem Willen beharrt, so ist es mir genug, dass ich in Gehorsam gegen Gottes Willen euch die Wahrheit demütig gesagt und meine Seele von jeder Beistimmung zu einem Gott so verhassten Plane fern gehalten habe. Das Einzige, was ich noch vermag, werde ich tun; keine Verlockung soll mich verführen, keine Marter mich zwingen, diese Last auf mich zu nehmen. Denn es ist mir besser in die Hand der Menschen zu fallen, als vor dem Angesicht Gottes zu sündigen, dem das Herz geöffnet und das Heimliche nicht verborgen ist."

10. Aber durch solche Worte konnte er (= Godehard) gegen die Anmutungen des Fürsten und der übrigen sich nicht schützen, im Gegenteil wurde ihr Herz durch diese weise und süße Beredsamkeit nur noch mehr für seine Erhebung eingenommen. Alle riefen einstimmig mit dem Herzog, wegen solcher Ausflüchte, durch die er nur sein Aufsteigen schlau verzögere, müsse man ihn nicht entlassen, sondern um so mehr zu dem hohen Amte erheben, für das er durch allgemeine Wahl und den Willen Gottes bestimmt sei. Als nun der Herr Godehard wahrnahm, dass diese große und ehrwürdige Versammlung von Bischöfen und anderen Fürsten freiwillig durchaus nicht von ihrer Meinung abstehen würde und dass er ohne die größte Behutsamkeit ihrem Ansehen auf die Dauer nicht widerstehen könne, bat er endlich den Fürsten um Erlaubnis, mit dem Abt und den Brüdern, welche in der selben Stadt (= Regensburg) in dem Kloster des heiligen Märtyrers Emmeram Gott dienten, sich insgeheim zu bereden. Der Herzog gewährte ihm dies mit Freuden, weil er dadurch seinen Wunsch um so schneller erfüllt zu sehen glaubte. Als der Herr Godehard in das Kloster eintrat, eröffnete er dem Abt (Ramwold) im Beisein aller Klosterbrüder, worüber er ihn befragen möchte, und sagte ihm gerade heraus, er würde lieber in das Kloster (Niederaltaich), woher er gekommen, zurückkehren, als eine solche Last gegen den Willen Gottes auf sich nehmen. Der Abt erwog dies lange und verständig mit den Seinigen, deren ganzes Augenmerk auf den Himmel gerichtet war, und erklärte endlich nach bestem Gewissen, es scheine ihm und allen Seinigen, dasjenige als das Beste, was jenem schon die Mahnung Gottes eingegeben habe; denn es sei besser, den Unwillen jedweder weltlichen Gewalt eine Zeit lang über sich ergehen zu lassen, als durch das Urteil des göttlichen Zornes wegen eines leeren Ehrgeizes endlosem Fluche ewiglich zu verfallen. Der Herr Godehard dankte der göttlichen Gnade wegen dieser allgemeinen Beistimmung und begab sich aufs Schnellste in sein Kloster, in die Gemeinschaft der Brüder zurück, in der Überzeugung, dass keine Gewalt ihn bei dem Fürsten zurückhalten könne, wenn er dem klösterlichen Beschluss zur Verteidigung sich anvertraut habe.
Nachdem nun der verehrungswürdige Herzog Heinrich eine lange Zeit mit den Fürsten im Palast gewartet hatte, sandte er einen Boten, der ihn zurück führen sollte, musste aber von diesem bei seiner Rückkunft vernehmen, dass der Herr Godehard bloß, um nicht zu jener Würde erhoben zu werden, sich entfernt habe. Er ließ daher die Versammlung unverrichteter Sache auseinander gehen und war weniger über die ihm bewiesene Missachtung erzürnt, als von Bewunderung für die demütige Heiligkeit und die heilige Demut jenes Mannes ergriffen, dem er schon damals, wie man noch jetzt aus vielen Dingen erkennt, vorzüglich gewogen war. Einige, sowohl Geistliche als auch Laien, die gleich mit dem Urteil bei der Hand waren, zürnten und beklagten sich, insoweit nicht die Gegenwart des Herzogs sie in Schranken hielt, über eine so strafbare Entweichung. Der Herzog aber, dessen fromm-einfältigem Gemüte auch die dunkleren Stellen der heiligen Schrift gegenwärtig waren, erwog schweigend bei sich, dass jener wohl deshalb statt seines abgesetzten Herrn sich nicht habe erheben lassen, um nicht in Zukunft wegen eines solchen Unterfangens gedemütigt zu werden; ja, dass er gegenwärtig wohl gerne sich demütigen ließe, um dereinst durch Gottes Gunst, wie es denn auch, Gott sei Dank, geschah, in geeigneterer Weise erhöht zu werden. Er schickte jedoch häufig Boten an ihn, um ihn freundlich zu sich einzuladen; jener ließ aber weder durch Drohungen noch durch gute Worte sich bewegen, einen so freundlichen und wie er wusste, so befreundeten Herrn sich vorzustellen.
Endlich nach Verlauf eines Jahres, als man ihn auf keinerlei Weise von seinem Willen abbringen konnte, übertrug der Herzog das Kloster Altaich dem Bischof Megingoz von Eichstätt, mit der Anweisung, für das klösterliche Leben Sorge zu tragen. Der Herr Godehard fand es zwar unpassend, dass den Mönchen jemand, der nicht Mönch sei, zum Vorsteher gegeben wäre, ertrug es aber mit Geduld und diente Gott nach den Pflichten seines Standes mit gutem Mute und dem Bewusstsein, man müsse nicht nur den guten und bescheidenen Herren gehorchen, sondern auch den wunderlichen.

11. Nach Verlauf eines Jahres kam der vorgenannte Herzog (Heinrich IV., von Bayern), der, wenn auch noch Jüngling, doch schon mit Würde und Klugheit sich zu benehmen wusste, nach Gottes Fügung mit einigen Bischöfen und anderen Vornehmen in das Kloster und bat den Herrn Godehard dringend, doch jetzt einzuwilligen, dass man ihn zum Abt erhebe. Besonders schmerzte es ihn, wie er sagte, dass die von seinem Vater (Heinrich II., Herzog von Bayern) so ruhmvoll begründete Klosterzucht durch seine und der Seinigen Nachlässigkeit wieder in Verfall geraten solle, da man noch dazu am Ende der Zeiten stände. Der fromme Mann, der in allem gern die Billigkeit überwiegen ließ, sann lange hin und her, welcher Entschluss unter diesen Verhältnissen der ersprießlichste sei. Vieles kam zusammen, um ihn unter den vorliegenden Verhältnissen besorgt zu machen: Zuerst die ungerechte Absetzung seines Abtes, über die er schon seit zwei Jahren sich beklagte, dann der Unwille des Fürsten, wenn er ihm noch länger widerstrebte, zuletzt und hauptsächlich der Untergang des Klosters und des religiösen Lebens, den man als Folge längerer Weigerung befürchten musste. Endlich aber sprachen alle Mitglieder der Genossenschaft, die Dienstleute und die in großer Zahl gegenwärtigen Bewohner der Provinz ihm zu, er solle aufhören, sich über die Absetzung seines Abtes noch länger zu beklagen; denn dieser selbst habe ja in dem Zeitraume von zwei Jahren niemals einen Klage an die Provinzialsynode oder ein anderes Konzil gebracht. Nach den kirchlichen Gesetzen solle aber kein Geistlicher mit einer Klage ferner gehört werden, wenn er versäume, seine Sache und die ihm angetane Beleidigung innerhalb einer Jahresfrist anhängig zu machen. Durch diese Ermahnung und den einstimmigen Zuruf der Brüder ließ der fromme Mann sich erweichen, befahl sich und die Brüder der Milde des Herzogs, bat ihn inständigst, er möge für das Heil ihrer Seelen Sorge tragen, und erklärte sich nach dem Willen des Herzogs zum Nutzen der Kirche und der Brüder zu dem bereit, was er bisher aus allen Kräften hinausgeschoben und vermieden hatte. So wurde er zur höchsten Freude des Fürsten und aller Bewohner jener Provinz zum Vorsteher erwählt und am 27. Dezember in Ranshofen, wohin ihn der vorgenannte Herzog als einen genauen Freund zur Feier des Weihnachtsfestes mitgenommen hatte, von Christian, Bischof zu Passau, dem Nachfolger Pilgrims, zum Abt geweiht. Mit welcher Beharrlichkeit er nun damals für den göttlichen Dienst sich bemüht, mit welcher Einsicht auch der weltlichen Geschäfte sich angenommen habe, kann niemandes Zunge aussprechen, ja man kann nicht einmal die Einzelheiten im Gedächtnis behalten.
(...)

13. Nach Verlauf einiger Jahre beschloss die göttliche Gnade, das Licht einer so vortrefflichen Lehre weiter zu verbreiten, damit es die Nachstellungen des Teufels zunichte mache. Nachdem nämlich der Kaiser Otto III. frommen Andenkens aus diesem Leben in das ewige gewandert, und der schon oft genannte Herzog Heinrich (IV. von Bayern) nach göttlicher Vorwahl und mit Zustimmung des ganzen Reichs ihm gefolgt war, vertauschte im vierten Jahre seiner Regierung auch der Abt Bernharius von Hersfeld, ein Mann lobenswert nach der Schätzung der Welt, das zeitliche Leben mit dem ewigen.
Durch Vermittlung des Königs Heinrich wurde der Herr Godehard auf allgemeinen Wunsch sein Nachfolger, damit er die Mönche, die dort nicht nach ihrer Regel, ja nicht einmal als Kanoniker, sondern üppig und verweichlicht lebten, wieder auf den rechten Weg zurück führe und zu einem wahrhaft frommen Wandel anleite. Denn er mit den Seinigen war der Einzige, der in jener Zeit den Ordensregeln vollkommen nachlebte. Erzbischof Willigis von Mainz führte ihn ein und unterrichtete ihn vollständig von dem Lebenswandel und den Sitten der dortigen Bewohner. Bald hatte er mit dem ihm angeborenen Scharfsinn alles genügend durchschaut, und nun griff er, wie man vom heiligen Hieronymus sagt, kräftig durch. Was er vernünftig fand, ließ er bestehen, was er aber als ungeziemend und für den Namen und das Leben der Mönche nachteilig erkannte, wusste er mit dem Grabscheit geistlichen Eifers schleunigst auszurotten. Denn wie geschrieben steht, "Fangt bei dem Heiligtum an!", so ließ er gleich am Anfang den Brüdern die Wahl, sie sollten entweder seine, nämlich des heiligen Benedikts, Regel nach Wissen und Können befolgen, oder aber gehen, wohin sie wollte; die Tore ständen offen. Da jene nun einsahen, sie würden bei weiterem Verweilen Unerlaubtes sich nicht erlauben und ihre gewohnte Lebensweise nicht beibehalten dürfen, traten sie in allgemeiner Verschwörung zusammen, verließen, nicht weniger als fünfzig, das Kloster und zerstreuten sich zu ihrem Verderben hierhin und dorthin. Nur zwei oder drei blieben mit dem Abt im Kloster.
Als aber die anderen nirgendwo einen Zufluchtsort fanden, wo sie sich aufhalten konnten, kehrten einige nach einem oder zwei oder drei Monaten, andere nach einem, drei oder vier Jahren zurück, so dass der Herr Godehard vor Ablauf der sieben Jahre, während welcher er dem Kloster vorstand, und noch ehe er es verließ, alle wieder versammelt hatte, und zwar nicht durch Zwang oder Gewalt, sondern in Folge ihrer eigenen Überzeugung. Nur drei machten eine Ausnahme, und alle habe ich oft gesehen. Einer von ihnen namens Rikbert behielt das klösterliche Gewand. Durch eine Krankheit beider Füße beraubt, war er zuerst in Merseburg, später in Thüringen in dem Kloster Ordorf der Schule vorgesetzt. Ein anderer namens Amelung verließ den Mönchsstand und wurde Dekan in dem Stift zu Fritzlar. Der dritte, Hildelin, wurde von dem Erzbischof Erkanbald (von Mainz) anständig unterhalten, aber von Aribo in das Hersfelder Kloster zurück getrieben, und hatte dort von dem Abt Arnold vieles, was ich hier nicht zu beschreiben brauche, zu erdulden. Später wurde er vom Abt Rudolf wieder ausgestoßen, schweifte arm und unstet umher, und als er nirgendwo ein Unterkommen fand, kehrte er abermals unter flehentlichen Bitten zurück.
Wie viel aber der Herr Godehard dort in der Zeit von sieben Jahren für die Baulichkeiten getan habe, wie er die alten, unpassenden niederriss und dafür neue, geeignetere erbaute, kann jeder, der dort hinkommt, noch heute schauen oder vielmehr bewundern. Er vollendete auch jenseits der Fulda durch seinen Eifer ein Kloster, welches sein Vorgänger Bernharius zu Ehren des Apostelfürsten begonnen hatte, versammelte dort eine Genossenschaft von Geistlichen, gab ihnen die nötige Nahrung und Kleidung, und dieselben singen noch jetzt dort himmlische Lobgesänge. Auch auf den verschiedenen Höfen der Abtei errichtete er mehrere Gotteshäuser und andere schöne Gebäude und erhob so in kurzer Zeit durch seine Weisheit und Sorgfalt das Kloster zur höchsten Stufe der Freiheit und Ehre.

(Übersetzung: Hermann Hüffer)

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