19. Schnell erhielt Boleslaw (Chrobry) an seinem damaligen Aufenthaltsort diese Nachricht durch Eilboten. Gern wäre er hingeeilt, aber er wagte es nicht, dort seinen Gegnern den Zugang freizugeben. Wohin sich auch die Unsrigen mit ihren Booten wandten, überallhin folgte er ihnen mit den Seinen auf fliegenden Rossen. Schließlich setzten die Unsrigen plötzlich Segel und fuhren einen ganzen Tag lang; da ihnen die Feinde nun nicht mehr nachkommen konnten, erreichten sie ohne Gefahr das begehrte Ufer und steckten die nächsten Orte in Brand. Als das der Herzog aus der Ferne gewahr wurde, floh er wie gewöhnlich und gab wider Willen den Unsrigen Mut und Gelegenheit, Schaden anzurichten. Da aber Herzog Bernhard (II. von Sachsen) mit den Seinen dem Kaiser nicht hatte zu Hilfe kommen können, wie es zuvor angeordnet worden war, ließ er ihm heimlich durch zu Fuß entsandte Boten den Ausgang des Unternehmens und den Grund seiner Eigenmächtigkeit melden, heerte in der Umgebung und kehrte dann heim. Auch Ulrich, der mit den Bayern zum Caesar stoßen sollte, gab aus vielerlei Gründen auf. Aber wenn sie sich auch dem Kaiser nicht anschlossen, so leisteten sie doch durch ihre Nähe treuliche Dienste. Ulrich (von Böhmen) griff nämlich die große Burg Biesnitz an, nahm in ihr außer Frauen und Kindern nicht weniger als 1000 Mann gefangen, steckte sie in Brand und kehrte siegreich um. Markgraf Heinrich von der Ostmark (Österreich) aber setzte auf die Kunde, Boleslaws Truppen hätten in der Nähe Beute gemacht, sofort mit seinen Bayern hinterher, tötete trotz tapferer Gegenwehr 800 von ihnen und nahm ihnen alle Beute ab.
Währenddessen verstarb in Christus am 5. August Propst Reding zu Magdeburg. Am 19. des gleichen Monats verstarb die ehrwürdige Gräfin Eila und wurde in dem von ihr selbst erbauten Kloster durch Bischof Eberhard (von Bamberg) der Gruft übergeben.
20. Doch bevor der Caesar all diese Kunde erhielt, behauptete er sich bei seiner geringen Truppenzahl zwar sehr vorsichtig, aber dennoch machvoll im Polenlande, solange er wollte. Dann wandte er sich zurück in den Gau Diadesi und ließ leider an einem sehr beengten Platze Lager schlagen, wo nur ein Imker wohnte, der damals dort den Tod fand. Als Boleslaw (Chrobry) hörte, der Kaiser wolle das Land auf einem anderen Wege verlassen, als auf dem er gekommen war, sicherte er es an der Oder, so gut er konnte. Kaum erfuhr er von seinem bereits erfolgten Abmarsch, da sandte er einen großen Haufen Fußvolk an den Ort unseres Heerlagers voraus mit der Weisung, sie sollten den Versuch wagen, wenigstens einen Teil davon zu vernichten, falls sich eine Gelegenheit böte. Außerdem schickte er seinen Abt Tuni mit angeblichen Friedensvorschlägen an den Caesar, der ihn freilich sofort als Kundschafter erkannte und solange festhielt, bis fast das ganze Heer auf den in der vergangenen Nacht errichteten Knüppeldämmen den vor ihm liegenden Sumpf überschritten hatte.
21. Dann erst durfte der listige Fuchs im Mönchsgewande darum schätzte ihn sein Herr! zurückkehren. Während er selbst vorausritt, vertraute der Kaiser Erzbischof Gero (von Magdeburg), dem erlauchten Markgrafen Gero (II.) und Pfalzgraf Burkhard (von Sachsen) die übrigen an mit der Mahnung, noch sorgfältiger als gewöhnlich Ausschau zu halten. Nachher begannen wirklich die in einem nahen Walde verborgenen Feinde heftig zu lärmen, brüllten dreimal, griffen gleich darauf unser Heer an, und zwischen ihnen liefen auch Bogenschützen mit. Beim ersten und zweiten Ansturm fanden sie tapferen Widerstand; viele von den Umherschwärmenden wurden getötet. Als aber einige der Unsrigen flohen, fassten die Feinde neuen Mut, rotteten sich wieder zusammen, zersprengten unsere Leute durch neuen Angriff und streckten sie einzeln durch unvermutete Pfeilschüsse nieder. Erzbischof Gero und der verwundete Graf Burkhard konnten noch entkommen und dem Caesar das Geschehene melden. Der junge Liudolf geriet mit einigen wenigen in Gefangenschaft; die Grafen Gero (=Markgraf Gero II.) und Folkmar sowie 200 der trefflichsten Ritter wurden erschlagen und ausgeplündert; möge der allmächtige Gott barmherzig ihre Namen und Seelen anschauen! Uns aber, durch deren Schuld sie damals umkamen, möge er um Christi willen vergeben und in seiner Milde darüber wachen, dass wir so etwas nicht noch einmal erdulden müssen.
22. Als der Kaiser die Trauerkunde erhielt, wollte er umkehren, um die Leichen der Erschlagenen zu bergen; er ließ sich dann aber durch vielfache Warnungen zurückhalten und verzichtete darauf, wenn auch sehr ungern. Nur den Bischof Eid (von Meißen) sandte er zurück, um mit Erlaubnis des unseligen Herzogs ihnen ein Begräbnis zu verschaffen und um Herausgabe der Leiche des Markgrafen Gero (II.) zu bitten. Der hochwürdigste Vater ging bereitwillig auf den Wunsch des Caesars ein und kehrte in eiligem Ritt um. Als er die klägliche Niederlage erblickte, kamen ihm vor Jammer die Tränen; voller Kummer betete er für sie. Als die noch immer mit Plündern beschäftigten Sieger sein Nahen bemerkten, verschwanden sie zunächst voller Furcht, hinter ihm kämen mehr; doch wie er sich näherte, grüßten sie ihn und ließen ihn ohne irgendwelche Kränkung weiterziehen. Boleslaw (Chrobry) erfüllte seinen Wunsch voller Befriedigung über unser Verderben; er kehrte also unverzüglich um und bestattete die toten Gefährten mühselig mit Hilfe der Feinde. Die Leiche des Markgrafen und seines Gefährten Widred ließ er nach Meißen bringen. Dort nahm sie der trauernde Graf Hermann in Empfang und geleitete sie mit seinen Brüdern Gunther und Ekkehard (II.) nach Nienburg; hier hatten Erzbischof Gero von Köln (969-976) und sein Bruder, Markgraf Thietmar (von Meißen), Hermanns Stiefvater und Vater des erschlagenen Grafen, zu Ehren der Gottesmutter und des hl. Märtyrers Cyprian unter Otto II. eine Abtei errichtet. Erzbischof Gero übergab beide der Erde und spendete Frau Adelheid, dem Sohn Thietmar und den trauernden Freunden und Vasallen Trost.
23. Inzwischen wandte sich der Kaiser nach der Burg Strehla. Da er von der Verfolgung durch Mieszko (II.) und seine Truppen wusste, erhielt Markgraf Hermann Befehl, eilends die Verteidigung der Burg Meißen zu übernehmen. Er selbst aber begab sich geradenwegs nach Merseburg. Nun setzte der von seinem ruchlosen Vater (Boleslaw Chrobry) instruierte Mieszko am 13. September bei Morgengrauen nahe der Burg Meißen mit 7 Heerhaufen über die Elbe; hatte er doch gemerkt, dass die Unsrigen auseinandergegangen, abgezogen waren und keine Bedeckung zurückgelassen hatten; einige ließ er in der Umgegend heeren, andere die Burg belagern. Als das die Withasen sahen, verloren sie den Glauben an eine erfolgreiche Verteidigung und zogen sich unter Preisgabe fast aller ihrer Habe in den Schutz der Oberburg zurück. Voller Freude darüber drangen die Feinde in die verlassene Unterburg ein, steckten sie nach dem Abtransport der Beute in Brand und griffen unermüdlich die darüber liegende Burg an, die gleichfalls an zwei Stellen Feuer gefangen hatte. Da warf sich Graf Hermann beim Anblick seiner wenigen, schon ermatteten Helfer nieder und erflehte Christi Erbarmen und seines ruhmreichen Märtyrers Donat hl. Fürsprache; dann rief er auch die Frauen zur Hilfe auf, sie eilten in die Verteidigungswerke, trugen den Männern Steine zu, löschten den angelegten Brand aus Wassermangel mit Met und dämpften dadurch, Gott sei Dank, des Feindes Wagemut. Mieszko sah dem allem von einem nahen Hügel aus zu und wartete auf das Eintreffen seiner Gefährten. Die hatten verwüstend alles Brennbare bis an den Fluss Jahna niedergebrannt und kehrten spät abends auf müden Pferden zurück; nun hätten sie wohl dort mit ihrem Herrn die Nacht zugebracht, um die Burg am folgenden Tage zu stürmen, hätten sie nicht die Elbe steigen sehen. Aus diesem Grunde zog das sehr erschöpfte Heer wider Erwarten unbehelligt ab, und das glückliche Gelingen erleichterte das Herz seines besorgten Führers. Der Kaiser aber hatte kaum davon erfahren, da schickte er schleunigst seinem Markgrafen alle zu Hilfe, die er damals aufbieten konnte, und ließ kurz danach die Unterburg erneuern. Zur Hilfe und zur Sicherung dieser Arbeiten trafen am 8. Oktober Erzbischof Gero (von Magdeburg) und Bischof Arnulf (von Halberstadt) mit den Grafen und vielen anderen ein. Unter ihnen war als geringster von allen auch ich. Innerhalb von 14 Tagen war alles fertiggestellt; dann konnten wir wieder abziehen und überließen für 4 Wochen die Burg dem Grafen Friedrich.
24. Ich gab Erzbischof Gero (von Magdeburg) das Geleit nach Mockrehna. Da erinnerte ich ihn an seine freundlichen Versprechungen und erhielt von ihm mit seinem Stabe, den ich heute noch führe, die Pfarrherrlichkeit über die vier Burgen Schkeuditz, Taucha, Püchen, Wurzen und das Dorf Raßnitz; über die fünf anderen, nämlich Eilenburg, Pouch, Düben, Löbnitz und Zöckeritz verschob er die Entscheidung und erklärte, sie später zurückgeben zu wollen; das geschah am 25. Oktober vor folgenden Zeugen: Heribald, Hepo, Ibo, Cristin und Siegbert. Noch am gleichen Tage reisten wir nach der Burg Zörbig, wo ich die versammelten Vasallen des Erzbischofs davon unterrichtete, wie gnädig ihr Herr an mir gehandelt habe. Hier erfuhren wir von der Erkrankung der ehrwürdigen Friderun, deren Gäste wir waren. Sie schied leider am folgenden Tage, dem 27. Oktober, aus dieser irdischen Hülle. Dann begab sich der Erzbischof nach Magdeburg, wo er das Fest Allerheiligen feierte; ich tat es in Walbeck. Währenddessen hatte Arduin, der nur dem Titel nach König war, die Stadt Vercelli verloren, die er seit der Vertreibung des Bischofs Leo lange rechtswidrig in Besitz behalten hatte; er begann jetzt zu kränkeln, ließ sich den Bart rasieren, wurde Mönch und verstarb am 30. Oktober; er ist im Kloster begraben. Der Kaiser aber begab sich in den Westen und ordnete dort alle schwebenden Fragen.
25. Dann erkrankte der wackere Bischof Eid (von Meißen), der eben mit großen Geschenken aus Polen zurückgekehrt war, und gab am 20. Dezember in der Burg Leipzig Christus seine treue Seele zurück. Eilends kam Bischof Hildeward von Zeitz, den man zu seiner Bestattung herbeigerufen hatte, und fand schon beim Eintreten das Sterbehaus des heiligen Mannes von lieblichstem Duft erfüllt. Er geleitete den Leib nach Meißen und bestattete ihn am Altare mit Hilfe des Grafen Wilhelm, der an der Reihe war, die Burg zu bewachen. Da ich nun oben versprochen habe, im Folgenden über sein Leben zu sprechen, will ich ein wenig von seinen großen Leistungen sagen. Er stammte aus edlem Geschlecht, war reich begütert, hielt das aber in seiner geistlichen Armut für nichtig. Vor seiner Weihe hatte er mit den anderen Mitbrüdern in Magdeburg nach der Regel ein sehr lobenswertes Leben geführt. Auch als später seine geistliche Herde wuchs und er höher stieg, suchte er nach Möglichkeit ein apostelgleiches Leben zu führen. Hemd und Hose trug er nur, wenn er die Messe sang. Auch hierauf verzichtete er oft, weil er sich für unwürdig hierzu hielt. Viele wunderten sich, wie er immer wieder die Winterkälte ertrug. Oft konnte er, während die Seinen an der Wiederbelebung fast verzweifelten, nur mühsam in der Wärmstube wieder zu sich gebracht werden. Auch mit Fasten setzte er seinem Körper sehr stark zu, und häufiger als billig nahm er es auf sich, barfuss zu gehen. Wenn er merkte, dass ihm und seinen Gefährten auf weiten Reisen die Lebensmittel ausgegangen waren, oder wenn ihm sonst etwas Unangenehmes zustieß, sagte er Gott Dank und ließ alle das Gleiche tun. Durch Taufen, unablässiges Predigen und Firmen nützte er nicht nur seiner Kirche, sondern auch vielen anderen. Dadurch, dass er sich vorenthielt, wovon er selbst mit den Seinen hätte leben sollen, erwarb er seiner Kirche fast 200 Hufen. Salböl und Priester weihte er selten, Häuser des Herrn dagegen gern, und zwar häufig ohne Messe. Seine Augen waren vom ständigen Vergießen vieler Tränen schon trübe geworden. Uns Altersgenossen missfiel sein Wandel wegen unserer Verfehlungen, wie ihm der unsere. Mehr als 23 Jahre verbrachte er mit unsäglicher Arbeit; sein Ende aber sagte er voraus und bat dringend, ihn niemals in Meißen zu bestatten. Denn aus Furcht vor künftiger Verwüstung hatte er sich immer gewünscht, eines Grabes in Colditz würdig zu werden, wo der Leib von Christi Märtyrer Magnus ruht. In der Erwartung, der ihm von Gott anvertraute Platz werde durch seine Fürbitte Hilfe finden, ließ ihn Graf Hermann jedoch, wie gesagt, dorthin überführen.
26. Am Tage vor dem Geburtsfest des Herrn starb in seiner Pfalz Koblenz Meingaud (24. Dezember 1015), der Erzbischof der Stadt Trier. 8 Jahre und 7 Monate hatte er sein Amt innegehabt. Seine Leiche wurde von dort an seinen Amtssitz gebracht und ehrenvoll bei seinen Vorgängern beigesetzt. Der Kaiser war durch die Nachricht vom Verlust so vieler Priester bestürzt und beriet sich mit seinen Vertrauten über die Neubesetzung der freigewordenen Stellen. Das Geburtsfest des Herrn beging er in Festesfreude zu Paderborn. Danach setzte er zum Leiter der Stadt Trier Poppo, einen Sohn des Markgrafen Leopold, den damaligen Propst der Bamberger Kirche. Nun sollte er auf Befehl des Caesars und im Einverständnis mit dem Bischof (Heimo) von Verdun, der als erster seiner Mitbrüder dazu an der Reihe war, von Erzbischof Erkanbald von Mainz geweiht werden; vergebens suchte es Bischof Dietrich von Metz dadurch zu verhindern, dass er immer wieder durch Beschwerden und demütiges Ansuchen darauf hinwies, diese Weihe stehe ihm mit größerem Recht zu. Der Kaiser hörte nicht auf ihn, wenn er seine Urkunden vorwies und die Handlung unter Bannandrohung untersagte, sondern ordnete vielmehr an, die Salbung vorzunehmen. An die Stelle von Bischof Eid (von Meißen) setzte der Caesar in diesen Tagen des Markgrafen Thietmar Kapellan Eilward auf Empfehlung von dessen Bruder Hermann; am Sonntags vor dem Palmenfest erhielt er durch Erzbischof Gero (von Magdeburg) unter meiner Assistenz in Merseburg die Weihe.
27. Das nächste Palmenfest (25. Juni 1016) beging der Kaiser bei dem hochwürdigsten Bischof Heinrich von der Würzburger Kirche, dann zog er am Mittwoch nach Bamberg, wo er das letzte Mahl des Herrn, sein Leiden und den Osterjubel ehrfurchtsvoll feierte.
Nun konnte sein Oheim, der Burgunderkönig Rudolf, der Ladung dorthin nicht Folge leisten und bat daher seinen lieben Neffen, ihm entgegenzukommen. Ihre Begegnung fand in der Stadt Straßburg statt, und die milde Freundlichkeit gegenseitiger Zuneigung erstrahlte für beider Gefolge. Auch König Rudolfs erlauchte Gemahlin (Irmingard) war dort zugegen; zur Festigung ihres Bundes stellte sie ihre beiden Söhne, die Stiefsöhne ihres Gemahls, unter den Schutz des Caesars. Er aber gab seinen geliebten Vasallen all das zu Lehen, was ihm der Oheim gerade eingeräumt und was bisher Wilhelm von Poitou durch königliche Huld innegehabt hatte.
28. Durch sie (= die Stiefsohne König Rudolfs von Burgund) wollte sich der Kaiser nämlich in kluger Absicht alles das fester unterordnen, was ihm durch den König (Rudolf III. von Burgund) schon lange zuvor eidlich für den Fall seines Todes zugesichert war. Hatte er doch von seinem Oheim die Huldigung aller Großen des burgundischen Gebiets erhalten und feste Zusicherungen, dass wichtige Fragen nicht ohne seinen Rat entschieden werden sollten. Die Bischofswürde über diese Gebiet hatte einem Manne von Adel verliehen, der später gerade noch mit heiler Haut davonkommen sollte. Denn als Wilhelm, der mächtigste Mann dieser Gegend, von alledem hörte, ließ er ihn verfolgen und zuletzt den einsamen Flüchtling mit Hunden aufspüren. Als der bereits erschöpfte Bischof ihr Bellen vernahm, bezeichnete er seine Spur mit dem Zeichen des hl. Kreuzes das war sein letzter Schutz und legte sich wie tot als preisgegebene Beute nieder. Doch siehe! Nur von ferne berochen die reißenden Hunde die bezeichnete Stelle, kehrten wie von einem gewaltigen Wirbelwind gewendet um, und der wahrhaftige Diener Gottes vermochte auf geheimen Waldpfaden Freundesland zu erreichen.
29. Der Caesar schenkte dem König (Rudolf III. von Burgund), seiner Gemahlin und allen ihren Großen eine gewaltige Summe Geldes und gewährte ihnen nach erneuter Bestätigung der alten Übertragung Urlaub; er selbst zog mit Heeresaufgebot nach der Stadt Basel. Als er dort hörte, Wilhelm werde ihm in festen Burgen Widerstand leisten und ihm den Zugang verwehren, stimmte ihn die geringe Zahl seiner Begleitung bedenklich; er zog also von allen Seiten befreundete Truppen heran und heerte dann weithin mit Feuer und Brand gefahrlos in den Landschaften, die sich ihm zu widersetzen wagten. Da ihm jedoch klar war, er werde keine der Burgen erobern können, kehrte er unbefriedigt heim; hatte er doch weder dort noch im Osten seinen Feinden nachhaltigen Schaden zugefügt. Währenddessen weilte die Kaiserin (Kunigunde) bei uns im Lande und arbeitete mit unseren Fürsten an der Landesverteidigung. Unser Feind Boleslaw (Chrobry) hatte indessen unser Gebiet nicht heimgesucht, befestigte vielmehr sein eigenes und war sehr zufrieden und überheblich, als er vom Ausgange der kaiserlichen Unternehmung erfuhr. Viele Sachkundige versicherten überzeugend: Wäre der Kaiser damals mit seinen Scharen gegen ihn gezogen, so hätte er sich Ansehen und alle unsere ihm untertänigen Länder wiedergewinnen und ihn allein durch Gewährung des Friedens zur Unterordnung bereit und willig finden können.
30. Doch nun wollte der bequeme und weichliche Burgunderkönig (Rudolf III.) die Güterverleihungen hintertreiben, die er seinem Neffen zugesagt hatte, und zwar auf Veranlassung von Leuten, die den Zügel der Gerechtigkeit lockern und freien Lauf haben wollten wie das unselige Kalb. Später wollte er dann wieder bei seiner Absicht bleiben, doch jetzt konnte er es nicht mehr, weil sie schürten und schlimmsten Widerstand leisteten. Soviel ich gehört habe, gibt es keinen ihm ähnlichen Herrscher: Er besitzt nur Titel und Krone; Bistümer verleiht er denen, die von den Fürsten dort gewünscht werden. Daher gehorchen sie mit gebundenen Händen jedem Großen wie ihrem König; nur so haben sie Ruhe. Nur deshalb herrscht über sie ein solcher König, damit um so ungestörter das Wüten der Bösewichter weitergehen kann und damit kein neuer König eine andere Verfassung schaffe, die eingewurzelte Gewohnheiten brechen könnte. Graf Wilhelm, von dem ich sprach, ist dem Namen nach Vasall des Königs, tatsächlich aber Herr. Auch gibt es dort im Lande keinen Grafen, der nicht die Stellung eines Herzogs hat. Und damit die Macht des Königs im Lande nicht etwas weniger beeinträchtigt werde, kämpft man, wie gesagt, mit Rat und Tat gegen die Majestät des Kaisers.
31. Im Sommer zuvor hatte Bernhar, der fromme Vater und Bischof der hl. Kirche von Verden, alle seine Schuldner freundlich zu sich geladen, denn er fühlte sein Lebensende nahen; er erinnerte sie an ihre menschlichen Verfehlungen gegen Gott und die ihm anvertraute Kirche und verzieh barmherzig allen, die sich schuldig bekannten. Allen aber, die behaupteten, sich keiner Schuld gegen ihn bewusst zu sein, redete er folgendermaßen zu: "Liebe Kinder, bitte verhaltet euch nicht so! Weder ich noch mein Nachfolger wollen euch irgendwie täuschen; ich will jetzt nur, dass ihr von all diesen Dingen freikommt, damit ich in aufrichtigem Frieden von euch scheiden kann." Er hatte sein Kirchengut um 300 rechtmäßig erworbene Hufen vergrößert und liebte seinen Kaiser und alle gläubigen Christen von Herzen; am meisten jedoch sorgte er wie der höchste Hirte für seine Untertanen. Der hochwürdigste Herr hatte seinen Stuhl 24 Jahre lang inne und begann mit dem Bau eines steinernen Turmes an der Kirche zu Verden, obwohl es in diesem Lande kaum Steine gibt. Dann wurde dieser Lichtquell am 25. Juli unseren Augen entrückt. Als der Kaiser davon erfuhr, beweinte er den Tod eines solchen Herrn wie der Sohn das Verscheiden des Vaters. An seine Stelle setzte er am 24. August den lange widerstrebenden Wigger, den damals von Erzbischof Heribert (von Köln) abgesetzten früheren Propst der Kölner Kirche, ließ ihn durch Erzbischof Erkanbald (von Mainz) weihen und sandte ihn hochgeehrt an seinen neuen Amtssitz.
Zu vermerken und zu berichten ist ferner nicht ohne schwere Beklemmung, dass Kloster Memleben seine seit alters bestätigte Freiheit mit Untertänigkeit vertauschen musste. Es wurde nämlich sein Abt Reginold abgesetzt, die Brüder weithin zerstreut und das Kloster der Hersfelder Kirche und ihrem damaligen Abt Arnold unterstellt.
32. In einem schwäbischen Gau in der Grafschaft des Grafen Bezelin geschah ein gar schreckliches Wunder. Hingerafft durch plötzlichen Tod war eine verheiratete Frau verstorben. Ihre Leiche wurde gewaschen, ordentlich besorgt und dann vom Trauergefolge in die Kirche überführt. Hier richtete sie sich plötzlich von der Bahre empor, so dass alle Anwesenden fortliefen; sie aber rief ihren Mann und ihre übrigen Angehörigen herbei, trug ihnen ein ganz besonderes Anliegen auf und tröstete sie mit sanften Worten. Dann erst fand sie Ruhe und Frieden. Mein Bericht ist merkwürdig, aber ich erkenne darin nur ein Werk unseres wunderbaren Gottes. Damit niemand an der Wahrheit dieses Vorfalls zweifeln kann, will ich einen unanfechtbaren Zeugen dafür nennen: Der Graf hat es dem Kaiser als Tatsache berichtet, und der selbst hat es mir in Anwesenheit vieler Mitbrüder erzählt. Es kommt wohl oft vor, dass der böse Feind dem Menschen in der Gestalt von Toten erscheint und versucht, ihn auf die verschiedenste Art zu berücken. Alle Toren meinen, hier sei es auch so gewesen. Doch ich verkündige allen Gläubigen die Wahrheit, dass der entseelte Leib nach der Rückgabe seiner Seele und nach sorgsam erfüllter Christenpflicht der Bestattung sich niemals mehr vor der unbezweifelbaren künftigen Auferstehung allen Fleisches erheben kann, es sei denn um gerechter Verdienste willen aus besonderem Anlass. Das aber geschieht nur dann, wenn sie die Welt durch ihren glorreichen Wandel zum Blühen gebracht haben. Ich glaube, diese Frau war viel wert, da ihr, nachdem sie schon den Tod geschmeckt hatte, ein berechtigter Wunsch erfüllt wurde; dann aber durfte sie von neuem ohne Klage in den Schlaf des Friedens zurücksinken.
33. Selig ist, wer ein gutes Werk ununterbrochen zu vollenden sucht und nicht durch langwieriges Zögern immer wieder hinausschiebt. Andererseits muss der als elend bezeichnet werden, der rechtschaffene Werke zu verachten oder aufzuschieben sucht, um ihre Vollendung zu verhindern. In beidem habe ich mich oft schuldig gemacht, will jetzt aber nur zwei Vorfälle anführen, deretwegen ich mir schwere Vorwürfe mache. Nach der Verordnung in Dortmund erkrankte Richer, ein Priester der Magdeburger Kirche und mein geistlicher Bruder. Ich war nicht da, konnte ihn also nicht besuchen. Doch als ich am Tage vor dem Ende dieses gerechten Mannes eintraf, suchte ich ihn auch nicht auf, sondern verschob es auf den folgenden Tag, und so musste er ohne meinen Beistand sterben. Unsere Mitbrüder trugen seine Leiche in die Kirche, und ich ließ meinen Vikar Totenwache halten, weil ich das Nachtwachen nicht vertrug. Da erschien er nur nicht lange nach seiner Beisetzung im Traume und sprach: "Warum hast du mich nicht besucht, warum nicht die Sterbepsalmen gesungen, warum die in Dortmund gestiftete Seelenfeier nicht gehalten?" Auf meine Entschuldigung entgegnete er: "Es war eine schlimme Unterlassung!" Darauf fragte ich ihn, wie es ihm gehe, und er erwiderte: "An einem Samstag bin ich entschlafen, an einem anderen eingegangen zur Freude süßer Ruhe." Als ich nun forschte, wie es um meinen Vater und meine Mutter stünde, berichtete er: "Gut", und fügte hinzu: "Deine Mutter lässt dir durch mich anzeigen, du wirst ihr an einem Montag oder Donnerstag folgen." Da wachte ich stöhnend auf im festen Bewusstsein, dass eine freundliche Unterweisung durch die Gerechten heilig und heilsam ist, wenn man sie befolgt. Andernfalls birgt sie schwere Gefahr. Wenn ich hier nun auch nur mich allein anklage, so fürchte ich doch, dass die meisten Menschen in solchem und dem folgenden Falle ihrer Pflicht nicht genügen. Je mehr wir die Weisungen Höherstehender missachten, um so größer ist unsere Schuld, wenn wir Rechenschaft ablegen müssen.
34. Ich habe mich eines weiteren Vergehens schuldig gemacht, und ich bereue von Herzen, es jemals begangen zu haben. Propst Reding vom Magdeburger Kapitel hatte mich in der Fastenzeit vor seinem Ende bei meiner Ankunft freundlich empfangen und um eine Unterredung unter vier Augen gebeten; es kamen ihm gleich die Tränen, als er begann: "Ich fürchte sehr, eines plötzlichen Todes zu sterben, und will euch seine Vorzeichen nennen. Einmal in der Burg Arneburg und zweimal hier merkte ich plötzlich, dass ich nicht mehr sehen und hören konnte, kam aber mit Christi schneller Hilfe darüber weg. Seit dieser Zeit bin ich sehr unruhig und habe den meines Erachtens dazu passenden Mitbrüdern die Unrechtswunde an mir gewiesen. Nun kenne ich euch als immer treuen Freund und bitte euch in Demut zum Zeugen für meine Beichte; denn ich glaube, ich werde nicht mehr lange leben." Ergeben nahm ich diesen Wunsch entgegen und gelobte, ihn voll erfüllen zu wollen. Später erinnerte er mich noch einmal daran, aber weil es damals zeitlich nicht passte, konnte ich ihm sein lobenswertes Verlangen nicht erfüllen. Zwar riecht mein eigenes, sündiges Gewissen ständig so übel, dass ich nur ungern die Wunden eines Bekehrten betrachte und die Hoffnung aufgeben muss, sie heilen zu können, doch die Last dieses Mitbruders hätte ich gern auf mich genommen, wenn ich für uns eine passende Gelegenheit gefunden hätte, dem zu entsprechen.
35. Am folgenden Karfreitage wurde Priester Rotmann, ein Propst Erzbischof Geros (von Magdeburg), in der Nacht unversehens vom Tode hingerafft; man fand ihn tot auf seinem Bette. Jeder, der es erfuhr, wunderte sich und erschrak sehr darüber. Doch er hatte am Vortage Dank sei Gott! mit anderen zusammen unter vielen Reuetränen gebeichtet. Am hl. Samstag traf ich ein und beging das hl. Fest feierlich mit meinem Erzbischofe. Reding, ein kluger und sehr vorsorglicher Mann, teilte hier gerade sein Vermögen unter seinen Bruder und seine liebe Schwester. "Nehmt das für euch", sagte er, "damit ihr an dieser Liebe erkennt, wie ich an euch gehangen habe, wenn ihr meinen sterblichen Leib bald verlieren solltet!" Am Geburtsfest St. Johannes des Täufers hielt ich mich bei meinem Bruder, Abt Siegfried (Abt von Berge), auf; als ich mich hier zum letzten Male von dem oft genannten Propst verabschiedete, erbot ich mich leider wieder nicht, ihm die Absolution zu erteilen, und merkte überhaupt nicht, dass er meine Dienste verlangte. Und als ich, wie gesagt, später von seinem Tode erfuhr, da bekümmerte mich zu spät, was ich früher zu beachten versäumt hatte. 3 Jahre und 6 Wochen war er seinen Mitbrüdern als ein frommer, weiser und besonders getreuer Mann Vorgesetzter gewesen; man begrub ihn im südlichen Säulengange neben der Domkirche. Ihm folgte im nächsten Jahre am Feste der Apostel Petrus und Paulus der hochwürdigste Vater Geddo, der frühere Schulleiter und damalige Vermögensverwalter der Kirche. Am Tage davor starb der Klausner Esiko, der aus Liebe zu Christus an vielen Orten umhergezogen war.
36. Manchmal, wenn auch selten, packt mich der Eifer für das Haus des Herrn, das in Christus unsere geistliche Mutter ist. Er hat mich veranlasst, meinem vorliegenden Werke das eben Gesagte einzufügen.
Die Angeln, die nach ihrem engelschönen Aussehen heißen oder weil sie in einem Winkel dieser Erde leben, sollen so habe ich es oft gehört durch Sven Haraldsohn, den wilden Dänenkönig, unsägliches Unheil erlitten haben und zur Zahlung eines ihnen von diesen unreinen Hunden auferlegten Tributes gebracht worden sein, obwohl sie doch früher dem Apostelfürsten Petrus zinspflichtig waren und geistliche Söhne ihres hl. Vaters Gregor; auch hätten sie den größten Teil ihres Reiches, nachdem seine Bewohner gefangen oder erschlagen waren, dem Feinde zum festen Wohnsitz überlassen müssen. Der Herr hat es zugelassen und als Strafe für die Schuld mancher Ungläubiger diese Feinde dazu veranlasst; deshalb hat der Verfolger, der nicht einmal die Seinen zu schonen verstand, so sehr gehaust. Kein Herrscher, sondern ein Verderber war dieser Mann nämlich, der nach dem Tode seines Vaters in die Gefangenschaft aufständischer Normannen geraten und von dem ihm damals ergebenen Volke durch eine gewaltige Geldsumme freigekauft worden war; als er dann erfuhr, heimlich nenne ihn deshalb das Gerede der Schlimmsten einen Knecht, da wollte er es nicht auf sich sitzen lassen; aber was er erfolgreich an wenigen hätte strafen können, dass gedachte er durch Schädigung aller zu sühnen; hätte er es bedenken wollen: Sich selbst musste er so doch am meisten schaden! Dadurch, dass er auswärtigen Feinden seine eigene Herrschaft überließ, tauschte er nämlich unstetes Irren gegen Beständigkeit, Krieg gegen Frieden, Elend gegen Königsmacht, den Teufel gegen den Herrn des Himmels und der Erde ein. Alles bewohnte Land verheerte er und rühmte sich leider oft, er sei für die Seinen kein erkaufter und geneigter Herr, sondern vermöge nach eigenem Gutdünken auch als Feind weithin zu herrschen.
(Übersetzung: Werner Trillmich)