Beschluss des Vierten Laterankonzils über die Einschränkung der Ehehindernisse

50. Einschränkung der Ehehindernisse
Man darf es nicht für tadelnswert halten, wenn sich mit dem Wandel der Zeiten bisweilen auch die menschlichen Anordnungen ändern, zumal wenn ein dringender Umstand oder ein offenkundiger Vorteil es erfordert. Sogar Gott hat ja manches von dem, was er im Alten Testament angeordnet hatte, im Neuen (Testament) geändert. Nun bringt das strenge Verbot von Ehen im zweiten und dritten Grad der Verschwägerung sowie für Kinder aus zweiter Ehe mit der Verwandtschaft des ersten Mannes häufig Schwierigkeiten mit sich und verursacht bisweilen Gefahren für die Seelen. Auf dass mit dem Verbot auch die Wirkung dahinfalle, widerrufen wir daher mit Billigung des heiligen Konzils die diesbezüglichen Bestimmungen und entscheiden mit der vorliegenden Konstitution, dass alle, die in Zukunft eine solche Ehe eingehen wollen, in Freiheit heiraten können. In Zukunft gehe das Eheverbot auch nicht über den vierten Grad der Verwandtschaft und Verschwägerung hinaus, da sich über diesen Grad hinaus ein solches Verbot ohne schweren Schaden allgemein nicht mehr einhalten lässt. Tatsächlich passt die Zahl "Vier" gut zum Verbot der leiblichen Verbindung, über die der Apostel sagt: "Der Mann hat keine Gewalt über seinen Leib, sondern die Frau, und auch die Frau hat keine Gewalt über ihren Leib, sondern der Mann" (1 Kor 7,4); denn vier Säfte sind im Körper, der aus vier Elementen besteht. Da nun also schon das Verbot ehelicher Gemeinschaft auf den vierten Grad eingegrenzt ist, ist es nach unserem Willen ­ trotz der hierüber bislang von anderen oder von uns erlassenen Bestimmungen ­ so dauerhaft, dass alle, die gegen dieses Verbot eine Ehe einzugehen wagen, sich keineswegs durch die Länge der Jahre verteidigen können; denn die Länge der Zeit mindert die Sünde nicht, sondern mehrt sie, und Vergehen sind umso schwerer, je länger sie die unglückliche Seele in sich verstrickt halten.
(Übersetzung: Josef Wohlmuth, leicht überarbeitet von Eike Schmidt)

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