Die Gründungsgeschichte der Hildesheimer Kirche wurde ungefähr um 1080 von einem unbekannten Autor verfasst. Es war die Zeit des sogenannten Investiturstreits, in dem König Heinrich IV. mit dem Papst um eine Vormachtstellung rang. Parallel zu dieser Auseinandersetzung sah Heinrich IV. sich Oppositionsbewegungen in Süddeutschland und Sachsen gegenüber. Der Streitigkeiten wurden in mehreren Phasen mit Waffengewalt ausgetragen. Von sächsischer Seite wurde die Bewegung von Graf Otto von Northeim, dem Heinrich IV. das Herzogtum Bayern aberkannt hatte, und Bischof Burchard von Halberstadt geführt. Damit befand sich das Hildesheimer Bistum in besonders bedrängter Lage, weil es am Rande des sächsischen Gebietes lag, von dem aus der Aufstand geführt wurde. In dieser Situation kam es zu einer verstärkten literarischen Produktion, die wohl der Hildesheimer Selbstvergewisserung dienen sollte.
Die Fundatio ecclesiae Hildesheimensis berichtet von den Anfängen des Bistums (815) bis zu Bischof Hezilo (1054-1079). Der ausgewählte Abschnitt berichtet über die Bischöfe Bernward und Godehard. Unter dem Pontifikat Bernwards und Godehards seien Strenge, Gottesfurcht, Armut und Demut unter der Hildesheimer Geistlichkeit durchgesetzt worden (der hier am Rande erwähnte Nachfolger Thietmar kann nicht mehr gemeint sein, da eindeutig ein Bezug zu Heinrich II. hergestellt wird, Thietmar aber erst lange Zeit später Bischof wurde). Dieser Zustand habe Heinrich II. so imponiert, dass er, der von seinen Eltern ursprünglich zum Kanoniker in Hildesheim bestimmt worden sei, diese klösterliche Strenge auch für die Domkanoniker seiner Neugründung Bamberg einführen wollte.
Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich freilich kaum überprüfen. Tatsache ist, dass Heinrich II. in der Hildesheimer Domschule ausgebildet wurde und Zeit seines Lebens ein gutes Verhältnis zu dieser Kirche pflegte. Zwar hatte sich Bischof Bernward 1002 zunächst für dessen Konkurrenten Markgraf Ekkehard I. von Meißen ausgesprochen, sich dann jedoch alle Mühe gegeben, die Gunst König Heinrichs zu gewinnen. Seine Anstrengungen schlugen sich in der vorläufig erfolgreichen Beilegung des Gandersheimer Streites nieder, den Heinrich II. zugunsten der Hildesheimer Kirche entschied.
Bernwards Nachfolger Godehard war zuvor Abt von Niederaltaich gewesen und eine der führenden Kräfte in der von Heinrich vorangetriebenen Klosterreform. Er war somit einer der engsten Vertrauten des Königs bzw. Kaisers. Dass unter Bernward, der sich sehr intensiv um kirchenrechtliche Fragen innerhalb seiner Diözese kümmerte, und unter dem vorbildlichen Reformer Godehard auch in der Hildesheimer Kirche strenge Maßstäbe galten, ist ebenso nachvollziehbar wie Heinrichs Wunsch, in Bamberg ein mustergültiges Bistum zu errichten. Fraglich ist hingegen, ob Herzog Heinrich (der Zänker) und Gisela ihren ältesten Sohn tatsächlich zum Geistlichen ausbilden lassen wollten. Sowohl der "Zänker" als auch sein Vater hatte sich noch intensiv um die Königswürde bemüht und sich schließlich mit dem Herzogtum Bayern und weiteren umfangreichen Lehen zufrieden gegeben. Da ist es eher wahrscheinlich, dass der älteste Sohn zumindest in diese umfangreichen Besitzrechte eintreten sollte. Der Autor der Fundatio wollte mit der Behauptung vermutlich die Bedeutung der eigenen Kirche und ihre glorreiche Vergangenheit unterstreichen, indem er den Kaiser in diese enge Verbindung mit seinem Bistum stellte.
(Tania Brüsch)