Urkunde Heinrichs II. für Bischof Heinrich von Würzburg (DH II. 5)

(Heinrich verleiht dem Bischof von Würzburg die Abtei Seligenstadt zum Nießbrauch auf Lebenszeit. Bamberg 1002 Juli 10.)

Mit der Urkunde überträgt Heinrich II. Bischof Heinrich von Würzburg die Reichsabtei Seligenstadt zum Nießbrauch auf Lebenszeit. Da Heinrich II. sein Königtum schon von Anfang an in hohem Maße auf die Reichskirche ausgerichtet hatte, scheint diese Urkunde für einen Bischof nichts Ungewöhnliches. Eine Kleinigkeit lässt jedoch aufmerken. Normalerweise gingen Schenkungen nicht an einen Bischof, sondern an seine Kirche. In den Urkunden wählte man meist eine Formulierung, die eine Schenkung an den Heiligen, dem die jeweilige Kirche geweiht war, ausdrückte. Man wollte so einer möglichen Entfremdung des Gutes oder missbräuchlichen Nutzung vorbeugen Wenn Heinrich II. den Würzburger Bischof also persönlich bedenkt, mussten auch besondere Umstände vorliegen.
Die Schenkung im Sommer 1002 gibt einen Anhaltspunkt: Heinrich II. hatte sich gut einen Monat zuvor von fränkischen und bayerischen Großen zum König erheben und in Mainz krönen und salben lassen. Doch noch musste er um sein Königtum kämpfen. Jeder Anhänger war ihm also willkommen, und Bischof Heinrich gegenüber hatte er noch etwas gutzumachen: Als im Februar der Zug mit dem Leichnam Ottos III. durch Bayern zog, hatte Heinrich II. sich die Insignien aushändigen lassen. Die Herausgabe der Heiligen Lanze musste er jedoch von Erzbischof Heribert von Köln, der Heinrichs Streben nach der Königswürde missbilligte und die Lanze sicherheitshalber vorausgeschickte hatte, regelrecht erpressen. Er nahm zunächst den Erzbischof in Geiselhaft, dann ersatzweise dessen Bruder, eben jenen Bischof Heinrich von Würzburg. Nun war Geiselhaft im Mittelalter nichts Ehrenrühriges, aber die Umstände, unter denen sie zustande gekommen war, konnten eine kleine Entschädigung wert sein. Gerade die Übertragung der Abtei Seligenstadt auf Lebenszeit legt die Vermutung nahe, dass sie diese Aufgabe erfüllen sollte. Die Gabe kam nur Heinrich von Würzburg als Person zugute und sollte nach seinem Tod wieder an das Königtum zurückfallen.
Diese Rückführung des Gutes wollte man in Würzburg im Nachhinein ungeschehen machen. Die Abtei war offenbar wie vorgesehen nach dem Tod Bischof Heinrichs am 14. November 1018 an das Reich zurückgefallen und wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt von Heinrich II. an Erzbischof Aribo von Mainz vergeben. Da diese neuere Urkunde verloren ging, lässt sich über die Konditionen dieser Schenkung nichts Genaueres sagen. Immerhin hielt Aribo 1023 und 1026 Synoden in Seligenstadt ab. Wahrscheinlich fiel das Mönchskloster auch nach Aribos Tod am 6. April 1031 an den König, jetzt Konrad II., zurück. Erst 1063 schenkte die Vormundschaftsregierung Heinrichs IV. das Kloster endgültig an das Erzstift Mainz. Durch dieses Hin und Her schien man sich in Würzburg Hoffnungen zu machen, das Seligenstadt vielleicht doch dem Domstift einverleiben zu können. Nach dem heute noch erhaltenen Original fertigte man im 11. Jahrhundert eine Urkunde nahezu identischen Inhalts an, in der der Passus über den Nießbrauch auf Lebenszeit durch eine Verleihung an den ehrwürdigen Heinrich und seine Nachfolger ersetzt wurde. Vergeblich, wie die spätere Geschichte Seligenstadts zeigt. Immerhin handelt es sich um einen der seltenen Fälle, in denen neben der Fälschung auch das Original erhalten blieb.
Der Urkundentext folgt dem Original, jedoch sind die Abweichungen der Fälschung aus dem 11. Jahrhundert kenntlich gemacht: Der Originaltext, der in der Fälschung weggelassen wurde, ist kursiv gesetzt, der an dieser Stelle in der Fälschung eingefügte Text steht in Klammern.
(Tania Brüsch)