Cosmas von Prag, Chronica Boemorum (Chronik der Böhmen)

Cosmas von Prag wurde um 1045 geboren. Was man über ihn weiß, entstammt seinem Werk: Möglicherweise kam er aus einer Priesterfamilie, besuchte die Prager Domschule und wurde anschließend in Lüttich ausgebildet. Nach Prag zurückgekehrt, kam er in engen Kontakt mit Bischof Jaromir (Gebhard) von Prag (1068-1089) und blieb auch unter dessen Nachfolgern an der Prager Bischofskirche tätig. Mehrfach wurde er von Bischof und Domkapitel auf Reisen geschickt, besuchte den kaiserlichen Hof Heinrichs IV., kam nach Italien und Ungarn. Am 11. Juni 1099 erhielt er die Priesterweihe und einige Zeit später das Amt des Dekans im Prager Domkapitel. Cosmas war verheiratet und hatte Kinder, was für die böhmischen Verhältnisse dieser Zeit nichts Ungewöhnliches war. Bereits der hl. Adalbert hatte als Bischof von Prag versucht, den Zölibat für Priester durchzusetzen und war mit diesem Vorhaben kläglich gescheitert. Cosmas' Chronik der Böhmen ist ein Alterswerk. Mit der Materialsammlung hatte er wohl schon viel früher begonnen. Zur eigentlichen Niederschrift kam er aber erst zwischen 1119 und 1122. Er arbeitete bis kurz vor seinem Tod an seiner Chronik weiter. Das letzte von ihm erwähnte Datum ist der 23. Mai 1125, der Todestag Heinrichs V., Cosmas selbst starb hochbetagt am 21. Oktober desselben Jahres.
Die Chronik gliedert sich in drei Bücher. Das erste Buch, das auch die Zeit Heinrichs II. umfasst, setzt mit den Sagen über die böhmische Frühzeit ein und beruht von daher größtenteils auf mündlicher Überlieferung. Noch weit in das 11. Jahrhundert hinein konnte Cosmas sich kaum auf Schriftquellen stützen. Nur einige annalistische Notizen, eine Adalbertsvita und die Chronik Reginos von Prüm lagen ihm vor. Gerade die Benutzung Reginos zeigt jedoch, wie Cosmas mit seinen Quellen verfuhr. So übernahm er ganze Schilderungen, die ihm für seine Zwecke passend erschienen, und fügte sie in ganz andere Zusammenhänge ein. Folglich sind seine Angaben zur Ereignisgeschichte mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Andererseits ermöglicht sein freizügiger Umgang und sein gestalterischer Wille einen Einblick in das mittelalterliche "Nachleben" seiner Protagonisten. Gerade im ersten Buch vermittelt Cosmas also in erster Linie, was man zu Beginn des 12. Jahrhunderts über die Böhmen, ihre Freunde und Feinde erinnern wollte. Für das zweite und dritte Buch verfügte er dann über sehr viel genauere Informationen. Um so mehr er sich seiner Gegenwart näherte, machte er jedoch Zugeständnisse an seine Umgebung, weil er offensichtlich Repressalien befürchtete. Dass er meinte, Rücksicht nehmen zu müssen, teilt er seinen Lesern sogar mit.
Cosmas verknüpfte die böhmische Geschichte eng mit der Geschichte der Przemysliden. Dabei ergriff er im Zweifelsfall Partei für die Prager Bischöfe, wenn es um Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den böhmischen Herzögen ging. Es fällt auf, dass es keinen Ansatz eines slavischen Bewusstseins gibt, hingegen das böhmische Selbstverständnis stark ausgeprägt ist. So gelten die Heiligen Wenzel und Adalbert durchweg als Landespatrone, obwohl gerade Adalbert auch von der polnischen Seite in Anspruch genommen wurde. Die Ablehnung gegenüber den Polen ist sehr ausgeprägt, sie waren die böhmischen Feinde schlechthin, aber auch die Deutschen erfahren nur sehr selten sein Wohlwollen.
Seine Berichte aus der Zeit Heinrichs II. sind aus den oben genannten Gründen mit zahlreichen Fehlern behaftet, beispielsweise bezeichnet er Heinrich II. als Sohn Kaiser Ottos III. Von der Legende der Seelenwägung bietet er eine interessante Variante: Ihm ist die Bedeutung des Kaisers für Bamberg geläufig, er kennt jedoch nicht seine Initiative für Merseburg, daher ist es nicht der Merseburger Bistumspatron Laurentius, der den Kelch in die Waagschale wirft, sondern es sind die für den Bamberger Dom entscheidenden Heiligen, Maria und Georg. Für die Bedeutung Cosmas' und seiner Chronik waren die häufigen Unstimmigkeiten sowie die fast eindimensionale pro-böhmische Haltung nie abträglich, da es sich um die erste böhmische Chronik überhaupt handelt. In der modernen Forschung, die sich nicht mehr so sehr für Ereignisgeschichte, sondern für Bewusstseins- und Wahrnehmungsfragen interessiert, dürfte die Chronik noch ein interessantes Betätigungsfeld bieten, zumal sie die Grundlage für die gesamte böhmische Geschichtsschreibung im Mittelalter darstellt.
(Tania Brüsch)

(Quellverweis) t.
(Tania Brüsch)

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