Ranshofener Anordnungen Herzog Heinrichs (Ranshofener Statuten)

Herzog Heinrich I. von Bayern fand sich erst nach mehreren Aufständen mit dem Entschluss seines gleichnamigen Vaters ab, das Königtum nicht mehr unter den Söhnen zu teilen, sondern nur einen zum Nachfolger zu erklären. Erst verhältnismäßig spät söhnte er sich mit seinem Bruder, König bzw. Kaiser Otto I., aus und erhielt als Entschädigung für die ihm entgangene Krone das Herzogtum Bayern sowie zahlreiche weitere Herrschaftsbereiche übertragen. Auch des Herzogs Sohn, Heinrich (der Zänker), versuchte noch einmal, die väterlichen Ansprüche einzufordern, ebenfalls vergeblich. Mit seinem Vetter, Kaiser Otto II., kam es zu keiner Einigung, stattdessen entzog der Kaiser nach den Rebellionsversuchen dem Bayernherzog seine Lehen und inhaftierte ihn. Auch der letzte Versuch des "Zänkers" nach dem Tod Ottos II., entweder als Vormund oder eigenständig anstelle des unmündigen Kaisers Otto III. die Königsherrschaft auszuüben, scheiterte; Heinrich unterwarf sich 985 endgültig.
Seine nunmehr beständige Loyalität zu Otto III. zahlte sich aus. Heinrich erhielt das Herzogtum Bayern zurück; in den Jahren 989 und 993 übertrug ihm Otto zusätzlich das Herzogtum Kärnten und die Marken Verona und Friaul. Auch ließ er Heinrich (den Zänker) und seinen gleichnamigen Sohn, den späteren Kaiser Heinrich II., gewähren, als diese begannen, ihre Herzogsstellung in Bayern königsgleich auszubauen. Wie weit ihr Einfluss schließlich ging, zeigen die sogenannten Ranshofener Beschlüsse. Auf einem herzoglichen Hoftag in Ranshofen am Inn um das Jahr 990 verhandelte der Herzog mit den bayerischen Bischöfen und Grafen über die jeweiligen Zuständigkeiten. Die Ergebnisse wurden als "Ranshofener Anordnungen Herzog Heinrichs" niedergeschrieben. Diese Statuten sind ein einmaliges Zeugnis für die herrschaftlichen Strukturen in Bayern und zeigen, wie weit die herzogliche Verfügungsgewalt ging.
In Ranshofen wurde eine Einigung gefunden, wie man mit entlaufenen oder gestohlenen Hörigen verfahren sollte ­ ein damals offenbar akutes Problem. Wer den Beschlüssen nicht Folge leistete, sollte bestraft werden; gegebenenfalls musste der Fall vor dem herzoglichen Gericht oder durch den Herzog persönlich entschieden werden. Es wurde geregelt, wie man mit Verbrechen von zugereisten Fremden und ortsansässigen Slaven verfahren wollte. Die Mehrzahl aller sanktionsfähigen Vergehen wird in den Statuten vor das Grafengericht verwiesen; denen, die diese Vorschrift zu umgehen versuchen, oder den Grafen, die die Vergehen nicht streng genug verfolgen, werden Strafen bzw. Amtsentzug angedroht. Gleiches gilt für Vögte und Schöffen. Nach den Ranshofener Statuten war also die Rechts- und Friedenswahrung auf allen Ebenen in letzter Instanz auf den Herzog ausgerichtet. Bemerkenswert ist, dass vor allem die Grafen, aber auch andere Amtsträger sich gegenüber dem Herzog und nicht vor dem König verantworten mussten. So weitgehende Kompetenzen gab es in keinem anderen Herzogtum.
Die Ranshofener Beschlüsse sind nur in einem Freisinger Codex und fragmentarisch in einer Tegernseer Handschrift überliefert. Das Fragment geht nicht über ein paar Zeilen hinaus, so dass die Edition fast ausschließlich auf die Freisinger Überlieferung angewiesen ist. Dort wurde der Text zeitlich sehr nahe am Geschehen aufgezeichnet. Auf Anordnung Bischof Abrahams von Freising begann man noch vor 994 damit, eine Sammlung von Texten zusammenzustellen. Liturgische Texte standen neben Rechtsaufzeichnungen, die dem Bischof bei seiner Verwaltungs- und Missionstätigkeit helfen sollten. In diesem Zusammenhang hielt man auch die noch relativ neuen Beschlüsse aus Ranshofen fest.
(Tania Brüsch)

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