(Heinrich verleiht dem von der Adala begonnenen Nonnenkloster zu Göß, welches deren Sohn, der Kapellan Aribo, dem Kaiser tradiert hat, die Immunität und das Recht, Äbtissin und Vogt zu wählen, unter Vorbehalt der königlichen Befugnisse bei der Ernennung des Vogts. Fulda 1020 Mai 1.)
Zwischen 994 und 1020 gründete Adala, die Gemahlin des Pfalzgrafen Aribo, das Nonnenkloster Göß in der Steiermark. Ihr Sohn Aribo, königlicher Kapellan und Archidiakon in Salzburg, vollendete die Gründung und bat Heinrich II. um eine Bestätigungsurkunde, die den rechtlichen Status des Klosters festschrieb. Am 1. Mai 1020 stellte der Kaiser die Urkunde aus. Indem er ihm die Immunität gewährt, macht er die Aribonenstiftung zum Reichskloster. Er gewährt dem Konvent die freie Äbtissinnen- und Vogtwahl, behält sich aber das Recht vor, den Vogt in sein Amt einzusetzen. Eine Zusatzbestimmung soll dafür sorgen, dass der Besitzstand des Klosters sowie die Immunität auch dann gewahrt bleiben, wenn irgendein Fremder sich der Abtei und ihrer Güter bemächtigten sollte: Bis zum Eingreifen des Kaisers gehen die Besitzungen vorübergehend in die Gewalt des nächsten Erben des Stifters zurück.
Aribo, der wohl die treibende Kraft im Vorfeld der Urkundenausstellung war, wird als Blutsverwandter des Kaisers bezeichnet. Das Verhältnis zwischen Heinrich II. und seinem Kapellan muss ein sehr gutes und enges gewesen sein. Nicht nur der Inhalt der Urkunde und das Engagement des Kaiser für Göß sprechen dafür, auch das Datum der Urkundenausstellung zeugt von dem Stellenwert, den die Beteiligten dem Akt beimaßen, denn das Pergament wurde während des Besuchs von Papst Benedikt VIII. in Fulda angefertigt. Gleichzeitig mit der Kaiserurkunde erhielt Göß auch eine Bestätigung vom Papst.
Im März/April 1020 hatte seit langer Zeit wieder einmal ein Papst die Alpen überquert, um den Kaiser aufzusuchen. Benedikt VIII. und Heinrich II. hatten den Besuch mit Osterfeier und Kirchweihe würdig in Bamberg begangen und waren dann zum Kloster Fulda zusammen weitergezogen. Während des Papstbesuchs stellte Heinrich eine Bestätigungsurkunde für Benedikt VIII. aus, die die Bestimmungen des großen Papstprivilegs Ottos I. wiederholten. Dieses sogenannte "Heinricianum" (DH II. 427) wurde als Prachturkunde mit Goldschrift auf Purpurpergament angefertigt und mit einer Goldbulle versehen, ging aber im Original verloren. Die einzige Urkunde Heinrichs II., die ebenfalls mit einer Goldbulle besiegelt wurde und nicht verloren ging, ist die vorliegende Urkunde für Göß. Sie trägt damit die älteste erhaltene Goldbulle eines "deutschen" Herrschers. Auch an der Besiegelung lässt sich somit die Bedeutung des Akts ermessen.
In der Urkunde wird festgehalten, dass die Nonnen nach der Regula Benedicti leben sollten. Die erste Äbtissin war Aribos Schwester Kunigunde. Aber nicht nur die Vorsteherin der Gemeinschaft entstammte der Familie der Aribonen, auch die Vogtei wurde längere Zeit von verschiedenen Mitgliedern der Familie wahrgenommen. Diese erbliche Behandlung der Vogtei durch die Stifterfamilie war nichts Ungewöhnliches und widersprach auch dem rechtlichen Status als Reichsabtei solange nicht, wie Einigkeit zwischen dem König und dem Vogt mit seinen Angehörigen herrschte oder der König kein weiteres Interesse zeigte. Im Fall Göß gab es keinerlei Schwierigkeiten, denn Heinrich II. schätzte den Mitbegründer Aribo so sehr, dass er ihn 1021 zum Erzbischof von Mainz erhob. Wie sehr sich der Kaiser für die Neugründung mitverantwortlich fühlte, zeigen drei weitere Urkunden, die Schenkungen für Göß verbriefen (vgl. z.B. DH II. 437).
(Tania Brüsch)