57. Inzwischen hatten mährische Ritter Boleslaws (Chrobry) eine unvorsichtige große Heerschar der Bayern hinterlistig umringt und niedergemacht und dadurch in nicht geringem Maße für früher durch sie erlittene Verluste Rache genommen. Der Kaiser aber ließ auf seinem Zuge in den Osten die Kaiserin (Kunigunde) nach Paderborn kommen. Von hier reisten beide gemeinsam nach Magdeburg, wo sie Erzbischof Gero unter hohen Ehren aufnahm. Doch in der folgenden Nacht, am Sonntage, dem 7. Juli, hauste ein schweres Unwetter, das weit und breit Menschen, Vieh, Häuser und Feldfrüchte vernichtete. Gewaltige Bruchschäden verwüsteten die Wälder und machten alle Wege unpassierbar. Am Tage darauf ging der Kaiser mit seiner Gemahlin und dem Heere über die Elbe und zog nach Leitzkau, einem ehemaligen Hofe des Bischofs Wigo (von Brandenburg), auf dem jetzt zahlloses Getier hauste; hier schlug er für zwei Nächte sein Lager auf und wartete auf säumige Truppen. Dann kehrte die Kaiserin mit vielen anderen um, er selbst aber trat mit Heeresmacht den Vormarsch an. Am gleichen Tage kehrte auch der frühere Bayernherzog Heinrich (V.) mit einer Botschaft von Boleslaw zurück, den er zu Friedensverhandlungen aufgesucht hatte. Der Kaiser ließ sich von ihm berichten und sandte ihn nochmals mit seinem Bescheid zurück da er aber dort nichts erreichte, ließ ihn der Caesar zu seiner Herrin und Schwester gehen.
58. Währenddessen ereignete sich in der Sonntagnacht des 21. Juli auf dem mit allem Zubehör der Stadt gehörigen Berge St. Johannis des Täufers bei Magdeburg (= Kloster Berge) ein sehr betrübliches Unglück. Eine im Schlafsaal der Brüder brennende, ungewöhnlich große Lampe rief einen Brand hervor; das Feuer griff auf die Nachbarschaft über, und da es die Schläfer dort zu spät merkten, verzehrte es mit gieriger Flamme das ganze Gebäude. Wohl konnten alle der Gefahr entrinnen; sie verloren nur einen der ihrigen, der zur Rettung von Messgewändern schnell umgedreht war; mitten im Feuer hat er seine Sünden gebeichtet. Sein Name war Hemiko. Dann fing zum Schrecken für alle Anwesenden und später Herbeieilenden auch die vom dortigen Abt Siegfried (von Berge) 8 Jahre lang aufs schönste errichtete Kirche Feuer. Außerdem verzehrte der weit um sich greifende Brand die beiden Kapellen, das Refektorium und die übrigen, damit zusammenhängenden Gebäude. Doch entriss Gottes Gnade und die aufopfernde Liebe der zu Hilfe Eilenden dem gierigen Rachen alle Heiligenreliquien und einen großen Teil des Schatzes. Am nächsten Morgen fanden sich auch die Bürger und die vom Kaiser zurückgelassene Besatzung ein und beklagte den schweren Schaden aufs tiefste. Die leichte Asche des verbrannten Leibes aber sammelten die Mitbrüder sorgfältig in der Frühe und setzten sie bei ihren Vorgängern bei. Ihrem gerade abwesenden Abt meldeten sie durch einen Boten das traurige Geschick. Der aber schrieb es bei dieser Nachricht seinen eigenen Sünden zu und trug es als unabänderlich mit ernster Würde.
59. Währenddessen drang Boleslaws (Chrobry) Sohn Mieszko (II.) mit 10 Heerhaufen in Böhmen ein, das in Abwesenheit seines Herzogs Ulrich (von Böhmen) geringeren Widerstand leistete als sonst; zwei Tage lang heerte er darin, bevor er zur größten Freude seines Vaters mit zahllosen Gefangenen zurückkehrte. Der Caesar aber verwüstete alles, was er antraf, und zog mit seinem Heere und beträchtlichem Zuzug der Böhmen und Liutizen am 9. August (1017)voller Erwartung vor die Burg Glogau, wo sie Boleslaw mit den Seinen erwartete; er verbot jedoch den Unsrigen, den vom Feinde angebotenen Kampf inmitten versteckter Bogenschützen anzunehmen. Von hier aus sandte er 12 erlesene Haufen seines starken Heeres nach der Burg Nimptsch voraus, die diesen Namen trägt, weil sie einst von den Unsrigen erbaut wurde; sie sollten vor der den Burgbewohnern gesandten Hilfe dort eintreffen. Kaum hatte man ein Lager errichtet, da hieß es, der Feind komme. Doch weil es stockfinstere Nacht war und in Strömen regnete, konnte man ihm nicht zuvorkommen, trieb nur wenige zurück und musste andere unfreiwillig in die Burg einlassen. Sie liegt im Schlesiergau, der seinen Namen einst von einem sehr hohen und weitläufigen Berge erhalten hat. Der hatte wegen seiner Lage und Größe bei allen Einwohnern große Verehrung genossen, als das verruchte Heidentum dort noch herrschte.
60. Drei Tage später traf auch der Kaiser mit dem Hauptheere ein, ließ die Burg (Nimptsch) ringsum durch seine Lager einschließen und hoffte, dadurch dem Feinde jeden Zugang verwehren zu können. Sein kluger Plan und seine völlig richtige Absicht hätte gewiss großen Erfolg versprochen, wenn ihn seine Helfer bei der Ausführung mit Eifer unterstützt hätten. So aber gelangte trotzdem in stiller Nacht ein großer Trupp durch alle Wachen in die Burg. Nun erging der Befehl an die Unsrigen, allerlei Maschinen zu bauen; gleich darauf aber wurde man bei den Gegnern Ähnliches gewahr. Nie habe ich von Belagerten gehört, die sich mit größerer Ausdauer und klügerer Umsicht zu verteidigen wussten. Den Heiden gegenüber richteten sie ein hl. Kreuz auf und hofften, sie mit dessen Hilfe zu besiegen. Nie stimmten sie lauten Jubel an, wenn sie Erfolg hatten; Missgeschick dagegen machten sie nicht dadurch kund, dass sie in Klagen ausbrachen.
61. Währenddessen drangen die Mährer in Böhmen ein, eroberten eine Burg und kehrten unbehelligt mit reicher Beute heim. Markgraf Heinrich (von der bayerischen Ostmark) hatte versucht, sie mit einem Heere zu fassen; als er davon Kunde bekam, nahm er sofort die Verfolgung auf. Dabei wurden mehr als 1000 ihrer Krieger erschlagen und die übrigen in die Flucht gejagt; alle Gefangenen konnte er befreien und nach Hause entlassen. Auch dürfen wir nicht verhehlen, dass andere Krieger Boleslaws (Chrobry) am 15. August die Burg Belgern angriffen, aber trotz langwieriger Belagerung, Gott sei Dank!, keinen Erfolg hatten. Andererseits griff ein großer Haufen der daheimgebliebenen Liutizen eine herzogliche Burg an. Sie verloren dabei mehr als 100 ihrer Leute, kehrten sehr niedergeschlagen heim, heerten aber später noch schwer in seinem Lande.
62. Hier will ich noch den todbringenden Zusammenstoß zwischen Herzog Gottfried (von Niederlothringen) und dem Grafen Gerhard (vom Elsaß) einfügen. Nachdem sie lange miteinander im Streit gelegen hatten, bestimmten sie einen Tag, an dem sie mit ihren Freunden durch das unwiderrufliche Urteil des Kampfes eine Entscheidung herbeiführen wollten. Am 27. August trafen sie auf einem hierzu ausersehenen grünen Wiesenplan aufeinander. Hier beugte Christi Niedrigkeit den Hochmut Gerhards, ließ seine Begleiter plötzlich fliehen und streckte nicht weniger als 300 seiner Leute nieder; einer darunter hieß Walther Pulverel, weil er jeden Widerstand zu Staub zermalmte, der Kleidung nach ein Geistlicher, in Wirklichkeit aber ein großer Strolch. Dieser Anführer wurde mit den Seinen in einen Teich geworfen; kampfgesättigt liegt er nun da, der immer unersättlich war im Blutvergießen. Sagt man doch, vergnügt habe er nur den Tag verbracht, an dem er seinen Speer mit Menschenblut bespritzte und Gotteshäuser, die doch andere Schurken schonen, brennen und stürzen sah. Er stammte aus Burgund; der Graf hatte ihn einmal gefangen genommen und sich nicht von ihm trennen können, bevor er ihm eidlich gelobte, er werde ihm immer beistehen und als ergebener Vasall dienen. So war er auch hierzu aufgeboten worden, doch Gottes Erbarmen hinderte ihn an der Rückkehr zur weiteren Mehrung seiner üblichen Schandtaten. Von der Partei seines Herrn gerieten in Gefangenschaft dessen Sohn Siegfried, ein Neffe unserer Kaiserin (Kunigunde), ferner Balderich und sehr viele andere. Verwundet wurde damals Konrad, der rechtswidrig seine Base (Giselageheiratet hatte, die Witwe Herzog Ernsts (I. von Schwaben). Dagegen verlor der Herzog nur 30 Ritter, freilich treffliche.
63. Währenddessen befahl der Caesar, der nun schon drei Wochen still gelegen hatte, nach Fertigstellung aller Maschinen den Sturm auf die Burg (Nimptsch), musste aber sehen, wie alles durch Brände, die man von den Bollwerken herabwarf, schnell in Flammen aufging. Nun versuchte Ulrich mit den Seinen die Burg zu erklimmen, richtete aber nichts aus. Dann wurde ein ähnlicher Angriff der Liutizen zurückgewiesen. Da erkannte der Caesar, dass die Bemühungen seines von Krankheiten geschwächten Heeres um Einnahme der Burg vergeblich waren, und wendete sich in sehr beschwerlichem Marsche nach Böhmen. Hier empfing ihn Ulrich, der unrechtmäßige Herzog des Landes, und ehrte ihn mit passenden Geschenken. Inzwischen war am 18. September nach langer, schwerer Krankheit Markgraf Heinrich verstorben, ein Sohn meiner Tante, Ostfrankens Zierde; er wurde von den drei Bischöfen Heinrich (von Würzburg), Eberhard (von Bamberg) und dem hochwürdigsten Rikulf (von Triest) an der Nordseite des Klosters bei seiner Burg Schweinfurt beigesetzt, nach seinem eigenen Wunsche außerhalb der Kirche nahe dem Tore. Der Caesar erfuhr es in Meißen und trauerte sehr.
64. Boleslaw (Chrobry) hatte voller Sorge in der Burg Breslau den Ausgang der Unternehmung abgewartet; er frohlockte im Herrn, als er vom Abzuge des Kaisers sowie vom unversehrten Zustande seiner Burg hörte, und feierte voller Freude mit seinen Kriegern. Mehr als 600 seiner Mannen zu Fuß aber drangen unversehens in Böhmen ein, da sie sich wie üblich Beute davon erhofften; jedoch bis auf wenige gerieten sie in die Schlinge, die sie den Feinden legen wollten. Die Liutizen dagegen kehrten voller Zorn heim und beklagten sich über die ihrer Göttin angetane Schmach. Ein Begleiter des Markgrafen Hermann (von Meißen) hatte nämlich ihr auf den Feldzeichen angebrachtes Bild mit einem Steinwurf durchlöchert. Als ihre Diener voller Empörung dem Kaiser davon Meldung machten, erhielten sie 12 Pfund Buße. Und als sie dann bei der Burg Wurzen über die stark angeschwollene Mulde setzen wollten, verloren sie außer einem zweiten Bilde der Göttin noch eine erlesene Schar von 50 Kriegern. Unter so schlechten Vorzeichen zogen die übrigen heim und suchten sich hinfort, aufgebracht durch schlechte Elemente, vom Dienste des Caesars fern zu halten. Doch fand später eine allgemeine Versammlung statt, auf der sie sich von ihren Edlen umstimmen ließen. Wer vermöchte die Mühsal dieses Zuges und die Verluste aller zu schildern? War schon der Zugang ins Böhmerland kaum zu erzwingen, so war es noch viel schwieriger, wieder herauszukommen. Zur Vernichtung des Feindes war der Feldzug unternommen worden, doch ob unserer Schuld schlug er auch uns Siegern schwere Wunden. Und was die Feinde uns damals nicht hatten antun können, das traf uns später um unserer Missetaten willen. Klagen möchte ich auch über eine Schandtat, die Boleslaws Vasallen zwischen Elbe und Mulde verübten. Sie waren nämlich auf Befehl ihres Herrn eiligst ausgezogen, nahmen dort im Lande am 19. September (1017) mehr als 1000 Gefangene mit, brandschatzten weit und breit fürchterlich und kehrten glücklich wieder heim.
65. Der Kaiser aber kam am 1. Oktober (1017) nach Merseburg; hier erhob er Abt Ekkehard von Nienburg, der 23 Jahre und 5 Monate das Kloster geleitet hatte, zum Hirten der Prager Kirche und ließ ihn am 4. November mit meiner Einwilligung durch Erzbischof Erkanbald (von Mainz) weihen. Auch gab damals ein Abgesandter Boleslaws (Chrobry) das Versprechen ab, er wolle den lange (seit 1015)festgehaltenen jungen Liudolf zurücksenden und bat, zum Ausgleich für dessen Freigabe, um Entlassung auch seiner bei uns in strenger Haft gehaltenen Ritter; ferner ließ er angelegentlich nachfragen, ob er dem Kaiser einen Unterhändler schicken dürfe, weil er seine Huld wiedererlangen wolle. Mit der entschiedenen Zustimmung seiner Fürsten willigte der Caesar in alles ein, und da erst erfuhr er, dass der Russenkönig Jaroslaw Boleslaw angegriffen hatte, wie er ihm durch seinen Gesandten versprochen hatte; aber er hatte dort vor der belagerten Burg nichts ausgerichtet. Später unternahm der Herzog mit Heeresmacht einen Zug in sein Reich, setzte seinen lange vertriebenen Schwager, des Russen Bruder, auf den Thron und kehrte frohgemut heim.
66. Bei seiner Abreise schenkte uns (= der Merseburger Kirche) der Kaiser drei Chormäntel und eine silberne Kanne. Er zog von hier nach Allstedt, wo er das Gedächtnis aller Heiligen (1. November 1017) in gebührender Ehrfurcht beging. Dort wurde am gleichen Tage Harding, der vom Kaiser für Nienburg bestimmte Abt, durch Erzbischof Gero (von Mainz) geweiht. Am folgenden Sonntage, dem 3. November, verlieh der Caesar das Gut Röglitz, das er gerade durch ein Tauschabkommen vom Ritter Hathold erworben hatte, unseren Christus in Merseburg dienenden Mitbrüdern; auch ein Gehölz, das er von Hager, dem Bruder dieses Herrn, für zehn Pfund Silber gekauft hatte, überwies er ihnen zum Nießbrauch und ließ eine Bestätigungsurkunde darüber ausstellen. Ferner verlieh er mir die drei Kirchen in Leipzig, Olschütz und Geusa, und weiter ließ er in diesem Frühjahr einen goldenen Altar zum Schmuck unserer Kirche anfertigen, zu dem ich vom Ertrage unseres alten Altars sechs Pfund Gold beisteuerte. Der Caesar verbrachte in dieser Pfalz fünf Wochen und vier Tage; dann suchte er sein geliebtes Bamberg auf, wo damals im Monat Dezember, und zwar in der ersten Nacht nach der Ankunft des Caesars, der lange in Haft gehaltene Gunzelin (ehemals Markgraf von Meißen) dadurch frei wurde, dass göttliche Allmacht von seinen gefesselten Füßen mühelos die Ketten abfallen ließ, ohne dass sie entzwei gingen. Auch den früheren Herzog Heinrich (V.) von Bayern, der für seine Schuld nun schon acht Jahre und fast ebenso viele Monate abgesetzt war, bekleidete der Kaiser an einem Sonntage wieder mit seiner alten Würde, wie es ihm Erzbischof Poppo von Trier zuvor fest zugesichert hatte.
67. Doch ehe ich dieses Jahr (1017) beschließe, muss ich dazu noch einige Notizen anfügen. Im vorigen Jahre hat Thietmar, der hochwürdigste Bischof der hl. Kirche von Osnabrück, ein Diener des hl. Mauritius in Magdeburg und zuvor tüchtiger Propst in Mainz und Aachen, von Dunkelheit umschattet sein Augenlicht eingebüßt; sein inneres Auge aber strahlt umso heller, und er vermag nun Christus, den Quell allen Lichts, mit unermüdlichem Eifer zu schauen. Auf Veranlassung König Heinrichs ist er der Nachfolger seines Odilulf genannten Vorgängers Nonno geworden. In diesem Jahre starben die hochwürdigsten Bischöfe Amalrich, Fermund, Bezelin und Altmann, der nur wenige Wochen seinen Stuhl innehatte. Er war Mönch St. Johannes des Täufers zu Magdeburg (= Kloster Berge) gewesen und von dort durch die Äbtissin Adelheid (von Quedlinburg?), zu deren Leuten er gehört hatte, dem Bruder des Königs und jetzigen Erzbischof der Kirche von Ravenna, Arnulf, zum Dienst beigegeben worden. Der hat ihn auch später geweiht, aber die Seinen brachten ihn durch einen vergifteten Trank um die Gesundheit.
68. In meiner Nachbarschaft ereignete sich im Orte Sülfeld in der zweiten Dezemberwoche ein Wunder. Da hatte eine Frau sich und ihre Kinder in ihrer Wohnung eingeriegelt, weil der Mann nicht zu Hause war. Plötzlich, vor dem ersten Hahnenschrei, vernahm sie ein ungeheures Getöse. Voller Entsetzen darüber rief sie mit durchdringendem Geschrei ihre Nachbarn herbei und klagte ihnen ihre Not. Wenn sie ihr aber zu helfen versuchten, wurden sie stets durch Würfe zurückgetrieben. Schließlich brachen sie die Türe auf, drangen mit blanken Schwertern ein und suchten sorgfältig, was gegen die Frau vom Hause und sie selbst so heftig angegangen war. Da es sich aber um ein Gespenst handelte, konnten sie den Feind nicht entdecken und gingen niedergedrückt fort. Die Frau wartete voller Angst auf den Tagesanbruch; am nächsten Morgen ließ sie den ersten besten Priester holen, der das ganze Haus mit Heiligenreliquien und Weihwasser reinigte. In der folgenden Nacht setzte ihr der geschilderte Schreck nur noch wenig zu, und, Dank sei Gott! durch häufige Besuche des Priesters wurde sie ganz von ihm befreit.
69. Wo sich so etwas ereignet, kündigt es eine Veränderung an. Kein Gläubiger braucht sich vor solchem Schrecknis zu fürchten. Er bekenne nur von Herzen seine Sündhaftigkeit, schütze sich sofort mit dem Zeichen des hl. Kreuzes und weise so jede feindliche Macht ab. In dieser Weise spottet der Feind nur der Unvorsichtigen und betrügt schließlich alle, die irgendwie auf ihn bauen. Wo gerade Verzweiflung herrscht oder ein Verbrechen geplant wird oder eine Veränderung bevorsteht, geschehen solche Vorzeichen. Doch weil es für uns gut ist, Gott anzuhängen und unsere Hoffnung auf ihn zu setzen, wollen wir ständig im Gebet vor sein Antlitz treten, damit sich alles, ob es uns nun angezeigt wird oder verborgen bleibt, an uns Sündern nach seiner allerbarmenden Liebe erfülle. Es ist gar nicht seltsam, dass sich in dieser Gegend ein solches Vorzeichen ereignet hat. Denn die Bevölkerung geht dort selten in die Kirche und kümmert sich überhaupt nicht um den Besuch ihrer Hirten. Sie verehren ihre eigenen Hausgötter, hoffen fest auf ihre Hilfe und opfern ihnen. Ich habe sogar von einem Stabe gehört, an dessen Ende eine Hand angebracht war, die einen eisernen Ring hielt; er wurde vom Hirten des Dorfes, in dem er sich befand, von Haus zu Haus herumgetragen, wobei ihn sein Träger beim Eintreten folgendermaßen anredete: "Wache, Hennil, wache!", denn so nannten ihn die Bauern in ihrer Sprache. Dann schmausten die Toren prächtig und glaubten, in seinem Schutze sicher zu sein; wussten sie doch nichts von Davids Wort: "Die Bilder der Heiden sind Menschenwerk usw. Gleich ihnen sind alle, die solches tun und darauf vertrauen".
70. Dafür, dass alles Absonderliche Staunen erregt und sehr oft wie ein Wunder Beachtung findet, will ich ein Geschehnis unserer Tage anführen. Es geschah unter der Regierung unseres erlauchtesten Königs Heinrich noch zu Lebzeiten meines Vorgängers Wigbert (Bischof von Merseburg) in Rödlitz, das die ehrwürdige Frau Ida, eine Schwiegertochter Ottos I., unserer Kirche übertragen hatte; damals trug es Propst Geso zu Lehen, und von ihm habe ich einen zuverlässigen Bericht darüber. Als sich eines Tages während der arbeitsreichen Ernte seine schon müden Schnitter ausruhen wollten, sahen sie, wie aus einem frisch angeschnittenen Brote Blut floss. Voller Bestürzung zeigten sie es ihrem Herrn und ihren Nachbarn. Nach meiner Ansicht kündete dieses Zeichen vom Ausgange eines künftigen Krieges, in dem viel Menschenblut vergossen werden sollte.
71. Auch ein anderes, viel ehrfurchtgebietenderes, aber dennoch seltsames und denkwürdiges Ereignis will ich schildern. In der Burg des Romulus, die aus vielerlei Gründen aller Städte Haupt ist, floss in einer Kirche rechts vom Altare aus einer Öffnung des Estrichs einen ganzen Tag lang Öl; viele haben es gesehen und sich darüber gewundert. Einen Teil davon hat des Crescentius Sohn Johannes in einer Ampulle seinem Herrn, unserem damaligen König Heinrich, übersandt. Nun bezeichnet Öl aber die Barmherzigkeit nach dem Wort: "Es wird deinem Haupte nicht an Öl fehlen", zuweilen auch die Schmeichelei; heißt es doch: "Das Öl des Sünders soll mein Haupt nicht salben"; hierin vermute ich zugleich ein Zeichen für die überreiche Milde unseres Herrschers und die heimliche Willkür dieses Patricius. Denn dieser Verderber des Stuhls der Apostel hat durch seine Geschenke und schönklingenden Versprechungen den von Gott eingesetzten König in der Öffentlichkeit oftmals mit Ehren überhäuft, fürchtete aber seinen Aufstieg zur Kaiserwürde und suchte ihn insgeheim mit allen Mitteln zu hintertreiben. Versichert doch der hl. Gregor: "Wenn sich die himmlische Majestät offenbart, stürzt irdische Hoheit". Unser König war zwar nur ein Mensch, doch ihn erfüllte Eifer für Gott, und mit starker Hand strafte er Gewalt und Beraubung der hl. Kirche; solche Rechtschaffenheit war ihm nur vom Himmel verliehen. Der in Charakter und Taten ganz diesseitige Patricius dagegen raffte in schmutziger Gier als Beute zusammen, was viele demütige Hände als Opfergabe für ihre Sünden am Altare der Apostel aufgehäuft hatten. Da er bald darauf starb, hat ihn, so fürchte ich, doppelte Strafe betroffen. Dem Herrn Papst aber bietet sich nun Sicherheit und unserem Könige größere Macht.
72. Nun will ich mit einer Kritik am unrechten Tun des Russenkönigs Wladimir in meiner Erzählung fortfahren. Aus Griechenland hatte er seine Gemahlin Helena heimgeführt, die zuvor mit Otto III. verlobt, ihm dann aber durch treulose Ränke vorenthalten worden war; auf ihr Drängen hin nahm er den hl. Christenglauben an; mit Werken der Gerechtigkeit hat er ihn freilich nicht verherrlicht. War er doch ein maßloser und grausamer Wüstling und verübte an den weichlichen Griechen schwere Gewalttaten. Einem seiner drei Söhne gab er unseres Bedrängers, des Herzogs Boleslaw (Chrobry), Tochter zur Ehe; und mit ihr sandten die Polen den Bischof Reinbern von Kolberg. Der war im Hassegau geboren, von weisen Lehrern in den edlen Wissenschaften ausgebildet und, wie ich hoffe, verdientermaßen zur Bischofswürde emporgestiegen. Seine großen Bemühungen um die ihm anvertraute Aufgabe zu schildern, reicht weder mein Wissen noch meine Beredsamkeit aus. Er zerstörte und verbrannte heidnische Heiligtümer; er reinigte das von Dämonen bewohnte Meer, in dem er 4 mit hl. Öle gesalbte Steine hineinwarf und Weihwasser aussprengte; so zog er dem allmächtigen Herrn an einem unfruchtbaren Baume einen neuen Schössling heran, indem er unter einem sehr unwissenden Volke die hl. Verkündigung zum Keimen brachte. Durch ständiges Wachen, Enthaltsamkeit und Schweigen nahm er seinen Leib in Zucht und machte er sein Herz zu einem Spiegel der Gottesschau. Als der König nun hörte, sein Sohn wolle sich, von Boleslaw angestiftet, insgeheim gegen ihn wenden, ließ er samt seinem Sohne und dessen Gemahlin auch diesen Mann festnehmen und alle getrennt in Haft halten. Hier im Verborgenen lobte nun der hochwürdigste Vater auch weiterhin Gott mit allem Eifer, weil es ihm öffentlich nicht mehr möglich war. Indem er sich hier unter Tränen und durch das Opfer ständigen Gebets aus bußfertigem Herzen mit dem höchsten Priester aussöhnte, machte er sich frei von dem engen Gefängnis seines Leibes und ging freudig in die Freiheit ewigen Glanzes hinüber.
73. Zu Unrecht bedeutet des Königs Namen "Macht des Friedens". Denn was die Gottlosen untereinander halten und die Bewohner dieser Welt besitzen, ist kein wahrer Friede; schwankt er doch immer; nur der erfreut sich seiner wirklich, der jede Leidenschaft unterdrückt und das Reich Gottes erwirbt mit Hilfe der Geduld, die alle Not wendet. In himmlischer Geborgenheit kann der Bischof nun über die Drohungen dieses ungerechten Mannes lachen und in seiner zweifachen Keuschheit die Flammen betrachten, die diesen Wüstling strafen sollen. Denn nach dem Zeugnis unseres Lehrers Paulus richtet Gott die Ehebrecher. Als Boleslaw (Chrobry) von alledem erfuhr, begann er unablässig Rache zu suchen, soweit ihm das möglich war. Dann starb der König hochbetagt und hinterließ das gesamte Erbe seinen beiden Söhnen, während der dritte weiter im Kerker blieb; später konnte er entkommen, ließ seine Gemahlin dort zurück und floh zu seinem Schwiegervater.
74. Um seine angeborene Bereitschaft zur Sünde noch weiter zu steigern, trug der König eine Reizbinde um die Lenden. Der Befehl Christi unseres Lehrers zum Heil, wir sollten unsere gar sehr von schädlicher Wollust erfüllten Lenden gürten, wies uns doch Enthaltsamkeit, nicht aber ein Reizmittel! Weil der König durch seine Priester vom brennenden Licht gehört hatte, suchte er den Makel begangener Sünden durch ständige reiche Almosenspenden abzuwaschen. Steht doch geschrieben: "Gebt Almosen, so wird alles an euch rein". Er starb, als er schon sehr altersschwach war und lange geherrscht hatte; begraben liegt er in der großen Stadt Kiew, in der Kirche des Märtyrers Christi und Papstes Clemens, neben seiner Gemahlin; ihre Sarkophage stehen frei mitten in der Kirche Die Söhne teilten seine Macht untereinander, und so bewährte sich Christ Wort vollständig. Denn es wird sich erfüllen, fürchte ich, was der Mund der Wahrheit prophezeit mit den Worten: "Jedes Reich, das in sich selbst uneinig ist, soll verwüstet werden" usw. Die ganze Christenheit sollte darum beten, dass Gott seinen Spruch von diesen Ländern abwenden möge.
75. Jetzt bin ich etwas abgeschweift, also zurück! Ich muss kurz berichten, was ich von Vorfällen dieses Jahres (1017) noch nicht behandelt habe. Ein großer Teil der Kaiserpfalz Pöhlde, die Domkirche in der Stadt Utrecht mit allen Baulichkeiten des Bischofs Adalbold, sowie des Grafen Dietrich Burg Eilenburg brannten durch unglückliche Zufälle nieder. Der Kaiser begab sich von Bamberg zunächst nach Würzburg, dann nach Frankfurt, und hier verbrachte er in Festesfreude das Geburtsfest des Herrn. Die Herkunft dieses Ortsnamens soll dir nicht länger unklar bleiben, lieber Leser; deshalb will ich dir jetzt erzählen, was ich von glaubwürdigen Männern darüber gehört habe. Unter der Regierung Kaiser Karls d. Gr., des Sohnes König Pippins, kam es zwischen den Seinen und unseren Vorfahren zum Kriege; in diesem Kampfe wurden die Franken von den Unsrigen besiegt; als sie nun, unkundig einer Furt, über den Main zurück mussten, ging vor ihnen eine Hirschkuh hinüber und zeigte ihnen so durch Gottes Erbarmen gleichsam den Weg; ihr folgten sie und erreichten frohen Mutes das rettende Ufer. Danach heißt der Ort Frankfurt. Als sich der Caesar auf diesem Feldzuge schon von den Feinden überwunden sah, wich er als erster zurück und erklärte: "Es ist mir lieber, dass die Leute mich schmähen und sagen, ich sei von hier geflohen, als ich sei hier gefallen. Denn so lange ich lebe, darf ich hoffen, die mir angetane schwere Schmach zu rächen." Im Jahre 8... der Fleischwerdung des Herrn errichtete der Caesar in dem Christus unterworfenen Sachsen als leuchtendes Zeichen seiner Frömmigkeit und guten Werke an einem Tage 8 Bistümer und legte die einzelnen Sprengel fest.
76. In diesem Jahre erlitten 4 große, mit verschiedenen Gewürzen beladene Schiffe der Venezianer Schiffbruch. Wie ich schon erwähnte, blieb im Westen, wo zuvor selten Ruhe herrschte, Gott sei Dank alles friedlich. Mein Mitbruder Ekkehard, ein Mönch St. Johannes des Täufers in Magdeburg (= Kloster Berge), verlor vom Schlage getroffen die Sprache. Im Grenzgebiet zwischen Bayern und Mähren griffen die Einwohner den Pilger Koloman auf, den sie für einen Spion hielten, und zwangen ihn durch schlimme Misshandlungen zum Bekenntnis einer Schuld, von der er frei war. Obwohl er kräftig seine Harmlosigkeit beteuerte und versicherte, er ziehe als armer Bruder Christi umher, hängte man ihn an einem längst verdorrten Baume auf: schuldlos, denn als man später sein Fleisch ein wenig anschnitt, floss Blut heraus; Nägel und Haare wuchsen. Der Baum selbst aber begann zu grünen und erwies ihn dadurch als Märtyrer Christi. Sobald Markgraf Heinrich davon erfuhr, ließ er seine Leiche in Melk bestatten.
(Übersetzung: Werner Trillmich)