Man trug alle zwölf Scharen herbei
und machte sie eifrig
so glühend heiß,
dass niemand so mutig war,
dass er sich nicht sehr davor fürchten würde.
Als das vorbereitet war,
befahl der König,
die sehr liebreizende Königin dorthin zu geleiten, wo das Gericht stattfinden sollte,
in der Nähe des Domes.
Die unschuldige Blume
blickte sehr andächtig
hoch zum Himmel;
sie sprach: "Herr Jesus Christus,
der du der Schöpfer von Himmel und Erde bist,
und alle Herzen kennst.
Du nennst dich Richter;
mein Richter und mein Zeuge sollst du sein.
Erweise an mir heute deine Herrlichkeit
und besitzt du hier auf Erden
Irgendeinen würdigen Diener,
dann lass mich heute eine von ihnen sein
und komme zu meiner Gerichtsverhandlung,
wie ein jeder es täte,
der geliebte Dienerschaft besitzt:
Er würde ihr aus der Not helfen,
eher als er sie töten lassen würde.
Nun hilf mir, Gott,
genauso wie ich es verdiene."
Sie wurde von zwei Bischöfen geführt,
den Ehrbarsten am Hof.
Der König schritt hinter ihnen her,
bis sie an die Stelle kamen,
an der das Gottesurteil vorbereitet worden war. Ihnen folgten viele wackere Männer.
In einer Kapelle fand das statt.
Als der König die Pflugscharen sah,
so glühend und so heiß,
bekam er großes Mitleid,
es kam ihm allzu grausam vor.
Er dachte: "Sie wird sich verbrennen!"
Er sprach zu der Königin:
"Ich erlasse Euch das Urteil!
Ich will Euch um Gottes willen für unschuldig halten!" Sie sprach: "Herr, die würden mich verspotten, die über mich reden
und allerhand Anstößiges über mich berichten; wegen denen verlange ich das Gericht;
es würde mir nichts nützen,
wenn ich vor Gott nicht Rechenschaft darüber ablegen darf. Und ist dieses Urteil auch grausam für mich, so hat er meine Unschuld ganz genau gemessen. Die bösen Reden werde ich aus dem Mund der Leute herausziehen,
auf dass sie von Kunigunde
anderes erzählen
und mich nicht mehr anfeinden."
Sie ging auf die Pflugscharen zu,
die alle schon an Ort und Stelle lagen.
Sie sprach mit reiner Seele:
"Lieber, vollkommener Gott,
hilf mir jetzt und in dieser Stunde,
da das wirklich wahr ist,
mit deiner Barmherzigkeit siehe zu,
Dass dieser selbe Heinrich
mich niemals zur Frau gewann
weder er noch ein anderer Mann!"
Im selben Moment wollte er
ihr den Mund zupressen,
auf dass sie das verschwiegen hätte;
das Blut spritzte hinab
vom Mund auf ihr Gewand.
Sofort bereute er sehr,
dass ihm diese Ungehörigkeit passiert war;
sehr traurig ging er von ihr weg.
Der adligen, vollkommenen Königin
wurden die Schuhe ausgezogen.
Sie trat in Gottes Namen darauf
und schritt über elf Pflugscharen.
Auf die Zwölfte stieg sie
und stand an dieser Stelle still.
So kühl stand die Dame
wie auf Tau.
Die Schar senkte sich unter ihren Füßen,
sie trat darauf, als ob es Teig wäre,
so dass die Gott Wohlgefällige
mit den bloßen Füßen auf der Erde
stehen blieb.
Sie alle sahen das Wunder, dass
wie sehr es auch glühte
sie sich nicht verbrannte.
Auf diese Weise hatte sie das abgewendet,
wodurch sie in Gefahr war.
Richtig wurde hier geurteilt.
Die Dame trat von den Pflugscharen.
Die Fürsten besahen sich einzeln
dieses große Wunder Gottes.
Daraufhin untersuchte der König ihren Fuß;
er redete sie liebevoll an
und sprach: "Ich bitte um deine Verzeihung,
gewähre mir deine Gunst!"
Sie sprach: "Bemüht Euch um Gottes Gunst,
Und habt sorgfältig acht auf seine Gebote!
Mein Wohlwollen habt ihr sicher."
(Übersetzung: Carla Meyer)