(6) Von dem ersten Boleslaw, der genannt wurde der Ruhmreiche oder Chrobry.
Als erster Herzog der Polen kam also Mieszko durch seine gläubige Gemahlin zur Gnade der Taufe, dem es zum Lob und Ruhm übergenug ist, dass zu seiner Zeit und durch ihn das Licht aus der Höhe das Königreich von Polen heimgesucht hat (Lk 1,78). Denn mit dieser seliggepriesenen Frau zeugte er den ruhmreichen Boleslaw (Chrobry), der nach Mieszkos Tod die Herrschaft mannhaft führte und mit Gottes Huld zu solcher Tapferkeit und Macht erwuchs, dass er um es so auszudrücken durch seine Tüchtigkeit ganz Polen mit goldenem Glanz überzog. Denn wer vermöchte seine Heldentaten und Kämpfe gegen die Völker überall ringsum in gebührender Weise zu erzählen, geschweige denn, sie der Erinnerung sogar in Schriften anzuvertrauen? Hat er nicht Mähren und Böhmen unterjocht und in Prag den Herzogsstuhl eingenommen und ihn seinen Suffraganen überlassen? Hat er nicht die Ungarn öfter im Kampfe besiegt und ihr Land bis zur Donau ganz seinem Machtbereich dienstbar gemacht? Die unbezwungenen Sachsen aber hat er mit solcher Tapferkeit gezähmt, dass im Flusse Saale mitten in ihrem Lande eine eiserne Grenzsäule das Gebiet Polens begrenzte. Ist es also nötig, Siege und Triumphe über ungläubige Völkerstämme namentlich aufzuzählen, die er, wie bekannt, gleichsam unter seinen Füßen zerstampft hat (Dan 7,19)? Denn er hat Selencia, Pomoranien und Preußen, sofern sie bis dahin noch im Unglauben verharrten, vernichtet, oder wenn sie sich bekehrt hatten, im Glauben gefestigt, so dass er dort viele Kirchen und Bischöfe durch den apostolischen Vater, ja vielmehr der apostolische Vater (sie) durch ihn geweiht hat.
Er hat auch den heiligen Adalbert, der auf einer langen Pilgerschaft und von seinem widerspenstigen böhmischen Volk viele Gewalttaten erlitten hatte, als er zu ihm kam, mit großer Ehrerbietung aufgenommen und vertrauensvoll auf seine Predigten und Unterweisungen gehört. Als aber der heilige Märtyrer, vom Feuer der Liebe und dem Predigteifer entflammt, sah, dass der Glaube in Polen schon beträchtlich erstarkt und die heilige Kirche gewachsen war, betrat er furchtlos Preußen und vollendete dort seinen Kampf (2 Tim 4,7) im Martyrium. Darauf aber hat Boleslaw seinen Leichnam von eben diesen Preußen um eine Menge Goldes gekauft und mit würdiger Ehrerbietung in der Metropole Gnesen beigesetzt.
Auch das halten wir für erwähnenswert, dass zu seiner Zeit der Kaiser Otto Rufus (gemeint ist Otto III.) zum heiligen Adalbert kam, um zu beten und ihn (als Fürsprecher) zu gewinnen und um zugleich den Ruhm des glorreichen Boleslaw kennenzulernen, wie man in der Leidensgeschichte des Märtyrers ausführlicher finden kann. Boleslaw nahm ihn so ehrenvoll und großartig auf, wie es sich für einen König ziemte, einen römischen Kaiser und so hohen Gast aufzunehmen. Denn bei der Ankunft des Kaisers zeigte Boleslaw außerordentliche Wunderwerke, vor allem mannigfache Schlachtreihen, dann ließ er in einer weiträumigen Ebene gleichsam die "Chöre" der Fürsten sich in Reihen aufstellen, und die buntfarbige Verschiedenheit der Kleidung gab den einzelnen Schlachtreihen deutlich getrennt ein schillerndes Bild. Und es gab dort nicht irgendeine billige Buntheit der Ausstattung, sondern alles, was man überhaupt unter den Völkern als das Wertvollere finden kann. Denn zur Zeit Boleslaws trugen alle Ritter und Frauen des Hofes Mäntel anstatt Leinen- oder Wollkleider, und auch noch so kostbare Pelze, auch wenn sie neu waren, trug man an seinem Hof nicht ohne Unterbesatz und Goldbrokat. Gold wurde nämlich zu seiner Zeit von allen für so gemein gehalten wie Silber, Silber aber hielt man für so wohlfeil wie sonst Stroh.
Als der römische Kaiser seinen Ruhm, seine Macht und seinen Reichtum betrachtete, sprach er voll Bewunderung: "Bei der Krone meines Reiches, was ich sehe, ist größer, als ich durch Erzählen vernommen habe." Und auf den Rat seiner Magnaten fügte er vor allen hinzu: "Es ziemt sich nicht, dass ein so großer und so bedeutender Mann wie einer von den Fürsten Herzog oder Graf genannt werde, sondern dass er, ehrenvoll mit einem Diadem umwunden, auf einen Königsthron erhoben werde." Und er nahm das kaiserliche Diadem seines Hauptes, setzte es zum Freundschaftsbund auf Boleslaws Haupt und gab ihm anstelle des Triumphbanners einen Nagel vom Kreuze des Herrn mit der Lanze des heiligen Mauritius zum Geschenk, wofür ihm Boleslaw seinerseits einen Arm des heiligen Adalbert schenkte.31 Und sie haben sich an jenem Tage in solcher Hochschätzung gegenseitig geeinigt, dass ihn der Kaiser als Bruder und Mithelfer des Reiches einsetzte und Freund und Bundesgenosse des römischen Volkes nannte. Darüber hinaus überließ er, was an kirchlichen Ehrenämtern im Königreich der Polen oder in den anderen von ihm besiegten oder noch zu besiegenden Barbarenländern zum Reich gehörte, seiner und seiner Nachfolger Macht. Das Dekret über diese Abmachung bestätigte Papst Silvester durch ein Privileg der heiligen römischen Kirche.
Nachdem nun Boleslaw vom Kaiser so glanzvoll zum König erhoben war, übte er die ihm (von Natur) mitgegebene Freigebigkeit dadurch aus, dass er an den drei Tagen seiner Weihe ein Festmahl wie ein König und wie ein Kaiser feierte, an den einzelnen Tagen alle Gefäße und alles Tischgerät auswechselte und noch verschiedenes andere und viel Wertvolleres darreichte. Dann am Ende des Festmahls ließ er Mundschenken und Speiseträger die Gold- und Silbergefäße solche aus Holz gab es nämlich dort nicht , und zwar Becher und Pokale, Schüsseln, Platten und Trinkhörner von allen Tischen der drei Tage einsammeln und schenkte dies dem Kaiser als Ehrengeschenk, nicht als fürstliche Abgabe: Ähnlich ließ er von den Kammerleuten breite Stoffgewebe und Wandbehänge, Teppiche, Decken, Tischtücher, Handtücher und alles, was zur Bedienung dargereicht wurde, einsammeln und in die Kammer des Kaisers schaffen. Darüber hinaus verschenkte er auch andere Gefäße in großer Zahl, und zwar solche aus Gold und Silber von unterschiedlicher Arbeit, buntfarbige Mäntel, Schmuckwerke unbekannter Art, Edelsteine, und er zeigte so viel und so Großes solcher Art, dass der Kaiser diese Geschenke für ein Wunder hielt. Die einzelnen Fürsten des Kaisers beschenkte er so großartig, dass er sie aus freundlich Gesinnten als seine besten Freunde gewann. Wer aber wird imstande sein aufzuzählen, was für Geschenke und wie große er den Vornehmen gab, zumal doch nicht einmal ein einziger Diener von einer so großen Zahl ohne Geschenk nach Hause zurückkehrte? Der Kaiser aber ging mit reichen Geschenken froh in sein eigenes Land zurück, Boleslaw aber erneuerte, nunmehr als König, den alten Zorn gegen die Feinde.
(Übersetzung: Josef Bujnoch)