17. Am 14. April versöhnten sich Erzbischof Gero (von Magdeburg) und Markgraf Bernhard (von der sächsischen Nordmark) in Wanzleben. Der Priester Liuthard starb. Auch wurden Herzog Gottfried (von Niederlothringen) und Graf Gerhard (vom Elsaß) durch kaiserlichen Machtspruch zur Versöhnung veranlasst. Berthold, der Eroberer der Burg Monreberg, ergab sich mit seinen Anhängern freiwillig der Gewalt des Kaisers. Die Burg wurde als Sühne für vieles sofort niedergebrannt. Gebe Gott, der Friedenskönig, dass man sie nie wieder aufbaut! Wie gut wäre es, wenn die im Bösen immer einigen Bewohner dieses Landes bei ihrem Tun nirgends mehr Schutz fänden. Doch leider stehen ihre Plätze heute noch so, wie es sich die Leute dort wünschen.
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18. Nach langem Aufenthalt verließ der Kaiser Nimwegen und feierte die Bettage andächtig zu Aachen. Danach verstarb am 16. Mai Lambert, der Bischof der hl. Kirche von Konstanz. Der Caesar erfuhr es, als er das Pfingstfest prächtig zu Ingelheim beging, und bestellte für diesen Sitz seinen Kapellan Rothard. Dann fand in Bürgel ein zahlreich besuchter Fürstentag statt, um gerichtlich wieder gut zu machen, was die Leute dort lange Zeit durch ihre Missachtung und große Willkür verschuldet hatten. Darauf erschien gnadeflehend Graf Otto (von Hammerstein) vor dem Kaiser und Erzbischof Erkanbald (von Mainz), musste aber nach dreifachem Zeugeneid auf seine rechtswidrig angetraute Gemahlin (Irmingard) Verzicht leisten. Mit Balderich kam es zur Versöhnung; die Verheißung Gottes vergaß man. Wenige Tage später verstarb am 24. Juni Heinrich, der Inhaber der Mark zwischen Ungarn und Bayern (Österreich), ein tapferer Ritter. Der Caesar reiste indessen nach der Stadt Basel, bot ein Heer auf und drang schnell in Burgund ein. Die Kaiserin (Kunigunde) aber begab sich in ihr liebes Kaufungen, wo sie ein Nonnenkloster stiftete. Dann zog sie durch Ostfranken nach Bayern und setzte in Regensburg ihren Bruder Heinrich (V.) auf den Herzogsstuhl. Im Monat Juni brachte unbeständiges Wetter vielen Menschen und all ihren Ländereien schweren Schaden.
19. Zur gleichen Zeit erlitt auch die mir Unwürdigem anvertraute Kirche infolge meiner Schuld schwere Verluste. Wollte doch der barmherzige und geduldige Gott nicht länger ungestraft lassen, was seine häufige Züchtigung nicht hatte verhindern können, obwohl er sie bisher nur mit Milde angefasst hatte, ohne sie in seinem Zorn nach Gebühr zu strafen. Wertvolle Diener hat sie verloren, und täglich muss sie meine Missetat beklagen. In diesem Monat nämlich fügte ihr und mir der Bastard Adalbert schwere Schmach zu, indem er es wagte, mit einem Haufen Knechte einen meiner Höfe zu überfallen und zu zerstören.
20. Was sie zu solchem Tun bewog, will ich wahrhaftig darlegen. Die milde, alle in reichstem Maße beglückende Güte Ottos II. hatte unserer Kirche zur Zeit Erzbischof Giselhers (von Magdeburg) und des Markgrafen Gunther einen Forst zwischen Saale, Mulde und den Gauen Siusili und Pleißnerland verliehen. Auch Markgraf Ekkehard (I.) erwarb unter der Regierung Ottos III. nach der betrüblichen Aufhebung unseres Stuhls einen Forst bei Sömmering, den er gegen den unsrigen vertauschte. Als jedoch König Heinrich unsere Würde erneuerte, erstattete er ihn uns rechtsgültig mit dem größten Teile des Zubehörs zurück; alle seine Großen waren zugegen, und die Brüder Hermann und Ekkehard (II.) konnten ihren Anspruch nicht durchsetzen. So blieb er mehr als 12 Jahre im Besitz unserer Kirche, ohne dass es Graf Hermann glückte, ihn gegen 60 Hufen aus meiner Verfügungsgewalt zurückzuerwerben; da kam er auf den Gedanken, ihn auf Grund kaiserlicher Urkunden über das Eigentum an den beiden Burgwarden Rochlitz und Teitzig für sich und seinen Bruder zu beanspruchen in der Erwartung, unsere ältere Besitzbestätigung sei längst verjährt. Als er mir das darlegte, merkte er wohl, es werde ihm nichts nützen. Wir wiesen nämlich in Magdeburg vor dem Kaiser beide unsere Urkunden vor, woraus klar hervorging, dass unsere Schenkungen in allem den Vorrang hatten. Da sagte der Graf in Gegenwart seines Bruders vor dessen Ohren: "Wir haben in dieser Angelegenheit bisher nichts Unüberlegtes unternommen, sondern glaubten im Recht zu sein. Jetzt müssen wir es wohl aufgeben."
21. Kurz darauf ließ der junge und daher noch unreife Ekkehard (II.) auf Veranlassung seines Ritters Budislaw in seinem Burgward Rochlitz hohe Gehege als Wildfallen anlegen. Als ich nachträglich davon erfuhr, nahm ich es zunächst ruhig hin, richtete aber durch meinen Mittelsmann, seinen Bruder, das Ersuchen an ihn, es zu unterlassen. Auch bei seinem Bruder Hermann beschwerte ich mich sofort darüber, erreichte allerdings gar nichts. Und dabei blieb es bis nach Ostern. Nun war damals gerade schönes Wetter und der Zustand der Wege gut; ich beschloss daher, diese bisher noch niemals besuchte Gegend meines Bistums aufzusuchen und die mir bisher unbekannten Verhältnisse eingehend zu prüfen. Am 2. Mai, einem Freitage, reiste ich nach Kohren und firmte dort alle, die sich einfanden. Als ich dann auf der Weiterreise die aus Stricken und großen Netzen gefertigte Anlage sah, war ich sehr betroffen und überlegte, was zu tun sei. Mitnehmen konnte ich solches Gerät ja nicht; ich ließ daher schließlich einen Teil davon gleich zerschneiden. Dann reiste ich geradenwegs nach Rochlitz, nahm dort einige Firmungen vor, untersagte allen bei Strafe des Bannes die rechtswidrige Einbehaltung meines Zehnten und die Waldnutzung, gebot Frieden und erklärte das Ganze für Gut unserer Kirche.
22. Dann kehrte ich auf meinen Hof Kohren zurück. 7 Tage später hörte ich von Drohungen der Vasallen Ekkehards (II.) gegen meine Leute. Nun war gerade der Kanzler (Gunther)hier mein Nachtgast und gab mir, als ich ihn davon unterrichtete, zufriedenstellenden Bescheid. Später rotteten sich diese Vasallen immer wieder zusammen, um mich zu schädigen, doch unsere Wachen waren jedes Mal rechtzeitig vor ihnen zur Stelle. Da sandte ich einen Boten zum Kaiser nach Mainz und bat ihn in Demut um Schlichtung. Obwohl nun aber Ekkehard seinerseits sich damit einverstanden erklärte und auch sein sehnlichst von mir erwarteter Bruder nach seiner Rückkehr aus Polen durch Handschlag Frieden zu halten versprach, hielten sich beide nicht daran. Sechs ausgepeitschte und geschorene Männer und ihre schändlich verwüsteten Häuser sind Zeugen dafür, wie man sich vor solchen Herren hüten muss. Und nicht nur gegen mich sind ihre Leute auf ihre Art vorgegangen, sondern auch anderen, Besseren haben sie Schaden zugefügt. Gegen Erzbischof Gero (von Magdeburg) gingen sie in Werben vor, gegen Graf Siegfried in Nischwitz; sie nahmen, was ihnen gefiel.
23. Der Herren Überheblichkeit reizte die Vasallen zu Übermut, und weil ihnen das recht ist, wollen sie andere im Lande nicht als ihresgleichen hinnehmen. Versieht sich irgend ein Nachbar ganz unabsichtlich und ohne böse Absicht gegen sie, so ist ihnen keine angemessene Buße recht, und später verlangen sie eine unerschwingliche Entschädigung. Diese Härte aber trifft die Nachbarn so schwer, dass niemand mehr etwas gegen sie zu unternehmen wagt, mag er im Recht sein oder nicht. Gar sehr bedrängt ihre Gewalt die Bistümer unserer Gegend, und wir, deren Sachwalter, genießen nur dann Ehren und Dienste, wenn wir uns gegen Gott und das Recht in allem ihrem Willen fügen. Andernfalls müssen wir Missachtung und Übergriffe hinnehmen, als herrsche der König und Kaiser nicht für uns. So bricht ein neuer "stößiger Stier" altes Recht und guten, bisher geltenden Brauch und zeigt sich machtvoll über andere erhaben. Beugt ihn der Himmel nicht bald, so wird seine unerträgliche Frechheit allzu sicher. Er kennt die leise Warnung Davids nicht: "Hebt euer Horn nicht empor usw.". Für solche Leute betet der hl. Psalmist: "Du, Herr, nimmst ihnen den Lebenshauch, so vergehen sie und werden wieder zu Staub. Du sendest deinen Geist aus, und sie werden erschaffen" usw. Wer sich selbst nicht kennt, bedarf einer kräftigen Ermahnung; denn selbst einer, der ständig auf sich achtet, vermag nichts ohne guten Zuspruch. Mögen die Sünder zur Vernunft kommen und sorgsam darauf achten, dass sie sich selbst in Zucht nehmen und barmherzig zu den Armen sind!
24. Wohl bin ich elend durch meine Missetaten, arm an Fähigkeiten und stehe in beidem weit unter allen Männern meines Standes, doch trotzdem trifft nicht mich allein vor ihnen solche Schmach. Ich will nichts in diese Bücher eintragen von meinen Mitbischöfen, die in den verschiedensten Ländern dieser Welt unsäglichen Schaden erlitten haben, obwohl es mich tief betrübt, dass sie bis auf ihren Weihegrad alle äußeren Ehren entbehren müssen. Jetzt habe ich nur Gelegenheit, von denen zu reden, die in der Gegenwart von ihren Landsleuten ähnliche oder noch schlimmere Kränkungen erfahren haben. Bernward, der hochwürdigste Hirt der hl. Kirchen von Hildesheim, war dem Grafen Bruno so tief verhasst, dass er eine Züchtigung seines Ritters Rim an Haar und Haut und später auf einem gemeinsamen Ritt dessen Ermordung durch den jungen Altmann erlebte. Auch Suidger, der erlauchte Bischof der hohen Kirche von Münster, wurde im eigenen Hofe von einem vornehmen Ritter angefallen, und es bespritzte ihn das Blut seines ihm vor den Augen erschlagenen Meiers. Haben das solche Männer verdient? Beide waren fromme Priester, und dennoch mussten sie diesen unverdienten Schimpf hinnehmen.
25. Von Bischof Suidger (von Münster) habe ich aus sträflicher Vergesslichkeit bisher noch nicht gesprochen; das muss ich nun wieder gutmachen. Er war von Geburt Sachse, von Jugend auf in Halberstadt und Magdeburg erzogen und durch Otto III. der Stadt Münster zum Bischof gesetzt. Während seiner äußerst umsichtigen Amtsführung tat er sich von Gottes Gnade gestützt in mancherlei Tugenden hervor. Nur zwei Beispiele davon will ich anführen, die ich durch zuverlässige Zeugen erhärten kann. Als einmal sein Kämmerer eine heimlich entwendete Kappe verbergen wollte und trotz eingehender Vernehmung durch seinen frommen Herrn seine Schuld nicht bekannte, ließ ihn dieser ein auf dem Tisch liegendes, andächtig gesegnetes Messer ergreifen; doch schleunigst ließ er es wieder fallen, als glühe es, und er gestand dadurch seine große Schuld. Ein andermal hatte man mit großer Mühe einen von einem bösen Geist besessenen Mann überwältigt und vor den Priester geführt. Der befahl sofort, ihn loszulassen, wehrte den wütend auf ihn Losgehenden mutig nur mit seinem Stabe ab und schlug über ihn das Zeichen des hl. Kreuzes; dann ließ er ihn durch Gottes Kraft beruhigt gehen.
26. Solche Taten schrieb dieser Mann (= Bischof Suidger von Münster) nicht sich selbst zu, sondern dem, der sie durch ihn wirkte. Die seinem Leben beschiedenen Tage verbrachte er in Christus und diente ihm als treuer Knecht mit allem Eifer. 16 Jahre lang hatte er seinen Stuhl inne, ständig heimgesucht von schwerer Krankheit, dem Quell aller Tugenden; dann starb er, wo er gelebt hatte, am 19. November (1011) im 10. Jahre der Regierung unseres Kaisers Heinrich. Sein Nachfolger Dietrich, der Sohn meiner Mutterschwester, musste von Graf Hermanns (von Werl) Sohn Heinrich, wie berichtet, viel Schmach hinnehmen. In diesem Jahre nun lebte der zeitweise beigelegte Streit wieder auf. Erzbischof Heribert von Köln musste lange viele Belästigungen durch den Grafen hinnehmen. Kein Wunder, hielt er doch dessen Mutter eine ganz Weile in Haft. Außerdem plünderte noch mein Vetter Thietmar, Herzog Bernhards (II. von Sachsen) Bruder, bei Bischof Meinwerk (von Paderborn).
27. Doch wozu schildere ich das alles? Sehe ich doch in keinem dieser Ereignisse ein Vorbild oder einen Trost für mich. Besser ist es, ich halte mich an meine Aufgabe. Während ich darüber nachdenke, kommt mir die Vision des hl. Johannes in den Sinn: "Das erste Wehe ist vorbei, doch siehe! zwei neue folgen ihm". Wohl ist recht kläglich, was ich oben immer wieder darstellen musste. Doch in der Zeit unseres Herrschers und sieghaften Schützers Heinrich hat sich noch nie ein ähnliches Unglück ereignet, wie es unsere Missetat gerade jetzt verursacht hat. Am Dienstage, dem 29. Juli, hat mitten unter uns Mars so gehaust, dass die Mutter Kirche in Ewigkeit darüber klagen wird. Bischof Adalbold von Utrecht hat nämlich mit Herzog Gottfried (von Niederlothringen) und unterstützt von dessen Gefährten und Freunden einen Angriff unternommen auf Dietrich (III., Graf von Holland), den Neffen unserer Kaiserin (Kunigunde), denn der hatte ihm zuvor seine Mannen erschlagen und dadurch großen Schaden zugefügt. Das Aufgebot versammelte sich auf einer Insel. Hier machte es sich schnell zum Kampfe bereit, doch den Tod, mit dem es den Feind bedrohte, fand es leider selbst. Von allen Seiten brachen die Friesen aus dem Hinterhalte hervor, die Vasallen des jungen Mannes umringten es ganz unerwartet und welch schreckliches Wort! durch das Schwert und im Wasser verloren sie ihr Leben, ohne dem Gegner schaden zu können. Der Bischof konnte in einem Boot noch entkommen, auch der Herzog rettete sich vor den Feinden. Nach zuverlässigen Aussagen kamen mehr als drei Legionen um. Nun hat das ganze Land dort keinen starken Schützer mehr und befürchtet in seinem Jammer täglich die Landung von Seeräubern. Tot ist Graf Gottfried, erschlagen liegt der wackere Ritter Johannes, das Land wird ihn immer beweinen. Ihre edlen und ruhmreichen Gefährten kämpften bisher mit siegreicher Hand; jetzt ruhen sie in ihrem Unglück. Ihre Leiber büßen, was unsere Sünden verschuldet haben. Doch ihre Seelen werden, gereinigt von ihrer heftigen Leidenschaft, hoffentlich Freude finden.
28. Wundre dich nicht über ein solches Unglück, lieber Leser! Vernimm auch, wie es dazu kam! Der unselige Dietrich (III., Graf von Holland) war Vasall des Bischofs (Adalbold von Utrecht). Der aber besaß im Merwede-Walde einen großen Hof, und alle Umwohner hatten in Nimwegen beim Caesar darüber Klage geführt, er sei ihnen durch den Grafen rechtswidrig genommen worden. Darauf hatte der Kaiser mit Empfehlung seiner Großen angeordnet, der Bischof von Utrecht dürfe (die gräflichen Anlagen) niederbrennen und die Kläger wieder einsetzen. Als der ruchlose junge Mann seinen Lehnsherrn nicht von diesem Gebot abbringen konnte, erbat er Urlaub und versicherte, er werde es schon zu verhindern wissen. Und nun kam es unverzüglich so, wie ich geschildert habe: Mehr um unserer Missetat willen, als weil es der Sieger verdient hätte. Lange zuvor hatte schon ein Schwarm von Vögeln, die sich von überall her sammelten und mit den Krallen zerfleischten, das unsägliche und unstillbare Leid angekündigt und den Ort bezeichnet, wo die Männer später sterben sollten. Des hl. David Verwünschung über den Berg Gilboa will ich ständig über diese Insel aussprechen, obwohl ich dazu unwürdig bin. Am gleichen Tage starb zu Tiel Bischof Balderich von Lüttich.
29. In diesen Tagen aßen in meinem Bistum 7 Knechte giftige Pilze und fanden schnell durch zehrendes Fieber den Tod. Im Monat August erschien ein neuer Stern neben dem Wagen und schreckte durch sein Leuchten aus der Ferne alle, die es sahen. War doch niemals, solange wir denken können, etwas Ähnliches geschehen; deshalb erschraken alle darüber. Die Menge fürchtet seine böse Vorbedeutung, das Häuflein der Gläubigen aber hofft auf einen barmherzigen Ausgang. Von einer ähnlichen Erscheinung spricht der Wahrheitskünder Jeremias: "Der Allwissende kennt es; in seiner Weisheit hat er darüber befunden". Dieser leuchtende Stern blieb länger als 14 Tage sichtbar. Im Nordthüringgau fügten drei ständig zusammenhaltende Wölfe, wie sie die Einwohner zuvor niemals gesehen hatten, vielen Menschen und dem Vieh maßlosen Schaden zu. Auch das erschreckte die ganze Bevölkerung sehr und weckte Besorgnis vor kommendem, größerem Unheil. Sagt doch der selige Gregor: "Viel Schlimmes muss zuvor geschehen, um das Nahen der Unendlichkeit anzukünden". Alles eben genannte enthüllt uns von oben her den Zorn des Himmels, doch die menschliche Schwäche richtet darauf kein wachsames Auge.
30. Dieses Jahr (1018) darf mit anderem Namen wirklich das des Erdbebens oder der schweren Erschütterung heißen. Brach doch über die unbeständige Welt unsägliche Bedrängnis herein und ängstigte allenthalben ihre Bewohner. Zum Teil habe ich schon davon gesprochen; was ich übergangen habe, will ich in tiefer Beklemmung jetzt darlegen. Fast alle Ritter Bischof Balderichs (von Lüttich) und des Bischofs (Gerhard) von Cambrai sind auf der Insel gefallen; in den drei Nachbargauen war kein Haus, in dem nicht wenigstens ein Bewohner fehlte. Die Überlieferung beweist, dass seit der Zeit Karls in diesen Landschaften an keinem Tage und in keinem Jahre etwas Ähnliches geschehen ist. Wie hätten jemals so viele Männer fallen können, ohne dass auch der Feind Verluste erlitt? Wer es freilich recht bedenkt, braucht sich nicht darüber zu wundern, dass der nicht zu kämpfen vermag, den ob seiner schweren Schuld Gottes Strafgericht treffen soll. Doch auch dieses nicht zu verwindende Unheil wird später schnell in Vergessenheit geraten, denn Bischof Adalbold (von Utrecht) hat sich auf Verwenden des Herzogs Gottfried (von Niederlothringen) mit seinem Feinde Dietrich (III., Graf von Holland) ausgesöhnt. Das geschah allerdings nicht freiwillig, sondern aus tiefer Not. Gab es doch dort im Lande keinen machtvollen Verteidiger mehr, wenn nochmals ein starker Feind aufstünde. Wenn aber dieses Unglück nach Gottes Willen ist, wer dürfte dann dafür Sühne fordern. Ist es anders, wer könnte unentrinnbarer strafen als er? Darum wollen wir wie der hl. Abt Columba beim Tode des großen Kaisers Karl "unsere Tränen trocknen und heilsame Gebete anstimmen".
31. Nicht schweigen dürfen wir von den betrüblichen, verlustreichen Ereignissen in Russland. Hier hat nämlich Boleslaw (von Chrobry) mit starker Heeresmacht angegriffen und auf unseren Rat schweren Schaden angerichtet. Am 22. Juli erreichte der Herzog einen Fluss, an dem er sein Heer lagern und die erforderlichen Brücken vorbereiten ließ. In gespannter Erwartung, wie der gegenseitig angesagte Kampf ausgehen werde, lag der Russenkönig mit den Seinen ganz in der Nähe. Da ließ sich der Feind in seiner Stellung durch polnische Herausforderungen zum Kampfe verleiten und mit überraschendem Erfolge vom Flussufer vertreiben, das er sichern sollte. Ermutigt durch dieses Getümmel ließ Boleslaw seine Leute schleunigst alarmieren und so kam er, wenn auch nicht ohne Mühe, rasch über den Fluss. Nun aber waren alle Anstrengungen des ihm in Schlachtordnung zum Schutze des Landes entgegentretenden feindlichen Heeres umsonst. Schon beim ersten Zusammenprall wich es zurück und später hat es keinerlei entschlossenen Widerstand mehr geleistet. Damals freilich wurde eine große Schar der Fliehenden, doch nur wenige von den Siegern erschlagen. Von den Unsrigen fiel der wackere Ritter Erich, den unser Kaiser lange in Haft gehalten hatte. Mit dem erhofften Erfolge trieb Boleslaw seit diesem Tage die zersprengten Gegner vor sich her, während ihn die gesamte Bevölkerung aufnahm und mit vielen Geschenken ehrte.
32. Inzwischen konnte Jaroslaw eine Stadt erobern, die damals seinem Bruder untertan war; ihre Einwohner ließ er wegführen. Dagegen wurde auf Boleslaws Anstiften die sehr starke Stadt Kiew durch häufige Angriffe feindlicher Petschenegen beunruhigt und durch große Brände geschwächt. Ihre Einwohner verteidigten sie wohl, öffneten aber den fremden Truppen sehr bald. Als nämlich ihr König flüchtete und sie preisgab, nahm die Stadt am 14. August Boleslaw und ihren lange entbehrten Herrn Swentepolk auf; sein Ansehen und die Furcht vor den Unsrigen brachten das ganze Land zum Anschluss. Bei ihrem Nahen empfing sie der Erzbischof der Stadt mit den Heiligenreliquien und allerlei anderem Prunk im Kloster der hl. Sophia, das durch irgend einen Zufall im Jahre zuvor kläglich niedergebrannt war. Hier weilten auch Stiefmutter, Gemahlin und 9 Schwestern des Königs, um deren eine der alte, geile Boleslaw früher geworben hatte; jetzt führte er sie, ohne an seine Gemahlin zu denken, wider alles Recht heim. Auch wies man ihm dort einen sagenhaften Schatz, den er großenteils an seine Freunde und Anhänger verschenkte; einiges sandte er jedoch in sein Land. Zuzug geleistet hatten dem Herzog von unserer Seite 300, von den Ungarn 500, von den Petschenegen aber 1000 Männer. Sie alle wurden nun nach Hause entlassen, da der Landesherr mit Freude sah, wie ihm die Bevölkerung zufiel und sich ihm als treu erwies. In dieser großen Stadt, der Hauptstadt des Reiches, gibt es mehr als 400 Kirchen und 8 Märkte; die Zahl der Einwohner ist unbekannt. Wie im ganzen Lande setzen sie sich zusammen aus starken, flüchtigen Knechten, die sich von überallher zusammenfinden, besonders aber aus kampftüchtigen Dänen, die sich bisher gegen die häufigen Belästigungen der Petschenegen behauptet und auch andere Feinde besiegt haben.
33. Voller Stolz über diese Erfolge entsandte Boleslaw den Erzbischof der Stadt an Jaroslaw mit der Bitte um Auslieferung seiner Tochter; er selbst sichere ihm die Entlassung seiner Gemahlin, Stiefmutter und Schwestern zu. Dann schickte er seinen lieben Abt Tuni mit großen Geschenken zu unserem Kaiser, um sich mit der Erklärung, er werde ganz nach seinen Wünschen handeln, weiterhin seiner Huld und Unterstützung zu versichern. Auch in das nahe Griechenland schickte er Gesandte, die dem Kaiser dort günstige Zusagen machen sollten, wenn er sich als treuer Freund betrachten wolle. Andernfalls, sollten sie erklären, sei er sein hartnäckiger, unüberwindlicher Gegner. Bei alledem möge uns der allmächtige Gott fest beistehen und in seiner Barmherzigkeit zeigen, was ihm gefällt und uns frommt.
In diesen Tagen nahm mein Vetter, Graf Udo, den ihm an Adel und Macht ebenbürtigen Hermann gefangen und ließ ihn gewaltsam in seine Burg schaffen. Gefährliches Unkraut, so fürchte ich, wird daraus erwachsen, und schwer oder gar nicht wird es sich ausrotten lassen.
34. Jetzt will ich wieder von unserem Kaiser erzählen, der bei der Rückkehr von seinem Unglückszuge nichts von all dem Versprochenen erhalten hatte und auch seinen Widersachern nur allzu wenig Schaden zufügen konnte. Herzog Dietrich, sein trefflicher und getreuer Vasall, war von einem ihm und dem Caesar offensichtlich feindlich gesinnten Herrn Stephan aus dem Hinterhalt überfallen worden, als er getrennt von ihm heimziehen wollte; er blieb zwar siegreich, doch als seine Kriegsleute sich über die Beute hermachten, wurden sie erneut angegriffen und leider überwältigt; nur er und einige wenige konnten entkommen. Das war sein zweites derartiges Missgeschick. Gebe Gott, dass er nicht zum drittenmal in Gefahr gerät! Als unser Kaiser von alledem Kunde bekam, hielt er im Schwabenlande einen Fürstentag ab über Fragen des Reiches; dann zog er voller Sorgen rheinabwärts. Gestürzt waren ja leider zum größten Teil die Säulen des Reiches unter seinen Mitarbeitern, und es war für ihn insgeheim eine schwere Last, dass Männer, die Treue heuchelten, im Verborgenen mit Hilfe Fremder gegen ihn zu arbeiten suchten; er konnte seines kaiserlichen Amtes nicht recht nach freiem Willen walten und ihre widerrechtliche Anmaßung nirgendwie einschränken.
(Übersetzung: Werner Trillmich)