88. Währenddessen erwartete auch Erzbischof Liawizo von Bremen nach langer Krankheit in frommer Sorge sein Ende, und in der Nacht vor seinem letzten Tage tröstete er die vom vielen Wachen schon müde gewordenen Brüder folgendermaßen: "Liebste Brüder und Söhne! An der himmlischen Gnade darf keiner von euch zweifeln; ich will euch jetzt, um eure Mühen ein wenig zu erleichtern, als Beispiel von mir erzählen; ihr könnt getrost darauf vertrauen. Als der Herr Papst Benedikt hier in der Verbannung lebte, wollte ich ihn aufsuchen; viele Menschen haben immer wieder versucht, mich von der Reise zu ihm abzubringen, aber keine ihrer freundlichen Warnungen konnte mich halten. Solange er lebte, bin ich in Sorge um ihn geblieben, und nach seinem Tode habe ich meinem Herrn Adaldag in Demut gedient. Da er das wusste, vertraute er meiner Obhut seine Armen an. Dann wurde ich sein Kämmerer. Als nun aber der fromme Mann in sein ständig ersehntes himmlisches Vaterland hinüberging, folgte ich ihm trotz meiner Unwürdigkeit durch eure gemeinsame Wahl und die königliche Verleihung. Wir wollen uns jetzt aus Liebe zu Christus von Herzen alles vergeben, was wir aneinander gefehlt haben, damit wir in vollem Frieden voneinander Abschied nehmen und uns am Jüngsten Tage wieder begegnen können. An meinem Lebensende gebe ich euch den heilsamen Rat: Wählt zum Heile für das Land Otto, ein Mitglied eures Kapitels, einstimmig zum Leiter unserer Kirche und betet um die Gnade Gottes, in dessen Hand das Herz des Königs ist, damit er der Verwirklichung zustimme." Alle hörten auf seine Ermahnungen und gelobten ihm einmütig Zustimmung und Eintreten dafür. Der nächste Tag war ein Sonntag; mit erhobenen Händen empfahl der selige Vater dem höchsten Hirten die ihm untergebene Herde und seine Seele und ging als Toter am 4. Januar (1013) dorthin, wohin er im Leben hatte gehen wollen. War er doch einer von denen, über die der Prophet staunt, weil sie fliegen wie Wolken und Tauben zu ihren Fenstern. Vom ständigen Wachen und Fasten erschien er schon zu Lebzeiten allen, die ihn nicht kannten, wie ein Abgeschiedener. Niemals trat er ohne Geschenke vor den Altar des Herrn. Ständig ermahnte er das Volk und heiter spendete er an alle. Er hatte vor Gott solches Verdienst, dass sein Bistum von den ständigen Einfällen der wilden Seeräuber stets verschont blieb.

89. Währenddessen verließ der König Allstedt, wo er die Erscheinung des Herrn gefeiert und Gesandte Boleslaws (Chrobrys) empfangen hatte, die um Frieden baten und versprachen, sein Sohn Mieszko (II.) werde ihn vollziehen; dann kam er nach Merseburg. Hier erfuhr er vom Tode des Bischofs, klagte um den Verlust für unsere Zeit, sagte aber auch Dank für seine künftige Fürsprache und feierte in Andacht sein Gedenken. Dann verließ er uns und beging die Reinigung der hl. Gottesmutter in Magdeburg. An diesem Tage erschien Otto demütig mit Geistlichkeit und Laien und erbat durch treue Fürsprecher, wie schon zuvor, des Königs Huld zur Vollziehung seiner Wahl. Der König aber erhörte sie nicht, sondern verlieh das Bistum seinem Kapellan Unwan unter dem freilich nicht ganz freiwilligen Beifall der Erschienenen; Otto nahm er in seine Dienste und suchte ihn durch das Versprechen seiner Gewogenheit zu entschädigen. Dann wurde Unwan auf Befehl des Königs und in seiner Gegenwart durch Erzbischof Gero (von Magdeburg) mit Zustimmung und unter Assistenz der Bischöfe Ekkehard (von Schleswig) und Thorgut (Missionsbischof in Götland) zum Erzbischof gesalbt.

90. Wenige Tage später traf Boleslaws (Chrobry) Sohn Mieszko (II.) mit reichen Geschenken ein, wurde Vasall des Königs und gelobte ihm eidlich Treue. Dann wurde er unter hohen Ehren entlassen und zufriedengestellt, damit er wiederkomme. ­ In diesen Tagen tobte nach Sonnenuntergang ein schwerer Sturm und erschreckte uns alle sehr. Zerstörte er doch eine Kirche vor der Stadt, die unter König Otto I. aus rotem Holz erbaut worden war. Auch verzehrte ein Brand viele Besitztümer des Erzbischofs. ­ Weiter kam es dem Könige zu Ohren, dass mein Vetter Werner (Markgraf der sächsischen Nordmark) mit Markgraf Hermanns Bruder Ekkehard ohne seine Genehmigung Boleslaw aufgesucht und dort vielerlei seine Huld verwirkende Reden geführt hatte; auch empfange er hier heimlich oftmals Botschaften von ihm. Das alles vermerkte der König sehr übel und befahl beiden, vor ihm zu erscheinen. Da sie das nicht zu tun wagten, ließ er alle ihre Güter beschlagnahmen und sie selbst des Widerstandes gegen die königliche Gewalt schuldig sprechen. Durch ein Gut und Goldzahlungen erlangte mein Vetter schließlich doch Huld und Heimatrecht zurück. Der andere aber wurde erst viel später auf getreue Fürsprache hin begnadigt. ­ Im gleichen Jahre verstarb am 18. März der Eremit Wonlef, ein wackerer Israelit.

91. In der nächsten Fastenzeit (1013) kam der König nach Werla und lag dort lange an einer Kolik krank danieder; hier wurde ihm durch eine Vision vielerlei enthüllt. Schließlich genas er wieder dank der Tränen und Gebete vieler; weil aber nun die Zeit nicht mehr ausreichte, das beabsichtigte Ziel zu erreichen, feierte er in schuldiger Verehrung das Osterfest bei seinem lieben Meinwerk in Paderborn, Pfingsten aber bei uns. An dessen Vortage erschien, gesichert durch daheim zurückgehaltene Geiseln, auch Boleslaw (Chrobry); er wurde aufs beste empfangen. Am hl. Festtage selbst wurde er durch Handfaltung Vasall, und nach der Eidesleistung diente er dem Könige, während er unter der Krone zur Kirche schritt, als Schwertträger. Am Montag versöhnte er den König durch Überreichung großer Geschenke von sich und seiner Gemahlin; dann erhielt er aus königlicher Milde noch viel bessere und größere Gegengaben sowie das lange ersehnte Lehen und entließ seine Geiseln ehrenvoll und freundlich. Dann aber griff er mit unserer Unterstützung Russland an. Ein großer Teil dieses Landes wurde verwüstet; als es dort zwischen den Seinen und befreundeten Petschenegen zu einem Streit kam, ließ er sie sämtlich niederhauen, obwohl sie Bundesgenossen waren. In diesen Tagen wurde Abt Branthag von Fulda abgesetzt; ihm folgte der damalige Hirte von Lorsch, der Konverse Poppo; das beeinträchtigte den Zustand des Klosters schwer, dessen Mönche sich weithin zerstreuten. ­ In Herzog Bernhards Burg Lüneburg entstand in diesem Jahre eine seltsame Veränderung und Bewegung der Luft sowie ein gewaltiger Erdspalt. Die Einwohner waren sehr betroffen davon und versicherten, früher nie etwas Ähnliches beobachtet zu haben.

92. Der König aber reiste in den Westen, traf Anordnungen für einen Zug in die Lombardei und kehrte nochmals zu uns zurück. Von hier brach er am 21. September auf und zog schnell durch Bayern und Schwaben bis nach ... Hier sammelte sich das Heer aus allen Landschaften, und es zeigte sich, dass alle bereitwillig Hilfe leisten wollten. Von da aus zog der König, von der Königin (Kunigunde) begleitet, völlig unbehelligt nach Rom. Boleslaw (Chrobry) leistete keinerlei Beihilfe zu diesem Zuge, obwohl er zuvor dazu aufgefordert worden war, und so zeigte er sich trotz seiner schönen Versprechungen wie üblich als Lügner. Obendrein hatte er schon früher dem Herrn Papst ein Schreiben überbringen lassen, in dem er sich beklagte, er könne dem Apostelfürsten Petrus den versprochenen Zins nicht zahlen, weil ihm der König insgeheim nachstelle. Auch damals sandte er Kundschafter aus, ließ heimlich ausspähen, wie der König dort im Lande aufgenommen wurde und suchte durch sie, wo es nur anging, Männer seiner Huld zu entfremden. So achtete er Gott, so bemühte er sich um die Fürbitte frommer Menschen, so stark war des wackeren Ritters Zuverlässigkeit und Treue, so hielt er sich an seine furchtbaren Eide! Vernimm, lieber Leser, wie er sich bei solchen Schandtaten verhält: Wenn er selbst merkt, dass er viel gesündigt hat, oder wenn es ihm irgendwelche treugemeinte Vorwürfe zu Bewusstsein bringen, lässt er sich das Kirchenrecht vorlegen um festzustellen, welche Sühne er leisten muss; nach diesen Vorschriften sucht er dann gleich für das begangene Vergehen zu büßen. Aber seine Gewohnheit, unheilbringend zu sündigen, ist viel stärker als seine Kraft, in heilsamer Reue zu verharren.

93. Sein gleichwertiger Genosse, der von den Lombarden zu Unrecht als König bezeichnete Arduin, war bestürzt über die Ankunft des großen Königs und die Macht seines Heeres. Weil er es seinen Kräften nicht zutraute, ihm zu schaden, zog er sich sofort in den Schutz einer Burg zurück; dass der König damals, einem Rufe folgend, einer höheren Würde entgegenging, verdross ihn ganz besonders. Nach langen, wütenden Überlegungen schickte er Gesandte an den König, die für ihn eine Grafschaft verlangen und die feste Zusicherung machen sollten, er werde ihm außer der Krone auch seine Söhne ausliefern. Dass der König einigen Ratgebern nachgab und hierauf nicht einging, sollte für seine Getreuen sehr zum Schaden ausschlagen; das musste er später erkennen; ich werde es im Folgenden schildern.

94. Doch zuvor will ich meiner Schilderung noch anzufügen suchen, was ich oben aus Vergesslichkeit darzustellen unterlassen habe. ­ Einer meiner Altersgenossen und Mitschüler aus edelstem Geschlecht, aber durch das Erbarmen des Herrn mehr als seine anderen Verwandten ein Auserwählter unter den Kindern Gottes, war Brun (von Querfurt). Ihn liebte seine ehrwürdige Mutter Ida besonders und übergab ihn zur Unterweisung dem Philosophen Geddo; reichlich erhielt er alles, was er brauchte. Sein Vater war Brun, ein wackerer und sehr lobwürdiger Herr. Er stand mir verwandtschaftlich nahe und war zu allen Menschen sehr freundlich. Wenn sein gleichnamiger Sohn morgens zur Schule gehen musste, bat er vor dem Verlassen der Unterkunft um Urlaub und betete, während wir spielten. Beschäftigung war ihm lieber als Nichtstun, und so trug er Frucht und gelangte zur Reife. Otto III. ließ ihn kommen und nahm ihn in seine Dienste; er aber verließ ihn bald wieder, suchte ein Einsiedlerleben zu führen und lebte von seiner Tätigkeit. Nach dem Tode des ruhmreichsten Kaisers, als Heinrich II. von Gottes Gnaden König war, kam er nach Merseburg, bat ihn im Einverständnis mit dem Herrn Papst (Silvester II.)um die Bischofswürde und erhielt hier auf seinen Befehl durch Erzbischof Tagino (von Magdeburg) die Weihe und das Pallium, das er selbst mitgebracht hatte. Dann nahm er zum Gewinn für seine Seele die Mühe einer weiten und großen Reise auf sich, kasteite seinen Leib durch Fasten und quälte sich mit Nachtwachen. Von Boleslaw (Chrobry) und anderen reichen Leuten erhielt er viele Güter, die er sogleich an Kirchen, Freunde und Arme verteilte, ohne etwas für sich zu behalten.

95. Im 12. Jahre seines (= Brun von Querfurt) trefflichen mönchischen Lebenswandels reiste er nach Preußen, um diesen unfruchtbaren Boden mit göttlicher Saat zu befruchten. Aber das rauhe Land, in dem die Dornen sprießen, ließ sich nicht leicht auflockern. Als er im Grenzraum zwischen diesem Gebiet und Russland predigte, untersagten es ihm die Einwohner zunächst; als er weiter das Evangelium verkündigte, nahmen sie ihn gefangen und enthaupteten ihn, der in der Liebe zu Christus, dem Haupt der Kirche, sanft war wie ein Lamm, am 14. Februar (1009), zusammen mit seinen 18 Begleitern. Die Leichen aller dieser Märtyrer blieben unbestattet liegen, bis Boleslaw (Chrobry) davon erfuhr, sie loskaufte und seinem Hause dadurch Trost für die Zukunft erwarb. Das geschah zur Zeit des erleuchteten Königs Heinrich; durch den Triumph eines solchen Bischofs hat ihn der allmächtige Gott geehrt und ihm, wie ich gar sehr hoffe, Heil gespendet. Der Vater des Bischofs aber erkrankte lange danach, legte auf den Rat seines Sohnes, wie er mir selbst erzählt hat, Mönchstracht an und entschlief in Frieden am 19. Oktober.

96. Nicht leicht nehmen darf man den großen Übermut der Vasallen Markgraf Geros; der Gläubige muss sich darüber wundern und sich aus christlicher Liebe davon fernhalten. Bringen wir zunächst den Tatbestand, und beurteilen wir dann das Geschehen, ob es lobenswert ist oder den Abscheu aller Guten verdient. Am Feste des Märtyrers Christi Cyriacus (16. März 1013) war Bischof Arnulf (von Halberstadt) auf Einladung der ehrwürdigsten Äbtissin Hathui nach Gernrode zum Gastmahl gekommen. Als er an dem heiligen Tage nach der Messe die Kirche verließ, sah er einen Priester mit einem Falken auf der Hand. Entrüstet griff er mit der Hand nach ihm und nahm ihn mit, nicht um ihn zu bestrafen, sondern nur, um ihn mit ruhigen Worten zu tadeln. Da ließ eilends ein Gerücht die Ritter zusammenkommen, und ihr Führer Hugal erschien beim Bischof mit der Frage, warum er seinem Herrn solchen Schimpf antue. Der Bischof fragte: "Was habe ich denn getan? Ich bemerkte eine Missachtung Christi, und da sie offensichtlich in meinem Bistum erfolgte, durfte ich sie nicht dulden. Es ist nichts Schlimmes geschehen. Wir sollten einen euch genehmen Tag ansetzen; ich werde euch hinreichend Genugtuung geben, falls mich gemeinsame Freunde schuldig finden." Doch der sprach weiter: "So darf und wird es nicht kommen. Reinigt euch noch heute durch einen Eid oder gelobt meinem Herrn und uns Buße!" Darauf entgegnete der Bischof: "Der heilige Festtag verbietet mir den Schwur und euch seine Entgegennahme. Es erscheint mir sehr bedauerlich, dass ihr mir sogar eine gerichtliche Untersuchung verweigert.

97. Da ging Hugal zornig fort, und ohne Wissen des Grafen rotteten sich Bewaffnete zusammen. Als der Bischof speisen wollte, sah er sie kommen. Sofort wurde das Haus, in dem er sich befand, fest von den Seinen gesichert und stark verrammelt, damit die Feinde nicht leicht eindringen konnten. Aber als sie gerade stürmen wollten, teilte man ihnen wahrheitsgemäß mit, der Bischof (Arnulf von Halberstadt) sei anderswohin entkommen und befinde sich nicht mehr dort. Da suchten sie ihn im Kloster und schließlich sogar in der Kirche; er hielt sich verborgen ­ darin liegt keine Schande für ihn ­, konnte alles beobachten, aber man fand ihn Gott sei Dank nicht. Schließlich legte sich der Aufruhr, sie gingen wieder in ihre Herberge und zogen dann unbefriedigt heim. Am nächsten Tage bot Arnulf seine Vasallen auf, kehrte an seinen Bischofssitz zurück und beruhigte die heftig weinende Äbtissin.

98. Als der König von alledem erfuhr, befahl er, die Unruhestifter vor ihn zu bringen. Da der Markgraf (Gero)seinen heftigen Zorn sah, suchte er ihn durch verlässliche Vermittler zu beschwichtigen. Der König schenkte ihnen aber nur unter der Bedingung Gehör, dass sie zuvor 300 Pfund Silber an das bischöfliche Gericht zahlten; auch sollten die vermutlich an diesem Geschehen Schuldigen sich entweder durch Zwölfereid reinigen oder ihm nach kanonischem Recht Genugtuung leisten. Daraufhin gelobte man gegenseitig Frieden und setzte einen Verhandlungstermin nach Ostern fest. Hier kamen unsere und ihre Freunde zusammen; auch ich war zugegen. Nach Entrichtung der Geldbuße kam der Bischof in den Westteil des Münsters und setzte sich dort auf der obersten Stufe auf seinen Stuhl. Hier rechtfertigte sich nur der Markgraf mit einem sehr glaubhaften Eide. Seine Vasallen aber nahmen als Büßer von der Hand des Bischofs einzeln eine Fastenbuße entgegen und die Bedingung, die auferlegte Last zu tragen, sobald sie dazu aufgefordert wurden.

99. Hier muss noch angefügt werden, dass Herzog Ulrich von Böhmen ­ d.h. "ungerechter Mammonm" seinen wackeren Ritter Bosio und viele andere töten ließ, weil er von falschen Zuträgern vernommen hatte, sie begünstigten seinen verbannten Bruder (Jaromir); auch sollten alle achtsam an diesen Mordtaten lernen, wie sie sich in Zukunft vorzusehen hätten. Ständig verbietet dort im Lande blinder Ehrgeiz die Beachtung dessen, was der Herr in beiden Testamenten unverbrüchlich zu halten gebietet. Fürchtete er doch seinen Bruder, den er wahrhaftig mehr als alle hätte lieben sollen, und stets suchte er sorgfältig zu verhüten, dass er ihm einmal nahe kommen könnte. ­ Die Böhmen waren einst unter Herzog Swentepolk unsere Herren. Unsere Ahnen zahlten ihm jährlich Zins, und in seinem Lande Mähren hatte er Bischöfe. Das alles haben er und seine Nachfolger durch ihren aufgeblasenen Hochmut eingebüßt, denn nach dem Evangelium nimmt Niedrigkeit immer zu, überheblicher Hochmut aber wird erniedrigt. Niemand kann in diesen Ländern ohne größte Furcht herrschen. Verstoßen seufzt die reine Liebe, denn Rechtlosigkeit herrscht dort mit Trug im Bunde.

100. Als ich oben von unser aller Papst Bruno (= Gregor V.) sprach, habe ich seinen Nachfolger Gerbert nur erwähnt; es ist daher angebracht, dass ich noch etwas mehr von ihm berichte. Er stammte aus dem Westen, war von Jugend auf in den freien Künsten unterrichtet worden und stieg zuletzt widerrechtlich zur Leitung der Stadt Reims auf. Er verstand sich aufs beste auf den Lauf der Gestirne und übertraf seine Zeitgenossen in der Beherrschung von mancherlei Kenntnissen. Als er schließlich aus seiner Diözese vertrieben wurde, suchte er Kaiser Otto (III.) auf. Lange weilte er in Magdeburg bei ihm und verfertigte einen Sternaufnehmer, den er richtig aufstellte, nachdem er durch ein Fernrohr den Leitstern der Seefahrer (Polarstern) beobachtet hatte. Als dann aber Papst Gregor gestorben war, folgte er ihm durch die Gnade des Kaisers, und bis in die Zeit König Heinrichs hatte er als Silvester den Stuhl inne. Ihm folgte Johannes Fasan, d.h. "Hahn", auf dem Stuhle der Apostel und herrschte während der ihm vergönnten Tage; unter ihm wurde die Merseburger Kirche erneuert und kraft seiner Urkunde bestätigt. Auf ihn folgten Sergius (IV.) Schweinsmaul und Benedikt (VIII.), zwei bedeutende Förderer unserer Kirche.

101. Alle diese Päpste wünschten dringend das Kommen des Königs, aber der Widerstand vieler Feinde hielt ihn lange auf. Gepriesen sei der allmächtige Gott in all seinen Werken, der in seiner Gnade dem seit langer Zeit immer wieder niedergebeugten Rom durch einen solchen Hirten Trost und Frieden gab. Bei der Wahl siegte Papst Benedikt (VIII.) über einen gewissen Gregor. Deshalb kam dieser am Geburtsfest des Herrn in vollem päpstlichem Ornat zum König nach Pöhlde und unterrichtete alle klagend von seiner Vertreibung. Der König aber nahm sein Kreuz in Verwahrung, gebot ihm, sich aller Amtshandlungen zu enthalten, und versprach ihm, wenn er selbst komme, werde er seine Angelegenheit nach römischem Rechtsbrauch sorgfältig schlichten. So rückte die ersehnte Zeit schneller heran; im Monat Februar (1014) empfing Papst Benedikt, der damals kraftvoller als seine Vorgänger herrschte, den König Heinrich unter höchsten Ehren in der Stadt des Romulus, und er wurde in Gnaden Vogt von St. Peter.

102. Weil ich nun von seiner zweiten Erhöhung reden muss, gebührt es sich, zuvor den zu loben, dessen freie Gnade diese Gabe gewährt; mahnt uns doch Paulus, der Lehrer der Völker: "Danket Gott dem Vater vor allem und in allem, liebe Brüder! Denn das ist sein Wille in unserem Herrn Jesus Christus". Mit Recht müssen wir auch König Heinrich loben, der uns dank der Gewährung und Huld des ewigen Königs so viele Vorteile gebracht hat. Denn er hat unsere Kirche durch viele Nutzbarkeiten erhöht, vor allem durch Gerät zum Gottesdienst; und von allen seinen Höfen in Thüringen und Sachsen übergab er uns zwei hörige Familien. Er schenkte uns ein mit Gold und einer Elfenbeintafel geschmücktes Evangelium, einen edelsteinverzierten goldenen Kelch mit einer Patene und einem Röhrchen, 2 Kreuze, silberne Lampen und einen großen Kelch aus gleichem Metall mit Patene und Röhrchen. Was an Grundbesitz meine Vorgänger sich hatten nehmen lassen, hat er durch sein Gebot wiederhergestellt.

(Übersetzung: Werner Trillmich)

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