"Mit Recht müssen wir auch König Heinrich (II.) loben, der uns (der Merseburger Kirche) dank der Gewährung und Huld des ewigen Königs so viele Vorteile gebracht hat." (Thietmar VI/102). Doch bis es dazu kommen konnte, musste das Bistum Merseburg einen leidvollen Weg beschreiten.
Otto der Große hatte 955 auf dem Lechfeld, vor dem Kampf mit den Slaven, dem Tagesheiligen Laurentius wahrscheinlich die Erhebung Merseburgs zu einem Bistum im Falle eines Sieges gelobt. Doch konnte er nur mit Mühe und gegen großen Widerstand des Halberstädter Bischofs, zu dessen Lasten die Errichtung ging, die Gründung des Bistums Merseburg 968 durchsetzen. Es wurde zusammen mit den neuen Bistümern Meißen und Zeitz ein Suffragan der im gleichen Zusammenhang gegründeten Kirchenprovinz Magdeburg. Halberstadt konnte sich mit dem Bistum Merseburg nicht anfreunden. Das Erzbistum Magdeburg wurde 981 vakant. Da ging Giselher, der damalige Bischof von Merseburg, Otto II. an, dass er ihn zum neuen Erzbischof erheben lassen möge. Das war nach dem Kirchenrecht nicht erlaubt, denn ein Bischof war ein Leben lang seinem Bistum verpflichtet. Um dem Wunsch Giselhers nachzukommen, musste die Bistumsgründung Merseburgs als Unrecht dargestellt werden. Dies wurde mit der fehlenden schriftlichen Einverständniserklärung des Halberstädter Bischofs begründet. Auch wenn in den Quellen Giselher oft als allein schuldig bezeichnet wurde, so muss er bei allen Beteiligten u.a. Otto II. und dem Papst auf offene Ohren gestoßen sein. Denn sie hätten eine Auflösung des Merseburger Bistums verhindern können. Sie taten es aber nicht. Und so wurde die Merseburger Diözese zwischen dem Halberstädter, dem Meißener und Zeitzer Bistum aufgeteilt.
Schon unter Otto III. gab es erste Bemühungen das Bistum Merseburg wiederherzustellen. Thietmar führt als eine Begründung dieses Vorhabens einen Traum Theophanus, der Witwe Ottos II. und Mutter Ottos III., an. Ihr erschien der heilige Laurentius mit einem verstümmelten rechten Arm. Als Grund dafür wurde ihr das von Otto II. an der Merseburger Kirche verübte Unrecht genannt. Mit der Auflösung des ihm geweihten Bistums wurde dem heiligen Laurentius erheblicher Schaden zugefügt. Auch von anderen Visionen dieser Art wird in den Quellen berichtet. So wurde auch der baldige Tod Ottos II. mit dem Vergehen an Merseburg begründet. Auch wenn Otto III. die Unterstützung des Papstes hatte, konnte Giselher, der seine neue Stellung nicht aufgeben wollte, eine Entscheidung in der Merseburg-Frage immer weiter hinausschieben. Und dann verzögerte der frühe und unerwartete Tod Ottos III. eine Klärung der Angelegenheit weiter.
Sein Nachfolger Heinrich II. musste sich erst gegen seine Konkurrenten um den Thron durchsetzen. Diese Anfangsschwierigkeiten der Regierung Heinrichs II. schoben die Entscheidung um Merseburg weiter hinaus. Wobei der neue König in Merseburg auf seinem Umritt die Huldigung der Sachsen entgegennahm.
Kurz vor dem Tod Giselhers 1004 forderte ihn dann der König auf, seinen alten Bischofssitz einzunehmen und so sein begangenes Unrecht wieder gutzumachen. Giselher erlangte nochmals einen Aufschub, innerhalb dessen er aber verstarb. Die Gelegenheit der Neubesetzung des Magdeburger Erzbistums nutzte Heinrich II. Gegen die Wahl des Domkapitels setzte er den ihm getreuen Tagino durch. Nun konnte der König an die Wiederherstellung des Merseburger Bistums gehen. Die hiervon betroffenen Bistümer Halberstadt, Meißen und Zeitz versuchte Heinrich II. mit Entschädigungen zu gewinnen. Er hatte aus der leidvollen Geschichte dieses Bistums gelernt.
Laut seinen Urkunden erfüllte der König mit der Wiedererrichtung des Bistums ein (mit Kunigunde) geleistetes Gelübde. Außerdem wurde so das Seelenheil Ottos I., das durch die Auflösung des von ihm gelobten Bistum in Gefahr war, gerettet. Und das Vergehen am heiligen Laurentius wurde wiedergutgemacht. Merseburg erhielt auch ein Papstprivileg, das heute verloren ist. Auf dessen Inhalt lässt sich nur noch aus dem Privileg Johannes XVIII. für Bamberg schließen. Eine wichtige Rolle bei der Erneuerung des Bistum muss auch Kunigunde gespielt haben. In den Urkunden Heinrichs II., die er anlässlich der Wiedererrichtung ausfertigen ließ, erscheint seine Gemahlin nicht als Intervenientin, sondern als Mithandelnde. Der König erneuerte das Merseburger Bistum zusammen mit ihr. Diese Formulierung ist in Herrscherurkunden höchst selten zu finden und deutet auf eine Beteiligung der Königin an diesem Akt hin.
Die Gründe seiner Anstrengungen für die Wiedergründung des Bistums sind vielfältig. Sie reichen von der Frömmigkeit des Herrschers bis hin zu politisch-taktischen Motiven. Merseburg wurde in der Auseinandersetzung mit dem Polen Boleslaw Chrobry zu einem wichtigen Sammlungs- und Rückzugspunkt. Boleslaw wurde wiederholt hierher zur Rechtfertigung oder zur Aussöhnung vorgeladen.
Die Stadt an der Saale wurde zu dem am häufigsten von Heinrich II. besuchten Aufenthaltsort. Darin übertraf sie selbst Bamberg. In Merseburg feierte der Herrscher auch oft die kirchlich bedeutenden Feste, was den hohen Stellenwert dieses Ortes deutlich macht. So beging er nirgends öfter Ostern als hier. Und Ostern war das wichtigste Kirchenfest.
Die Bedeutung, die Merseburg unter Heinrich II. hatte, wird auch an seinen Zuwendungen sichtbar. So bemühte er sich immer wieder um territoriale Förderung. Er schenkte der Merseburger Kirche auch für den Gottesdienst wichtige Utensilien. Und in seiner Zeit wird ein Ausbau des Bestandes der Domstiftsbibliothek stattgefunden haben. Leider sind viele Handschriften heute in anderen Archiven oder verloren gegangen, so dass der Umfang der Bibliothek nicht mit Sicherheit festzustellen ist. Auch die in den Quellen bezeugten Prachteinbände der von Heinrich II. gestifteten Messbücher sind heute nicht mehr vorhanden.
Die erwähnten Schenkungen zeigen den Wert, den dieser Regent auch der kirchlichen Institution beimaß. So war er 1021 bei der Domweihe zugegen und wahrscheinlich sogar in das Geschehen involviert.
Die Bemühungen Heinrichs II. für Merseburg blieben nicht ohne Widerhall. Schon von seinem Zeitgenossen Thietmar, der ihm den Merseburger Bischofssitz verdankte, wurde dieser Herrscher verehrt. In seiner Chronik betonte Thietmar wiederholt die Verdienste Heinrichs II. um Merseburg und forderte seine Nachfolger in der dortigen Bischofswürde zum Gedenken an diesen Förderer auf. Die Wiederherstellung des Bistums Merseburg war 1146 auch ein Argument für die Kanonisation Heinrichs II. Und dieser Heilige lebte in den Wundern Merseburgs weiter. Eine dieser Legenden soll hier besonders hervorgehoben werden: die Seelenwägung. Die Waagschale mit den bösen Taten zeigte sich schon als schwerer, als der heilige Laurentius einen von Heinrich II. der Merseburger Kirche gestifteten goldenen Kelch in die Schale für die guten Taten warf und dieser damit das Übergewicht verlieh.
(Ulrike Siewert)
Quellen:
Huldigung Heinrichs II. in Merseburg
Thietmar II/10 Gelübde Ottos I.
Thietmar VI/38 Der spätere Chronist Thietmar wird auf Fürsprache Erzbischof Taginos von Magdeburg beim König Bischof von Merseburg.
Thietmar IV/10 Theophanus Traum.
Quedlinburger Jahrbücher, a. 1020 Heinrich II. nimmt an der Weihe des Merseburger Doms teil.
Erneuerung des Merseburger Bistums
Thietmar V/15 In Merseburg trifft Thietmar mit den Großen Sachsens zusammen.
Thietmar V/16 Herzog Bernhard stellt Heinrich die sächsischen Bedürfnisse vor, dieser sagt zu, ihnen ihre Wünsche, soweit es ihm möglich sei, zu erfüllen.
Thietmar V/17 Preisgedicht Thietmars mit der Aufforderung an das Bistum Merseburg, sich über die Erhebung Heinrichs zu freuen.
Thietmar V/18 Die Sachsen huldigen Heinrich II.
Urkunden anlässlich der Wiedererrichtung des Bistums
Thietmar V/39 Aufforderung an Giselher, seinen früheren Bischofssitz in Merseburg einzunehmen. Tod Giselhers.
Thietmar V/40 Erhebung Taginos zum Erzbischof von Magdeburg.
Thietmar V/41 Erhebung Taginos zum Erzbischof von Magdeburg.
Thietmar V/44 Heinrichs II. Verhalten gegenüber den von der Wiederherstellung betroffenen (Erz)Bistümern.
Thietmar VI/1 Wiederherstellung und Einsetzung Wigberts als Merseburger Bischof.
Adalbold, c. 29 Der kranke Erzbischof Giselher von Magdeburg stirbt.
Förderung Merseburgs
D H II. 62 Heinrich schenkt der bischöflichen Kirche zu Halberstadt als Entschädigung für die Abtretung eines Teils ihrer Diözese an das wiederhergestellte Bistum Merseburg hundert Hufen in sechs Ortschaften. Merseburg 1004.
D H II. 63 Heinrich schenkt der erzbischöflichen Kirche zu Magdeburg, damit sie bei der von ihm bewirkten Wiederherstellung des Bistums Merseburg keinen Schaden erleide, eine Besitzung im Gau Zeudici und einen Teil der Reliquien des hl. Mauritius. Magdeburg 1004 Februar 24. oder 25.
D H II. 64 Heinrich beurkundet die Erneuerung des Bistums Merseburg und die Einsetzung seines Kapellans Wigbert zum Bischof, bestätigt der wiederhergestellten Kirche ihre Besitzungen und Rechte in Zwenkau, Merseburg, Eythra und Helfta, verleiht ihr aus seinem Eigentum fünf Ortschaften und restituiert ihr den vom Bistum Halberstadt eingelösten Teil seiner Diözese. Wallhausen 1004 März 4.
Papst Johannes XVIII. Urkunde von 1007 über die Gründung des Bistums Bamberg.
Merseburger Domweihe
Thietmar V/Prolog Ankündigung von Heinrichs Wohltaten für Merseburg.
Thietmar VI/16 Heinrich überträgt der Merseburger Kirche die Abgaben der Kaufleute und Juden.
Thietmar VI/36 Wigbert erwarb für sein Bistum Sotterhausen, Burgwerben, 9 Hufen in Niederröblingen, 7 in Thaldorf und 3 in Nienstedt; Bücher, Geräte für den Gottesdienst.
Thietmar VI/102 Geschenke Heinrichs II. für Merseburg.
Thietmar VII/52 Über einen in Thietmars Augen für ihn ungünstiger Ausgleich zwischen Meißen und Merseburg.
Thietmar VII, 66 Geschenke Heinrichs II. für Merseburg.
Thietmar VIII/14 Geschenke Heinrichs II. für Merseburg.
Kanonisation
Thietmar VII/13 Grundsteinlegung in Form des heiligen Kreuzes durch Thietmar von Merseburg.
Quedlinburger Jahrbücher, a. 1021 Sehr kurzer Bericht über Domweihe.
Legenden
Vita des hl. Heinrich, c. 3 Unter den Leistungen Heinrichs II. wird die Wiederherstellung des Bistums Merseburgs genannt.
Vita des hl. Heinrich, c. 5 Bericht über die Wiederherstellung des Bistums Merseburg.
Papst Eugen III. Heiligsprechungsurkunde Heinrichs II.: Wiederherstellung von Bistümern als ein Grund für die Heiligsprechung.
Thietmar, Bischof von Merseburg
Vita des hl. Heinrich, c. 18 Seelenwägung.
Thietmar VI/38 Erzbischof Tagino schlägt Thietmar als neuen Bischof von Merseburg vor.
Thietmar VI/39 Im Traum wird Thietmar von einer Stimme gefragt, ob er Bischof von Merseburg werden will, und davor gewarnt, den hl. Laurentius zu verärgern.
Thietmar VI/40 Thietmar wird zum Bischof von Merseburg geweiht.
Thietmar VI/42 Thietmar wird in Merseburg inthronisiert.
Thietmar VIII/14 Thietmar zählt zur Information seiner Nachfolger die Wohltaten Heinrichs II. für die Merseburger Kirche auf.