(Prolog)
Christus, der Du als Sonne des Rechtes für alle Welt leuchtest,
Erstmals der Erde erschienst als Erlöser! Und der als ihr Schöpfer
Einst auch ihr Ende bringt bei der Wiederkehr mit dem Vater,
Wägend den Lohn der Vergeltung als einziger Richter für alle
Taten des Menschenvolks, das zu Fall kam auf sündiger Gleitbahn!
Strahlendes Licht dieser Welt! Wolle segnen den leuchtenden Tag uns
Deiner liebenden Einkehr in unsre geplünderte Kirche!
Merseburg singe Dein Lob und erfreue sich Deiner Geschenke!
Können doch nun seine Kinder mit eigenen Hirten von neuem
Freudig und glaubensstark dir danken aus innerstern Herzen.
Herrlicher König der Könige, höre das Stammeln der Deinen!
Gnädig schaue vom Himmel auf Heinrich herab, Deinen Diener!
Schütze auch immerdar seine treue Lebensgefährtin!
Gib ihnen Deine so großen Geschenke für ihre bescheidnen!
Taginos Seele erfreu sich des Lichtes im ewigen Leben,
Walthard und Gero beglücke der Lohn für ein seliges Ende!
Heil gebe Christus und nehme in die elysischen Lande
Sie alle auf, die von inniger Liebe getrieben nun wieder
Dich, mein Merseburg, so gütig und milde erhöhten!
Gott, der Du herrschst über alles als erster und oberster König,
Lenke die Stadt, dass sie Deinem Steuer willig sich füge;
Lass ihre Hüter in Treue stets Deine Gebote befolgen!
Nimm unsern Feinden die Kraft und lass sie zum Guten sich kehren!
Bleibe in Gnade gewogen dem Mann, der die Kirche einst aufhob!
Allen anderen auch, die in böser Absicht ihm halfen,
Schenke Verzeihen, und lass sie die ewige Seligkeit schauen!
Worms ist die andere Stadt, die dieser Tage sich mitfreut
Neu errungener Freiheit, von der sie den Schatten nur kannte;
War sie doch rechtlich bisher ihrem Herzoge untergeordnet.
Unter den Großen des Herrn ist auch Bischof Burkhardo von Herzen
Glücklich, dass er nunmehr ringsum aller Furcht vor den Gegnern
Ledig geworden und weit entrückt durch die Gnade des Herrschers.
Herzogshof wurde nunmehr das herrliche Haus des Herrn Christus,
Auszuschalten vermag der Klerus parteiliche Richter.
Alles das gab uns in leuchtender Frömmigkeit Heinrich, der König,
Löste die Kirche durch eigenes Gut aus, gab Christus sie wieder.
Willig stimmte ihm zu der fromme und gütige Herzog
Otto, und sorglich ließ er die Gabe des Herrschers bestätigen.
Sei es ein Grund der Freude für alle gläubigen Menschen!
1. Als nach der heilbringenden Geburt durch die unbefleckte Jungfrau vollendet war die Reihe der 1000-Zahl und in der Reihe der Hauptzahlen die 4 kam, brach der Welt ein heller Morgen an zu Beginn der 5. Woche, im "Reinigungsmonat" genannten Februar; Heinrich, der König von Gottes Gnaden, der seine Vorgänger vom Makel zu befreien und sich ewigen Lohn zu erwerben suchte, hatte alles ganz nach seinen Plänen geordnet; und nun begab er sich in seine Pfalz (Merseburg), wo er oft und gern seinem Leibe Erholung gewährte, um dort auch seine Seele ein wenig mit langentbehrter Speise zu erfrischen. Er berief zu sich alle Großen des Reiches und verlieh das Bistum der hl. Merseburger Kirche an Wigbert, einen seiner Kapelläne, und zwar durch den Stab Erzbischof Taginos (von Magdeburg); hierdurch erstattete dieser alles zurück, was sein Vorgänger zu Unrecht unserer Kirche zu entwenden gewagt hatte, und willigte in ihre Erneuerung; auch die Bischöfe Arnulf (von Halberstadt), Eid (von Meißen) und Hildeward (Zeitz), unter deren Diözesen der Sprengel aufgeteilt worden war, erklärten ihr Einverständnis; alles Volk jubelte Beifall. Wigbert wurde sofort in frommer Freudenfeier auf seinen Stuhl erhoben und noch am gleichen Tage von Erzbischof Tagino und seinen Amtsbrüdern Hilderich (von Havelberg), Wigo (von Brandenburg) sowie den genannten Bischöfen geweiht.
2. Inzwischen verübte Boleslaw (Chrobry), in seinem Wüten von Graf Heinrich (von Schweinfurt) , bestärkt, schwere Gewalttaten gegen die Bayern und alle Bewohner seines Landes. Der König ließ deshalb eine Heerfahrt ansagen und machte einen Einfall ins Milzenerland; hätten ihn nicht schwere Schneefälle und plötzliches Tauwetter behindert, so wäre wohl das ganze Land wüst und menschenleer geworden. So musste er unwillig umkehren, unterstützte aber Markgraf Gunzelin (von Meißen) und andere Landesverteidiger durch Einlegen von Besatzungen. Dann kam er nach Merseburg, wo ihn vertrauenswürdige Fürsprecher des Grafen Heinrich davon unterrichteten, sein eigener Bruder (Bruno) sei zum Ungarnkönig (Stephan) geflohen und wolle Begnadigung erbitten, Heinrich aber empfinde tiefe Reue über sein Tun. Zögernd schenkte er ihren und besonders den Bitten seines lieben Tagino und Herzog Bernhards (von Sachsen) Gehör und gewährte dem Grafen seine Huld unter der Bedingung, dass er ihm und seinen Anhängern wohl ihre Güter und Hintersassen zurückerstatten werde, ihn selbst aber, solange er wolle, in Haft halten dürfe. Daraufhin ergab sich Heinrich dem König in Büßerhaltung und -kleidung und bekannte unter Tränen alle seine schwere Schuld; dann ließ ihn der Erzbischof auf Befehl des Königs nach der Burg Giebichenstein abführen und bei Tag und Nacht sorgfältig von seinen Leuten bewachen. Dort verrichtete er unter anderen guten Werken auch an einem Tage unter Kniebeugungen das Absingen des Psalters.
3. Nun gedachte der König der Missachtung seiner Rechte in Italien, forderte alle seine Getreuen auf, ihm Genugtuung zu verschaffen, und beschloss in der bevorstehenden Fastenzeit selbst mit Truppen hin zu ziehen. Nach seinem Aufbruch von Merseburg begab er sich nach Magdeburg, wo er zum hl. Mauritius betete um Fürsprache bei Gott und Glück für seinen Zug. Dann zog er durch Thüringen und Ostfranken nach Regensburg. Hier hielt er einen königlichen Hoftag ab und verlieh seinem Vasallen und Schwager Heinrich am 21. März (1004) unter dem Beifall aller Anwesenden mit der Fahnenlanze des Herzogtum. Dann suchte er die Stadt Augsburg auf, wo ihn Bischof Siegfried mit Ehren einholte und bewirtete. Dort blieb er aber nur zwei Nächte, nahm liebevoll von der Königin (Kunigunde) Abschied, gestattete ihr, sich nach Sachsen zu begeben, und vertraute ihren Schutz seinem lieben Tagino an. Er selbst zog mit dem Heere nach Thingau weiter. Hier stellte sich mit ungarischen Vermittlern Herr Bruno , sein Bruder, dem König, der sich seiner erbarmte und ihn zu Gnaden aufnahm. Übrigens bin auch ich auf Erzbischof Taginos Ersuchen in Augsburg gewesen und mit ihm umgekehrt. Wir zogen nach Gernrode und haben dort mit der ehrwürdigsten Äbtissin Hathui feierlich den Palmsonntag (9. April 1004) begangen. Am Mittwoch traf die Königin in Magdeburg ein, wo sie das Letzte Mahl und das folgende Fest der Auferstehung des Herrn feierte.
4. Der König aber gelangte auf seinem Marsche unter vielerlei Beschwerden nach der Stadt Trient, feierte dort den Palmsonntag und gewährte seinem von den schweren Anstrengungen und Mühen erschöpften Heere an dem hohen Festtage eine Ruhepause. König Arduin, der von seiner Annäherung erfahren hatte, war in großer Sorge; daher sandte er bewährte Kundschafter an die erwähnten Befestigungen. Er selbst aber lagerte mit seinem Aufgebot in der Ebene von Verona in der Hoffnung, es möge noch einmal so gut gehen, wie in der glücklichen Vergangenheit. König Heinrich brachte in Erfahrung, die Straßensperrung sei kaum oder gar nicht zu bezwingen. Er schlug deshalb eine andere Richtung ein und hielt einen vertraulichen Kriegsrat, ob er mit Hilfe der Kärntner vielleicht die weit von dort entfernten Klausen wegnehmen könne. Das wurde auch umsichtig ausgeführt, obwohl es vielen gefährlich erschien. Die Kärntner leisteten den Befehlen des Königs sofort Folge und teilten sich in zwei Haufen. Der eine sollte heimlich noch vor Tagesanbruch einen die Klausen beherrschenden Bergzug mit Fußvolk besetzen; der andere folgte am Morgen, um die Klausen zu stürmen, und erhielt von den vorausgesandten Kameraden so laut die Losung zum Angriff, dass es die im Hinterhalt liegenden Feinde hören mussten. Die kamen im Gefühl sicherer Rückendeckung den Anmarschierenden kampfbereit entgegen. Doch nun brachen die Unsrigen von der Flanke in sie ein und konnten sie teils in die Flucht schlagen, teils an den Steilhängen und im reißenden Wasser der Brenta in den Tod treiben. Dann sicherten die Sieger bis zum Eintreffen des Königs die Klausen sorgfältig.
5. Als der König durch Melder benachrichtigt war, ließ er den gesamten Tross zurück und zog nur mit den besten Rittern unter großen Schwierigkeiten hindurch; dann wurde am Ufer des Flusses in einer freundlichen Ebene gelagert, um dort das Letzte Mahl des Herrn, die Weihe des hl. Öls, Leiden und hl. Auferstehung des Herrn möglichst festlich begehen zu können. Der Pfalzgraf belegte für alle Flucht mit der Strafe des Königsbannes und stellte für mannhaften Einsatz künftigen Lohn in Aussicht. Am Dienstage ging der König über den Fluss, ließ wieder Zelte aufschlagen und rasten und wartete gespannt auf seine Kundschafter, die den noch unbekannten Aufenthalt seines Gegners Arduin feststellen sollten.
6. Da veruneinigten sich durch Fügung der göttlichen Gnade die im Bösen bisher so einmütigen Lombarden, man trennte sich von dem unrechtmäßigen Thronräuber, und ihre Flucht öffnete dem von Gott gekrönten Könige Heinrich den gefahrlosen Anmarsch. Zuerst nahm ihn Verona auf, jubelte im Herrn über die Ankunft des Landesschützers und das Verschwinden dessen, der das ganze Elend verursacht hatte. Mark graf Thedald und seine schon erwähnten Helfer vereinigten sich mit dem lange Ersehnten voller Freude, weil nun der Zeitpunkt gekommen war, an dem sie ihm ihre bisher verborgene gute Gesinnung offen beweisen konnten. In solcher Begleitung zog der König nach Brescia, wo ihn der Erzbischof (Adalbert) von Ravenna und Adalbero, der Inhaber des dortigen Bischofsstuhls, mit den Herren ihrer Gebiete empfingen. Von da kam er auf seinem Zuge nach Bergamo, das einst Kaiser Arnulf erobert hatte; hier empfing er den Erzbischof von Mailand und ließ sich eidlich Treue geloben. Darauf besuchte er die Stadt Pavia, wurde durch den Erzbischof und die Großen der Umgegend aufgenommen, unter herrlichen Lobgesängen in die Kirche geleitet, durch gemeinsame Wahl erhöht und auf den Königsthron gesetzt.
7. Doch der gleiche Tag sollte enthüllen, in welchem Wechsel der unsichere Lauf unserer Welt ständig in Abgründe führt. Mitten unter soviel Freude begann plötzlich Streit zu wüten, des Friedens Feind, und in der Trunkenheit vom all zu vielen Wein ging aus nichtigem Anlass Treue und Eid kläglich in Trümmer. Die Bürger (Pavias) griffen gegen den neu gewählten König zu den Waffen und eilten zur Pfalz, besonders die, denen Heinrichs Rechtlichkeit missfiel und Arduins Lauheit behagte. Als der König den Lärm vernahm, befahl er schleunigst festzustellen, was es gäbe. Sogleich erhielt er Bescheid: Von plötzlicher Wut ergriffen habe gemeines Volk in knechtischer Frechheit diesen Tumult angestiftet. Dann hätten sich zu Schimpf und Schande für sie auch alle anderen zusammengerottet. Als sie einbrechen wollten, suchte Heribert, der wackere Erzbischof von Köln, die Ruhe wiederherzustellen; vom Fenster aus fragte er nach dem Anlass eines so großen Auflaufs, musste aber vor einem Hagel von Steinen und Pfeilen zurückweichen. Mannhaft verteidigten die Hausleute des Königs man hätte sie leicht zählen können! die von Feinden hart bedrängte Pfalz, und während die Unsrigen auf verschiedene wichtige Punkte verteilt waren, wuchs die Gewalt der Feinde ständig. Schließlich vernahmen unsere Leute das laute Getöse und Geschrei, eilten truppweise dem Könige zu Hilfe und zerstreuten allmählich die noch immer tobenden Feinde. Aber nun brach die Nacht herein, und sie wurden durch Pfeilschüsse und Steinwürfe aufgehalten. Da steckten sie zu ihrem Schutze die Gebäude der Stadt in Brand.
8. Unsere vor der Stadt lagernden Truppen aber erklommen tapfer die Bollwerke, die ihren Gegnern den Widerstand erleichterten. Dabei fiel von den Lombarden getroffen der wackere, junge Giselbert, ein Bruder der Königin (Kunigunde), was den Schmerz seiner Kameraden heftig steigerte. Ritter Wolfram rächte ihn, indem er ohne Schaden zu nehmen mitten in den feindlichen Haufen eindrang und einen von ihnen durch den Helm hindurch bis zur Kehle spaltete. So wechselte die allen so willkommene Ruhe mit kriegerischem Ungemach. Einige Feinde, die von den Unsrigen gefasst wurden, führte man lebendig vor den König. Da brach plötzlich ein von den Lombarden angezündetes Haus zusammen, das unsere ermatteten Kämpfer schützte; doch das machte sie, die nun jede Möglichkeit sicheren Schutzes verloren hatten, nur um so kampfentschlossener. Währenddessen brachen Schwaben, Franken und Lothringer, die endlich auch von dem Unheil erfahren hatten, die Mauern, drangen ein und waren so heftig hinter den Bürgern her, dass keiner mehr den Schutz seines Hauses zu verlassen wagte. Nur von den Dächern aus setzten sie den Unsrigen durch Schüsse zu, bis sie in den angelegten Bränden umkamen. Es ist schwer zu schildern, welch großen Schaden man durch all das anrichtete. Ohne sich hindern zu lassen, plünderten die nun siegreichen Truppen des Königs die Erschlagenen aus. Der von diesem kläglichen Anblick betroffene König gab strengen Befehl, die Überlebenden zu schonen, begab sich in den Schutz von St. Peter und gewährte voller Erbarmen den Feinden Verzeihung, die ihn fußfällig um Gnade anflehten. Und nun kamen auf die Kunde vom Siege des Königs alle übrigen entweder selbst, um Schlimmeres abzuwenden, oder schickten Geiseln und gelobten dem Könige Treue, Hilfe und schuldige Unterwerfung.
9. Nachdem in Pavia dem Unheil Einhalt geboten war, zog der König nach Pontelungo und nahm die Huldigung der restlichen Lombardenmannschaft entgegen. Er hielt dort mit ihnen allen einen Hoftag, ordnete klug die dringendsten Fragen und begab sich dann aus Liebe zum hochheiligen Bischof Ambrosius nach Mailand, kehrte aber bald in die Ebene von Pontelungo zurück; über seinen plötzlichen Aufbruch suchte er die bekümmerte Volksmenge mit dem Versprechen baldiger Wiederkehr und manch anderen Vertröstungen zu beruhigen. Das bevorstehende Pfingstfest feierte er in Grumo. Als er schon weiter marschiert war, erreichten ihn die Tuszier, und er nahm sie in die Gemeinschaft seiner getreuen Untertanen auf.
Dann zog er schnell in die Heimat zurück und betrat schwäbischen Boden, um zu ordnen und zu bestätigen, denn seit kurzem war das Land der Obhut Herzog Hermanns beraubt und unterstand seinem noch unmündigen, gleichnamigen Sohne. Darauf besuchte er Straßburg im Elsass, wo er die Geburt des hochwürdigsten Vorläufers Christi feierte. Am Vortage aber tat der Herr durch ihn ein Wunder, das ich nicht übergehen darf; den Frommen sei es zur Freude erzählt, den Gottlosen zum Schrecken. Das Haus, in dem der König dem Volke Recht sprach, brach plötzlich zusammen, aber nur ein Priester nahm Schaden, der mit der Frau eines Exkommunizierten unerlaubterweise ständig zusammenlebte. Er war durch sein Verbrechen schuldiger als die übrigen, er brach sich die Knochen und büßte mit dem Tode für sein Verbrechen. Wie haben wir doch von schönen Taten der Frommen zur Erbauung der Seele gelesen oder durch andere mit Aug und Ohr vernommen, und trotzdem bleibt unser armes verhärtetes Herz unklug, lässt sich durch die unabwendbaren Strafen für Böses nicht abbringen von der uns innewohnenden Schlechtigkeit und findet keine Freude am unschätzbaren Leben der Gerechten.
10. Nach seinem Aufbruch von dort zog der König nach Mainz, wo er die Schwelle des hl. Bischofs Martin bittflehend betrat und das Fest der Apostel in Ehrfurcht beging. Dann reiste er durch Ostfranken und besuchte Sachsen, das er gern einen paradiesischen Blumengarten in Sicherheit und allem Reichtum nannte. Indem er hier alle seine ihm und Christus getreuen Vasallen auf Mitte August zum Kriegszuge entbot, ließ er der lange unterdrückten geheimen Empörung seines gütigen Herzens freien Lauf, um die wütende Feindschaft des anmaßenden Boleslaw (Chrobry) zu bändigen. Zur festgesetzten Zeit versammelte sich das Heer in Merseburg und setzte sich endlich überraschend gegen den Feind in Marsch. Scheinbar ging der Zug gegen Polen; er ließ deshalb Schiffe in Boritz und Neußen zusammenziehen, damit diejenigen unter den Seinen, die nur Ergebenheit heuchelten, dem Feinde nichts über die geplante Umgehung verraten konnten. Währenddessen hielten starke Regenfälle das Heer beim Übergange über die Flüsse beträchtlich auf, und als man es am allerwenigsten vermutete, wendete sich der König plötzlich nach Böhmen. Da versuchte der brüllende Löwe mit dem stolzen Schweif sein Eindringen über das Erzgebirge zu verhindern, indem er seine Bogenschützen einen Berg besetzen ließ, der jeden Zugang sperrte. Auf diese Kunde hin ließ der König insgeheim auserlesene gepanzerte Krieger vorausziehen; sie drangen der Feinde ungeachtet in den engen Passweg und bahnten den Folgenden einen bequemen Weg. Eines Tages, als Boleslaw gerade bei Tische saß, sprach damals ein deutscher Kapellan seines Bischofs Reinbern vom Nahen unseres Heeres; kaum hatte er das gehört, als er ihn fragte, was er da gesagt habe, und ihm auf seine Antwort entgegnete: "Wenn sie wie Frösche sprängen, könnten sie schon hier sein!" Und es ist schon wahr: Hätte Gottes Liebe den König nicht gefördert und den anderen nicht stolz und hochmütig gemacht, dann wäre uns der glückliche Erfolg nicht so plötzlich zugefallen.
11. Dem Könige half auch die Anwesenheit des vertriebenen Jaromir sein Name bedeutet "Sicherer Frieden" , denn die Hoffnung auf sein Kommen gewann die böhmischen Truppen. Ihr Wollen und Wünschen erlaubte ihm, dem Könige die Pforten zu öffnen und eine Burg freiwillig zu übergeben, die den unmittelbaren Zugang in ihr Land deckte. So erschien der König, dessen Marsch sich durch das Zuspätkommen der Bayern noch etwas verzögert hatte, vor der Burgsiedlung Saaz; er fand freundliche Unterstützung bei ihren Bewohnern, die ihm sogleich die Tore öffneten und die polnische Besatzung erschlugen. Als der König das Gemetzel sah, befahl er voller Erbarmen, die Überlebenden in die Kirche zu treiben. Einer meldete sogar als gewiss, seine Landsleute hätten Boleslaw erschlagen. Da freuten sich die Anhänger des Königs in Gott, die verführten Anhänger des falschen Herzogs aber trauerten. Doch in der Tücke ihres Herzens tuschelten sie insgeheim miteinander und verbreiteten die Lüge, wenn der König sich erst völlig sicher fühle, würden sie völlig hilflos von ihm viel Schlimmes ausstehen müssen. Deshalb glomm das Feuer unter der Asche fort, und schlimmer als das unvernünftige Vieh zogen sie auf diesem Feldzuge und später noch sehr oft den Feind aller Gläubigen ihrem Könige vor. Sie wussten ja nicht, dass Gott Vater, der Ungeschaffene, der auf alles herabschaut, vom Himmel aus seinen Stellvertreter auf Erden vor ihrem Verrat erretten würde.
12. Nun wurde Jaromir auf Befehl des Königs mit unseren besten Truppen und mit seinen einheimischen Anhängern nach Prag vorausgesandt, um die giftige Schlange zu fangen oder zu töten. Doch Melder der geschilderten Leute kamen ihm zuvor und berichteten Boleslaw, der sich vor einer Gefahr ganz sicher fühlte, ausführlich von allem. Durch solche Botschaft gewarnt, konnte er heimlich Vorbereitungen treffen und mitten in der folgenden Nacht, als man in der nahen Burg Wyschehrad Glockenklang die Bewohner zum Kampfe rufen hörte, mit der ersten Heerschar abrücken und flüchtig sein Land erreichen. Sobieslaw, ein Bruder des Bischofs und Märtyrers Christi Adalbert, folgte ihm, wurde aber auf einer Brücke verwundet und starb; das freute die Feinde sehr, den Seinen brachte es unsagbare Trauer. Am folgenden Tage traf Jaromir ein, bestätigte auf Verlangen vor dem Tore dem Volke sein Recht und gewährte Verzeihung für das Geschehene; dann wurde er eingelassen und unter lautem Jubel in seine alten Ehren wieder eingesetzt; nun legte er die einfache Kleidung ab und ließ sich mit kostbaren Gewändern schmücken. Alle Krieger brachten ihm dar, was sie an Beute dem flüchtigen oder erschlagenen Feinde abgenommen hatten. Voller Freude über die reichen Gaben ließ er sich nach Wyschehrad führen und dort zum Herrscher ausrufen; allen, die bis hierher zu ihm gestanden hatten, sicherte er des Königs Huld und den lange verdienten Lohn zu. Von allen Seiten kam eine gewaltige Menge geringer und vornehmer Leute zusammen, um die Huld des neuen Herzogs zu empfangen und auf das Eintreffen des ruhmreichen Königs zu warten. Bischof Thieddeg und Herzog Jaromir empfingen ihn bei seinem Einzuge unter gewaltigem Jubel von Geistlichkeit und allem Volke und führten ihn zur St. Georgskirche. Dann wurde Jaromir sogleich vor einer Versammlung aller Einwohner vom Könige mit allen Würden seines Vaters ausgezeichnet.
13. Als der König dort das von aller Welt gefeierte Geburtsfest der hl. Gottesmutter begehen wollte, befahl er mit Genehmigung des dortigen Bischofs dem hochwürdigsten Hirten der hl. Kirche von Freising, Gottschalk, dessen Name zu seinem Lebenswandel passt, die Messe zu singen und dem Volke zu predigen. Der ermahnte nach der Lesung des Evangeliums die Anwesenden zur Furcht des Herrn und zum Festhalten an doppelten Liebesbanden: nämlich am Gehorsam gegen Gott und an der Ehrfurcht vor der Obrigkeit; zuletzt forderte er den König freundlich zur Selbsterkenntnis auf, damit er alles, was er in seinem Leben von Kindesbeinen an bis auf diesen Tag an Ehren und Erfolgen empfangen habe, Gottes Güte mehr als dem eigenen Verdienst zuschreibe. Auch sprach er von der Barmherzigkeit als einem einzigartigen Mittel zum Heil, einer würdigen Zierde des Glaubens und einem Gut zur Vergebung der Sünden. Jedem Christen, der sie übe, seien stets drei Dinge zu wünschen: das Können, das Wollen und das Vollbringen. Das müsse freilich jeder bewähren, besonders tue es aber, wer niemanden kränke und wünsche, Gott möge ihm mit Gleichem vergelten. Doch damit Gott ihr Gelübde annehme, müssten sie alles von Herzen geben und all ihren Schuldigern verzeihen, auf dass sie nicht wie ein schlimmer Knecht arge Pein zu erleiden hätten. Und abschließend sagte er: "Dich beschwöre ich im Namen und bei der Liebe dessen, der seinem Schuldner 10000 Pfund erließ, d. h. den beschnittenen Juden die Übertretung seiner Gebote verzieh: Lieber Herr, erbarme dich des früheren Markgrafen Heinrich, der jetzt, wie ich hoffe, aufrichtig Buße tut; löse seine Bande und gewähre ihm Huld, damit du heute umso leichteren Herzens Gott bitten darfst: Und vergib uns unsere Schuld usw." Der König ließ sich von dieser unter Tränen vorgetragenen Mahnung gewinnen, gelobte, sie befolgen zu wollen, und bewies später bei der Heimkehr Barmherzigkeit.
14. Dann entließ er nach Regelung aller Geschäfte die Bayern nachhause. Er selbst aber wandte sich mit dem neuen Böhmenherzog (Jaromir) in unendlich schwierigem Marsche gegen das ihm zunächst gelegene Milzenerland und belagerte die Burg Bautzen. Hätte ihn nicht die göttliche Vorsehung geschützt, so wäre er hier unversehens durch einen Bogenschützen von einem der Bollwerke aus verwundet worden, als er eines Tages all seine Getreuen zum Sturme ermunterte. Das brachte einem Verderben, der dicht neben ihm stand, und der Feind erreichte sein Ziel an einem anderen. Der König erhob in Demut sein Herz und lobte Gott, der ihm ohne sein Verdienst wie stets seine Obhut und Liebe offenbart hatte. Die Burg aber wäre durch Brandlegung in Flammen aufgegangen, hätte es nicht ein unglücklicher Befehl des Markgrafen Gunzelin verhindert.
(Übersetzung: Werner Trillmich)