68. Auf Geheiß des Königs inthronisierte Bischof Arnulf (von Halberstadt) den Erzbischof Walthard am nächsten Sonnabend (21. Juni 1012); beide erlebten dort unter großen Ehren einen freudigen Empfang. Am folgenden Tage wurde Walthard gesalbt von Eid, dem 3. hochwürdigsten Bischof der Meißner Kirche, unter Assistenz seiner Amtsbrüder Wigo (von Brandenburg), Hildeward (von Zeitz), Erich (von Havelberg) und von mir, der so weit unter ihnen steht. Auch Bischof Arnulf wirkte mit. Schon am Montage reisten wir alle im Bewusstsein seiner Liebe reichbeschenkt ab. Es war am Vortage des Festes St. Johannes des Täufers (23. Juni), und am gleichen Tage setzte der Erzbischof nach gemeinsamer Wahl der Brüder Reding als Propst ein. Am Festtage selbst ließ er sich unter gebührenden Ehren nach Berge geleiten, wo ich ihn mit meinem Bruder Siegfried empfing. Hier unterwies er während der Messe zum ersten Mal das Volk; obwohl ihn dann der Abt sehr bat, dort ein Liebesmahl einzunehmen, lehnte er wegen seines zahlreichen Gefolges ab. Am Apostelfest (29. Juni) war er wieder an seinem Amtssitz und richtete an die ihm Anvertrauten heilsame Ermahnungen.

69. Nun reiste Walthard auf Bitten einer Gesandtschaft Boleslaws (Chrobry) zu Friedensverhandlungen nach Zützen (nördlich von Luckau), wo man ihn prächtig aufnahm; aber er blieb nur zwei Nächte, und obwohl er nichts ausrichtete, kehrte er reich beschenkt heim. Jetzt nahte der für den Beginn des angekündigten Feldzuges festgesetzte Tag, der 24. Juli. Wir versammelten uns bei dem Dorfe Schrenz (nordöstlich von Halle) und zogen von dort hinauf nach Belgern. Doch hier hielten es die Fürsten für unzweckmäßig, unseren Kriegsplan durchzuführen; man solle vielmehr nur die Mark aufs beste mit Truppen sichern. In der folgenden Nacht erkrankte der Erzbischof unter schweren Kopfschmerzen; als ich mich am Morgen bei ihm einfand, musste ich lange warten, da er sein Zelt nicht verlassen konnte. Als er endlich erschien, klagte er mir, er sei schwer krank. Er versprach aber, er werde die damals in Merseburg weilende Königin (Kunigunde) besuchen und dort mit mir verhandeln. So ging ich wieder; er sang noch die Messe, obwohl er es zunächst abgelehnt hatte; war doch gerade das Fest der Auffindung des ersten Märtyrers Christi (3. August) und Sonntag; es sollte leider seine letzte sein.

70. Am Donnerstag traf ich in Merseburg ein; noch während ich mich mit den Brüdern auf seinen Empfang vorbereitete, erfuhr ich durch Boten, er sei krank auf einem Wagen in Giebichenstein eingetroffen. Ich ritt am nächsten Tage (8. August 1012) zu ihm und traf Bernward, den Bischof der Hildesheimer Kirche ­ man hatte ihn um des Segens, aber auch um seiner Heilkunst Willen rufen lassen, auf die er sich gut verstand ­ und außerdem den Grafen Friedrich (von Eilenburg), dessen Bruder Graf Dedi war. Bei meinem Eintreten begrüßte mich der Erzbischof (Walthard) in seinem Sessel sitzend sehr herzlich. Dann betrachtete er mit Bedauern seine weniger als sonst geschwollenen Füße, denn sein Leib fühlte mehr Erleichterung, wenn sie dick waren. Er hat mir damals erklärt: Wenn er diese Krankheit gesund überstehe, würde ich keinen gewogeneren Freund als ihn finden. Ich blieb bis zum Abend und ritt dann unbefriedigt heim, denn am folgenden Tage war Vigil vom Fest des Christusstreiters Laurentius, dessen Feier am Sonntag (10. August) bevorstand. Als ich hierbei der versammelten Gemeinde eine kurze Predigt gehalten hatte, bat ich sie in Demut um ein gemeinsames Gebet für den kranken Erzbischof.

71. Am Dienstag vor der Prim suchte ich ihn nochmals auf. Jetzt war Bischof Eid (von Meißen) zugegen und bemühte sich in ständigem Gebet redlich um ihn. Als ich die Kemenate betrat, in der der fromme Mann (Walthard) lag, hörte ich ihn schon nicht mehr sprechen und merkte, dass er mich nicht mehr erkannte. Auch meine Mitbischöfe Arnulf (von Halberstadt), Hildeward (von Zeitz), Meinwerk (von Paderborn) und Erich (von Havelberg) trafen ihn noch lebend an; wir alle erteilten ihm unseren Segen und gewährten ihm Sündennachlass. Ich Sünder aber salbte ihn an den schmerzhaftesten Stellen mit geweihtem Öle. Auch Herzog Jaromir (von Böhmen) war anwesend; ihn hatte sein pflichtvergessener Bruder und Vasall Ulrich am vergangenen hl. Samstag vor der Auferstehung des Herrn (12. April) aus dem Böhmerland vertrieben und genötigt, flüchtig zu Boleslaw (Chrobry) zu gehen, der ihm wohl verwandtschaftlich nahe stand, der ihn jedoch bisher wie einen Feind verfolgt hatte. In der Hoffnung, den Erzbischof gesund anzutreffen, hatte er ihn um seine Fürsprache bitten wollen, um Gnade beim Könige zu finden; kannte er ihn doch als einen treuen Helfer aller Bedrängten. Als er ihn nun so kraftlos sah, wünschte er unter Tränen, sich seiner Hand und durch sie uns anzuvertrauen. Doch das Ende des Erzbischofs war nahe; ich weiß nicht, was er zu seiner Linken sah; er schützte sich energisch mit der Rechten durch das hl. Kreuzeszeichen, wandte Körper und Antlitz ab, verzog sein Gesicht, als ob er weinen wolle, entspannte sich aber bald freudig.

72. Bei diesem Anblick ging ich trauernd hinaus; währenddessen erkannten die Anwesenden sein bevorstehendes Ende, hoben ihn (Walthard) aus dem Bett und legten ihn auf eine Decke. Dann zündete man die Kerzen an, rief mich hinein, und ich sah ihn schon mit der Stola bekleidet in seinem Todeskampfe. Auf seiner Brust ruhte das hl. Kreuz, in den Händen hielt er Asche, und unter ihm lag eine Kutte, wie Bischof Eid (von Meißen) angeordnet hatte; als sich die Sonne am Nachmittag des 12. August neigte, ging seine Seele, während man ihm Weihrauch entzündete, zu ihrem Schöpfer hinüber, von dem sie gekommen war, und verließ diese nichtige Welt. Unter Tränen verrichteten alle Anwesenden ihre Gebete; nur ich Unseliger unterstützte sie nicht, wie es meine Pflicht gewesen wäre. Was mir damals durch den Kopf ging, kann ich keinem verraten. Aber betet mit mir darum, liebe Christen, der Herr, dem nichts verborgen bleibt, möge es weder mir noch ihm anrechnen!

73. Dann löste man die Eingeweide aus dem Körper (Walthards) und setzte sie zwischen Kirche und Kemenate bei; der Leichnam aber wurde bereitet und vor dem hl. Altar niedergesetzt. Nach der Feier des Totenamts speisten wir und geleiteten den toten Leib noch am gleichen Tage nach Könnern (nördlich von Halle). Unterwegs kamen uns weinend seine Leute entgegen. Als wir am folgenden Tage ein Dorf am St. Johannesberge (Kloster Berge bei Magdeburg) erreichten, fand sich trauernd die gesamte Geistlichkeit ein; auch viele Juden und Waisen kamen, deren Vater er gewesen war, und zeigten mit lauten Klagen ihren Schmerz. Beim Eintritt in die Domkirche empfingen alle seine Freunde und Erbuntertanen klagend mit trauernd erhobenen Händen unseren Leichenzug. Wer hätte bei solchem Anblick nicht mitgetrauert? Und doch wurde all dieses Klagen dem eben erlittenen Verluste nicht gerecht.

74. Wir Brüder versammelten uns im Kapitel und erwählten alle bis auf Benno meinen Vetter (Dietrich zum Erzbischof von Magdeburg); bei seiner Jugend rechneten wir nicht so sehr mit einer Bewilligung; wir taten es vielmehr zur Wahrung unseres Wahlrechts und besonders aus Liebe zu Erzbischof Tagino. Am Abend kam Bischof Arnulf (von Halberstadt) und förderte die Angelegenheit, so gut er konnte. Am nächsten Tage, in der Vigil vor der Himmelfahrt St. Mariens (14. August), wurde nach erneuter Wahl die Leiche des Erzbischofs (Walthard) zur Rechten seines Vorgängers im südlichen Querhaus beigesetzt. Sobald die Königin (Kunigunde) davon erfuhr, unterrichtete sie durch ihren Schenken Geso den mit seinem Heere vor der Stadt Metz liegenden König. Der erkundigte sich in tiefster Bestürzung nach der Lage bei uns und sandte ihn sofort mit der Weisung zurück, sie solle die Reichsgeschäfte wahrnehmen.

75. Merke auf die Grabschrift des Erzbischofs, lieber Leser! Nicht in Stein, sondern in ein gedenkendes Herz soll sie geschrieben werden! Walthard heißt zwar "der hart Waltende", aber er war nur äußerlich streng, zu innerst jedoch sehr milde. Auf Gott und seinen Nächsten sah er in ständiger Furcht und gerechter Liebe. Die Hinfälligkeit unseres Fleisches sühnte er durch viele bittere Tränen und unsäglich reiche Almosen. Er zeichnete sich aus durch Tüchtigkeit des Leibes und der Seele, war beim König beliebt, von allen Großen hochgeehrt, und sein Herr hatte ihn nur durch die erzbischöfliche Weihe und Würde übertroffen. Er war aufrichtig, teilnehmend und ein tapferer Streiter für seine Kirche. Seinen Nachbarn leistete er ohne jede Überheblichkeit viele Dienste, bewies aber allen, dass er allein zurechtkomme. Ich habe oftmals seine Versicherungen gehört, er habe sein Amt nicht aus Ehrgeiz haben wollen, sondern nur zum Nutzen seiner bedrängten, schwach werdenden Kirche. Auch erklärte er sich für unwürdig; es seien zwei Brüder da, die er gern gewählt hätte, wenn mit irgendwelchem Erfolge zu rechnen gewesen wäre. Er war ein rechtschaffener Mann, der an seinen Zielen festhielt. Fremdes Lob suchte er nicht, doch versagte er es anderen niemals. Er stammte von edelsten Ahnen, machte seinem ererbten Adel nie Unehre, zierte ihn vielmehr durch um so größeren Fleiß. Sein Vater war Herr Erp, ein Mann von lobenswertem Wandel, angesehen bei allen seinen Zeitgenossen; Amulred hieß seine Mutter; durch fromme Zucht und edles Tun leuchtete sie vor anderen Frauen. Alles, was sie konnte, verwandte sie fürsorglich zum Seelgerät ihres Gemahls.

76. Es war Walthard schon früher im Traume verheißen worden, er werde das Erzbistum Magdeburg erhalten und kurze Zeit innehaben. In dem Jahre, das die Erfüllung bringen sollte, erschien seine bereits verstorbene Mutter einer ehrwürdigen Dame. Die grüßte sie und fragte, wie es ihr jetzt gehe. "Gut", erwiderte sie und fuhr fort: "Weißt du, dass unser Erzbischof Tagino diese Welt verlassen und Walthard ihm folgen wird? Nicht, um hier eine Weile zu gebieten, sondern damit er beim Jüngsten Gericht unter den Richtern sitzt. Über ihn gibt es im Himmel eine fast ganz beschriebene silberne Tafel; bald, wenn sie voll ist, wird er den Augen der Menschen entrückt, um seinen Lohn zu empfangen." Auch er selbst wusste das im voraus; seine weltliche Schwester hat es mir erzählt ­ die zweite war Nonne; er rief sie zu sich und sprach: "Erinnerst du dich an dein früheres Versprechen, mein Gut zu Olvenstedt als Seelgerät für mich dem hl. Mauritius übertragen zu wollen, falls du mich beerben solltest?" Als sie das alles bejahte und auf seine Bitte mit erhobenem Finger bestätigte, fuhr er unter Tränen fort: "Ich habe nicht mehr lange zu leben. Du aber handle nach deinen Worten; sei überzeugt, ich werde euch, meinen Schwestern, weiter nichts entziehen." Er wusste, dass sich alles erfüllen müsse, hoffte aber noch auf eine längere Zeitspanne.

77. 28 Jahre lang war er Propst (Walthard) und er trug Titel und Amt in Ehren vor all seinen Zeitgenossen. Zur Aufnahme von Heiligenreliquien ließ er einen gewaltigen Silbersarkophag anfertigen. Die beim großen Brande der Stadt eingestürzte runde Kirche ließ er von Grund auf erneuern. Auch wollte er dort ein Kanonikerstift errichten und ihnen aus seinem Eigenbesitz das obengenannte Gut zuweisen. Er war wortkarg, doch was zur rechten Zeit ausgesprochen werden musste, wusste er tief im Innern zu bewahren. Nur eins beklagte er sehr: Kirchen und Priester hat er nicht geweiht. Um das Pallium war es ihm nicht leid. Eine große Menge Bücher, priesterliches Gerät und vielerlei weltliche Dinge schaffte er an. Das alles haben bei seinem plötzlichen Tode viele unnütze Hände verstreut. Hatte er doch seinen Stuhl nur 7 Wochen und 2 Tage inne.

78. Das alles musste ich erzählen, damit nicht sein plötzlicher Tod jemanden offen oder insgeheim nachdenklich stimme, oder man meinen könnte, er (Walthard) trage persönlich Schuld daran. Haben doch viele vor ihm länger als 30 Jahre ihren Stuhl innegehabt, die weder hier noch in der Ewigkeit größere Verdienste aufzuweisen hatten. Wehe denen, die auf diesem Pilgerwege lange leben und diese Zeit mit schlimmen Werken vertun; und wohl denen, die ihre bemessene Zeit vorsichtig und sorgsam im Dienste Christi verbringen! Wer Böses tut, mehrt seine Strafe. Wessen irdisches Leben dagegen abgekürzt wird, büßt, wenn er schuldig ist, rasch für seine Vergehen. Alle Guten aber erfreuen sich gleichen, ewigen Glücks, auch wenn sie auf Erden nicht gleichlange leben. Nicht er allein hatte sein Amt so kurze Zeit inne. Wie wir lesen, empfing Tertullian vom hl. Papst Stephan die Priesterweihe und 4 Tage später durch einen Tyrannen aus Liebe zu Christus und wegen seiner Festigkeit im Glauben das Martyrium. Beide Würden behält er in Ewigkeit. Walthard büßte für seine Sünden, und Gott verlieh ihm bald den Lohn für sein gerechtes Mühen. Schnell wurde es vielen offenbar. Doch alles aufzuzählen, würde zu weit führen. Was solcherart aber mir widerfuhr, will ich berichten; Gott sei mein Zeuge, ich lüge nicht!

79. Ich hatte Wachdienst in Meißen, als sich mir der hochwürdigste Mann (Walthard) am Tage der Apostel Simon und Judas nach der Matutin zeigte. Nun kannte ich ja den Toten gut; ich fragte ihn also gleich, wie es ihm gehe. Und er erwiderte: "Ich habe meine Strafe erlitten, wie ich es verdiente, habe sie aber jetzt schon ganz hinter mir." Da wurde ich sehr froh und sagte: "Darf ich die Glocken läuten und das Volk zum Lobe Gottes aufrufen?" und er entgegnete: "Freilich. Es ist ja wahr." Da sagte ich weiter: "Ist dir bekannt, dass sich durch vieles Gerede der König von dir abgewandt hat, weil du nach deiner Erhebung allerlei gegen ihn beabsichtigt haben sollst?" Darauf meinte er seufzend: "Glaube mir, ich bitte dich, glaube mir! Ich bin nicht daran schuld!" Als ich ihn aber fragen wollte, warum er so plötzlich gestorben sei, wachte ich auf; so durfte ich es nicht erfahren. Später habe ich von glaubwürdigen Leuten erfahren, er sei am Allerheiligentage gewürdigt worden, vor dem Antlitz Gottes zu erscheinen. Alles, was ich von ihm erzählt habe, habe ich nicht aus besonderer Vorliebe für ihn berichtet, denn vor seiner Weihe hat er mich wirklich nur wenig geschätzt, und für den Vorteil seiner Kirche hat er der meinen viele Hindernisse bereitet. Nur um der Wahrheit willen und um künftigen Vorwürfen vorzubeugen, habe ich davon gesprochen, und zwar weniger, als den Tatsachen entspricht, denn er hat niemanden zurückgelassen, der besser wäre. Nach seiner Beisetzung sandten wir von uns aus Bischof Erich (von Havelberg) mit der Wahlanzeige zum König; ich gab ihm noch einen Brief mit, in dem ich die Verluste meiner Kirche schilderte und den König um Milde bat.

80. Auf die Kunde vom Tode des Erzbischofs (Walthard) hatte Boleslaw (Chrobry) inzwischen sein Heer versammelt und griff das erwähnte Lebusa an. Dort ließ er lagern, denn er wusste, dass wegen des Elbhochwassers von unserer Seite niemand den Burgleuten Hilfe leisten konnte. Kampflustig rückten seine Krieger an, und die Verteidiger leisteten nur geringen Widerstand. Schützten doch diese große Burg nur 1000 Mann, und mindestens dreimal so viele wären nötig gewesen. Boleslaw sah, noch beim Frühstück sitzend, voller Freude seine siegreichen Leute in die Burg eindringen. Das Tor wurde geöffnet, und man vergoss viel Blut. Die vornehmsten Gefangenen waren Gunzelin, Wise und, verwundet, der unglückliche Burgkommandant Isich. Welche Burg auch seinem Schutz anvertraut wurde, immer hatte er sie verloren; nicht durch seine Feigheit, sondern durch klägliches Missgeschick. Sie alle wurden vor den stolzen Sieger gebracht und auf seinen Befehl gleich in die Gefangenschaft abgeführt. Von den Leuten des Herzogs aber blieben dort nicht weniger als 500. Dieses jammervolle Blutbad ereignete sich an 20. August (1012). Man verteilte die gewaltige Beute und steckte die Burg in Brand; dann zog das siegreiche Heer mit seinem Herrn frohgemut heim.

81. Die damals in Merseburg weilende Königin (Kunigunde) erfuhr davon (vom Angriff Boleslaws auf die Burg Labusa) durch Eilboten. Ich hörte zuerst in Magdeburg davon, wo ich Unwürdiger am 22. August auf Wunsch des Propstes Reding zwei Altäre weihte, einen an der Ruhestätte des Erzbischofs, den anderen an der Nordseite der Kirche; da begab ich mich in Eile sofort zur Königin. Sie erteilte allen Vasallen des Landes die Weisung, an der Mulde Stellung zu beziehen und alle für das Eintreffen des Könige vorzubereiten. Währenddessen kam der König von seinem Westfeldzuge zurück und versuchte, seinen Kapellan Gero in das frei gewordene Amt einzusetzen. Bischof Erich (von Havelberg) traf unterwegs mit ihm zusammen, fand aber kein Gehör für die überbrachte Botschaft. Mein Vetter Dietrichkam damals einer Ladung folgend nach Grone, und der König nahm ihn an Geros Stelle in seine Dienste. Am Tage des hl. Apostels Matthäus (21. September) erreichte der König Seehausen (westlich von Magdeburg). Dahin begab auch ich mich und forderte, da es an der Zeit war, in Anwesenheit aller Versammelten von ihm, er möge vor der Einsetzung eines Erzbischofs mit ihm über meinen Sprengel (Merseburg) und andere, mir zu Unrecht entfremdete Dinge sprechen. Da nahm er mich in seinen sicheren Schutz, um die Angelegenheit gerichtlich oder auf andere heilsame Art beizulegen. Am nächsten Tage kam der König nach Magdeburg und befahl uns allen, im Refektorium der Brüder uns zu versammeln. Dort wurde auf des Könige Wunsch unbeschadet des Wahlrechts für die Zukunft einstimmig Gero erwählt. Er weihte sich erst in der Kirche dem Altare und erwarb mit zehn Hufen Aufnahme in den Konvent der Brüder. Dann empfing er vom Könige den Hirtenstab, wurde sogleich inthronisiert und durch den von uns Mitbrüdern assistierten Bischof Eid (von Meißen) gesalbt. Feierlich verbrachte der König dort das Fest der Thebaischen Märtyrer (22. September), und dann ehrte der Erzbischof ihn und alle die Seinen mit prächtigen Geschenken. Von hier zogen sie eilends nach Merseburg, wo sie sich lange aufhielten und mit den Großen Maßnahmen für das Reich erörterten.

82. In diesem Jahre starben Bischof Erlwin von Cambrai und die wackeren Herzöge Konrad (von Kärnten) und Hermann das Kind. ­ Einem schwerkrank daniederliegenden Mönche enthüllte sich vielerlei durch Visionen; während er vor sich hin redete, haben es Anwesende schriftlich festgehalten; es gilt für sehr wunderbar. ­ In diesen Tagen wurden Zwillingsbrüder mit Zähnen und gänseähnlichen Gesichtern geboren; der halbe rechte Arm des einen sah wie der Flügel einer Gans aus; am dritten Tage nach ihrer Geburt, während die Bürger noch zu keinem Entschluss kamen, verstarben sie unter Lachen. ­ Ein Ritter, der Besitzungen des hl. Clemens gewaltsam weggenommen und eine Sühneleistung dafür abgelehnt hatte, wurde eines Tages in seinem Gemach von zahllosen Mäusen angefallen. Er suchte sie zunächst mit einem Knüppel abzuwehren, dann ging er mit dem bloßen Schwert gegen sie an, hatte aber keinen Erfolg; da schloss man ihn auf seine Bitte in eine frei an einem Strick hängende Kiste ein. Als daraufhin draußen die Plage ein Ende nahm und er wieder befreit werden sollte, fand man ihn tot von anderen Mäusen zernagt. So wird allen Zeitgenossen und Nachfahren offenbar, dass ihn nur der rächende Zorn Gottes um seines Verbrechens willen vernichtet hat.

83. Währenddessen fand Jaromir, von dem ich schon sprach, statt Mitempfinden und Wiedereinsetzung nur Landesverweisung und Haft bei Bischof Adalbold (von Utrecht), dem Nachfolger Bischof Ansfrieds, als er den König demütig um seine Huld bat. Er hat diese Strafe verdient für seinen großen Bayernmord, als diese ohne des Königs und seine Erlaubnis mit Geschenken zu Boleslaw (Chrobry) gereist waren, und für die Tötung ihm Anvertrauter, nicht aber wegen irgendwelcher Untreue gegen den König. Unsere Feinde spotteten, als sie davon hörten. Unsere Landsleute aber fürchteten, es werde für die Feinde von Vorteil sein. Alle, die jemals unserem Könige einen solchen Rat gegeben haben, sollten an sich selbst die Folgen so einer Tat erfahren. Dann erschien auf Ladung des Königs Jaromirs Bruder Ulrich in Merseburg und empfing sein zuvor unrechtmäßig angemaßtes Land als freiwillige Gabe.
Zur gleichen Zeit richteten leider Wolkenbrüche und das Auftreten von Seeräubern schwere Schäden an. Damals trat in Bayern die Donau über die Ufer; auch der Rhein überschwemmte das Land; zahllose Menschen, Vieh und Häuser gingen dadurch zugrunde, und ganze Wälder wurden durch die Naturgewalten entwurzelt; die Bewohner dieser Landschaften versicherten, weder sie noch ihre Vorfahren wüssten von einem ähnlichen Ereignis, bekannten klagend, es komme von ihren eigenen, vielfachen Sünden, und fürchteten, nun werde ihnen noch etwas Schrecklicheres zustoßen. Doch nach dieser langen Abschweifung zurück zum Thema!

84. Nach seiner Abreise von Merseburg fuhr der König zu Schiff nach Arneburg. Hier verhandelte er eingehend mit den versammelten Slaven und stellte den Frieden wieder her; dann kehrte er um, feierte das Allerheiligenfest (1. November 1012) in Helmstedt und brach eilends zu einem Besuch der westlichen Gebiete auf.
Währenddessen ließ mich die schwerkranke Frau Liudgard durch einen Boten rufen; wie ich schon erzählte, stand sie mir ganz besonders nahe und war mir auch verwandtschaftlich verbunden. Doch als ich nach Dunkelwerden in Wolmirstedt ankam, wo sie daniederlag, merkte ich gleich beim Betreten der Kemenate, dass sie in großer Angst war und darum unablässig Psalmen sang. Vor allem sprach und bedachte sie immer wieder das Wort: "Mich hält deine Hand, Herr! Nun suchen sie vergeblich meine Seele". An mich richtete sie kein einziges Wort; nur auf meine Frage, ob sie nach der hl. Ölung verlange, erwiderte sie: "Gern, denn dann wird sich Christi Wille an mir schnell erfüllen." Nachdem man sie frisch bekleidet hatte, ließ sie mich kommen; und als alles recht zur Ölung vorbereitet war, sagte ich zu ihr: "Wie schön bist du jetzt!" Sie aber entgegnete: "Ich sehe einen schönen Jüngling zu meiner Rechten" ­ und wies mit den Augen dorthin. Dann ging ich weg; müde von der Reise schlief ich lange und hörte sie beim Erwachen in großen Schmerzen schwer stöhnen. Ich ging zu ihr und sang den Psalter, bis allen Anwesenden bewusst wurde, dass sie im Todeskampfe lag. Da stimmte ich die erforderlichen Sterbegebete an, und die glückliche Seele ging am 13. November (1012), geladen von den Heiligen selbst, hinüber ins Gemach des himmlischen Bräutigams.

85. Während ihres Krankenlagers schon hatte ein Laie unter den Magdeburger Bürgern ihr Ende vorausgesagt: "Frau Liudgard wird aus dieser Welt heimgehen. Wahrhaft selig, wer einen solchen Weg gehen darf! Als es Tag wurde, geleiteten wir ihre Leiche nach Walbeck und bestatteten sie am nächsten Tage an der Nordseite des Klosters, wo Pater Liuthard ruht, der 26 Jahre lang dort Klausner gewesen ist; ihr Gemahl Werner beweinte sie unsäglich. War sie doch die treue Hüterin seines Lebens und seiner Seele gewesen und hatte sich im Dienste Gottes für ihn mehr als für sich selbst schwer abgemüht; sie hatte ihn durch Fasten in der Kälte, durch ständiges Gebet und Almosengeben vor allen Anfeindungen zu schützen gesucht. Allen Zeitgenossen und Späterkommenden aber sei es gesagt: Niemals ist vor Gott eine gute Tat vergebens, die Gläubige in dieser Welt im Gedenken an einen Menschen verrichten, wenn sie sich andächtig bemühen, auch wenn sie dem nichts nützt sollte, für den sie bestimmt ist.

86. Im ersten Jahre von Heinrichs Königtum war Liudgard im Januar nach dem Tode ihres Vaters zu ihrem Gemahl zurückgekehrt, von dem man sie zu Unrecht lange getrennt hatte. Nach der Vermählung war Markgraf Liuthar im Westen erkrankt und unerwartet, berauscht vom Paulinischen Trank, am 25. Januar (1003) verstorben. Zu Köln wurde er an der von ihm selbst erbetenen Stelle im Südteil der Kirche bestattet, wo sich am Gründonnerstag die Büßer einfinden. Seine Witwe Godila tat zu seinem Angedenken unablässig Gutes, soviel sie konnte. Seinem Sohne Werner verschaffte sie um 200 Pfund des Vaters Lehen und Markgrafschaft und blieb selbst 4 Jahre lang unverheiratet. Dann vermählte sie sich mit ihrem Verwandten Hermann, ohne sich darum zu bekümmern, dass Bischof Arnulf (von Halberstadt) sie exkommunizierte und dass sie ihr drei Bischöfen gegebenes Versprechen brach, die ihr das im Namen Gottes verboten hatten. Aus diesem Grunde schlug sie der Bischof mit dem Schwerte der Exkommunikation, und die Hoffnung auf weitere Nachkommenschaft blieb ihr versagt.

87. Doch ich komme ins Reden und weiche beträchtlich vom Thema ab; ich will deshalb erneut von König Heinrichs trefflichem Lebenswandel berichten. Zur Verurteilung des Bischofs Dietrich von Metz hatte er eine große Synode anberaumt. Auf dieser Kirchenversammlung untersagten ihm sämtliche anwesenden Bischöfe, vor seiner Rechtfertigung die Messe zu feiern. Dann verbrachte der König in Festesfreude zu Pöhlde das Geburtsfest des Herrn. Hier erkrankte Walker (vermutlich der Notar GA), ein Diener der Kirche von Trier und treuer Wahrer der königlichen Kapelle; er musste bei unserer Abreise zurückbleiben und sollte leider am 11. Januar dort versterben.

(Übersetzung: Werner Trillmich)

Trillmich)