Thietmar von Merseburg, Chronik

rstes Buch

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16. An der Elbe ließ er (König Heinrich I.) auf einem damals dicht mit Bäumen bestandenen Berg Bauten errichten; hier schuf er die Burg, die er nach einem nördlich davon fließenden Bache Meißen nannte. Er versah sie mit einer Besatzung und mit Befestigungswerken, wie sie heute üblich sind. Von da aus zwang er die seiner Herrschaft unterworfenen Milzener zur Tributzahlung. ­ Auch belagerte er lange die Burg Lebusa, von der ich später ausführlicher sprechen muss, zwang die Einwohner zum Rückzug in eine tiefer gelegene Befestigung und zur Übergabe. Seit dem Tage ihrer damals gerechtfertigten Zerstörung durch Feuer lag sie bis in unsere Zeit wüst. Wenn er sich während seines Königtums, wie viele behaupten, bereichert hat, möge es ihm der barmherzige Gott verzeihen.
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19. Das (der Tod König Heinrichs I.) geschah im Jahre 936 der Fleischwerdung des Herrn. Indessen erlaubte die hohe Begabung der hinterbliebenen Söhne den trauernden Fürsten frohe Erwartung und gab ihnen die Gewissheit einer Wahl nach ihrem Wunsch. Wehe den Völkern, denen keine Hoffnung verbleibt auf die Nachfolge eines Sprossen ihrer Herren in der Herrschaft, denen sich in innerem Zwist und langem Streit kein schneller Entschluss oder Ersatz bietet. Wenn sich in der Sippe kein für das hohe Amt Würdiger findet, dann muss freilich unter Zurückstellung aller Feindschaft aus anderem Hause ein edler Mann erhoben werden; denn Fremdherrschaft ist das größte Elend; Unterdrückung und große Gefahr für die Freiheit bringt sie mit sich. ­ Seit diesem Heinrich und seinen Nachfolgern sind bis heute nur Sachsen erhoben und überall hochgeehrt worden. Was an ihnen gerühmt wird, das achtet sorgsam auch der König gleichen Namens (Heinrich II.), den ich schildern werde, so ich es erlebe; doch er, fürchte ich, wird der letzte sein.
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24. Stärker aber als die natürliche Standhaftigkeit des Menschen ist seine Neigung zum Ausgleiten; ich will deshalb zur Abschreckung und als warnendes Beispiel den Frommen auch nicht verschweigen, wie elend er (König Heinrich I.) sich einmal verging: Am Gründonnerstag hatte er sich betrunken und unerlaubterweise in der folgenden Nacht seiner heftig widerstrebenden Gemahlin (Mathilde) vom Teufel getrieben beigewohnt. Der Anstifter solchen Vergehens, Satan, der Schädiger menschlichen Heils, verriet diese Tat einer ehrwürdigen Dame mit den Worten: "Nun hat doch eben Königin Mathilde auf mein Anstiften in das Verlangen ihres Gemahls gewilligt und einen Sohn (Heinrich) empfangen, der mir sicher ist. Nur musst du das große Geheimnis sorgfältig hüten!" Da packte sie insgeheim tiefer Kummer, sie teilte es rasch der Königin mit und riet ihr, immer Bischöfe und Priester um sich zu haben, um gleich bei der Geburt des Knaben durch heiliges Taufwasser abzuwaschen, was an ihm, wie der unselige Geist sich brüstete, zu seiner Freude geschehen sei. Und damit dankte sie Gott. Als aber der Dämon (das heißt: der "Alleswisser") sich getäuscht sah, schmähte er die Frau und fügte hinzu: "Ist auch jetzt meine Absicht durch dein schandbares Schwatzen vereitelt, das eine habe ich doch an ihm gewonnen: Meine Gefährtin, die Zwietracht, wird ihn und alle, die später seinen Lenden entstammen, niemals verlassen; nie sollen sie ruhigen Frieden genießen!" Diesen Wunsch sprach der lügnerische Wahrheitsfeind aus; hoffentlich geht er nie in Erfüllung! Doch wie die folgende Niederschrift zeigt, bestätigen viele, dass zu seiner und seines Sohnes (Heinrich der Zänker) Zeit häufig Unruhe und wenig beständige Sicherheit herrschte. In diesen Tagen aber, da Heinrich, der dritte in der Zahl der Herzöge (nach üblicher Zählung der vierte), der zweite in der Reihe der Szepterträger, die Herrschaft angetreten hat, ist das böse Unkraut verdorrt und die strahlende Blüte heilsamen Friedens aufgebrochen; sollte ihm jetzt noch etwas Ähnliches wie seinen Vorgängern zustoßen, dann ist es nicht seine, sondern des ruchlosen Ränkeschmiedes Schuld.
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26. Zur Zeit der größten Macht des Königs (Heinrich I.) lebte in Bayern, ausgezeichnet an Geist und Leib, Herzog Arnulf; er verfügte über die einzigartige Gewalt, alle in seinem Lande bestehenden Bistümer eigenhändig zu vergeben. Aber als er nach vielen hervorragenden Taten sein Leben beschloss, konnte er seinen Nachfolgern das große Ehrenrecht nicht hinterlassen. Vielmehr nehmen es ganz allein unsere Könige und Kaiser wahr, die auf unserer Pilgerfahrt als Stellvertreter für den höchsten Lenker bestellt sind; und nur sie stehen zu Recht über allen Hirten, denn es wäre sehr unpassend, wenn Männer, die Christus um seinetwillen als die Ersten auf Erden eingesetzt hat, einer anderen Herrschaft unterständen als derer, die wie der Herr durch den Glanz der Weihe und der Krone alle Sterblichen überragen. Trotzdem habe ich vernommen, dass manche unter der Gewalt von Herzögen und, noch schlimmer, sogar von Grafen schwere Beeinträchtigungen erleiden; nichts dürfen sie tun, als was zum Nutzen solcher Weltkinder ist. Gottlose Gewalt aber, die mit Gottes Willen rechtmäßige Gebieter bedrängt, steigert sich in ihrer Härte bald zu sinnlosem Wüten.
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(Übersetzung: Werner Trillmich)

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