Passional, das ist der Heiligen Leben

Dass die Bamberger Lokalpatrone Heinrich und Kunigunde im 15. und 16. Jahrhundert in den Kreis der überregionalen Heiligen aufstiegen, das verdanken sie vor allem einer dickleibigen Legendensammlung mit dem Titel Passional, das ist der Heiligen Leben. Sie entstand vermutlich um 1400 im Rahmen monastischer Reforminitiativen im Dominikanerkloster in Nürnberg. Für die Predigt oder die Tischlesung im Kloster gut geeignet, entwickelte sich Der Heiligen Leben zum wirkmächtigsten Legendar des europäischen Mittelalters: 18 Druckereien führten es in ihrem Verlagsprogramm. Mit geschätzten 30.000 bis 40.000 Exemplaren war es im gesamten deutschen und niederländischen Sprachraum bis hin nach Skandinavien verbreitet. Sein heterogener Rezipientenkreis beschränkte sich nicht mehr nur auf die Klosterbibliotheken, sondern erreichte nun auch ein laikales Publikum, allen voran die vornehme Nürnberger und Augsburger Bürgerschaft. Auch Kunsthandwerker und Maler wie Albrecht Dürer und Lucas Cranach oder die Meistersinger benutzten Der Heiligen Leben als Nachschlagewerk.
Nach dem Vorbild der lateinischen Legenda aurea des Jacobus de Voragine stellt das Legendar zu jedem Tag im Kirchenjahr Kurzviten der Tagesheiligen zusammen. Die folgende Episode über Heinrichs Werbung um Kunigunde und ihre Vermählung wird unter der Kapitelüberschrift Von sand kaiser Hainrich erzählt. Glücklich über seine lang ersehnte Einwilligung zu einer Heirat haben die Fürsten und Reichsbischöfe das frisch vermählte Paar ins Bett geleitet. Im mittelalterlichen Verständnis bedeutet die Hochzeitsnacht den zweiten, notwendigen Teil einer Vermählung nach dem gegenseitigen Eheversprechen; sie ist Symbol für den sexuellen Vollzug der Ehe. Doch heimlich hat Heinrich die Sorge um sein Seelenheil längst über seine weltlichen Pflichten um das Wohl des Reiches gestellt. Die Bettszene wird zur pikanten Kulisse, vor der er seiner Gemahlin das streng gehütete Geheimnis eröffnet.
(Carla Meyer)

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