(Papst Innozenz III. teilt Bischof Timo und dem Domkapitel von Bamberg die von ihm vollzogene Heiligsprechung der Kaiserin Kunigunde mit, befiehlt ihnen, die neue Heilige gebührend zu verehren und macht ihnen den Wortlaut der Gebete zur Feier des liturgischen Gedenkens Kunigundes bekannt. Rom (Lateran), 1200 April 3.)
Bischof Innozenz (III.), Knecht der Knechte Gottes, (entbietet) seinem ehrwürdigen Bruder Bischof Timo (11961201) sowie seinen geliebten Söhnen, dem Bamberger Domkapitel, seinen Gruß und apostolischen Segen.
Weil gemäß der Wahrheit des Evangeliums niemand ein Licht anzündet und es unter einen Scheffel stellt, sondern auf einen Leuchter, damit alle, die im Hause sind, (es) sehen können (vgl. Mt 5,1516; Lk 8,16), ist es gleichermaßen recht und billig, dass wir diejenigen, die Gott im Himmel mit dem verdienten Lohn der Heiligkeit krönt und auszeichnet, auf Erden mit dem Dienst der Verehrung preisen und rühmen, zumal in ihrer Person vielmehr er selbst (= Gott) gepriesen und gerühmt wird, der in (seinen) Heiligen zu preisen und ruhmvoll ist (vgl. Dan 3,53; Ps 67,36). Frömmigkeit nämlich verheißt dieses und das zukünftige Leben (vgl. 1. Tim 4,8), da Gott durch den Propheten spricht: "Ich werde euch (unter) allen Völkern zu Lob, Ruhm und Ehre bringen (vgl. Zef 3,20; 1. Petr 1,7)!" Durch ihn verspricht er auch: "Die Gerechten werden erstrahlen wie die Sonne im Reich ihres Vaters (vgl. Mt 13,43)." Denn um die Macht seiner Stärke (vgl. Eph 1,19; 6,10) auf wunderbare Weise zu offenbaren und die Angelegenheit unseres Heils barmherzig zu betreiben, zeichnet er seine Getreuen (fideles suos), die er stets in Himmel krönt, häufig auch auf Erden aus, indem er zu ihrem Gedenken Zeichen und Wunder wirkt (vgl. Apg 7,36), durch welche die Verderbtheit der Ketzer (pravitas heretica) zu Fall gebracht und der katholische Glaube (catholica fides) gefestigt werden soll. Folglich bringen wir, meine Lieben (karissimi), dem allmächtigen Gott nach unserem Vermögen, wenn auch nicht in dem geschuldeten Maße, unseren Dank entgegen, der in unseren Tagen zur Festigung des katholischen Glaubens und Erschütterung der ketzerischen Verderbtheit in offenkundiger Weise die Zeichen erneuert und machtvoll Wunder wirkt (immutat), indem er diejenigen durch Wunder erglänzen lässt, die den katholischen Glauben sowohl im Herzen als auch im Munde führten sowie in ihren Taten trugen, unter ihnen auch Kunigunde seligen Angedenkens, erhabene Kaiserin der Römer, die, als sie dereinst auf Erden ihr Leben zubrachte, durch große Verdienste viel vermochte und jetzt, da sie im Himmel lebt, durch viele Wunder erglänzt, so dass ihre Heiligkeit durch zuverlässige Anzeichen bestätigt wird. Zwar mag, um bei Gott in der himmlischen Kirche (ecclesia triumphans) als heilig zu gelten, allein die beharrliche Ausdauer bis zum Ende (finalis perseverantia) genügen nach dem Zeugnis der (göttlichen) Wahrheit, die da sagt, dass "selig sein wird, wer bis zum Ende ausharrt (vgl. Mt 10,22; 24,13)"; und an anderer Stelle: "Sei treu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben (vgl. Offb 2,10)." Um aber bei den Menschen in der Kirche auf Erden (ecclesia militans) als heilig zu gelten, sind zwei Dinge von vonnöten: sittliche Tugend (virtus morum) und Wunderkraft der Zeichen (virtus signorum), d.h. Verdienste und Wunder, damit diese (Verdienste) und jene (Wunder) gemeinsam Zeugnis ablegen. Denn weder Verdienste ohne Wunder, noch Wunder ohne Verdienste reichen völlig aus, um unter den Menschen Zeugnis für (jemandes) Heiligkeit abzulegen, zumal sich ein Engel des Satans bisweilen in einen Engel des Lichts verwandelt (vgl. 2. Kor 11,14) und manche ihre Werke tun, damit sie von den Leuten gesehen werden (vgl. Mt 23,5); aber auch die Wahrsager des Pharao (magi Pharahonis) wirkten einst Zeichen, und schließlich wird auch der Antichrist Wunder vollbringen, um, wenn möglich, selbst die Auserwählten vom rechten Weg abzubringen (vgl. Mt 24,24). Wann immer aber redliche Verdienste vorausgehen und strahlende Wunder folgen, bieten diese einen zuverlässigen Hinweis auf Heiligkeit, so dass sie uns zur Verehrung desjenigen hinführen, den Gott durch vorausgegangene Verdienste und nachfolgende Wunder als verehrungswürdig erweist. Diese beiden (Kriterien) lassen sich ganz deutlich den Worten des Evangelisten entnehmen, der über die Apostel sagte und sprach: "Diese aber zogen aus und predigten allerorten, und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte ihre Worte durch nachfolgende Zeichen (vgl. Mk 16,20)." Als freilich die Verdienste und Wunder vorgenannter Kaiserin durch euren Bericht unserem Vorgänger Papst Coelestin (III.) guten Angedenkens (11911198) zu Ohren gekommen waren, betraute er, um darüber genauere Kenntnis zu erlangen, unsere ehrwürdigen Brüder Bischof (Udalschalk) von Augsburg, Bischof (Hartwich) von Eichstätt und (Heinrich III.), Bischof von Würzburg guten Angedenkens, sowie seine geliebten Söhne Abt (Hermann I.) von Ebrach, Abt (Rabotho) von Langheim und Abt (Arnold) von Heilsbronn durch päpstliche Schreiben mit der Untersuchung dieser (Verdienste und Wunder). Nach seinem Tod (8. Januar 1198) begannen die Wunder sich derart zu offenbaren und so sehr zu häufen, dass aufgrund der Evidenz und Häufigkeit gleichermaßen ihre Heiligkeit von allen als geradezu offenkundig (notoria) gepriesen wird, wie uns als Nachfolger der Apostel (nostro apostolatui) jüngst durch zahlreiche schriftlich niedergelegte Zeugenaussagen von Bischöfen, Äbten, Pröpsten, Fürsten und vielen anderen kundgetan wurde. Als nun von eurer Seite die geliebten Söhne Abt (Leopold) von Michelfeld, der (Dom)dekan Gundeloh, der (Dom)kustos Konrad (von Iselden), der Erzdiakon Markward (von Wiesenthau), der Subdiakon eurer Hauptkirche (= des Bamberger Doms) Hertnid (von Ulsenbach), (ferner) Leupold, Diakon von St. Stephan, Brucchard, Diakon von St. Maria, Heinrich, Presbyter von St. Michael und Heinrich, Subdiakon von St. Maria, zum apostolischen Stuhl kamen und sowohl uns als auch unsere Brüder (= Kardinäle) demütig baten, dass wir aus der Fülle der Macht heraus, die Jesus Christus dem heiligen Petrus verliehen hat, geruhen mögen, vorgenannte Kaiserin dem Katalog der Heiligen hinzuzufügen, und verfügen, dass ihr Gedenken fortan von allen Gläubigen feierlich unter den Heiligen zu begehen sei, da dieses erhabene Urteil allein dem Nachfolger des heiligen Petrus und Stellvertreter Jesu Christi (auf Erden) zusteht. In der Erkenntnis, dass dieses Urteil fürwahr in erhabenerer Weise gefällt werden muss als die übrigen Urteile, war es demnach unsere Absicht, bei seiner Prüfung umfassende Vorsicht walten zu lassen, und ließen aus diesem Grund die vorgenannten (Personen) einen heiligen Eid schwören, uns diesbezüglich die reine Wahrheit zu sagen. Sie legten den Schwur ab und sagten aus, dass die selige Kunigunde, wie sie durch ihren allseits bekannten Ruf und feierliche schriftliche Aufzeichnungen wussten, zwar dem heiligen Kaiser Heinrich (II.) ehelich verbunden gewesen (matrimonialiter copulata), sie jedoch von ihm fleischlich nicht erkannt (carnaliter cognita) worden sei; daher habe der Herr Kaiser, als er in den letzten Zügen lag, zu den Fürsten und (Kunigundes) Verwandten über sie gesagt: "Wie ihr sie mir überantwortet habt, so erstatte ich sie euch zurück. Als Jungfrau habt ihr sie gegeben und als Jungfrau gebe ich sie zurück." Ihre Jungfräulichkeit hat sie also dem Herrn geweiht und in unberührtem Zustand erhalten, derart, dass sie, als einst auf Betreiben des Feindes des Menschengeschlechts (= des Teufels) hin ein Verdacht gegen sie entstanden war, zum Beweis ihrer Unschuld mit nackten Fußsohlen über glühende Pflugscharen schritt und unverletzt daraus hervorging. Selbiger heilige Kaiser Heinrich (II.) und die hervorragende Kaiserin Kunigunde gründeten aus eigenen Mitteln die Bamberger Kirche und sorgten für ihre Ausstattung; diese (Kirche) brachten sie mit allem Zubehör im Eifer der Frömmigkeit, die sie dem apostolischen Stuhl gegenüber hegten, dem heiligen Apostelfürsten Petrus dar als eine, die zum Beweis dafür, dass sie dem Recht der römischen Kirche untersteht, einen jährlichen Zins an ihn entrichtet. Aber auch sonst ließen sie frommen Orten und ehrwürdigen Kirchen gar viele Wohltaten zuteil werden und setzten so Christus zu ihrem Erben ein. Dies und anderes wussten sie über ihre Verdienste zu berichten, hinsichtlich ihrer Wunder behaupteten sie, es habe sich in ihrer Gegenwart und vor ihren Augen häufig und offenkundig zugetragen, dass zum Andenken an diese Jungfrau Blinde das Augenlicht, Lahme das Gehvermögen, Stumme die Sprache und Taube das Gehör wiedererlangten und solche, die infolge anderer Gebrechen behindert waren, vollständig genasen; auch habe sich was von wunderbarer Neuheit ist und einem neuen Wunder gleicht Staub, den man von ihrem Grab genommen hatte, oft in Getreide verwandelt. Nachdem wir also von ihren Verdiensten und Wundern nicht nur durch zahlreiche und gewichtige Zeugnisse, sondern auch durch ebensolche Zeugen sicher in Kenntnis gesetzt worden waren, haben wir, da Gott dem Propheten gemäß in seinen Heiligen zu preisen ist (vgl. Dan 3,53; Ps 67,36), auf den Rat unserer Brüder (= Kardinäle) und vieler Bischöfe, die sich gerade am apostolischen Stuhl aufhielten, die selige Jungfrau Kunigunde dem Katalog der Heiligen hinzugefügt und verfügt, dass das Gedenken an sie unter den Heiligen zu begehen sei. Daher ermahnen wir euch alle nachdrücklich (monemus et exhortamur) im Herrn und tragen euch durch apostolische Schreiben auf, dass ihr unseren feierlichen und umsichtigen Beschluss demütig und fromm beachtet, auf dass wir durch ihre Verdienste und auf ihre Fürbitten hin beim barmherzigsten Richter Vergebung finden. Ferner haben wir ein Eingangsgebet (collecta) sowie die übrigen Gebete, die zu ihrem Gedenken gesprochen werden sollen, festgelegt (edidimus); wir befanden es für nötig, selbige (Gebete) auf dieser Seite hinzuzufügen:
Allmächtiger und barmherziger Gott, der du von deinem Ruhm weder das männliche, noch das weibliche Geschlecht (nullum sexum) ausnimmst, noch irgendein Geschöpf ausschließt, wir bitten dich flehentlich, dass du so, wie du der heiligen Jungfrau Kunigunde nach dem Gipfel des Erdenreiches den Thron des Himmelreiches hast zuteil werden lassen, durch ihre Verdienste und auf ihre Fürbitten hin auch uns, deinen Dienern, den Lohn der ewigen Glückseligkeit schenken mögest. Durch (unseren Herrn Jesus Christus).
Stilles Gebet: Wir bringen dir, unser Herrgott, das Opfer unseres Lobes dar und flehen deine Gnade an, auf dass du uns durch die Kraft dieses Sakraments, durch Fürsprache deiner seligen Jungfrau Kunigunde, von den Sünden befreist und vor Gefahren schützt. Durch (unseren Herrn Jesus Christus).
Schlussgebet: Das Sakrament der menschlichen Erlösung, das wir zu Ehren der seligen Kunigunde dargebracht haben, mache uns dir, o Herr, willkommen, damit wir durch das, was wir selbst von dir empfangen haben und du von uns erhalten hast, stets mit dir vereint leben wie mit einem Vater.
Gegeben im Lateran, am 3. April (1200), im dritten Jahr unseres Pontifikats.
(Übersetzung: Eike Schmidt)