Ebernand von Erfurt: keisir vnde keisirin

Außerordentlich früh, noch im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts, wurden die Legenden um Heinrich und Kunigunde erstmals ins Deutsche übersetzt. Ebernand von Erfurt, der Autor der ersten volkssprachlichen Vita mit dem Titel keisir vnde keisirin, kannte die Geschichte von Kunigundes Kanonisation im Jahr 1200 und der Translationsfeier ein Jahr später noch aus Augenzeugenberichten.
Namentlich beruft er sich auf den Bamberger Kleriker Reimboto, seinen Auftraggeber und Gönner, dessen Geschichte er niederschreibt. Wie im 56. Kapitel der Vita ausführlich berichtet wird, war dem todkranken Reimboto im Fiebertraum der heilige Heinrich erschienen und habe ihm Genesung versprochen, wenn er sich für die Erhebung der Kunigunden-Gebeine einsetze. Eine kleine Zeichnung in dem prächtigen Bamberger Codex RB. Msc.120, einer Sammelhandschrift mit allen bis 1200 entstandenen Legendentexten zu Heinrich und Kunigunde, erinnert an seine Vision: Neben dem betenden Mönch am Rand der Miniatur, auf der Kunigunde zum Beweis ihrer Jungfräulichkeit über die heißen Pflugscharen schreitet, steht in zierlichen Buchstaben her Reinboto. Ansonsten jedoch wurde er in den Bamberger Quellen vergessen und auch Ebernands Werk, das er anregte, war im Mittelalter war kein großer Erfolg beschieden. Sein Text ist nur in einer einzigen Handschrift aus dem Kloster Mühlhausen in Thüringen überliefert, die aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts stammt.
Als Ebernand Reimboto kennenlernte, da hatte dieser bereits Bamberg verlassen und war als Mönch oder Laienbruder in das Zisterzienserkloster Georgenthal bei Erfurt eingetreten. Auch Ebernands Stand gibt viele Rätsel auf: War er Reimbotos Mitbruder? Oder ist er der Erfurter Patrizier und Stadtrat Ebernand, der sich in mehreren Urkunden zwischen 1192 bis 1227 in den Zeugenlisten der cives und burgenses findet? Zumindest verfügte Ebernand über eine kirchliche Ausbildung, so lässt sich aus seinen Lateinkenntnissen und seiner Belesenheit schließen. Für seine Recherchen zur Versvita hat er alle bis dato verfassten hagiographischen Werke über das Kaiserpaar studiert. Als einer der Ersten hatte er das sogenannte Additamentum Vitae Heinrici in Händen, das nur kurz vor seinem eigenen Werk fertig gestellt worden sein muss. Von ihm übernahm er die erstmals prächtig ausgeschmückte Erzählung von Kunigundes Pflugscharenprobe.
Historisch ist ein Ordal an Kaiserin Kunigunde nirgends belegt. Weder in den Urkunden des 11. Jahrhunderts noch bei dem ottonischen Haus- und Hofhistoriographen Thietmar von Merseburg findet sich eine entsprechende Andeutung. Doch Gottesurteile zur Wahrheitsfindungen entsprachen im gesamten Mittelalter dem allgemeinen Rechtsverständnis. Auch in Bamberg gehörten sie zur Lebenswirklichkeit: So ist uns ein Fall am Domgericht aus dem Jahr 1063 bekannt, in dem der Dekan auf bischöflichen Auftrag hin eine Frau namens Heylica dazu verurteilte, das glühende Eisen zu tragen, da sie des Geschlechtsverkehrs mit mehreren Männern angeklagt war. Gottesproben waren zudem ein beliebtes Motiv in der Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts, so zeigen nicht nur die Legenden der beiden heiligen Herrscherinnen Richardis und Emma, sondern auch Isoldes Eisenprobe im Tristanroman oder die Kurzerzählung Das heisse Eisen des Strickers. Mit der Pflugscharprobe hatten Kunigundes Hagiographen eine perfekte Bühne geschaffen, auf der ihre mariengleiche Jungfräulichkeit und ihr Gottvertrauen dramatisch in Szene gesetzt werden konnte: Bis heute gehört die Episode zu den beliebtesten und meist erzählten Legenden um die Bamberger Bistumspatronin.
(Carla Meyer)

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