15. Viele wurden auf beiden Seiten verwundet, einige auch erschlagen. Einer von den Unsrigen, ein Mann von edler Herkunft und ritterlichem Wesen, Hemuzo, hatte die Burgbesatzung mehrfach zum Kampfe herausgefordert und fast bis an die Mauern verfolgt, als ein halber Mühlstein sein behelmtes Haupt traf und ihn niederstreckte; frohlockend zogen die Feinde den Toten in die Burg. Mein Bruder, Graf Heinrich, dessen Vasall er war, musste die Leiche mit Geld lösen und brachte ihn heim. Ein anderer, der wegen seines ständigen Jagens der wilde Tommo hieß, glitt an der Spree beim tapferen Kampfe mit den Feinden auf schlüpfrigen Steinen aus; lange schützte ihn noch sein trefflicher Panzer, bis ihm leider endlich doch eine Wunde den Tod brachte. Einer seiner Vasallen wollte verhindern, dass er weggeschleppt wurde, brach aber von einer Lanze getroffen über ihm zusammen. Erst als man so alle Leiden des Krieges schon beinahe hinter sich hatte, wurde auf Befehl Boleslaws (Chrobry) durch einen Abgesandten die Burg gegen freien Abzug der Verteidiger in die Gewalt des Königs übergeben, der sie mit einer neuen Besatzung sicherte. Dann kehrte der König mit seinem vom langen Marsche und magerer Verpflegung erschöpften Heere heim, wobei er wie gewöhnlich die Markgrafen durch die jeweils erforderlichen Verstärkungen unterstützte.

16. Während er sich in Merseburg der ersehnten Ruhe hingab, traf die Nachricht ein, der ehrwürdige Graf Esiko sei nach langer Krankheit in Lübschütz verstorben. Als die Leiche gebracht wurde, holte er sie selbst ein und ließ sie ehrenvoll an der Nordseite vor der Kirche St. Johannes des Täufers (=Merseburger Dom) beisetzen. Dem hl. Altare und den dort dienenden Brüdern schenkte er zum Heile seiner Seele eins seiner Güter, Obhausen, und zwei silberne Leuchter. Ferner verlieh er Bischof Wigbert (von Merseburg) erneut die Abgabe der Kaufleute und ungläubigen Juden, die zunächst Giselher erworben, aber bald wieder vertauscht hatte. Die Grafschaftsrechte über Merseburg und das zugehörige Lehen übertrug er an Burkhard (Pfalzgraf von Sachsen), 4 Burgen an der Mulde erhielt Thiedbern zu Lehen. Doch alles Eigengut behielt er durch Rechtsentscheid für sich. ­ Graf Heinrich (von Schweinfurt) gab er aus der Haft frei und entließ ihn in Gnaden.

17. Wie wir zur größeren Verherrlichung Christi das Glück unserer hl. Mutter Kirche ihrem geistlichen Volke mitteilen sollen, so müssen wir ihm auch ihre Verluste schildern, um zur Einkehr aufzufordern; nur so kann es das eine in einmütiger Freude, das andere in entsprechend großer Trauer, Ergebenheit und Geduld aufnehmen. In Paderborn verzehrte zur Strafe für unsere Unrechtlichkeit Feuer das Münster mit allem, was dazu gehörte; das machte die Herzen vieler Gläubigen betroffen, und liebendes Vertrauen auf Gottes gerechte Vergeltung entflammte sie mit gemeinsamer Kraft zum Wiederaufbau.

18. Auch wurde zu Dortmund eine große Synode abgehalten, auf der sich der König bei den Bischöfen und allen Anwesenden über gar viele Übelstände in der hl. Kirche beklagte und in gemeinsamer Beratung Beschlüsse zu ihrer künftigen Abstellung fassen ließ; durch den trefflichen Erlass folgender Neuerung gebot er, das schwere Gewicht eigener Sünde zu mildern: Im Jahre 1005 der Fleischwerdung des Herrn, im 4. Jahre der Königsherrschaft Herrn Heinrichs II., wurde am 7. Juli zu Dortmund folgende Verordnung erlassen durch den ruhmreichsten König, seine Gemahlin Königin Kunigunde, die Erzbischöfe Heribert von Köln, Liawizo von Bremen und Tagino, den 3. Erzbischof von Magdeburg, die Bischöfe Notger von Lüttich, Suidger von Münster, Ansfried von Utrecht, Dietrich von Minden, Thietmar von Osnabrück, Bernhar von Verden, Bernward von Hildesheim, Burchard von Worms, Rather von Paderborn, Wigbert von Merseburg, Ekkehard von Schleswig und Odinkar (von Ripen). Beim Tode jedes der Genannten sollen die einzelnen Bischöfe innerhalb von 30 Tagen, wenn sie Krankheit nicht behindert, eine Messe für den Verstorbenen feiern, und jeder Domherr soll es ebenso halten. Die Landpfarrer sollen drei Messen lesen. Diakone und andere Geistliche niederer Weihen sollen zehn Psalterien singen. König und Königin sollen innerhalb von 30 Tagen 1500 Pfennige für die Lösung der Seele verteilen und ebenso viele Arme speisen. Die einzelnen Bischöfe sollen 300 Arme speisen, 30 Pfennige aufwenden und 30 Kerzen anzünden. Herzog Bernhard wird 500 Arme speisen und 15 Schillinge aufwenden. An den Tagen vor den Festen St. Johannes des Täufers, der Apostel Peter und Paul, des hl. Laurentius und Allerheiligen haben wir beschlossen, bei Brot, Salz und Wasser zu fasten. Am Tage vor Mariae Himmelfahrt und an allen Tagen vor anderen Apostelfesten fasten wir wie in der Fastenzeit. An den Quatembertagen halten wir es wie in der Fastenzeit, mit Ausnahme des Freitags vor dem Geburtsfest des Herrn, an dem wir bei Brot, Salz und Wasser zu fasten beschlossen haben.

19. Die Friesen griff der König mit einer Flotte an, nötigte sie zur Einstellung ihrer aufrührerischen Unternehmungen und veranlasste sie zur Versöhnung mit der entrüsteten Liudgard, einer Schwester der Königin. Auch gebot er in der Pfalz und in allen Grafschaften des Reiches bei Königsbann einen Heerzug gegen Polen, und als Versammlungsort Leitzkau. Zur festgesetzten Stunde, nämlich am 16. August, trafen die Aufgebote an diesem Ort zusammen. Und der König, der zu Magdeburg die Himmelfahrt der hl. Gottesmutter (15. August 1005) beging, setzte nach Erfüllung seiner Mess- und Verehrungspflicht noch am gleichen Tage, von der Königin (Kunigunde) begleitet, über die Elbe.

20. In diesen Tagen wurde Abt Rikdag wegen eines Vergehens von Bischof Tagino seiner Abtei entsetzt und der Mönch Alfger, der Vorsteher der zu Pöhlde Christus dienenden Mönche, in die frei werdende Stelle eingesetzt. So wurde als ein erstes Anzeichen kommenden Unglücks die bis dahin noch fest bewahrte Ordnung frommer Lebensführung durch Umwandlung in eine Propstei kläglich gestört. O hätten doch die Hände des Höchsten abgewendet, was im Laufe der Zeit noch geschehen sollte! Was die Gründer dieser frommen Einrichtung sorgsam aufbauten und nach ihrer Meinung weise zur höchsten Vollendung anordneten, sie, die in gottgefälligem Wesen uns Heutige so weit überragten, das ist in unseren Tagen auf Veranlassung schlimmer Menschen, so fürchte ich, leider nicht besser, sondern schlechter geworden. Wäre es doch um unseres eigenen Heils willen unterblieben!

21. Tatsächlich sind Menschen, deren neuartiges Auftreten in Kleidung und Lebensweise Lob findet, oft nicht das, was sie scheinen. Auch die Schrift lehrt: "Zur Schau getragene Rechtlichkeit ist nicht Rechtlichkeit, sondern doppelte Unrechtlichkeit." Gott genehm ist als Frucht der Menschen nur ein gutes Herz, und das können die Rechtschaffenen unter einem schönen, goldenen Kleide und hinter Mäßigkeit in Speis und Trank verbergen. Wem kommt wohl zugute, was man enthaltsamen Kuttenträgern entzieht? Wird es zum Vorteil ihrer Kirche verwendet, dann nützt es doppelt: einmal den Seelen der Brüder, weil sie es um Gott auf sich nehmen; zum anderen aber auch dem Vermögen ihres Hauses, das durch ihr Opfer gewinnt. Fließt dagegen alles der Außenwelt zu, wie könnte es dann ruhig gedeihen, wenn angesichts seiner Mehrung viele in Entbehrungen seufzen müssen? Es wird gewiss keinen sicheren und stetigen Aufschwung nehmen, sondern schließlich kläglich verfallen. Selbst wenn Christus, die Wahrheit, dazu schweigt und alle seine Verkünder ihre Lippen nicht öffnen, ist dann vielleicht alles einwandfrei? Die Posaune des Evangeliums lässt sich vernehmen: "Alles Verborgene wird offenbar werden." Haben wir unseren Willen in allem befriedigt, so müssen wir auch für verheimlichte Missetaten unsägliches Unheil hinnehmen. Unsere sterbliche Natur ist hinfällig; wir wissen sehr wohl, dass jedes Gewicht durch seine eigene Schwere zur Erde gezogen wird. Lasst uns auf klugen Rat hören, Mahnungen nicht verschmähen, und durch Achtung der Gebote Gottes den allen Gläubigen verheißenen Lohn erwerben. Wir wollen uns nicht besser dünken als unsere Vorgänger, denn wir alle sind ihnen sehr unähnlich und lassen uns durch den vielfachen Schein des Rechts tauschen. Niemand darf böse werden, wenn man ihn um Gottes willen vertraulich tadelt. Solchen Liebesbeweis sollte jeder freundlich hinnehmen und die reine Wahrheit um der himmlischen Vergeltung willen ertragen. In Demut sollten die Gläubigen Christus um die für alle so notwendige Vergebung bitten für solche und andere Vergehen. Doch nun will ich nach meiner langen Abschweifung den Faden der Erzählung wieder aufnehmen.

22. Nachdem der König das Heer geordnet hatte, trat er den weiteren Vormarsch an; die Königin (Kunigunde) aber kehrte gleich um und wartete voller Sorge in Sachsen auf die Rückkehr ihres geliebten Herrn. Unser Heer kam glücklich nach Dobrilugk im Lausitzgau; hier fanden sich zu seiner Verstärkung die Herzöge Heinrich (V. von Bayern) und Jaromir mit den Ihren ein und vergrößerten und stärkten zu aller Freude seine Hoffnung dank ihrer Klugheit und Tapferkeit. Verräterische Führer, die zugleich ihren Besitz schützen wollten, führten es jedoch unter Mühen und Beschwerlichkeiten durch öde Sumpfgegenden und verzögerten durch ihre feindselige Böswilligkeit eine schnelle, für den Feind gefährliche Begegnung. Als der Heerzug den Neißegau erreicht hatte, wurde an der Spree gelagert. Da beobachtete der wackere Ritter Thiedbern, dass der Feind uns aus dem Hinterhalt schaden wollte, und um für sich allein Ruhm zu gewinnen, rief er heimlich seine besten Kameraden zusammen, um ihn durch List in seine Gewalt zu bekommen. Doch der Gegner war sehr vorsichtig, barg sich zur leichteren Schädigung der Verfolger im Dickicht gefällter Bäume und schoss wie gewöhnlich mit Pfeilen, seiner besten Verteidigungswaffe; so konnte er am 6. September die Unvorsichtigen töten und ausplündern, zunächst Thiedbern, dann aber auch Bernhard, Isi und Benno, tüchtige Vasallen des Bischofs Arnulf und viele andere Krieger. Das traf den König und alle seine Begleiter schmerzlich; und glaubwürdige Männer berichten, auch Boleslaw (Chorbry) sei davon betroffen gewesen. Am Tage, bevor man die Oder erreichte, stießen dann, von ihren Götterbildern angeführt, die Liutizen zu uns.

23. Über sie (die Liutizen) zu berichten, ist mir ein Gräuel; doch musst du, lieber Leser, den eitlen Aberglauben und noch sinnloseren Kult dieses Volkes kennen; ich will deshalb kurz erklären, wer sie sind und woher sie kommen. Im Redariergau liegt die dreieckige und dreitorige Burg Riedegost, rings umgeben von einem großen, für die Einwohner unverletzlich heiligen Walde. Zwei ihrer Tore sind dem Zutritt aller geöffnet. Das dritte und kleinste Osttor mündet in einen Pfad, der zu einem nahe gelegenen, sehr düsteren See führt. In der Burg befindet sich nur ein kunstfertig errichtetes, hölzernes Heiligtum, das auf einem Fundament aus Hörnern verschiedenartiger Tiere steht. Außen schmücken seine Wände, soviel man sehen kann, verschiedene, prächtig geschnitzte Bilder von Göttern und Göttinnen. Innen aber stehen von Menschenhänden gemachte Götter, jeder mit eingeschnitztem Namen; furchterregend sind sie mit Helmen und Panzern bekleidet; der höchste heißt Swarozyc, und alle Heiden achten und verehren ihn besonders. Auch dürfen ihre Feldzeichen nur im Falle eines Krieges, und zwar durch Krieger zu Fuß, von dort weggenommen werden.

24. Für die sorgfältige Wartung dieses Heiligtums haben die Eingeborenen (Liutizen) besondere Priester eingesetzt. Wenn man sich dort zum Opfer für die Götzen oder zur Sühnung ihres Zorns versammelt, dürfen sie sitzen, während alle anderen stehen; geheimnisvoll murmeln sie zusammen, während sie zitternd die Erde aufgraben, um dort durch Loswurf Gewissheit über fragliche Dinge zu erlangen. Dann bedecken sie die Lose mit grünem Rasen, stecken zwei Lanzenspitzen kreuzweise in die Erde und führen in demütiger Ergebenheit ein Ross darüber, das als das größte unter allen von ihnen für heilig gehalten wird; haben sie zunächst durch Loswurf Antwort erhalten, weissagen sie durch das gleichsam göttliche Tier nochmals. Ergibt sich beide Male das gleiche Vorzeichen, dann setzt man es in die Tat um. Andernfalls lässt das Volk niedergeschlagen davon ab. Auch bezeugt eine alte, schon mehrfach als falsch erwiesene Kunde, aus dem See steige ein großer Eber mit weißen, von Schaum glänzenden Hauern empor, wälze sich voller Freude schrecklich im Morast und zeige sich vielen, wenn schwere grausame und langwierige innere Kriege bevorstehen.

25. Jeder Gau dieses Landes hat seinen Tempel und sein besonderes, von den Ungläubigen (Liutizen) verehrtes Götzenbild; doch genießt jene Burg einen besonderen Vorrang. Von ihr nehmen sie Abschied, wenn sie in den Krieg ziehen; sie wird geehrt mit gebührenden Geschenken bei der glücklichen Heimkehr; und sorgfältig erforscht man, wie ich berichtet habe, durch die Lose und das Ross, was die Priester den Göttern als genehmes Opfer darbringen müssen. Ihr unsagbarer Zorn aber wird durch Menschen- und Tierblut besänftigt. Nicht steht über allen, die zusammen Liutizen heißen, ein besonderer Herrscher. Wenn sie in ihrer Volksversammlung Fragen erörtern, müssen alle einmütig der Ausführung eines Unternehmens zustimmen. Widerspricht ein Landsmann in der Volksversammlung solchen Beschlüssen, dann erhält er Stockschläge, und wenn er gar außerhalb sich offen widersetzt, verliert er entweder sein Hab und Gut durch Einäscherung und völlige Verwüstung oder büßt vor der Versammlung je nach seinem Range durch eine bestimmte Geldsumme. Von anderen verlangen diese ungläubigen und unzuverlässigen Leute Stetigkeit und hohe Verlässlichkeit. Frieden schließen sie durch Abscheren des obersten Haupthaars, durch Gras und Handschlag. Zum Friedensbruch aber lassen sie sich leicht durch Geld bewegen. Solche Kriegsleute, früher unsere Knechte, jetzt aber als Folge unserer Unrechtlichkeit frei, zogen mit ihren Götzen unserem Könige als Hilfstruppen zu. Meide ihre Gemeinschaft und ihren Kult, lieber Leser! Höre und befolge vielmehr die Gebote der hl. Schrift! Wenn du das Glaubensbekenntnis des Bischofs Athanasius kennst und beachtest, wirst du bestätigt finden, dass alle die hier geschilderten Dinge nichtig sind.

26. Unter ungleicher Führung rückten die unähnlichen Scharen von dort an die Oder vor und schlugen ihre Zelte in der Nähe eines Flusses auf; er heißt auf slavisch Bober, zu deutsch "Biberfluss". Boleslaw (Chrobry), der die Stromufer hatte befestigen lassen und mit zahlreichen Truppen in Krossen lag, suchte ihren Übergang unter allen Umständen zu verhindern. Doch als der König nach siebentägigem Aufenthalt dort Boote und Brücken herbeischaffen ließ, zeigte die göttliche Vorsehung seinen ausgesandten Spähern eine treffliche Furt. Gleich bei Tagesanbruch versuchten auf Befehl des Königs 6 Heerhaufen den Weg durch die Untiefe und kamen unversehrt hinüber. Boleslaws Posten beobachteten es von weitem und gaben die betrübliche und unerwartete Meldung sofort an ihren Herrn weiter. Der vergewisserte sich durch drei oder mehr Kundschafter, brach dann schleunigst die Zelte ab und zog sich mit den Seinen unter Hinterlassung reichen Materials zurück. Vorsichtig beobachtete es der König mit den Seinen, stimmte mit Geistlichkeit und allen Truppen laut Christi Lob an und überquerte dann unbehelligt den Fluss. Seine Vorhut hätte die Feinde unvermutet in ihren Zelten überwältigen können, wenn sie nicht auf die lange zögernden Liutizen gewartet hätte. Wohl nahmen unsere Leute energisch die Verfolgung auf, konnten aber die wie flüchtige Hirsche Weichenden nicht mehr einholen und kehrten daher zu den Kameraden zurück.

27. Von hier aus zog der König zur Abtei Meseritz, wo er das Fest der Thebaischen Legion in tiefster Verehrung feiern wollte, und traf Vorkehrungen dagegen, dass Kloster und Wohngebäude der geflohenen Mönche durch die Seinen Schaden erlitten. Der Feind wagte nachts in keiner seiner Burgen zu verweilen; so folgte ihm der König, alles ringsum verwüstend, und machte auf Bitten seiner Großen erst 2 Meilen vor der Burg Posen Halt. Hier aber erlitten seine für die Beschaffung von Lebensmitteln und anderer Bedürfnisse zerstreuten Truppen aus dem Hinterhall schwere Verluste durch die Feinde. Währenddessen erbat Boleslaw (Chrobry) durch verlässliche Vermittler die Huld des Königs und fand sogleich Gehör. Erzbischof Tagino und andere Vertraute des Königs begaben sich auf Boleslaws Bitten in die Burg und schlossen mit ihm unter Eid gegen angemessene Entschädigungen einen festen Friedensbund. Dann zogen die Unsrigen voller Freude heimwärts, denn sie hatten durch weite Märsche schlechte Verpflegung und Unbilden des Krieges schwere Anstrengungen hinter sich.

28. Nach dem Feldzuge suchte der König tatkräftig durch Beseitigung ruchloser Unruhestifter in unserem Lande die ersehnte, heilsame Sicherheit zu gewährleisten; in Merseburg (Januar 1006) ließ er deshalb seinen bedeutenden Vasallen Brunkio und in Fallersleben die slavischen Häuptlinge Boris und Vezemuiskle und ihre anderen Anhänger mit dem Strick hängen. Zu Werben an der Elbe ordnete er dringende Fragen des Reiches in zahlreichen Zusammenkünften bei den Slaven, ob sie wollten oder nicht, und setzte sich machtvoll durch. Die früher zerstörte Arneburg ließ er zum Schutze des Landes wiederherstellen und gab ihre seit langem widerrechtlich entfremdeten Besitzungen zurück. Durch Spruch einer Synode ließ er in seiner Gegenwart kraft kanonischer und päpstlicher Vollmacht unrechtmäßige Ehen sowie den Verkauf von Christen an Heiden verbieten und ordnete an, Verächter des kirchlichen Rechts mit geistlichem Schwerte zu treffen.

29. Inzwischen hatte Herzog Balduin von Flandern sich durch Jugend, Überfluss und schlechte Ratgeber verleiten lassen, gegen den König zu rüsten, sowie die Stadt Valenciennes zu besetzen und seiner Herrschaft zu unterstellen. Sobald der König davon erfuhr, führte er selbst seine Feldzeichen gegen ihn und versuchte mehrmals, die Stadt im Sturme zu nehmen; er musste aber erfolglos wieder abziehen; da ließ er seine Vasallen in Ost und West für den nächsten Sommer zu einem Feldzuge gegen Balduin aufbieten. Die ersehnte Zeit kam; ein großes Heer sammelte sich, und der König zog mit ihm an die Schelde. Dort stellte sich Balduin mit seinen Truppen, sah sich aber in der Hoffnung getäuscht, dem Könige den Übergang verwehren zu können. Die Unsrigen gingen nämlich nach einem klugen Plan heimlich an anderer Stelle auf Kähnen über den Fluss und machten seine Überheblichkeit durch einen plötzlichen Überfall zuschanden. Der König freute sich angesichts seiner Flucht des Sieges in Christus setzte über und heerte in der Umgebung. Als er vor der Abtei Gent erschien, hießen ihn die Brüder der Kirche willkommen, und er verschonte diesen Ort und alle seine Besitzungen. Jetzt endlich bat Balduin in großer Not demütig um Gnade und erhielt bald darauf als Vasall des Königs Walcheren und die Stadt Valenciennes zu Lehen. ­ Am 21. des Monats Juli verstarb unseres Königs erlauchte Mutter, die ehrwürdige Frau Gisela; sie wurde in Regensburg bestattet.

30. Nach Befriedung dieser Landschaften hielt der König zu Frankfurt ein allgemeines Konzil ab (1. November 1007), das alle Bischöfe aus den Ländern nördlich der Alpen besuchten. Du musst seine Vorgeschichte kennen, lieber Leser! Der König hatte von klein auf seine Stadt Bamberg in Ostfranken besonders geliebt, mehr als andere begünstigt und sie bei seiner Vermählung seiner Gemahlin (Kunigunde) als Morgengabe verliehen. Seit ihm dann aber Gottes Erbarmen die Sorge für das Reich anvertraut hatte, plante er insgeheim ständig, dort ein Bistum zu errichten. Nun ist nach einem Worte des Horaz der Anfang schon die halbe Tat; daher begann und vollendete er dort eine neue Kirche mit zwei Krypten. Auch brachte er allmählich alles zusammen, was man zur Feier des göttlichen Geheimnisses braucht; und so bat er immer wieder den ihm sehr nahestehenden Bischof Heinrich von Würzburg, er möge seinem Herzenswunsche zustimmen und ihm tauschweise den Erwerb der Pfarreirechte im Regnitzgau gestatten; der Name leitet sich von einem Flusse her. Der Bischof ging bereitwillig auf die berechtigten Bitten seines lieben Herrn ein und stimmte zu unter der Bedingung, dass er zuvor seiner Kirche das Pallium verschaffen und ihm den Hirten von Bamberg unterordnen müsse. Das bekräftigte er insgeheim durch Übergabe seines Stabes an den König gegen tauschweise Überlassung von Grundbesitz. Als er aber erkannte, die Erzbischofswürde werde er keinesfalls erlangen können, verweigerte er die Einlösung seines Versprechens und lehnte es ab, der Ladung zum Konzil Folge zu leisten.

31. Als nun dort alle Erzbischöfe und ihre Suffraganbischöfe nach ihrem Range versammelt waren, warf sich der König zu Boden; Bischof Willigis (von Mainz), in dessen Diözese die Synode stattfand, hob ihn wieder auf; dann sprach er vor ihnen allen: "Um der künftigen Wiedervergeltung willen habe ich Christus zu meinem Erben erwählt, denn auf Nachkommen kann ich nicht mehr hoffen. Längst habe ich insgeheim meinen vorzüglichsten Besitz, mich selbst samt den von mir erworbenen oder noch zu erwerbenden Gütern, dem ungeborenen Vater als Opfer dargebracht. Schon immer trage ich mich mit dem Plane, zu Bamberg im Einverständnis mit meinem Bischof (Heinrich von Würzburg) ein Bistum zu errichten, und heute will ich diesen berechtigten Wunsch verwirklichen. Deshalb erbitte ich jetzt von eurer aufrichtigen Ergebenheit Zustimmung dafür, dass die Abwesenheit eines Mannes, der von mir etwas verlangt, was ich ihm nicht zugestehen darf, meinen Plan nicht behindern soll; zeigt doch sein Stab als Zeichen gegenseitiger Übereinkunft, dass er nicht um Gottes willen ausgeblieben ist, sondern aus Ärger über die Verweigerung einer Würde, die er niemals erlangen kann. Alle Anwesenden sollten bedenken, dass er aus reinem Ehrgeiz durch die Vorwände seiner Botschaft eine Mehrung unserer hl. Mutter Kirche zu hindern sucht. Zur sicheren Begründung dieses Bistums tragen in gütiger Freigebigkeit bei meine hier anwesende Gemahlin (Kunigunde) und mein einziger Bruder (Bruno, Bischof von Augsburg) und Miterbe, und beide dürfen gewiss sein, dass ich sie zufriedenstellend dafür entschädigen werde. Auch der Bischof (Heinrich von Würzburg) wird mich bestimmt zu allem bereit finden, was euch richtig erscheint, falls er sich einfindet und in die Erfüllung seines Versprechens einwilligt."

32. Nach dieser Rede erhob sich Bischof Heinrichs Kapellan Berengar; er bestätigte, dass sein Herr aus Furcht vor dem Könige fern geblieben sei; auch habe er es niemals gut geheißen, dass seine ihm von Gott vertraute Kirche irgendwelchen Schaden erleiden solle; alle Anwesenden forderte er dringend auf, aus Liebe zu Christus in Abwesenheit des Bischofs einen solchen Beschluss zu unterlassen, da er auch für sie zum Präzedenzfall werden könne. Dann verlas man laut seine Privilegien. Jedes Mal, wenn der König während der Verhandlungen einen ausweichenden Rechtsspruch kommen sah, warf er sich demütig zu Boden. Als dann schließlich Erzbischof Willigis (von Mainz) einen rechtlich gültigen Beschluss darüber beantragte, was in dieser Sache geschehen solle, erklärte Tagino (Erzbischof von Magdeburg) als erster, die Angelegenheit lasse sich nach den Gesetzen sofort den Darlegungen des Königs entsprechend durchführen. Daraufhin bestätigten und unterschrieben alle Anwesenden seine Erklärung; die Hirtensorge wurde vom Könige dem damaligen Kanzler Eberhard übertragen; der Erzbischof weihte ihn noch am gleichen Tage. Bischof Heinrich aber gewann später durch die Fürsprache seines Bruders Heribert (Erzbischof von Köln) die Huld des Königs wieder und eine zufriedenstellende Entschädigung.

33. Doch selten strahlt der Himmel heiter, ohne dass ihn bald schwarze Wolken verdunkeln; als der König zu Regensburg Ostern feierte, meldeten ihm Abgesandte der Liutizen, der großen Stadt Wollin und von Herzog Jaromir, Boleslaw (Chrobry)trage sich mit großen Plänen gegen ihn; mit Worten und Geld, so erklärten sie, suche er sie zu deren Verwirklichung zu verleiten. Sie versicherten ihm sogar, er dürfe nicht mehr auf ihre verlässliche Untertänigkeit rechnen, wenn er ihm noch länger Frieden und Gnade gewähre. Der König beriet diese Lage sorgfältig mit seinen Fürsten, nahm ihre unterschiedlichen Meinungen entgegen und schloss sich ihrer feindseligen Stimmung soweit an, dass er Boleslaws Schwiegersohn Hermann zur Aufkündigung des Friedensbundes aussandte. Da Boleslaw durch Mittelsmänner schon von dieser Gesandtschaft wusste, nahm er den Grafen ungnädig auf, obwohl er ihn früher zu sich geladen hatte; nach Entgegennahme seiner Botschaft suchte er sich weitläufig zu rechtfertigen und behauptete: "Christus, der Allwissende, sei mein Zeuge, dass ich ungern tun werde, was ich jetzt tun muss!" Dann bot er sein Heer auf, verwüstete den bei Magdeburg liegenden Gau Möckern und brach durch solch feindseliges Verhalten die Verbrüderung, die er früher in Christus mit den Magdeburgern geschlossen hatte. Dann zog er vor die Burg Zerbst und ließ die durch schwere Drohungen und lockende Angebote überwältigten Burgleute mit sich führen. Unsere Leute erfuhren wohl von allem, fanden sich aber nur zögernd ein und nahmen die Verfolgung allzu langsam auf. Ihr Führer war Erzbischof Tagino, doch er traf keine ausreichenden Vorbereitungen, obwohl er über alles Bescheid wusste. Auch ich befand mich bei ihm. Als wir Jüterbog erreicht hatten, meinten deshalb die Einsichtigen, eine Verfolgung des Feindes mit so geringen Truppen sei nicht ratsam; wir kehrten also um.

34. Boleslaw (Chrobry) dagegen besetzte erneut Lausitz, Sorau und Selpuli, und bald darauf begann der treulose Schwiegervater auch die Belagerung der mit einer Mannschaft Graf Hermanns gesicherten Burg Bautzen. Durch Unterhändler verlangte er von den Burgleuten ihm den Platz ohne beiderseitige Bemühungen zu übergeben; auf Entsatz durch ihren Herrn dürften sie nicht hoffen. So kam ein siebentägiger Waffenstillstand zustande. Er rüstete zum Sturme. Sie jedoch verlangten durch einen Boten dringend von ihrem Herrn und den Fürsten des Reiches Hilfe und versicherten, sie würden dem Feinde noch weitere 7 Tage Widerstand leisten. Markgraf Hermann kam nach Magdeburg, wandte sich an den damaligen Propst Walthard und suchte durch seine Boten alle Fürsten einzeln aufzurufen. Er beklagte sich bitter über ihr langes Zaudern, suchte aber trotzdem seine Kriegsleute durch Boten zu beruhigen. Die hatten während ihres langen, tapferen Widerstandes schwer unter den fortwährenden Angriffen Boleslaws zu leiden; als sie dann aber sahen, dass einige ihrer Kameraden unsicher wurden, und als die Befreiung durch ihren Herrn ausblieb, erwirkten sie beim Herzoge freien Abzug mit all ihrer Habe, übergaben ihm die Burg und traten niedergeschlagen den Heimweg an.

(Übersetzung: Werner Trillmich)

>