Wolfhere war sächsischer Herkunft und gehörte bereits unter Bischof Bernward von Hildesheim dem Hildesheimer Domklerus an. Bischof Godehard veranlasste seine weitere Ausbildung im Kloster Hersfeld, wo Albuinus sein Lehrer war. Zu Wolfheres Mitschülern zählte Ratmund, der Neffe Godehards und spätere Abt von Niederaltaich. Nachdem der Hildesheimer Dom mit den Gebäuden des Domstifts und Teilen der Stadt abgebrannt war, trat Wolfhere in das von Bischof Bernward gegründete Kloster St. Michael ein, wo er vermutlich auch starb.
In den Jahren um Godehards Tod ( 1038) verfasste Wolfhere eine Lebensbeschreibung seines Bischofs. Godehard entstammte einer Ministerialenfamilie Niederaltaichs und wurde hier und in Salzburg ausgebildet. Als nach seiner Rückkehr das Stift in ein Kloster umgewandelt wurde, legte er das Mönchsgelübde ab, wurde Prior und schließlich auf heftiges Drängen Herzog Heinrichs IV. Abt von Niederaltaich. Nachdem Heinrich das Königtum erlangt hatte, machte er Godehard zu einem der wichtigsten Reformer im Reich. Wie der König favorisierte auch Godehard die Ziele der Gorzer Klosterreform. So betraute Heinrich ihn zur Durchsetzung der Reform zusätzlich für kurze Zeit mit der Abtswürde von Tegernsee; in Hersfeld brachte Godehard sogar etliche Jahre zu, bevor er nach Niederaltaich zurückkehrte. Nach dem Tod Bischof Bernwards ( 1022) setzte Heinrich II. Godehard als Bischof von Hildesheim ein. Eine seiner wichtigsten Aufgaben bestand hier in der Durchsetzung Hildesheimer Ansprüche im sogenannten Gandersheimer Streit. Die Behauptung gegenüber dem Kontrahenten, dem Erzbischof von Mainz, gelang allerdings erst unter Heinrichs Nachfolger, Konrad II.
Wolfhere widmete die Vita seinem ehemaligen Lehrer Albuinus, der unterdessen Abt des sächsischen Klosters Nienburg geworden war. Das Werk wirkt in seiner Gliederung disproportioniert. Einem weitläufigen, sprachlich komplizierten Prolog, der mit 30 für das Mittelalter typischen leoninischen Hexametern schließt und die Schreibtätigkeit Wolfheres begründen soll, folgen die Kapitel über den Werdegang Godehards als Abt, Klosterreformer und Bischof. Dann folgt eine Art Exkurs über den Gandersheimer Streit, der ungefähr die Hälfte der Kapitel umfasst. Diese merkwürdige Gliederung erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vita.
Wolfhere arbeitete im Auftrag seines früheren Mitschülers Ratmund. Dieser war inzwischen Abt in Niederaltaich geworden. Als ehemaliger Ministeriale war er wie sein Onkel Godehard einer der wenigen Männer seiner Zeit, die Karriere machten, ohne aus einer bedeutenden adligen Familie zu stammen. Man vermutet, dass er aus diesem Grund Schwierigkeiten hatte, die Belange seines Klosters gegen die in der Umgebung einflussreiche Adelsfamilie der Aribonen durchzusetzten. Überdies hatte ein verheerender Brand das Kloster zerstört, und Ratmund musste den Wiederaufbau organisieren. In dieser Situation bat er den mit den Hildesheimer Verhältnissen vertrauten Wolfhere um Hilfe. Er wollte darüber informiert werden, wie sein Onkel Godehard eine ähnliche Situation meisterte. Im Gandersheimer Streit hatte es nämlich eine ähnliche Konstellation gegeben: Ein Angehöriger der Niederaltaicher Dienstmannenfamilie, Godehard, stand einem Mitglied der Aribonen, Erzbischof Aribo von Mainz, gegenüber. So erklärt sich auch, warum Wolfhere auffällig oft betont, dass Godehard in allen Dingen "rechtmäßig" gehandelt habe: Das Beharren auf das Recht (ius) war für ihn, der nicht auf die Unterstützung seiner Familie bauen konnte, die am ehesten erfolgversprechende Möglichkeit, seine Ziele zu erreichen.
Die Vita Godeshardi prior ist nur in einer Handschrift überliefert, die heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien liegt. Sie wurde von Wolfhere selbst und einigen anderen Schreibern aus Hildesheim zu Pergament gebracht. Zwei Gründe mögen eine Rolle gespielt haben, dass sie so wenig Verbreitung fand: Zum einen war ihre hauptsächliche Darstellungsabsicht, nämlich die Rechtmäßigkeit der Hildesheimer Ansprüche auf Gandersheim, nur für den Hildesheimer Domklerus und die Niederaltaicher Mönche von tiefergehendem Interesse. Zum anderen verfasste Wolfhere später eine zweite Vita (Vita sancti Godehardi posterior), die sehr viel deutlicher das heiligmäßige Leben Godehards in den Mittelpunkt rückte und so eine weite Verbreitung erfuhr. Sie verfolgte andere Ziele als die erste Fassung und wurde schließlich zur Grundlage im Kanonisationsverfahren für Godehard im Jahr 1131.
(Tania Brüsch)