Und da der Kaiser erfolgreich regierte und das Reich unter seiner Herrschaft gedieh, da strebten die Fürsten danach, wie aus des Kaisers vornehmen Geblüt eine tüchtige Dynastie erwachsen könne, von der die Welt Trost erfahren würde. Und sie baten den Kaiser, dass er sich eine Frau nehme. Deshalb lagen sie ihm lange in den Ohren. Das fiel ihm sehr schwer, denn er hatte unseren Herrn Jesus Christus zum Erben erwählt. Das wussten sie nicht und sprachen abermals zum Kaiser, es gebühre sich nicht, dass er das Reich alleine regiere, und es entspräche auch nicht der Tradition. Und sie sagten ihm auch, wenn er sich (ihren Wünschen) verweigern würde, so müsse er mit ihrer Feindseligkeit rechnen. Da tröstete sich Kaiser Heinrich im Vertrauen auf Gott, dass er seine Keuschheit bis an sein Lebensende bewahre. Und er antwortete den Fürsten, dass sie ihm eine Frau suchen sollten, die ihm und dem Reich angemessen sei. Da freuten sich alle.
Nun regierte ein vornehmer, mächtiger Pfalzgraf am Rhein, der hieß Siegfried, und seine Frau hieß Hedwig. Sie hatte eine makellose Tochter, die tugendhaft und keusch war und Gott liebte. Ihr Name war Kunigunde. Um diese Jungfrau warben die Fürsten für ihren Herrn, den Kaiser. Als die heilige Kunigunde das hörte, wurde sie sehr traurig. Ihr Vater und ihre Mutter waren gestorben und sie stammte von Geburt aus einem kaiserlichen Geschlecht. Da gaben ihre Verwandten sie dem Kaiser gegen ihren Willen. Sie (jedoch) stellte sich unter Gottes Schutz und diente ihm eifrig.
Zu der Hochzeit kamen sehr viele Fürsten und viele Bischöfe erteilten ihnen den Brautsegen. Als man sie nun ins Bett geleitet hatte, da sprach der Kaiser zu der Königin: "Du musst wissen, dass ich meine Keuschheit meinem Gott und Schöpfer versprochen haben, und dass ich nicht lieben will, wie man in der Welt liebt." Als das die heilige Kunigunde hörte, da wurde sie sehr froh und sprach: "Dafür würde ich auf viele Königreiche verzichten, denn auch ich habe meine Jungfräulichkeit Gott versprochen. Und wer das Versprechen bricht, der verdient Gottes Zorn!" Da sprach der Herrscher: "Herrin, ihr sollt wissen, dass Gott mit uns ist, denn wir sind in seinem Namen vereinigt. Er wird uns ewig seine Gnade gewähren." Da sprach die liebe Dame Kunigunde: " So geschehe es. Amen." Der Kaiser nahm ihre Hände in seine Hände und sprach: "Geliebte Dame, ich verspreche dir, dass ich keusch leben werde. Dasselbe sollst du mir auch versprechen, und wir wollen uns beide Gott ergeben. So will ich dich in allen Ehren und in Treue bewahren wie mich selbst und dich als eine mächtige Kaiserin behandeln. Und unser beider Keuschheit soll ein Geheimnis bleiben." Da dankte Sankt Kunigunde unserem Herrn, der sie so väterlich beschützt hatte. Und so hielt der Kaiser die Dame in großen Ehren und Würden. Was sie wünschte, das hatte zu geschehen.
(...)
Sankt Kunigunde und Kaiser Heinrich liebten sich gegenseitig in aufrichtiger Treue und wirklicher Reinheit. Was der eine wollte, das begehrte auch der andere. Und wenn Kaiser Heinrich auswärts weilte, so ließ er sie (durch Boten) oft wissen, wie es ihm ging, und wenn er zurückkam, so sah er sie sofort. Und sie schliefen bei einander um der Leute willen. Darum beneidete sie der böse Geist, er war zornig und versuchte beide oft zur Unkeuschheit zu verführen. Diese Qual litten sie Gott zuliebe und sie widerstanden ihm jederzeit mit Gottes Hilfe.
(Übersetzung: Carla Meyer)