Im August 1023 fand in der Abtei Seligenstadt, die dem Erzbischof Aribo von Mainz erst kurz zuvor übertragen worden war, eine Synode statt. Den einleitenden Worten des Erzbischofs im Protokoll nach sollte "mit dem gemeinsamen Rat und Zustimmung (der) genannten Mitbrüder vielfältiger Streit über Gottesdienstreformen und von Synoden beschlossenes Recht beigelegt und die Unterschiedlichkeit (der) einzelnen Gewohnheiten durch ehrbare Übereinkunft in eins zusammengeführt" werden. Teilnehmer der Synode waren fünf Bischöfe und zehn Äbte. Im Protokoll über die Beschlüsse werden die Bischöfe in der Reihenfolge ihres Weihealters aufgeführt, während die Namen der Äbte offensichtlich nach dem Ansehen ihrer Klöster geordnet wurden. Obwohl die Versammlung den Charakter einer Provinzialsynode trug, waren einige dabei, die nicht zur Mainzer Erzdiözese gehörten, darunter zum Beispiel die beiden Trierer Äbte Hericho von St. Maximin und Eberwin von Tholey. Dabei fällt auf, dass die anwesenden Äbte ausnahmslos Abteien vorstanden, die ihr Leben am Vorbild des Reformklosters Gorzes ausrichteten. Aribo hatte also in Seligenstadt einen reformfreudigen Kreis versammelt, von dem er sich die Durchsetzung seiner Vorstellungen versprach.
Anlass für die Synode waren wahrscheinlich weniger die unterschiedlichen "Gewohnheiten", sondern der "Hammersteiner Ehestreit". Seit vielen Jahren versuchte Heinrichs II., unterstützt vom jeweiligen Erzbischof von Mainz, die Ehe des Hammersteiner Grafenpaares Otto und Irmingard wegen zu naher Verwandtschaft aufzulösen. In Aribo fand er einen Mann, der konfliktfreudiger war als sein Vorgänger Erkanbald und der die Angelegenheit weiter vorantreiben wollte. Im Jahr 1023 eskalierte der Konflikt. Während Otto sich unterwarf, kündigte Irmingard an, nach Rom zu ziehen und vom Papst eine Grundsatzentscheidung zu erwirken. Aribo erkannte die Herausforderung und brachte das Problem auf die Tagesordnung der Synode von Seligenstadt. Die Beschlüsse wurden im Protokoll niedergelegt, freilich ohne Namensnennung.
Seit langem war darum gestritten worden, wie die Verwandtschaftsgrade zu zählen seien und bis zu welchem Grad (meistens wurde der siebte Grad angegeben) eine Ehe verboten war. Nun setzt man in Kanon 11 fest, dass nicht Bruder und Schwester, sondern nepos und neptis im ersten Grad verwandt seien, was eine Verschärfung der Vorschriften war. Die Bedeutung der lateinischen Verwandtschaftsangabe ist nicht eindeutig. Textimmanent müsste man der anschließenden Genealogie entsprechend nepos und neptis als 'Vetter' und 'Base' übersetzen, da dort über zwei Männer gesagt wird, sie seien "nepotes, (d.h.) Söhne zweier Brüder (filii duorum fratrum)". Dem Wort nach wäre allerdings auch die Übersetzung 'Neffe' und 'Nichte' möglich.
Auch Kanon 16 muss wohl in engem Zusammenhang mit dem Hammersteiner Ehestreit gesehen werden: Niemand dürfe ohne die Zustimmung seines Bischofs an den Papst appellieren. Diese Entscheidung kam sicherlich auf den Vorschlag Erzbischof Aribos von Mainz zustande, der Irmingards Appellation an den Papst für unrechtmäßig und damit für ungültig erklären lassen wollte. Zwar nennt das Protokoll weder im einen noch im anderen Beschluss einen Namen. Wie sehr der Fall jedoch die Synode beschäftigte, zeigt der schon erwähnte Anhang des Protokolls: Man fügte eine kurze Genealogie Ottos und Irmingards an, an der man den Grad der Verwandtschaft abzählen konnte, der ja für die Annullierung der Ehe entscheidend war.
Die Synodalbeschlüsse sind in mehreren Abschriften überliefert. Für die Edition wurden sechs von ihnen herangezogen; es handelt sich im Großen und Ganzen um Sammelhandschriften des 11. und 12. Jahrhunderts. In einigen von ihnen befindet sich das Decretum Burchardi, die systematisch geordnete Kirchenrechtssammlung Bischof Burchards von Worms, in dessen Anhang die Seligenstädter Beschlüsse überliefert sind. Die Textvarianten, die parallel in den Haupttext der Edition aufgenommen wurden, werden auch im Folgenden wiedergegeben.
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