At Eternity's Gate, Vincent van Gogh 1890, Kröller-Müller Museum (Quelle: Eloquence/wikimedia/gemeinfrei)

Die beiden Initiatorinnen des Projekts Stefanie Scholz (links) und Svenja Niescken. (Foto: Sandra Reinfurt)

Die Referenten des Informationsabends (v.l.n.r.): Björn Ivens, Jörg Wolstein, Rita Wüst, Thomas Müller-Rörich (Fotos: Eva Schenk)

Das ernste und spannende Thema Depression fesselte das Publikum

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- Eva Schenk

Depression kann jeden treffen

Informationsabend klärt über Volkskrankheit Depression auf

Die Veranstaltung Schweigen macht krank! Depressionen am Arbeitsplatz und ihre Folgen fand am 16. November 2011 statt und ist einer von mehreren Bausteinen des Projekts Universitäre Aufklärung Depression. Weitere Elemente sind ein Onlinemodul, ein Tutorenprogramm und weitere Vorträge, die Bamberger Studierende vor allem der betriebswirtschaftlichen Studiengänge für das Thema Depression sensibilisieren und ihnen zeigen sollen, wie sie einer Erkrankung vorbeugen können.

Doch warum sind immer mehr Berufstätige von Depression betroffen? Auf diese Frage ging Prof. Dr. Björn Ivens, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, in seiner Begrüßung ein. Der Alltag von Berufstätigen sei von starker Belastung geprägt. Ständig müsse man erreichbar sein, zahlreiche Überstunden halten viele für selbstverständlich. „Nicht jedem Menschen geht es schlecht unter diesen Bedingungen. Aber vielen geht es nicht gut“, bilanzierte Ivens, der das Projekt Universitäre Aufklärung Depression unterstützt. Deshalb sei es umso wichtiger, Studierende rechtzeitig auf Gefahren hinzuweisen und ihnen somit zu helfen, auch im späteren Arbeitsleben gesund zu bleiben.

„Depression ist eine Volkskrankheit“

Auch Referentin Rita Wüst, Geschäftsführerin des Münchner Bündnisses gegen Depression, betonte, dass es wichtig sei, den Begriff Depression zu enttabuisieren und somit einen offenen Dialog zu ermöglichen. „Schließlich ist Depression keine Randerscheinung, sondern eine Volkskrankheit. Derzeit leiden rund fünf Prozent der Menschen in Deutschland an einer depressiven Erkrankung – und es kann jeden treffen.“

Dass sich Menschen oftmals erst spät ihrer Depression bewusst werden, machte der Vortrag von Thomas Müller-Rörich deutlich. Der Unternehmer und Vorsitzende der Deutschen Depressionsliga hatte selbst mit schwerer Depression zu kämpfen und wusste anfangs lange nicht, was ihm fehlt: „Ich litt unter furchtbaren Rückenschmerzen und Übelkeit; zum Arbeiten musste ich mich regelrecht zwingen. Anfangs befürchtete ich, eine schreckliche Krankheit zu haben, vielleicht Leukämie.“ Dass er unter Depression litt, habe erst eine Urlaubsvertretung seines Hausarztes erkannt.

Auch über die Ursachen seiner Erkrankung sprach der Referent sehr offen: „Als selbstständiger Unternehmer musste ich sowohl technische als auch kaufmännische Aufgaben übernehmen. Den kaufmännischen Bereich traute ich mir eigentlich nicht zu, abgeben wollte ich ihn aber auch nicht.“ Aufgaben zu delegieren und sein Leben wieder zu genießen, das habe er während seiner Auszeit gelernt, so Müller-Rörich. Heute arbeitet er wieder und klärt als Vorstandsmitglied der Stiftung Deutsche Depressionshilfe über die Krankheit auf. Doch wie kann man das Risiko mindern, an Depression zu erkranken? „Rückblickend muss ich sagen, dass Gelassenheit sehr wichtig ist. Nichts im Leben ist so wichtig, dass Sie ihre Gesundheit dafür gefährden sollten“, appellierte Müller-Röhrich an das Publikum.

Auch über Selbstmord spricht man nicht

Zu einem weiteren tabuisierten Thema referierte Dr. Jörg Wolstein, Professor für Pathopsychologie der Universität Bamberg, in seinem sehr offenen Vortrag Umgang mit Suizid und suizidalen Krisen. Er zeigte in einem historischen Abriss, wie stark die gesellschaftliche Sichtweise auf den Suizid von der jeweiligen Epoche abhängt: Während der Selbstmörder in der Antike und der Aufklärung Verständnis, ja sogar Bewunderung genossen habe, sei er im Mittelalter moralisch und juristisch geächtet worden. Zudem zeigte Wolstein dem Publikum Möglichkeiten auf, wie man akut Selbstmordgefährdete von ihrer Tat abhalten könne. „Ganz wichtig ist es, Hinweise aller Art ernst zu nehmen und den Betroffenen konkret auf seine Pläne anzusprechen. In einer akuten Situation sollte man vor allem versuchen, Zeit zu gewinnen und den Suizidenten von einem Klinikaufenthalt zu überzeugen.“

Das Projekt Universitäre Aufklärung Depression

Das Projekt Universitäre Aufklärung Depression wurde von Stefanie Scholz, wissenschaftlicher Mitarbeiterin am Bamberger Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, und Svenja Niescken, Wissenschaftsjournalistin und Mitarbeiterin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe in Leipzig, ins Leben gerufen. Als eines der 15 besten Teams im Wettbewerb Was macht gesund?, der im Wissenschaftsjahr 2011 Forschung für unsere Gesundheit bundesweit ausgeschrieben worden war, erhielten die beiden für ihre Projektidee vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Fördersumme von 10.000 Euro.

Ziel des interdisziplinären Projektes ist es, Studierende in Bamberg nachhaltig für das Thema Depression zu sensibilisieren und sie somit vor einer Gefährdung im späteren Arbeitsleben zu schützen. Diese Sensibilisierung wird durch niedrigschwellige Informationsangebote und ein Tutorenprogramm mit BWL- und Psychologie-Masterstudierenden unterstützt. Das ermöglicht eine Aufklärung auf Augenhöhe. Auch nach dem Förderjahr 2011 soll dieses Projekt weiterlaufen und die Infrastruktur den Studierenden zur Verfügung stehen. Gespräche mit Förderern aus regionalen Unternehmen finden derzeit statt.