Benjamin Herges/Universität Bamberg

Frithjof Grell, Vizepräsident Lehre und Studierende, gibt einen Ausblick auf das Hybrid-Wintersemester 2020/21.

  • Lehre & Studium
- Hannah Fischer

„Niemand soll sich als bloße Matrikelnummer fühlen“

Frithjof Grell, Vizepräsident für Lehre und Studierende, beantwortet Fragen rund um das Hybrid-Wintersemester 2020/21.

Im News-Artikel vom 12. August warf Prof. Dr. Frithjof Grell einen Blick zurück auf ein außergewöhnliches Sommersemester 2020. Heute geht es um das Wintersemester 2020/21. Wie wird das Semester gestaltet sein? Was verändert sich im Vergleich zum Sommersemester? Und was hat es eigentlich mit der Task Force „Wintersemester 2020/21“ auf sich? – das sind nur einige Fragen, die die News-Redaktion dem amtierenden Vizepräsidenten gestellt hat.

Was genau bedeutet die Bezeichnung „Hybrid-Semester“?
Frithjof Grell: Es geht darum, eine Balance zwischen Präsenz- und Onlinelehre zu finden und dabei situationsangemessen zu handeln. Der Name, den man dem Ganzen gibt, ist dabei nicht ausschlaggebend. Er soll jedoch ein Signal dafür sein, was wir für das Wintersemester wollen. Was wir letztendlich können, ist von der Situation abhängig: Werden die bayernweit bestehenden Regelungen aufrechterhalten? Gibt es eine Verschärfung? Gib es eine Lockerung? Die größte Herausforderung ist dabei die Unsicherheit.

Und was genau wollen Sie für das Wintersemester 2020/21?
Die Universität lebt vom unmittelbaren wechselseitigen Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden, sowie der Lehrenden und der Lernenden untereinander. Denn nur der persönliche Austausch schafft die universitäre Gemeinschaft. Dieser Austausch ist offenbar nicht überall und nicht immer mit Online-Formaten möglich. Dementsprechend soll es so viel Präsenzlehre wie möglich und so viel Onlinelehre wie nötig geben – jeweils abhängig von den gegebenen Umständen.

Was bedeutet das konkret? Was ändert sich im Vergleich zum Sommersemester 2020?
Veranstaltungen können laut Beschluss der bayerischen Staatsregierung vom 28. Juli 2020 grundsätzlich unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelungen wieder in Präsenz durchgeführt werden. Vorlesungen mit bis zu 200 Teilnehmenden werden wieder erlaubt sein. Faktisch ist das in Bamberg aufgrund der räumlichen Kapazitäten nicht umsetzbar. Selbst wenn wir 200 Leute unter den Vorschriften in einem ausreichend großen Raum – den es nicht gibt – unterbringen könnten, wären wir nicht in der Lage, die Situation außerhalb des Raumes so zu kontrollieren, dass der Infektionsschutz für alle gewährleistet wäre. An den anderen bayerischen Universitäten stellt sich die Situation im Übrigen genauso dar. Derzeit gehen wir davon aus, dass die Räume nur von einem Viertel der sonst üblichen Teilnehmerzahlen genutzt werden können. Je nach Raumgröße können kleinere Veranstaltungen in Präsenzform durchgeführt werden, sofern die Hygiene- und weitere Vorschriften eingehalten werden. Auch eine Mischung von Präsenzphasen und Onlinephasen ist denkbar. Derzeit ist noch unklar, ob es für Präsenzveranstaltungen auch weiterhin eines entsprechenden Antrags bedarf, der von der Universitätsleitung genehmigt werden muss. Größere Vorlesungen werden weiterhin online stattfinden müssen.

Wie wird gewährleistet, dass alle Studierende an den Veranstaltungen teilnehmen können?
Das kann beispielsweise durch Online-Übertragungen oder Aufzeichnungen von Präsenzveranstaltungen gewährleistet werden. Außerdem arbeiten wir an Lösungen für Studierende, die beispielsweise erst eine Präsenzveranstaltung haben und gleich anschließend an einer Online-Veranstaltung teilnehmen wollen oder umgekehrt. Dafür sind Räume mit Internetzugang nötig, in denen die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen eingehalten werden können.

Wie wird trotz der Lockerungen gewährleistet, dass das Infektionsrisiko geringgehalten wird?
Lockerungen können nur soweit zugelassen werden, wie sie vertretbar sind, was das Infektionsrisiko angeht. Bei allem, was in Präsenzform stattfindet, müssen selbstverständlich die allgemeinen Hygiene- und Abstandsregelungen eingehalten werden. Außerdem muss es möglich sein, Infektionsketten gegebenenfalls nachzuvollziehen. Das bedeutet, dass Teilnehmerlisten geführt werden müssen, ohne die Freiheit der Studierenden, an einer Veranstaltung teilzunehmen oder nicht teilzunehmen, einzuschränken. Auch daran wird gerade gearbeitet.

Was bleibt im Wintersemester 2020/21 gleich wie im Sommersemester?
Das Wintersemester wird ebenfalls ein reguläres Semester unter besonderen Bedingungen werden. Dementsprechend wird es weiterhin mehr oder weniger große Einschränkungen bei der Öffnung der Universitätsgebäude, der Nutzung der Bibliotheksräume sowie beim Präsenzbetrieb geben.

Ist die Universität auf das Wintersemester vorbereitet?
Die Universität Bamberg ist im Sommersemester in einen schweren Sturm geraten. Aber das Schiff hat gehalten und wir haben vieles dazu gelernt. Insgesamt sind wir jetzt schon wesentlich besser vorbereitet als zu Beginn des Sommersemesters, weil wir auf die Erfahrungen aus dem Sommersemester zurückgreifen können. Die technische Infrastruktur sowie Kommunikationsstrukturen und auch der rechtliche Rahmen sind bereits aufgebaut. Darauf können wir im kommenden Semester zurückgreifen. Nichtsdestotrotz müssen wir flexibel bleiben.

Was ist die Task Force „Wintersemester 2020/21“ und wer sitzt da drin?
Es sind alle Statusgruppen, also Professorinnen und Professoren, Wissenschaftliche Mitarbeitende, Studierende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Verwaltung, vertreten. Es geht darum, möglichst alle Gruppen in Planungen und Entscheidungen, die mit der Corona-Pandemie zu tun haben, einzubeziehen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Was möchte die Task Force erreichen?
In der Task Force haben wir uns drei Aufgaben gestellt: 1. Wir denken an Studierende, die nicht da sein können – sei es, weil sie internationale Studierende sind und sich im Ausland befinden, weil sie zu einer Risikogruppe zählen oder auch, weil sie aus anderen Gründen nicht an Präsenzveranstaltungen teilnehmen können. 2. Wir setzen alles daran zu ermöglichen, dass sich Studierende an verschiedenen Orten an Lehrveranstaltungen beteiligen können. Dafür sind zum Beispiel Räume mit Internetzugang nötig, in denen die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen eingehalten werden können. 3. Wir möchten vor allem die Bindung der Erst- und Zweitsemester an die Universität und auch untereinander fördern, denn diese hatten noch gar keine Chance einen normalen Uni-Betrieb kennenzulernen.

Wie möchten Sie diese Bindung der Erst- und Zweitsemester erreichen?
Bereits vor einigen Wochen hat die Fachschaft SoWi Taschen für die Erstis im Wintersemester gepackt – als Trost dafür, dass die Erstsemesterbegrüßung auch im kommenden Semester nicht live stattfinden kann. Die Taschen werden seit Ende Juli nach und nach an die neuen Studierenden versendet. Außerdem gibt es auf Facebook schon eine Gruppe, in der sich Erstis austauschen können. Moderiert wird die Gruppe von einer Mitarbeiterin des Dezernats Kommunikation der Universität, die gegebenenfalls auch Tipps geben kann. Zur Orientierung und um den Start in das erste Semester zu erleichtern, haben wir Virtuelle Erstsemesterinformationen entwickelt. Alle Informationen rund um das Studium, den Stundenplan und Prüfungen wurden in einem Online-Kurs zusammengefasst. Das gesamte Angebot ist ab dem 19. Oktober im Virtuellen Campus (VC) zu finden. Außerdem wollen wir die Dozierenden dazu ermuntern, kreativ zu sein, um gerade die Studienanfänger in das universitäre Leben einzubinden: Man könnte eine Präsenzphase zum Beispiel mit einem Spaziergang durch den Hain verbinden, bei dem sich die Studierenden näher kennenlernen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Einrichtung von Chatgruppen etwa in MS Teams speziell für die Erst- und Zweitsemester eines Studiengangs zum gegenseitigen Kennenlernen oder auch um Videoschaltungen oder Treffen mit kleineren Gruppen zu organisieren und durchzuführen.

Werden die Studierende durch die Task Force mehr in Entscheidungen eingebunden?
Alle Beteiligten werden besser eingebunden – vor allem aber die Studierenden. Am Anfang der Pandemie mussten sehr schnell sehr weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Deswegen konnten wir nicht alle Universitätsangehörigen immer so einbinden, wie es vielleicht nötig gewesen wäre. Das ging aber in der Situation des enormen Drucks nicht anders, in der täglich neue Maßgaben von Freistaat oder Bund kamen, die umgesetzt werden mussten. Hier hatte die Universitätsleitung teilweise auch wenig inhaltlichen Spielraum. Ich kann gut verstehen, dass sich Studierende und Lehrende an mancher Stelle mehr Mitspracherecht gewünscht hätten. Die Unileitung war mit der Situation auch nicht immer zufrieden. Mit der Task Force haben wir aber jetzt meiner Meinung nach eine gute Lösung gefunden.

Was denken Sie, wie lange das Thema „Corona“ die Universität noch beschäftigen wird?
Das Thema wird uns unmittelbar noch so lange beschäftigen, bis es einen Impfstoff gibt. Aber auch danach werden wir nicht wieder einfach zur Tagesordnung übergehen können, und ich meine das durchaus positiv. Wir haben im vergangenen Semester Erfahrungen gemacht, die wir in der Zukunft nutzen sollten. Zum Beispiel hat sich bereits herausgestellt, dass Online-Formate doch mehr können, als man gemeinhin glaubte, aber doch auch nicht so viel, wie sich einige davon versprochen haben. Überhaupt hat das „Corona-Semester“ das Thema der Lehre wieder sehr viel stärker in den Fokus gerückt. Den beiden Grundfragen universitärer Lehre „Wie kann ich vermitteln, was ich vermitteln möchte?“ und „Was möchte ich meinen Studierenden, auch über die Fachinhalte hinaus, eigentlich vermitteln?“ kann nach diesem Semester niemand mehr ausweichen. Es geht dabei nicht nur um hochschuldidaktische Fragen, sondern letzten Endes um unser Selbstverständnis als Ort universitärer Bildung. In dieser gewachsenen Aufmerksamkeit sehe ich eine große Herausforderung für die Zukunft, aber auch eine enorme Chance für unsere Universität.

Haben Sie noch ein paar aufmunternde Worte und Empfehlungen für Lehrende und Studierende?
Für viele Studierende und Lehrende aber auch für Mitarbeitende in der Verwaltung hat das Sommersemester eine enorme Belastung oder an der ein oder anderen Stelle möglicherweise sogar Überlastung dargestellt. Die Universitätsleitung hat versucht das durch strukturelle Lösungen oder persönliche Gespräche aufzufangen, wenn sie Kenntnis davon hatte. Deshalb ein großes Kompliment: Alle Universitätsmitglieder können stolz darauf sein, was sie in diesem Semester geschafft haben. Die Universität Bamberg versucht allen zu helfen. Niemand soll sich als bloße Matrikelnummer fühlen, sondern es sollen Lösungen gefunden werden, weil wir eine Gemeinschaft von Lehrenden und Studierenden sind. Zur Not können das auch ausgesprochen individuelle Lösungen sein. Wenden Sie sich an die Universitätsleitung oder an eine Person Ihres Vertrauens, wenn Sie Probleme haben. So können wir es auch durch ein Hybrid-Semester im Winter schaffen.