Boris Mikhailov

Auf Einladung der Professur für Slavische Kunst- und Kulturgeschichte kamen der bekannte ukrainische Fotokünstler Boris Mikhailov und seine Frau Vita am 1. Juli 2015 nach Bamberg.

Boris Mikhailov ist Träger des diesjährigen Goslarer Kaiserrings und zählt im weltweiten Ausstellungsbetrieb und auf dem Kunstmarkt zu den derzeitig gefragtesten Fotografiekünstlern. Umso mehr durften sich Studierende der Slavistik und interessierte Gasthörerinnen und Gasthörer auf einen ebenso lehrreichen wie lebendigen Vortrag zum Thema „Bilder aus dem Archiv sowjetischen Lebens“ freuen.

 

Vor einem gut gefüllten Hörsaal präsentierte Vita Mikhailov in fast filmischer Abfolge eine große Anzahl der seit den späten 1960er Jahren entstandenen Bilder. Boris Mikhailov sprach darüber, welche Gedankengänge – politische, private und ästhetische –  ihn beim Fotografieren, nachträglichen Kolorieren oder beim Überlagern mehrerer Bilder bewegten. Stolz konstatierte er, dass gerade die auf dem Collageprinzip beruhende ästhetische Praxis – das Spiel mit eigentlich nicht zusammengehörigen Dias – in der Fotogeschichte inzwischen als bahnbrechendes Prinzip anerkannt und mit seinem Namen verbunden ist. Er beschrieb seine Faszination für menschliche und gesellschaftliche Phänomene und Zusammenhänge, die ihn zu aussagekräftigen, die Absurditäten des sowjetischen und postsowjetischen Lebens reflektierenden Bildreihen angeregt haben. Die Zuhörerschaft erfuhr auch, welchen Hindernissen bis hin zu Ausstellungsverboten er sich als nonkonformistischer Künstler besonders in den 1970er Jahren gegenüber sah. Dem Dolmetscher Boris Raev ist es durchweg gelungen, den temperamentvollen Redefluss des Künstlers ins Deutsche zu übertragen.

Aus den Beschreibungen zu einzelnen Bildern wurde deutlich, wieviel an persönlichen Kindheitserinnerungen, individuellen moralischen Anschauungen und auch kritischen Betrachtungen im Hinblick auf den sowjetischen „Durchschnittsmenschen“ in Boris Mikhailovs Fotos steckt. Wiederholt unterstrich er die Bedeutung des Zufalls beim Fotografieren und damit die Notwendigkeit, jeweils eine große Zahl an Aufnahmen zu machen, von denen dann jeweils nur einige Bestand haben. Das Publikum erkannte schnell, dass in Boris Mikhailovs Blick auf seine Umwelt, aber auch auf sich selbst häufig Humor mit im Spiel und damit im Bild ist. Auf besondere Weise wurde so eine Zeit im Osten Europas lebendig, die die meisten der Zuhörerinnen und Zuhörer bestenfalls vom Hörensagen kennen.

Auf einer Terrasse über der Regnitz fand der Abend in entspannter Atmosphäre seinen Abschluss.