Russlandtage – Русские дни

Die Woche der Internationalen Lehre mit ihren fachspezifischen Veranstaltungen ist in Bamberg zu einer Institution geworden, bei der die Universität auch dieses Jahr wieder ihr multinationales und interkulturelles Gesicht zeigte. Eine Besonderheit waren in diesem Jahr die Russland-Tage, die ein Beitrag zum „Deutsch-Russischen Jahr der Bildung, Wissenschaft und Innovation“ waren und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) koordiniert wurden. Zusammen mit anderen deutschen Hochschulen beteiligte sich die Universität Bamberg im Rahmen der Internationalen Woche an den bundesweiten Russland-Wochen 2012, wobei der wissenschaftliche Beitrag der Bamberger Slavischen Literaturwissenschaft und Kultur- und Kunstgeschichte diese Russlandtage mitprägte und auf literarisch-künstlerische Weise die Vielfalt dieses „geheimnisvollen“ Landes in Wissenschaft, Literatur und Kunst zeigten.

Literatur in Russland war und ist etwas Besonderes. Aus verschiedenen historisch-politischen Gründen ist sie nicht nur zur „Stimme des Volkes“ im Lande geworden, sondern zum Kommunikations- und Bindemittel zwischen den Ländern, wobei Deutschland einen besonderen Platz hatte und hat. Der Lehrstuhl für Slavische Literaturwissenschaft pflegt in diesem Sinne seit Jahren gute und für beiden Seiten bereichernde Beziehungen in Form des wissenschaftlichen Austauschs mit der Staatlichen Universität in Tomsk.

Wir konnten mit Olga Lebedeva einen Gast aus dieser Universität gewinnen, der Bamberg schon seit vielen Jahren verbunden ist und die Stadt wie seine eigene Tasche kennt. Sie ist dort seit 1998 Professor am Lehrstuhl für Russische und Ausländische Literatur. Einer ihrer Schwerpunkte ist Vasilij Žukovskij, der Dichter und große Übersetzer der deutschen Romantik. Sie promovierte über ihn und beteiligte sich an zahlreichen Projekten über den Dichter, und sie ist Mitherausgeberin der 20-bändigen historisch-kritischen Ausgabe der Werke Žukovskijs. Sie befindet sich also an einer Quelle des Deutschlandbildes in der russischen Kultur und macht sie wissenschaftlich zugänglich. An dieser Arbeit ließ sie uns am Dienstagabend mit ihrem Vortrag „An den Quellen des russischen Deutschlandbildes“ teilhaben.

Aber es ging in diesen Tagen nicht nur um die Erforschung der schöngeistigen Literatur. Die Gäste der Russlandtage bekamen auch die wunderbare Möglichkeit die Magie der Literatur direkt zu spüren, und zwar bei der Lesung von Pavel Fraenkel am Mittwochabend mit dem für sich sprechenden Titel „Literarische Wege zwischen Deutschland und Russland“. In ihm konnte die Slavische Literaturwissenschaft einen Autor, Übersetzer, Dramatiker und Herausgeber gewinnen, der nicht nur aus seinen eigenen Werken gelesen hat, sondern mit einem kurzen wissenschaftlichen Vortrag die Entwicklungstendenzen der modernen russischen Literatur skizzierte, um seine Werke und sich selbst in diesem Kontext darzustellen. Die Gäste konnten mit Pavel Fraenkel „im Zug der russischen Literatur, im Waggon der 2. Klasse am Fenster“ den ganzen Abend die russische Literatur in deutschem Kontext genießen. Abschließend wurde der Dokumentationsfilm „Vasilij Kandinskij“ gezeigt, für den Pavel Fraenkel das Drehbuch schrieb.

Als Gast der Professur für Slavische Kunst- und Kulturgeschichte kam Prof. Dr. Oleg Tarasov aus Moskau  zu den Russlandtagen nach Bamberg. Er ließ sich von der Schönheit der Stadt verzaubern und traf unter anderem den Osteuropa-Historiker Prof. Dr. Malte Rolf.  Oleg Tarasov, der an der Moskauer Staatlichen Universität Geschichte studiert hat und am Institut für Slavistik und Balkanistik in Moskau arbeitet, wird seit Jahren immer wieder zu Vorträgen an renommierte wissenschaftliche Einrichtungen in Europa, den USA und Japan eingeladen. Seine ins Englische übersetzten Bücher  Icon and Devotion. Sacred Spaces in Imperial Russia (London 2002) und Framing Russian Art. From Early Icons to Malevich (London 2011) haben bereits den Status von Standardwerken zur russischen Kultur. 

 In seinem Vortrag unter dem Titel Icon and Cultural History of Russia entführte Prof. Tarasov  die Zuhörerinnen und Zuhörer  in die Welt der russischen Ikonen. Er machte anhand von bekannten und weniger bekannten Ikonen, von Fotos, Stichen und Gemälden deutlich, in welchem Maße die orthodoxe Glaubensausübung, aber auch das politische und kulturelle Selbstverständnis in Russland seit Jahrhunderten mit den Ikonen verbunden ist. Dabei ging er auf das Erstaunen westlicher Reisender, die über den Umgang mit den Ikonen verwundert waren, ebenso ein wie auf den Weg der berühmten „Gottesmutter von Vladimir“ von Konstantinopel nach Kiev, Vladimir und Moskau. Gleichfalls beleuchtete er die Bewahrung der wertvollen frühen Ikonen durch die Altgläubigen und die tiefe Verwurzelung der Ikonenverehrung in allen Schichten der russischen Gesellschaft, von der armen Landbevölkerung über die geschäftigen Städter bis hin zu den Angehörigen des Zarenhauses, insbesondere auch unter Nikolaus II. und seiner Frau Alexandra Fedorovna. 

Zum Programm der Russlandtage gehörte auch eine von der Slavischen Kunst- und Kulturgeschichte angebotene Führung durch die Ausstellung Moskau in Zeit und Raum in der TB 4. Denis Wachtel und Prof.  Ada Raev erzählten von der Moskau-Exkursion im Sommer 2011 und von der schönen Qual der Wahl bei der Auswahl und Ordnung derFotos.

Die Theatergruppe der Slavistikstudenten gab eine Kostprobe ihres Stückes „Der Meister und Margarita“, das mit Förderung der Slavischen Literaturwissenschaft in der darauf folgenden Woche in voller Länge im E.T.A.-Hoffmann-Theater-Treff Bamberg aufgeführt wurde.