Julia Dreßen/Universität Bamberg

Kathrin Röggla liest aus ihren Werken, in denen es um Gegenwart, Großstadt und Arbeit geht.

Julia Dreßen/Universität Bamberg

Von den Gesprächen im Seminar erhofft sich Röggla Anregungen für ihr nächstes Buch.

- Julia Dreßen

Wahrheit und Wirklichkeit

Auftakt der Bamberger Poetikprofessur mit Kathrin Röggla

„Um eine Geschichte zu erzählen, muss ich viele Geschichten gehört haben“ – mit diesen Worten gewährte Kathrin Röggla bei der Auftaktvorlesung der diesjährigen Bamberger Poetikprofessur am 21. Juni den gut hundert Literaturinteressierten Einblick in ihre literarischen Schaffensprozesse. Die österreichische Schriftstellerin will dabei nicht nur an der Oberfläche bleiben, sondern verstehen, kritisch hinterfragen und hinter die Fassade blicken, was sie selbst als „recherchierende Weltentdeckung“ bezeichnet. Dabei tauchen in ihren Werken immer wieder die Themen Gegenwart, Großstadt und Arbeit auf – Alltagsaspekte, aber auch gesellschaftliche Debatten, die bei Röggla ganz genau unter die Lupe genommen und kritisch kommentiert werden. Die Autorin setzt dabei auf die Menschen, die hautnah mit solchen Themen in Verbindung stehen. In intensiven Gesprächen lernt sie diese Personen von ihrer ganz persönlichen Seite kennen, erhält ehrliche Einblicke und sammelt so die verschiedensten Geschichten. Daraus wiederum destilliert sie ihre ganz eigenen Geschichten und verwebt so Realität mit Fiktion.

Kritisch hinterfragen

Wirklichkeit und Fiktionalität, Wahrheit und Lüge, Authentizität und Inszenierung – diese Themen standen auch im Fokus ihrer ersten Lesung „Empathy with the devil“. Von Trump über die Flüchtlingsdebatte bis hin zum NSU-Prozess griff sie kontroverse Themen auf und regte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu an, kritisch zu hinterfragen, ob Wahrheit immer Wirklichkeit bedeutet und ob wir unsere Empathie nicht manchmal auf die falschen Personen beziehen. Im Rahmen eines Seminares diskutierte die Österreicherin am nächsten Tag mit Studierenden über die Inhalte ihrer ersten Lesung. „Wir beschäftigen uns das ganze Semester mit Kathrin Rögglas Texten und ich finde es besonders schön, dass wir uns auch persönlich mit der Autorin austauschen können“, erklärt Stephanie Schwarzendorfer, eine Teilnehmerin des Seminars. Von genau diesem Austausch erhofft sich auch Röggla Anregungen für ihr nächstes Buch. Dieses soll sich um das Thema Recht drehen, denn auch im Bereich der Rechtsprechung lassen sich festgestellte und tatsächliche Wahrheit kritisch hinterfragen.

30-jähriges Jubiläum der Bamberger Poetikprofessur

Bereits zum 30. Mal wird die Bamberger Poetikprofessur zum Begegnungsort von Literatur, Öffentlichkeit und Wissenschaft. Mit Kathrin Röggla hat die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bamberg eine der meistbesprochenen Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und -dramatik eingeladen. Die in Berlin lebende Autorin wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter 2008 der Anton-Wildgans-Preis und 2012 der Arthur-Schnitzler-Preis. Ihre Dramen wurden an den Theatern in Leipzig, Wien oder Mannheim uraufgeführt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. „Wir freuen uns sehr, dass nun auch Bamberg in diese illustre Reihe von Uraufführungsorten aufgenommen wird“, erklärt Prof. Dr. Friedhelm Marx, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Organisator der Bamberger Poetikprofessur.

In der Spielzeit 2017/18 wird Rögglas Stück „Normalverdiener“ im ETA Hoffmann Theater uraufgeführt. In Kooperation mit dem Theater wird es im Anschluss an die Poetikprofessur zudem am 21. und 22. Juli ein internationales Kolloquium mit dem Titel „Literatur im Ausnahmezustand“ geben. Es bietet den Teilnehmenden die Möglichkeit, Rögglas Texte mit in- und ausländischen Expertinnen und Experten aus den Bereichen Literaturwissenschaft, Theater, Journalismus und Literaturvermittlung zu diskutieren. Als besonderes Highlight bietet eine szenische Lesung am 21. Juli um 18 Uhr einen ersten Eindruck des Stücks „Normalverdiener“. Auch das Bamberger Wildwuchstheater hat sich eines von Rögglas Werken angenommen und wird am 22. Juli das Stück „junk space“ aufführen.

Die nächsten Termine im Überblick

In drei weiteren Abendvorlesungen wird Kathrin Röggla weitere Einblicke in ihre Texte und ihr Schaffen geben:

  • Mittwoch, 5. Juli 2017: Konsequenzlosigkeit und Fiktion
  • Mittwoch, 12. Juli 2017: Von Nachbildern und Vorausbildern
  • Donnerstag, 20. Juli 2017: Literatur und Relevanz
  • Zeit: jeweils um 20 Uhr
  • Ort: Hörsaal U2/00.25, An der Universität 2

Das internationale Kolloquium „Literatur im Ausnahmezustand“ findet am 21. Juli von 9 bis 19.30 Uhr und am 22. Juli von 9 bis 13 Uhr im ETA Hoffmann Theater statt. Der Eintritt zu den Veranstaltungen der Universität und des ETA Hoffmann Theaters ist frei.