Die Mehrheit der Wähler hat sich für ein verschärftes Rauchverbot entschieden (Foto: Nosmokingtray_Yintan/wikimedia/cc-by-sa).

Harald Schoen untersuchte in einer Studie das Abstimmungsverhalten der Bürger beim Volksentscheid.

- Tanja Eisenach

Bayern sagt...Ja!

Harald Schoen über die Ergebnisse des Volksentscheids zum Nichtraucherschutz

Drei Dinge wurden im Zusammenhang mit dem bayerischen Volksentscheid zum Nichtraucherschutz kontrovers diskutiert: die geringe Wahlbeteiligung von 37,7 Prozent, die Frage, warum ein emotionales Thema die Bürger nicht erreicht hat, sowie die Probleme des Aktionsbündnisses „Bayern sagt nein“, Wähler zu mobilisieren. Erklärungen dazu von Politikwissenschaftler Harald Schoen.

Es war eine heiße Zeit in Bayern: Nicht nur das Wetter, auch der Gesetzesentwurf über ein verschärftes Rauchverbot, den das Aktionsbündnis „Für echten Nichtraucherschutz“ am 4. Juli zur Abstimmung stellte, erhitzte die Gemüter. Während Tabakindustrie, Wirte und Kneipenbesitzer ihre Existenz bedroht sahen, sprachen die Befürworter von Gesundheitsschutz, Jugendprävention und mehr Lebensqualität. Je näher der Wahltag rückte, desto schärfer wurde der Ton zwischen den beiden Lagern: Was als Ringen um ein Sachthema begann, entpuppte sich zunehmend als Grundsatz- und Prinzipiendiskussion, in der sich Raucher wie Nichtraucher diskriminiert und in ihren menschlichen Grundrechten beschnitten fühlten und sogar Vergleiche mit der Judenverfolgung im Dritten Reich nicht scheuten.

"Ein völlig normales Ergebnis"

Ein derart emotionales Thema interessiert die Bürger und lässt sie an die Urnen strömen, dachten viele Aktivisten und auch einige Medienvertreter. Das Ergebnis belehrte eines Besseren: Nur 37,7 Prozent der stimmberechtigten Bayern fanden den Weg ins Wahllokal. Prof. Dr. Harald Schoen, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Soziologie an der Universität Bamberg, betrachtet diese Zahl mit weniger erstauntem Blick: „37,7 Prozent ist ein völlig normales Ergebnis für einen Volksentscheid, wie man im Vergleich mit früheren Abstimmungen leicht erkennen kann.“

Mag sein, aber in diesem speziellen Fall, in dem viele Bürger ihre persönliche Betroffenheit zum Ausdruck gebracht haben, hätte man doch mehr erwarten müssen, oder? „Nicht unbedingt“, meint der Politikwissenschaftler. „Das Thema wurde heftig diskutiert, aber eben nur von einem vergleichsweise kleinen Teil der Wahlberechtigten. Unsere Studie, in der wir das Abstimmungsverhalten der Bürger beim Volksentscheid zum Nichtraucherschutz untersucht haben, belegt, dass etliche Stimmberechtigte auch unmittelbar vor der Abstimmung am 4. Juli wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs nicht kannten. Auch waren vielen Bürgern wichtige Regeln des Abstimmungsverfahrens unbekannt.“

In Einklang damit zeigt Schoens Projekt weiterhin, dass der Anteil derjenigen Wahlberechtigten, denen der Volksentscheid persönlich wichtig war, in den letzten vier Wochen vor dem Stichtag zwar deutlich stieg, sich dieses Anwachsen aber mit insgesamt rund zehn Prozentpunkten in einem moderaten Rahmen bewegte. Ähnlich wuchs der Anteil derjenigen, die sich über den Volksentscheid gut informiert fühlten, leicht an, ohne jedoch ein hohes Niveau zu erreichen.

Andere Themen waren wichtiger

Es scheint also nicht gelungen zu sein, bei vielen Bürgern Interesse für den Volksentscheid zu wecken, sie darüber zu informieren und für die Stimmabgabe zu mobilisieren. Die Ursachen hierfür sind Schoens Meinung nach vielfältig. Zum einen seien die Ressourcen beider Aktionsbündnisse – entgegen einiger Unkenrufe aus dem Lager der Nichtraucher, die bei ihren Gegnern eine „Materialschlacht mit Unterstützung der Tabaklobby“ wahrgenommen zu haben glaubten – sehr begrenzt und entsprechend klein gewesen.

Zum anderen schaltete sich die nach wie vor wohl schlagkräftigste politische Organisation in Bayern, die CSU, nicht in Diskussion um den Gesetzesentwurf ein, sondern vermied – aus politisch verständlichen Gründen – das Thema, wo es nur ging. Weiterhin verdrängten andere Themen wie die Wahl des Bundespräsidenten oder die Fußball-WM den Volksentscheid von den Agenden der Medienvertreter, so dass bis kurz vor der Abstimmung am 4. Juli nur wenig Berichterstattung zu verzeichnen war. Besonders augenfällig macht dies ein Vergleich mit der öffentlichen Aufmerksamkeit für Wahlen.

Polarisierung führte zu Stimmverlusten für Bayern sagt nein

Vom im Großen und Ganzen eher spärlichen Interesse der Stimmberechtigten konnten die Gegner des Gesetzentwurfs nicht profitieren. Den Mitgliedern von „Bayern sagt nein“ gelang es mit ihrem Wahlergebnis von nur 39 Prozent weder die Raucher als ihr ureigenes Klientel vollständig zu mobilisieren noch aus dem Lager der Nichtraucher genug Stimmen zu gewinnen. „Der Ansatz des Bündnisses, die Abstimmung zu einer Frage nach Freiheit und Toleranz zu machen, war strategisch sehr gut gewählt. Denn allein die Raucher, eine Minderheit in Bayern, konnten kaum mit einem Sieg in der Abstimmung rechnen“, erläutert Schoen. „Allerdings haben viele Mitglieder und Anhänger diese Idee offenbar nicht so weit verinnerlicht, dass sie mit ihr geworben hätten und in der Öffentlichkeit durchgedrungen wären. Das führte wiederum zu genau der Polarisierung – Nichtraucher stimmen für, Raucher gegen den Gesetzentwurf –, die man eigentlich vermeiden wollte.“ Außerdem sei zu beobachten gewesen, dass gerade auch viele Raucher nicht wussten, welche Veränderungen mit dem neuen Gesetzentwurf auf sie zukommen.

Dieses klare Wahlergebnis zu seinen Ungunsten will das Aktionsbündnis „Bayern sagt nein“ aber nicht auf sich sitzen lassen. Der VEBWK, Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur, prüft gerade juristische Maßnahmen und wirbt um Betroffene und Sympathisanten. Das Ringen um (Nicht-)Raucherschutz geht also weiter.