Gegensätze bei Olympia: Palmen in Sotschi... (Foto: RIA Novosti archive, image #499451/Mikhail Mordasov/Wikicommons/CC-BY-SA 3.0)

...und Schnee im Gebirge bei Krasnaja Poljana (Foto: Ivanaivanova/Wikicommons/CC-BY-SA 3.0)

Geograph Daniel Göler auf der georgischen Seite des Kaukasus im September 2013 (Foto: privat)

Sommerkurort und Wintersport

Olympiaaustragungsort Sotschi unter der geographischen Lupe

Die Winterspiele 2014 finden im russischen Sotschi, genauer gesagt in Adler und Krasnaja Poljana statt. Denn in dem Ort Adler, welcher verwaltungstechnisch zu Sotschi gehört und sich rund 30 Kilometer südlich vom Stadtzentrum Sotschis befindet, liegt der eigens für die olympischen Wettkämpfe errichtete Olympiapark. Sotschi, der rund 100 Kilometer lange Großraum am Schwarzen Meer im Süden Russlands, war und ist in Russland und den ehemaligen Ländern der Sowjetunion ein bekannter und beliebter Bade- und Kurort. Als die „rote Riviera“ oder auch das „St. Tropez der Sowjetunion“ bezeichnet, ist Sotschi wegen seiner reizvollen Lage zwischen Meer und dem Kaukasusgebirge und seinem subtropischen Klima der Inbegriff des russischen Kurortes.

Und nun werden in einer von subtropischem Klima gekennzeichneten Gegend die Olympischen Winterspiele 2014 abgehalten. Ein Widerspruch? Nicht ganz. Schnee, Bob- und Rodelwettkämpfe finden in den Bergen des Westkaukasus statt – im Gebirgsdorf Krasnaja Poljana, welches nur ca. 40 Kilometer von Adler entfernt liegt. Viel wurde über die Schneesicherheit im Gebirge geredet, weshalb die russischen Organisatoren Schnee unter speziellen Planen gehortet hatten. Und auch jetzt berichten Medien von viel zu hohen Temperaturen bei den Wettkämpfen in den Bergen. Aber eigentlich ist die Region schneesicher. „Durch die Staulage der Berge gibt es viele Niederschläge und in der Höhenlage dann auch Schnee“, erklärt Prof. Dr. Daniel Göler, Professor für Geographische Migrations- und Transformationsforschung. Göler beschäftigt sich seit Jahren mit den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und des ehemaligen Ostblocks sowie deren gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Situation in Sotschi hat er deshalb besonders aufmerksam verfolgt, nicht zuletzt auch für seine Vorlesung über Russland im Wintersemester 2013/14.

Im Vorfeld der Spiele gab es weltweit Kritik an den immensen Kosten, rund 40 Milliarden Euro sollen es sein, und am wenig beachteten Umweltschutz. So wurden aus dem Nichts in Adler die Wettkampfstadien errichtet und für die Infrastruktur im Naturschutzgebiet gebaut. Es sei falsch zu glauben, durch die Spiele sei der gesamte Kaukasus umgewälzt worden. „Die Veränderungen betreffen nur einen kleinen Teil des Westkaukasus“, so Göler. Aber die Frage nach einer weitsichtigen und nachhaltigen Nutzung der Sportstätten nach den Spielen stelle sich, denn die Anlagen kosteten jede Menge, erklärt der Geograph.

Vergleich mit München

Kritisiert wurde in den Medien außerdem, dass die Bevölkerung vor Ort kein Mitspracherecht bei der Vergabe der Spiele und den baulichen Gegebenheiten hatte. „Prinzipiell stellt sich die Frage nach dem Sinn von solchen Spielen überhaupt“, erklärt Göler. Dass ein nachhaltiges Konzept und Mitspracherecht der örtlichen Bevölkerung auch auf Ablehnung stoßen kann, habe man bei der erneuten Bewerbung Münchens für die Olympischen Spiele 2022 gesehen. „Aber vielleicht können ja die Organisatoren von Sotschi in anderer Weise auf München sehen und von deren Olympia-Erfahrung von 1972 profitieren“, meint der Geograph. So wird in München das Olympische Dorf von damals heutzutage als Wohn- und Erholungsraum genutzt. Und dank der Spiele erhielt München seine U-Bahn.

Die Möglichkeiten nutzen

„Das Potential ist auf jeden Fall da, einen gut entwickelten Touristenort zu etablieren. Eine interessante Verbindung von Sommer- und Wintertourismus zu finden, ist die Aufgabe der Organisatoren“, so Göler. Ob sich die Region allerdings zu einem auch international gefragten Wintersportzentrum entwickelt, sieht der Geograph eher skeptisch. Denn eine traditionelle Skigegend sei der Kaukasus nicht, obwohl es dort schon vor den Spielen Skiresorts gab. Die örtliche Nachfrage durch die rund 400 000 Einwohner sei eher gering. Und eigentlich führen die Russen ohnehin lieber in den Alpen Ski. Letztendlich stelle sich eine Grundsatzfrage: Will Russland überhaupt internationale Touristen? Denn der Aufwand bei der Visabeantragung, die hohen Flug- und Übernachtungskosten vor allem in der Hauptstadt und nun auch in Sotschi sind nicht gerade touristenfreundlich. Hier ist noch viel Potential auszuschöpfen.

Neues Selbstbewusstsein

Im Falle der Olympischen Spiele ging es den Russen aber um etwas anders. Die Spiele seien ein Symbol des Landes an die Welt zu zeigen, dass es in der Lage ist, sich die Spiele zu leisten und sie ordentlich durchzuführen, so Göler. Ein wiedererstarktes Großmachtstreben des größten Landes der Erde zeige sich dadurch. „Mit den Spielen kommt selbstverständlich der russische Nationalstolz wieder auf und die Erwartungen an die Medaillen sind hoch“, erklärt der Geographieprofessor. „Natürlich wäre das Geld, welches für die Spiele ausgegeben wurde, woanders besser aufgehoben gewesen. Die Probleme gerade in der Infrastruktur in den Provinzen sind enorm“, sagt Göler. Das hat er selbst bei einer Exkursion letztes Jahr durch Weißrussland, Moskau und die Region herum kennengelernt. Aber solche Probleme gebe es beispielsweise auch in Brasilien, wo in diesem Sommer die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden wird, erklärt er.

Nach den Olympischen Spielen wird sich zeigen, wie Sotschi den nun global erlangten Bekanntheitsgrad nutzen und die Sportstätten verwenden wird. Auf jeden Fall wird Sotschi der internationalen Sportwelt in den nächsten Jahren ein Begriff bleiben: Zunächst finden vom 7. bis 16. März die Paralympischen Spiele statt. Im Oktober folgt erstmals der Große Preis von Russland in der Formel 1. Die Trasse soll übrigens um das Olympische Dorf führen. Und im Jahr 2018 ist Sotschi ein Austragungsort für die Fußball-Weltmeisterschaft. Sorge, ob diese Großveranstaltungen gut organisiert sein werden, hat Göler nicht: „Eins ist bei diesen Großveranstaltungen in Russland sicher – sie werden funktionieren!“

Hinweis

Diesen Text verfasste Freyja Ebner für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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