Thomas Weißer erklärt den Kindern den Sinn von Regeln (Fotos: Michael Hoch/Fränkischer Tag)

Gespannt lauschen die Kinder den Ausführungen des Professors...

...und erhalten später die zehn Gebote als Lesezeichen.

Auch für das Leben gibt es Spielregeln

Erste Kinder-Uni-Vorlesung im Semester

Du sollst Hausaufgaben machen! Du sollst nicht verschlafen! Du sollst pünktlich zur Schule kommen! Du sollst an der roten Ampel stehen bleiben ... „Jeden Tag müssen wir uns an Regeln halten. Warum eigentlich? Wofür brauchen wir Regeln?“ Das will Thomas Weißer von den Jungen und Mädchen wissen, die zur Kinder-Uni-Vorlesung „,Du sollst – nicht!‘ Die zehn Gebote und der Sinn von Regeln“ in die Universität Bamberg gekommen sind. Thomas Weißer ist Professor für Theologie, er befasst sich also viel mit Gott und Religion. Zuerst einmal klärt er mit den Nachwuchs-Studenten, was eine Regel überhaupt ist: Dafür holt er einige unterschiedliche Bälle aus einer großen Tasche heraus. Ein paar Kinder sehen sich verwundert an. „Was ist das?“, fragt der Professor und hält einen großen blau-weißen Ball in die Höhe. „Ein Fußball“, sagt ein Junge. „Und das?“ „Ein Handball“, ruft ein anderes Kind. Dann hält er noch einen Flummi, einen Federball und einen Jonglierball hoch. „Jetzt will ich Handball spielen“, sagt er und nimmt den Jonglierball in die Hand. „Kann ich den Jonglierball dafür nehmen?“ „Nein“, da sind sich die meisten Kinder einig. „Warum?“, will der Professor wissen. „Mit dem kann man nicht dribbeln“, sagt ein Junge, der sich da zu gut auszukennen scheint. Ein anderer Junge meldet sich: „Den kann der Torwart nicht halten. Und das wäre gegen die Regeln.“ Aha! „Beim Sport sind Regeln also wichtig“, fasst der Professor zusammen. Klar, sonst kann man ja nicht zusammen spielen.

In der Schule gibt’s auch Regeln

Jetzt sammeln alle zusammen weitere Regeln, die man täglich befolgen muss: In der Schule soll man nicht einfach so reinrufen, mit dem Fahrrad soll man auf dem Fahrradweg fahren, wer einen Chef hat, soll auf ihn hören, und der Arzt kann nicht einfach mit einer Gartenschere operieren, nur weil er heute Lust dazu hat. „Regeln regeln unser Verhalten in verschiedenen Bereichen und auch unser Zusammenleben“, fasst Professor Weißer zusammen.

„Regel“ kommt von Richtschnur

Jetzt wird’s kurz lateinisch: „Regel kommt vom lateinischen Wort regula, das heißt so viel wie Maßstab oder Richtschnur“, erklärt Thomas Weißer und zeigt ein Bild: Darauf sieht man, wie eine Mauer gebaut wird. Backstein auf Backstein. Eine gelbe straff gespannte Schnur liegt ganz eng an den Steinen an und sorgt dafür, dass die Steine gerade in einer Reihe gemauert werden. „Wenn diese gelbe Richtschnur reden könnte“, sagt Professor Weißer, „würde sie mir sagen, wie ich die Mauer bauen soll, damit sie gerade wird.“Aha! Das Wörtchen „sollen“ kommt anscheinend oft bei Regeln vor: „Die Sätze mit dem Wort ,sollen‘ drin, die wollen was von uns“, sagt der Professor und nennt ein paar Beispiele: „Es gibt Sollen-Sätze, die richten sich an alle – etwa dass Verkehrsteilnehmer an einem Stopp-Schild stoppen sollen“, er hält ein Stopp-Schild hoch. Klar, das gilt für alle, sonst herrscht schnell Chaos an der Kreuzung. „Und dann gibt es auch Sollen-Sätze, die nur für mich gelten.“ Klarer Fall: Wenn Mama sagt, du sollst dein Zimmer aufräumen, dann will sie, dass du (und nur du) Ordnung in dein Chaos-Zimmer bringst. Das ist dann eine Soll-Aufgabe nur für dich. Auch die zehn Gebote der Juden und Christen sind Regeln, die sich an dich richten. In jedem Gebot heißt es „du sollst“ oder „du sollst nicht“. „Die zehn Gebote regeln die Beziehung von Gott und den Menschen und das menschliche Miteinander“, erklärt Professor Weißer. „Einige kennen wir gut: Du sollst deine Eltern ehren, zum Beispiel. Und andere Menschen umzubringen, sollte man lieber lassen.“ Viele Kinder kichern. Der Professor geht mit ihnen die zehn Gebote durch. Jetzt wird’s kurz griechisch: Die zehn Gebote nennt man auch Dekalog. Deka heißt zehn und logos heißt Satz oder Wort.

Regeln muss man überprüfen

Eine ganz wichtige Sache bespricht Professor Weißer noch mit den Jungen und Mädchen: „Es gibt auch falsche Regeln“, sagt er und erklärt das Ganze an einem Beispiel: „Stellt euch vor, ihr wartet auf den Schulbus. Die Tür geht auf und der Busfahrer sagt, alle, die blonde Haare haben, dürfen heute nicht einsteigen.“ Einige Kinder schnaufen empört. „In Südafrika hat es bis vor ein paar Jahren die Rassentrennung gegeben“, fährt der Professor fort. „Da durften schwarze Menschen zum Beispiel bestimmte Taxis nicht nehmen, sie durften nicht in bestimmte Kinos oder Restaurants gehen – da durften nur weiße Menschen rein.“ Viele Jahre lang gab es deswegen große Auseinandersetzungen, „und heute gibt es die Rassentrennung zum Glück nicht mehr“. Der Professor fasst für alle zusammen: „Regeln helfen, dass Menschen ähnlich handeln – etwa beim Fußballspielen. Sie sorgen dafür, dass wir keine Angst haben müssen – zum Beispiel im Straßenverkehr. Regeln machen das Leben leicht. Aber Regeln darf und muss man auch hinterfragen: Ist eine Regel sinnvoll und gut?“ Die jungen Studenten sind sichtlich beeindruckt.

Hinweis

Dieser Artikel von Isabelle Epplé erschien am 18. November 2013 im Fränkischen Tag und wurde mit freundlicher Genehmigung des Fränkischen Tages veröffentlicht.