Jürgen Bründl (Foto: Jenny Wehrl)

Vom Menschen her und zu ihm hin

Jürgen Bründl ist neuer Inhaber des Lehrstuhls für Fundamentaltheologie und Dogmatik

Das Zweite Vatikanische Konzil, mit dem die Kirche sich ausdrücklich zum Dienst am Menschen bestimmte, hat Jürgen Bründl von Anfang an nachhaltig beeindruckt. So nachhaltig, dass er zunächst einem Menschen nach Würzburg folgte und nicht einer Lehre. Bis heute hat dieses kirchengeschichtliche Ereignis nichts von seiner Faszination verloren und leitet ihn durch seinen universitären Alltag. „Die Fragen der Theologie sind die Fragen der Menschen. Man muss nicht nur von Gott reden, um ernsthaft Theologie betreiben zu können“, erläutert der Wissenschaftler.

Denn: „Lehre wird dann doktrinär, wenn sie ihre eigenen Lösungen wichtiger nimmt als die Probleme der Menschen.“ Aus diesem Grundsatz ergeben sich auch die ungewöhnlichen Perspektiven, über die Bründl den Zugang zu theologischen Fragen sucht. Naturwissenschaft vor allem, aber auch Wirtschaft oder Kultur sind für ihn Ausdrucksformen menschlichen Seins, zu denen die Theologie in Beziehung treten muss, wenn sie sich vom Menschen her und zum Menschen hin verstehen will.

In seinem Studium hat Bründl vor allem gelernt, hinter die Fassade der traditionellen Frömmigkeit zu schauen und gerade die schwierigen, unbequemen Themen, an denen sich die Katholische Theologie als Wissenschaft abarbeiten muss, als wertvoll schätzen gelernt. Besonders prägend war für ihn die Zeit während des ersten Irakkriegs, als eine Exegese-Vorlesung zugunsten einer spontanen Protestdemonstration ausfiel, obwohl Stunden später bereits eine Großdemonstration stattfinden sollte. „Ich weiß noch, wie erbost ich damals war. Es kann doch nicht sein, dass unsere Reaktion auf dieses Ereignis, vor dem Hintergrund, dass bereits eine andere Demonstration angekündigt war, darin besteht, dass wir das Denken einstellen und das das einzige ist, was Theologie als Theologie kann. Sie muss natürlich auch auf die Straße, aber eben nicht nur.“ Die Frage, wie es anders geht, wie die Theologie solche Ereignisse von der Straße in den Raum des Gesprächs und in die thematische Arbeit einbringen kann, begleitet Jürgen Bründl seitdem durch seine wissenschaftliche Laufbahn.

Forschungsschwerpunkte

In seinen Lehrveranstaltungen legt er daher viel Wert auf Aktualität: Die Flüchtlingskatastrophe von Lampedusa, Wirtschafts- oder auch die Schuldenkrise sind Themen, mit denen er die Studierenden „packen“, sie zum Nachdenken anregen will. „Schließlich ist Ökonomie ein Grundbegriff der christlichen Trinitätslehre. Da kann man sich schon fragen, warum wir Christen der Wirtschaft so nahe stehen und unsere Religion auch oft bedenklich kapitalistische Züge trägt.“ Die Kunst besteht für Bründl darin, diese Themen mit den theoretischen und methodischen Grundlagen, die er den Studierenden in seinem Fach verpflichtend vermitteln muss, zu kombinieren.

Dankbares Medium hierfür sind Filme, die er auch immer wieder in seine Seminare einbaut. Aktuell betreute er zum Beispiel gemeinsam mit der Filminitiative Würzburg eine öffentliche Film-/Diskussionsreihe zum Thema „Altern“. Präsentationsstrategien und Inszenierungen des Glaubens sind zudem eines von drei Forschungsschwerpunkten des Theologen. „Außerdem beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Menschwerdung und der Frage, wie Tradition funktioniert, warum die Menschen beispielsweise an Christus glauben, obwohl Jesus sich selbst gar nicht für einen Messias gehalten hat“, erläutert der Theologe.

Dass Bründl sich mit diesen Themen einmal als Fundamentaltheologie und Dogmatiker auseinandersetzen würde, kristallisierte sich erst nach und nach heraus: „Mich haben alle vier großen Bereiche der Theologie, Kirchengeschichte, Bibelwissenschaften, angewandte Theologie und auch die systematische Theologie immer sehr interessiert. Aber letztendlich hat es mich immer zur Systematik gezogen“, erzählt er. „Vermutlich deshalb, weil dort die Grenzen zwischen Glaubenstätigkeit, gelebter Frömmigkeit und wissenschaftlicher Arbeit am klarsten gezogen werden konnten. Mich hat es immer gestört, wenn diese Bereiche vermischt wurden, weil man so seine Gesprächsfähigkeit verliert.“ In diesem Fall könne man religiöse Phänomene nicht zur Sprache zu bringen, ohne voraussetzen zu müssen, dass sein Gesprächspartner dasselbe glaubt oder überhaupt glaubt.

Freiräume im Studium schaffen

Klarheit ist wichtig für Bründl, auch in den Begrifflichkeiten und im Denken. „Missionarisch bedeutet nicht dasselbe wie missionieren und Christus ist nicht der Nachname von Jesus“, erläutert er mit einem Augenzwinkern. „Wenn die Studierenden diese Differenzierungsfähigkeit und dieses Verständnis für einzelne Bedeutungen nach ihrem Abschluss besäßen, hätte ich ein wichtiges Ziel in meiner universitären Lehre erreicht.“

Kompetenzerwerb ist das zweite Stichwort, was den Wissenschaftler umtreibt. „Diese eminente Effizienzorientierung in den modularisierten Studiengängen wirkt dem entgegen, was wir brauchen, nämlich Menschen, die keine Lösungen auf ihre Probleme präsentiert bekommen wollen, sondern sich hinsetzen und in ein Thema vertiefen.“ Bründl arbeitet deshalb zusammen mit dem Institut für Katholische Theologie daran, Angebot und Anrechnung der Lehrveranstaltungen möglichst flexibel zu gestalten, um den Studierenden einen möglichst individuellen Studienweg zu ermöglichen und Freiräume zu schaffen – beispielsweise zum Nachdenken.

Hinweis

Diesen Text verfasste Tanja Eisenach für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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