Geschenkte Freiheit

Von welchen Voraussetzungen lebt der demokratische Staat?

Antrittsvorlesung von Prof. Heinrich Bedford-Strohm

 20.10.2004

  

Text von Gertrud Pechmann

Uni Bamberg News Nr. 204 vom 27.10.04

Sind Theologie und Religion heute noch wichtig für den Staat? Dieser Frage ging Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, neuer Inhaber des Lehrstuhls für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt für Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen, während seiner Antrittsvorlesung am 20. November nach. Seine These: Eine moderne Demokratie ist sogar auf Theologie und Religion angewiesen, wenn sie sich selbst treu bleiben, aber auch zeitgemäß weiterentwickeln will. Vielen Kollegen aus Bamberg und Erlangen, aber auch Gläubige aus seiner jüngsten Kirchengemeinde St. Moriz in Coburg und die Familie des frischgebackenen Lehrstuhlinhabers lauschten gespannt seinen Ausführungen. Prominentester Gast war der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber.

Nicht garantierbare Voraussetzungen
Ausgangspunkt für Bedford-Strohms wissenschaftliche Überlegungen war ein Zitat des früheren Bundesverfassungs-richters Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Demnach betrachtet sich der demokratische Staat heute als weltanschaulich neutral. Wie aber kann er Menschen mit den verschiedensten Lebensentwürfen zusammenhalten?

Bedford-Strohm skizzierte in seinem Vortrag einige Lösungen zeitgenössischer Philosophen und Staatstheoretiker. So zum Beispiel die Vorschläge von Jürgen Habermas: Die Integration der Bürger geschehe am besten durch die Organisation einer politischen Meinungs- und Willensbildung. Dass aber politische Bildung die Herzen der Menschen nur begrenzt erreiche, habe auch dieser Philosoph inzwischen bemerkt, erklärte Bedford-Strohm. Habermas plädiere inzwischen für eine „kritisch-integrative“ Haltung des Staates. Dabei solle er die Religiosität seiner Bürger ernst nehmen und in sein Handeln einbeziehen, genauso aber müsse sich die Religion vernünftig hinterfragen lassen.

Menschenrechte Errungenschaft christlicher Theologie
Gerade in Habermas’ jüngster These aber findet sich eine Haltung, die sich die evangelische wie katholische Ethik schon lange zu eigen gemacht hat: Glaube und Wissen gehören zusammen. Glaube und daraus abgeleitete Werte müssten vernünftig begründbar sein. „Religion kann eine Ressource für die Demokratie sein“, erklärte Prof. Bedford-Strohm. So seien die in Deutschland gesetzlich verankerten Menschenrechte zum Beispiel eine Errungenschaft christlicher Theologie. „Auch nicht-religiösen Menschen muss deutlich werden, warum der vertretene Inhalt Sinn macht“, betonte Bedford-Strohm. Viele biblische Gebote wie zum Beispiel die Goldene Regel (Mt 7,12) seien von jedem Menschen einsehbar, weil sie zu einem guten Miteinander beitragen: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“


Inwieweit die Religion sich aber einbringen könne, hänge davon ab, welche Rahmenbedingungen der Staat für sie schaffe. Im Hochschulbereich dürften deshalb nicht einseitig die Wissenschaften gefördert werden, die „die Fitness im Wettbewerb einer globalisierten Wirtschaft stärken können, sondern es müssen auch die Wissenschaften gleichrangige Förderung bekommen, die zur Reproduktion des kulturellen Gedächtnisses beitragen“. Die biblische Überlieferung und die theologische Tradition gäben dem Staat keine fertigen Antworten auf die Frage nach seinen Voraussetzungen, so Bedford-Strohm selbstbewusst - aber sie seien bei der Suche nach einer Antwort wichtige Gesprächspartner.