Der Papst, der alles anders macht?

Start des Theologischen Forums 2014/2015

„Der Papst, der alles anders macht“ lautet das Thema des Theologischen Forums, das im Wintersemester 2014/15 vom Institut für Katholische Theologie ausgerichtet wird. In der Auftaktveranstaltung der Ringvorlesung, an der etwa 120 Besucher teilnahmen, führte Prof. Dr. Michael Sievernich SJ mit seinem Vortrag unter dem Titel „Der neue Stil des Papstes. Jesuitische und lateinamerikanische Quellen seiner Pastoral“ in den spirituellen und politischen  Hintergrund von Papst Franziskus ein.

Prof. Dr. Klaus Bieberstein betonte in seiner Einführung, dass der am 13. März 2013 zum Papst gewählte Jorge Mario Bergoglio hohe Erwartungen an seine Person wecke; über den genauen Hintergrund seines Wirkens bestehe jedoch Unklarheit. Diese näher zu erläutern ist das Anliegen von Prof. Dr. Sievernich (Universität Mainz und Philosophisch-Theologische Hochschule Frankfurt St. Georgen), der Bergoglio seit 1985 kennt. Der Referent stellt den Papst als einen Menschen vor, der die Überraschungen, die Gott für das Leben jedes Menschen und für die ganze Kirche bereithält, hochschätzt. Eine solche Überraschung war bereits die Wahl des Lateinamerikaners und Jesuiten, der sich durch die Wahl des Namens Franziskus zu den programmatischen Schwerpunkten der Sozialen Frage und der Liebe zu den Armen im Sinne des letzten Verses des Sonnengesangs seines Namenspatrons bekannte: „[...] und dient ihm mit großer Demut“.

In einem ersten Schritt ging Sievernich auf den lateinamerikanischen Hintergrund des Papstes ein, der als Einwohner und späterer Bischof von Buenos Aires die urbane Kultur mit ihrem extremen sozialen Gefälle und ihren spezifischen politischen Problemstellungen genau kennt. Während der Militärdiktatur leitete Bergoglio den Jesuitenorden in Argentinien und hat – so Sievernich – durch seinen persönlichen Einsatz Menschenleben gerettet. Auch er steht damit in der Tradition jener „Option für die Armen“, welche die Lateinamerikanische Kirche zum Leitwort ihrer Pastoral gemacht hat. Deren „argentinischen Variante“, in der die Volksfrömmigkeit einen hohen Stellenwert einnimmt, bringt der Papst explizit zum Ausdruck. Franziskus könne also als „Pastoraltheologe der Befreiung“ verstanden werden, der mit seinem in Evangelii gaudium formulierten Plädoyer für eine „Arme Kirche der Armen“ den klaren Fokus seiner Theologie auf die zunehmenden Probleme der Südhalbkugel  setzt.

Sievernich, der selbst 1965 in die Gesellschaft Jesu eingetreten ist, stellte daraufhin Grundzüge der ignatianischen Spiritualität des Papstes heraus. In dieser haben die ignatianischen Exerzitien als eine das Leben ordnende Unterscheidung der Geister Meditation eine große Bedeutung. Jorge Mario Bergoglio war an der Erarbeitung der aktuellen Programmatik des Jesuitenordens als Provinzial beteiligt, deren Ergebnis die Erweiterung der Glaubensdimension um die Frage der Gerechtigkeit war. Als Papst sei es – so Sievernich – Franziskus’ Anspruch, die globalisierte Soziale Frage als ethisches Problem dezidiert theologisch zu artikulieren.

Im Anschluss an diese Klärung der Hintergründe beleuchtete Sievernich den neuen Stil des Papstes, der zunächst zwar den Inhalten untergeordnet werden müsse, aber dennoch ein entscheidendes Kriterium der Kommunikation sei. Er stellt dabei besonders die Verwendung der einfachen Sprache des Volkes durch den Papst heraus, der damit bewusst seine Nähe zu den Benachteiligten und im gesellschaftlichen Abseits Stehenden beweist und auch die kirchliche Leitungsebene im Sinne seines neuen Führungsstils kollegial umgestaltet. Sievernich erinnerte diesbezüglich an Bergoglios „Brandrede“ im Vorkonklave, in der er für die Evangelisierung der Kirche plädiert und eine Kirche, die seiner Meinung nach zu sehr um sich selbst kreise, zum Auszug in die Welt und in die Peripherie ermahnt.

In Evangelii gaudium erkennt Sievernich Franziskus’ klare Programmatik: Die drei Forderungen nach missionarischer Orientierung, pastoraler Neuausrichtung sowie nach Reform der Kirche beruhen auf einer spirituellen, einer sozialen und einer pastoralen Achse.

Ganz im Sinne des Namens von Bergoglios Heimatstadt („Ciudad Autónoma de Buenos Aires“ – „unabhängige Stadt der guten Lüfte“) beendete Sievernich seien Vortrag mit der Feststellung, dass zur Zeit „günstige Winde wehen“ und der Aufforderung, diesen Geist „wehen zu lassen, wo er will: in Rom, in Bamberg und anderswo“.

Den Abend beschloss nach einer erfreulich regen Diskussion des Publikums mit dem Referenten der alljährliche Empfang des Instituts für Katholische Theologie mit Wein und Gebäck.

Hinweis

Diesen Text verfasste Simon Steinberger. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.